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Eurodiktatur. Mit dem ESM und dem Fiskalpakt sollen wesentliche Parlamentsrechte abgeschafft werden, aber bisher fordert nur die BüSo eine Volksabstimmung über diese Verfassungsänderungen.
Die derzeitigen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten wollen den Banken die in immer schnelleren Abständen angeforderten „Rettungspakete“ im Umfang von hunderten Milliarden Euro zugänglich machen, aber dabei ist die Demokratie im Wege. Wenn die Finanzmärkte dringend Zuschüsse brauchen, stören „umständliche“ und „zeitraubende“ Verfahren wie parlamentarische Beratungen, Haushaltsrechte der Parlamente und dergleichen.
Mit den beiden Vertragsänderungen zum Fiskalpakt und zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sollen diese Hindernisse weggeräumt und noch mehr nationale Souveränität in Wirtschafts- und Finanzfragen an die Eurokraten in Brüssel übertragen werden. Der für 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten (Ausnahme: England und Tschechien) geplante Fiskalpakt gibt den Eurokraten das Recht, die nationalen Haushaltsentwürfe unter die Lupe zu nehmen, ehe die jeweiligen Parlamente Einblick nehmen können, und das Recht, Strafen gegen Länder zu verhängen, die den drastischen Einsparmaßgaben aus Brüssel nicht nachkommen wollen oder können. Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild stellen weitere tiefe Eingriffe in die Haushaltssouveränität der Parlamente dar.
Der vorerst nur die 17 Mitgliedsstaaten der Eurozone umfassende ESM soll sogar einen unbefristeten und unabhängigen, nicht in freien Wahlen gewählten Gouverneursrat erhalten, der außerdem immun gegen Überprüfungen, Vetos und rechtliche Schritte sein soll, seinerseits aber weitestgehende Zugriffsrechte auf die Finanzmittel der nationalen Regierungen erhalten würde.
Geschähe so etwas in anderen Teilen der Welt, würde das sofort in sämtlichen führenden Zeitungen Europas als „Diktatur“ angeprangert - hier wird es dagegen von denselben Medien als angebliche „Krönung der europäischen Idee“ und als überdies „alternativlos“ beschönigt. Kritiker, sogar prominente, kommen nur selten in der Presse zu Wort, da ist die Zensur, wesentliches Merkmal aller Diktaturen, schon vorweggenommen.
Widerstand hiergegen ist dringlich, denn der Bundestag soll den beiden Vertragsänderungen am 25. Mai zustimmen, der Bundesrat wird am 15. Juni folgen. Da - wie in den anderen Abstimmungen über Bailouts der letzten Monate - sowohl Christdemokraten als auch Sozialdemokraten im Bundestag sich mit breiter Mehrheit hinter diese Politik stellen, droht die Annahme von Fiskalpakt und ESM mit Zweidrittelmehrheit. Zwar haben die Linke, Peter Gauweiler (CSU) und die Aktion „Mehr Demokratie“ bereits angekündigt, Verfassungsbeschwerden nach der befürchteten Verabschiedung der Änderungen in Karlsruhe einzureichen, und es wird vermutlich weitere Klagen geben, aber das allein wird diese beiden Ermächtigungsgesetze nicht stoppen. Es droht, wie bereits beim ESM-Vorgänger EFSF, eine rechtliche und politische Grauzone von möglicherweise mehreren Monaten oder sogar länger, während derer das Gericht prüft, die Bundesregierung aber bereits mehrstellige Milliardenbeträge an den Bailout-Fonds überweist.
Das einzige Mittel, die Bundesregierung daran zu hindern, wäre eine einstweilige Anordnung der Verfassungsrichter, Überweisungen an den ESM bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts zu unterlassen. Aber mit Ausnahme der Allianz „Mehr Demokratie“ hat keine der wahrscheinlichen Klägergruppen bisher die Absicht erkennen lassen, solch eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Genau das zu tun, ist aber eine der wichtigsten Forderungen der BüSo.
Außerdem hinkt die Öffentlichkeitsarbeit der Kritiker hinter den Erfordernissen der Lage hinterher. Die Möglichkeit, durch massiv erhöhten öffentlichen Druck so viele Christ- und Sozialdemokraten auf Abstand zu Fiskalpakt und ESM zu bringen, daß die Zweidrittelmehrheit im Bundestag gar nicht erst zustande kommt, wird daher von den bekannten Klägergruppen einschließlich potentieller Nebenkläger wie Steuerzahlerbund und Familienunternehmern gar nicht ernsthaft erwogen. Zwar werden übers Internet von der „Aktion Bürgerwille“ oder „Mehr Demokratie“ Unterschriften gesammelt, die dann im Mai im Kanzleramt abgegeben werden sollen, es fehlen aber wichtige öffentliche Aktivitäten wie Informationsstände oder Massenflugblattaktionen - auch hier steht die BüSo bisher ziemlich allein auf der Straße in Deutschlands Städten. Die Zurückhaltung der meisten Kritiker des ESM ist um so absurder, als die offensichtliche Mehrheit der Bürger, spricht man sie erst einmal direkt, zum Beispiel beim Flugblattverteilen, die Regierungspläne skeptisch sieht oder sogar ablehnt.
Leider ist auch die Opposition in Österreich, wo die Chancen, Fiskalpakt und ESM im Parlament zu stoppen, besser als in Deutschland stehen, weil die Regierung dort keine Zweidrittelmehrheit besitzt, sehr „zuwartend“: Man will erst einmal abstimmen lassen, dann sieht man weiter. Anders als in Deutschland hat aber Österreich eine klare gesetzliche Grundlage für ein nationales Referendum, dies ließe sich bereits mit einfacher Parlamentsmehrheit beschließen und in Gang bringen. Passiert ist aber bisher in Österreich nichts, obwohl Politiker der beiden liberalen Oppositionsfraktionen im Nationalrat FPÖ und BZÖ wiederholt geäußert haben, „eigentlich“ müßte man schon ein Referendum haben. Die Standfestigkeit der ebenfalls oppositionellen Grünen, der Regierung die zur Zweidrittelmehrheit nötigen Stimmen zu verweigern, ist nicht als sehr hoch einzuschätzen, so daß am Ende doch die Verabschiedung von Fiskalpakt und ESM im Nationalrat droht. Dabei ließe sich der ESM leicht blockieren, wenn die Ratifizierung in Österreichs Parlament scheiterte, denn zum Inkrafttreten des Fonds ist die Zustimmung aller 17 Eurozonen-Staaten erforderlich.
Natürlich ist die Möglichkeit, daß die irische Bevölkerung bei ihrem Referendum am 31. Mai den ESM ablehnt und somit blockiert, als nicht unwahrscheinlich einzuschätzen, aber diesen Volksentscheid in Irland abzuwarten und bis dahin eigene Widerstandsaktivitäten in Österreich, Deutschland und anderen Euro-Staaten zurückzustellen, wäre ein riskantes Lotteriespiel mit recht ungewissem Ausgang. Ebenso ungewiß wäre es, darauf zu hoffen, daß ein möglicher neuer französischer Präsident François Hollande sein Wahlversprechen, die bereits im Februar von der Nationalversammlung ratifizierten Gesetze zu ESM und Fiskalpakt „neu zu verhandeln“, auch wirklich hält. Es gibt keinen Ersatz dafür, daß Deutschland „Nein“ zu Fiskalpakt und ESM sagt.
Die Referendumsfrage ist auch für Deutschland hochaktuell. Zwar fehlt hier ein festgelegtes Verfahren für einen nationalen Volksentscheid, Artikel 146 des Grundgesetzes schreibt jedoch eindeutig vor, daß keine neue Verfassung in Kraft treten darf, die nicht vom deutschen Volke in „freier Entscheidung beschlossen“ worden ist. Mit Fiskalpakt und ESM wäre aber das Grundgesetz in Kernbereichen wie dem auch als „Ewigkeitsgarantie“ geltenden Artikel 79/3 („Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“) aufgehoben. Daher ist ein Volksentscheid unumgänglich.
Diesen Punkt hat die BüSo bereits bei den Beratungen zum Lissaboner Vertrag vor einigen Jahren betont, und sie hat damals auch deutlich gemacht, daß überhaupt die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung der Europapolitik der Bevölkerung Europas zum Volksentscheid vorgelegt gehört und nicht länger Spielball der Eurokraten bleiben darf. Auch andere deutsche Parteien (Linke, CSU, Freie Wähler, Piratenpartei) haben wiederholt nationale Referenden zu Einzelfragen, auch zum ESM, gefordert, aber bisher tritt nur die BüSo für einen grundsätzlichen Volksentscheid zum Euro und zur wirtschaftspolitischen Neuausrichtung von „Europa“ ein. Die LaRouche-Bewegung führt diese Kampagne übrigens auch in Nicht-Euro-Ländern wie Schweden und Dänemark, wo die ESM-Frage selbst derzeit weniger vorrangig als in Deutschland ist.
Die BüSo wird ihre Aktionen gegen die Euro-Diktatur in den kommenden Tagen und Wochen mit Flugblattaktionen und Informationsständen noch erheblich ausweiten - werden die anderen Teile der ESM-Opposition mitziehen?
Rainer Apel