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Neue Solidarität
Nr. 2, 11. Januar 2012

Grundrechte in den USA aufgehoben -
2. amerikanische Revolution oder Hölle

Von Helga Zepp-LaRouche

Am 31. Dezember setzte US-Präsident Barack Obama faktisch die Bill of Rights außer Kraft, denn der neue Verteidigungshaushalt erlaubt u.a. die unbegrenzte Inhaftierung ohne Anklage, ohne Rechtsbeistand und ohne Prozeß, Folter, Verschleppung und gezielte Tötung auch amerikanischer Staatsbürger. Wir brauchen eine zweite Amerikanische Revolution, die in Amerika und auf dem europäischen Kontinent das Gemeinwohl, die Freiheit und die Menschenwürde erstreitet.

Das transatlantische Finanzsystem ist hoffnungslos bankrott, der Euro ist gescheitert, und es ist schon fast Haarspalterei, ob die Insolvenz Griechenlands oder Italiens der Auslöser für das Auseinanderbrechen von Eurozone und EU werden. Genau wie in den dreißiger Jahren reagiert die internationale Finanzoligarchie auf die neue Weltfinanz- und -wirtschaftskrise mit Faschismus und Kriegsplänen. In den USA hat Präsident Obama soeben die Bill of  Rights, die an sich unveräußerlichen Grundrechte der Verfassung, außer Kraft gesetzt, und die Geheimdienstdivisionen der Finanzoligarchie setzen mit einer Reihe offener und verdeckter Operationen auf Regimewechsel gegen die kommende Putin-Präsidentschaft in Rußland; die britische Regierung propagiert offen eine Konfrontation mit dem Iran, die kurzfristig zum Dritten Weltkrieg führen könnte. Wenn man all diese Aspekte zusammen betrachtet, dann wird deutlich: Die Menschheit stand noch nie vor einer so existentiellen Bedrohung wie in diesem Augenblick.

Dies alles halten Sie für maßlos übertrieben oder vollkommen absurd? Dann sind Sie wahrscheinlich auch den Medien auf den Leim gegangen und glauben, daß die Saga um Präsident Wulff, und ob dessen Frau Bettina kostenlos Roben von Stardesignern getragen hat, das wichtigste Thema sei, das uns beschäftigen sollte. In Wirklichkeit fallen diese Fragen eher in die Kategorie schwarzer Kriegspropaganda: Was auch immer die Verfehlungen des Bundespräsidenten sein mögen, gemessen an der oben skizzierten Realität sind sie bedeutungslose Randnotizen.

Denn in den gleichen Medien findet sich bislang nicht ein einziger Artikel, der die ungeheuerlichen Vorgänge in den USA kommentiert. Nach einer langen Reihe von Verfassungsbrüchen, vom Angriffskrieg gegen Libyen unter Umgehung des Kongresses, über die Aushebelung des Haushaltsrechtes des Kongresses durch ein „Superkomitee“, bis hin zu wiederholten Mißachtungen der Gewaltenteilung hat Obama am 31.12. 2011 mit dem NDAA ein Gesetz unterschrieben, das die ersten zehn Zusatzartikel der Verfassung, die eigentlich unveräußerliche Rechte darstellen, praktisch außer Kraft setzt. Dieses Gesetz, das u.a. die unbegrenzte Inhaftierung ohne Anklage, ohne Rechtsbeistand und ohne Prozeß für Personen auf der ganzen Welt, einschließlich amerikanischer Staatsbürger, erlaubt, ferner Folter, Verschleppung und gezielte Tötung, ist in seinem unverhohlenen Charakter beispiellos in der Geschichte.

Obama ein neuer König Georg III.?

In den USA selbst entwickelt sich derzeit ein explosiver Widerstand gegen diese praktische Aufhebung der amerikanischen Verfassung, deren ausschließlich dem Gemeinwohl und der Souveränität verpflichteter Charakter dem Erfolg des Unabhängigkeitskrieges gegen das Britische Empire zu verdanken war. Schon mehren sich Artikel, die Obama mit König Georg III. vergleichen, gegen den die Amerikanische Revolution gerichtet war, oder es werden seitenlang die konkreten Textstellen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung angeführt, gegen die Obamas Politik so überdeutlich verstößt. Ganz plötzlich ist so ins öffentliche Bewußtsein gedrungen, was lange Zeit unter hypnotisierten Obama-Fans ein Denkverbot war: Obama wird plötzlich als Marionette des Britischen Empires wahrgenommen!

Georg III. verlor seinerzeit angesichts des Verlusts der amerikanischen Kolonien buchstäblich den Verstand, und zunächst versuchte das Britische Empire, die Amerikanische Revolution durch Subversion, Einflußagenten, den Krieg von 1812 und später den Bürgerkrieg, in dem England mit der Konföderation der Südstaaten verbündet war, rückgängig zu machen.

Nach dem Sieg Abraham Lincolns über die Sklavenhalter-Staaten im Süden kam man zu dem Schluß, daß Amerika militärisch nicht mehr besiegt werden könne. Von da ab konzentrierte sich das Vereinigte Königreich darauf, das amerikanische Establishment dafür zu gewinnen, den Charakter der USA als Republik aufzugeben. Dies war die Politik von Lord Alfred Milners „Kindergarten“, dem berüchtigten Roundtable, und sie wurde am klarsten dargelegt in dem Buch „The Open Conspiracy“ (dt.: Die offene Verschwörung. Aufruf zur Weltrevolution) von H.G. Wells: daß es darum gehe, die amerikanische Machtelite dafür zu gewinnen, das Herrschaftsmodell des Britischen Empires zu ihrem eigenen zu machen und dann nach dem Prinzip „britisches Gehirn und amerikanische Muskeln“ gemeinsam über ein angloamerikanisches globales Empire zu herrschen.

Gleichzeitig bestand aber auch die Tradition der Amerikanischen Revolution in den USA fort, die von Präsidenten wie John Quincy Adams, Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt, aber auch von Martin Luther King wiederbelebt wurde.

Die Frage, von der buchstäblich das Schicksal der Welt abhängen wird, ist die, welche dieser Traditionen sich in dieser Zusammenbruchskrise des globalen Finanzsystems in Amerika durchsetzen wird - die imperiale, anglophile Tendenz, oder die Identität des Amerika des Unabhängigkeitskrieges gegen dieses Empire und damit einer Verfassung, die die bisher klarste Formulierung republikanischer Prinzipien in der Geschichte darstellt.

Lyndon LaRouche und die mit ihm verbundene Liste von Kongreßkandidaten hat die Verteidigung der amerikanischen Verfassung und der darin verankerten Prinzipien zum Austragungsort erklärt, an dem entschieden werden muß, ob Amerika zusammen mit Großbritannien die Welt in den Dritten Weltkrieg führt, oder ob es zu seiner ursprünglichen Identität als Republik  und „Tempel der Freiheit“ , wie es zur Zeit der Amerikanischen Revolution genannt wurde, zurückfindet.

Wirtschaftspolitik in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Verfassung bedeutet heute praktisch, daß die USA sofort und ohne die kleinste Veränderung das Glass-Steagall-Gesetz wiedereinführen müssen, mit dem Präsident Franklin Roosevelt die USA in den dreißiger Jahren aus der Depression geführt hat. Die Geschäftsbanken und alle Bereiche des Gemeinwohls werden unter staatlichen Schutz gestellt, während alle Schulden aus dem Kasino-Bereich der Wirtschaft ersatzlos gestrichen werden. Aber eine Rückkehr zum Glass-Steagall-Standard ist nur der erste Schritt. Er muß mit der Wiedereinführung des Nationalbank- und Kreditsystems verbunden werden, das der erste Finanzminister der USA, Alexander Hamilton, zur Grundlage des amerikanischen Wirtschaftssystems gemacht hat. Wenn Amerika diesen Weg geht und Kreditlinien für großangelegte Wiederaufbauprojekte wie NAWAPA in der Tradition von Roosevelts New Deal und des TVA-Programms auf die Tagesordnung setzt, dann haben Europa und der Rest der Welt eine Chance, diesen Vorgaben zu folgen, und die Welt kann vom Rande des Abgrundes zurückgerissen werden.

Drohende Machtprobe

Daß die aktuellen Kriegstreiber die Briten sind - wie schon beim Irakkrieg, für den das berühmte MI5-Memorandum Collin Powell bei seiner UN-Rede zur Vorlage diente -, unterstrich nun der britische Verteidigungsminister Philip Hammond, der in einer Rede vor dem Atlantic Council vehement behauptete, der Iran sei dabei, „so schnell wie möglich“ Atomwaffen zu bauen, eine Behauptung, die von amerikanischen Geheimdiensten und dem ehemaligen IAEA-Chef Hans Blix bestritten wird. Ins gleiche Horn stieß der Sprecher des Londoner Royal United Services Institute (RUSI), Dr. Jonathan Eyal, der einer entscheidenden US-iranischen Machtprobe für 2012 das Wort redete.

„Die Gefahr ist nicht länger die einer katastrophalen Fehlkalkulation seitens der einen oder anderen Seite, sondern die einer vollen vorauskalkulierten militärischen Machtprobe. Und es ist fast sicher, daß dies vor Jahresende geschehen wird“, schreibt Eyal. Alle Falken der angloamerikanischen Allianz sind sich einig, daß der Militärschlag gegen den Iran kurzfristig erfolgen wird - wohlwissend, daß dies zum Dritten Weltkrieg führen wird. Lyndon LaRouche kommentierte dies so: „Wenn man ihre Lügen als das versteht, was ihre Absicht ist, dann geht es um einen Krieg der Monarchie gegen Syrien, Iran, Rußland und China.“

Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, scheint einem breiten Spektrum von Kräften in den USA zu dämmern, was auf dem Spiel steht. So kommentierte das Investors Business Daily die Ernennung neuer Funktionsträger unter expliziter Mißachtung des Senats unter der Überschrift: „Obamas Recess Appointments: An Impeachable Offense?“ („Obamas Kongreßferien-Ernennungen: ein anklagbares Vergehen?“) mit der Einschätzung, daß das I-Wort - Impeachment - vielleicht jetzt noch nicht zum Haushaltswort der Washingtoner gehöre, daß dies aber sehr bald der Fall sein könne. Und die Chicago Tribune veröffentlichte einen Cartoon, in dem Obama in seinen Badzimmerspiegel schaut, aus dem ein freundlich lächelnder Cheney zurückblickt. In einer dazu gehörenden Kolumne heißt es, daß es zu den Überraschungen während der Wahlkampagne von 2007 gehört habe, daß Obama und Cheney Cousins 8. Grades seien. Aber heute sei klar, daß dieser Bericht falsch war, denn sie seien in Wirklichkeit Zwillinge.

In zahlreichen Bürgerversammlungen, die Kongreßabgeordnete und Senatoren in der Sitzungspause in ihren Wahlbezirken abhalten, machen Bürger lauthals ihrer Empörung über Obamas Unterschrift unter dem NDAA, das allgemein mit den Ermächtigungsgesetzen von 1933 verglichen wird, Luft, die Büros der Abgeordneten werden mit Anrufen und E-Mails überflutet, die fordern, daß die Abgeordneten dafür sorgen müssen, daß dieses Gesetz zurückgenommen wird. Der ehemalige Staatssekretär der Reagan-Administration Paul Craig Roberts befindet, daß die Perspektive für die Freiheit düster sei. „Die Autoren, die kritisch gegenüber Washingtons illegalen Kriegen und der Ausschaltung der Verfassung seien, könnten sich bald in unbegrenzter Haft wiederfinden.“

Ob der Dritte Weltkrieg womöglich jegliches menschliches Leben auf der Erde auslöschen wird, oder ob der Systemkollaps des hoffnungslos bankrotten Finanzsystems die Welt „nur“ in ein Chaos stürzen wird, das einigen Milliarden Menschen das Leben kosten kann, diese Frage wird zuallererst davon entschieden, ob die USA ihre eigene Verfassung zurückerobern.

Die Demokratie und die Verfassung sind nicht nur in den USA praktisch außer Kraft gesetzt, sondern auch in Europa in höchster Gefahr. Wir brauchen eine zweite Amerikanische Revolution, die in Amerika und auf dem europäischen Kontinent das Gemeinwohl, die Freiheit und die Menschenwürde erstreitet.

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