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Neue Solidarität
Nr. 14, 4. April 2012

Gegen die Trägheit des Denkens!

Nach seiner offiziellen Zulassung als französischer Präsidentschaftskandidat am 19. März veröffentlichte Jacques Cheminade die folgende Erklärung.

Zwei Drittel aller Franzosen finden diesen Präsidentschaftswahlkampf entmutigend. Sie haben recht. Als Reaktion auf das menschliche Drama, das wir derzeit durchleben, tun die Kandidaten nicht mehr, als ihre Taschenrechner herauszuholen, Slogans herunterzubeten und vorgefaßte Meinungen zu äußern, als spielten sie in einem Sandkasten.

Ich interveniere deshalb, um zu versuchen, ein Realitätsprinzip, eine Inspiration und ein Projekt einzubringen. Soziale Gerechtigkeit und Arbeitskräfte müssen wieder Priorität haben, aber im Rahmen des gegenwärtigen Finanz- und Währungssystems ist das unmöglich. Deshalb muß es verändert werden. Wir müssen wieder Frieden schaffen, gegen das Risiko eines Krieges, das im erweiterten Nahen Osten lauert, aber ohne Großprojekte zur gemeinsamen Entwicklung ist das unmöglich. Deshalb muß man sie in Gang setzen.

Frankreich kann dies beides nicht allein in Gang setzen, aber es kann ein Katalysator werden für den Erfolg dieses Experiments. Mein Ziel ist es auch, das Engagement der politischen Kräfte zu katalysieren, damit unser Land diese Rolle einnehmen kann. Es ist das Abenteuer einer neuen Résistance, eines neuen Widerstands, diesmal gegen die Finanzwelt, und gleichzeitig einer neuen Renaissance, diesmal gegen die Geldelite, die ein direktes Produkt der finanziellen Globalisierung ist, die den Menschen so herabwürdigt.

Packen wir also die wirklichen Herausforderungen an, die vor uns liegen, und lassen wir uns nicht davon ablenken.

Stoppt den sozialen Kahlschlag!

Wir werden den derzeitigen sozialen Kahlschlag niemals beenden können, wenn wir die fanatische Idee des ausgeglichenen Staatshaushalts akzeptieren, den sie versprechen: Herr Bayrou für 2015, Herr Sarkozy für 2016 und Herr Hollande für 2017.

Was bei diesem Haushaltsausgleich vertuscht wird, ist die Tatsache, daß alle Staaten sich damit abgefunden haben, den großen Banken ihre illegalen Spielschulden zu bezahlen, indem sie der Bevölkerung Sparpolitik aufzwingen. Unter diesen Umständen ist die griechische Katastrophe nur der erste Dominostein eines allgemeinen wirtschaftlichen Zusammenbruchs in Europa und der übrigen Welt. Man muß ganz im Gegenteil den finanziellen Stier bei den Hörnern packen! Die illegalen Schulden müssen gestrichen werden, damit qualifizierte Arbeitskraft und Hochtechnologie wieder Vorrang haben.

1. Zur Lösung aus der finanziellen Gefangenschaft die Banken trennen, so wie nach der Befreiung [nach dem Zweiten Weltkrieg].

Wir müssen die Ressourcen der Finanzoligarchie austrocknen, und sie muß unschädlich gemacht werden durch die Trennung von Banken, die Kredite und Sparguthaben der Menschen verwalten, auf der einen Seite und den Investmentbanken auf der anderen Seite. Heute sind sie in Frankreich vermischt.

Um diejenigen, die Unternehmen und Haushalten Kredite geben, von denen zu trennen, die auf den Finanzmärkten zocken, müssen wir eine parlamentarische Untersuchungskommission einberufen, nach dem Vorbild der Pecora-Kommission von 1933 in den Vereinigten Staaten, mit der Befugnis zu Vorladungen und Beschlagnahmungen. Der Zweck davon ist es, den Menschen zu zeigen, was vor sich geht - und dann die nützlichen Bankfunktionen für Kredit und Ersparnisse zu schützen. Die Gegner dieses Vorgehens sind diejenigen, die das Volk verachten und es weiter ausplündern wollen.

2. Die Investmentbanken, die gespielt und verloren haben, insolvent erklären.

Wir müssen in der Lage sein, den Banken zu sagen: „Wir werden euch nicht länger aus der Patsche helfen! Wir machen Schluß mit den Spielchen der Europäischen Zentralbank. Ihr habt euch verzockt - deshalb müßt ihr eure Spielschulden bezahlen, und wenn ihr das nicht könnt, müßt ihr Insolvenz anmelden.“ Hören wir auf damit, auf Kosten des Lebensstandards der Menschen und Wachstums der Realwirtschaft finanzielle lebende Leichen zu füttern!

Gleichzeitig müssen die Möglichkeiten, um auf den Märkten zu spekulieren, soweit wie möglich beseitigt werden:

Das ist das mindeste, um den von den Zockern verschmutzten Augiasstall zu reinigen.

3. Eine Nationalbank für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur,
Schulen, Krankenhäuser, Forschung und innovativen Mittelstand gründen.

Die Säuberung der Banken allein wird nicht ausreichen, um die Mittel für einen Neustart der Wirtschaft bereitzustellen. Der Treibstoff dafür kann nur produktiver staatlicher Kredit sein, der über eine Nationalbank organisiert wird - keine „unabhängige“ Zentralbank, hinter der die Finanzwelt steht, sondern ein System unter der Kontrolle der Bevölkerung und ihrer gewählten Mandatsträger, das die Ausgabe langfristiger und sehr niedrig verzinster Kredite zur Ankurbelung der Wirtschaft ermöglicht.

Wenn jemand so tut, als könne man ohne dieses System von Nationalbank und Staatskredit soziale Gerechtigkeit schaffen und Schulen, Krankenhäuser, Forschung und Mittelstand finanzieren, so läuft das auf Wählertäuschung und auf Selbsttäuschung hinaus.

Mit ihnen aber, jawohl, werden wir in der Lage sein, Großprojekte (Energie, Wasser, Forschung) zu finanzieren, die qualifizierte Arbeitsplätze schaffen.

Mit ihnen, jawohl, werden wir in der Lage sein, eine angemessene Ausbildung der Lehrer zu finanzieren, bevor man sie in ihre Aufgabe stürzt, und hier und überall Europa ihre Gehälter anzuheben und alle Universitäten so zu fördern wie „Eliteschulen“.

Jawohl, wir werden in der Lage sein, den Menschen, die sie brauchen, eine Berufsausbildung zu finanzieren. Und jawohl, wir werden in der Lage sein, jedem jungen Menschen, der eine Arbeit sucht, eine Unterstützung anzubieten, die einer Anhebung des Mindesteinkommens auf 600 Euro entspricht, und eine Ausbildungsförderung für Studenten, die diesen Namen verdient. Und jawohl, wir werden in der Lage sein, die Betriebsärzte und die öffentlichen Krankenhäuser zu retten, damit krank sein kein Luxus mehr ist. Und jawohl, wir werden in der Lage sein, die Forschungsausgaben auf mehr als 3% des BIP zu steigern.

Und jawohl, dann werden wir auch in der Lage sein, allen Menschen gleichen Zugang zur Justiz und zur Politik zu geben, indem wir die Rechtsbeihilfen vervierfachen, und Armen und Reichen Unterstützung bei der Parteienfinanzierung anbieten, statt nur den 50% der Franzosen, die so wohlhabend sind, daß sie Einkommensteuer bezahlen.

Schluß mit einem Frankreich der „Galeeren für die Jugend und Armut für die Alten“ - Schluß mit einem Frankreich, in dem es für die Mehrheit nur Mühe und Not gibt!

Den Weltfrieden garantieren durch Großprojekte

Unsere Innen- und Außenpolitik müssen Hand in Hand miteinander gehen. Ich bin der Ansicht, daß unser Land hierin ein Vorbild für Europa und die übrige Welt sein sollte. Das ist die Grundlage des linken Gaullismus, den ich verfolge.

Deshalb würde ich, nachdem ich im Inland die Trennung zwischen den Geschäfts- und Kreditbanken und den Investmentbanken durchgesetzt habe, sofort nach Brüssel, Washington, Moskau und Peking fahren und eine weltweite Sonderkonferenz einberufen, um die Grundlage für Frieden, soziale Gerechtigkeit und gegenseitige Entwicklung zu schaffen.

4. Ein Europa der Vaterländer schaffen, um den finanziellen Feudalismus zu bekämpfen.

Ich werde damit in Europa beginnen und unseren Partnern in schonungsloser Offenheit erklären, daß wir vom rechten Weg abgekommen sind.

Entweder verpflichten wir uns zu der Perspektive, die ich hier gerade dargestellt habe, d.h. durch große Projekte die Bedingungen für eine gemeinsame Zukunft unserer Vaterländer zu schaffen, oder wir können nicht länger zusammenleben. Denn die gegenwärtige Logik des Wettlaufs zu den niedrigsten Löhnen führt uns in die garantierte gegenseitige Zerstörung.

Europa darf nicht länger das Trojanische Pferd der finanziellen Globalisierung, der Londoner City und der Wall Street sein, es muß die Lokomotive für weltweites Wachstum werden.

Ist das noch möglich? Ja, wenn wir gemeinsam sofort den Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aufheben, der es den Zentralbanken verbietet, den Staaten zinslose oder zinsverbilligte Kredite zu geben, und sie damit zwingt, sich Geld zu höheren Zinsen von privaten Akteuren zu leihen, die so auf unsere Kosten Profite machen.

Hier zuhause müssen wir die Gesetze vom 4. August 1993 und vom 12. Mai 1998 aufheben, die de facto und de jure die Ausgabe staatlicher Kredite untersagen. Um einen Neustart machen zu können, muß Europa dieses Joch abwerfen.

Tut es das nicht, dann muß Frankreich im Inlandsgeschäft sofort zum Franc zurückkehren und eine gemeinsame Euro-Währung nur noch für die Realisierung großer europäischer Projekte verwenden. Erpressung? Nein, das ist die Aufforderung zu einem Aufschwung.

5. Uns mit Hilfe der Kernphysik die Mittel verschaffen, die Welt zu bevölkern.

Wir müssen aus Europa, aus Eurasien und der ganzen Welt eine riesige Baustelle machen, die qualifizierte Arbeitsplätze schafft: Wirtschaft besteht nicht darin, Geld zu verdienen, indem man billig einkauft und teuer verkauft, sondern darin, die bestmöglichen Bedingungen für den schöpferischen Menschen und für die Weiterentwicklung der Natur zu schaffen.

An diesem Punkt breche ich vollständig mit der These der Ökologen, wie etwa der NPA („Neue Antikapitalistische Partei“) oder Herrn Melenchon, weil ein Rückmarsch in die Vergangenheit keine Lösung ist. Frieden und Wachstum der Weltbevölkerung lassen sich nur sichern durch eine Plattform großer Projekte auf internationaler Ebene. Produktionsmethoden von Energie und Technologien mit der höchsten Dichte - pro Kopf, Flächeneinheit und eingesetztem Material - müssen die Grundlage für die Entwicklung bilden, und das bedeutet heute, daß wir alle Ressourcen der Kernphysik nutzen müssen. Das heißt, nicht bloß bestehende Technologien einfach weiterzuverwenden, sondern ständig neue einzuführen, bis wir eines Tages die Kernfusion und Materie-Antimaterie-Reaktionen beherrschen.

So und nur so werden wir eine Dynamik der Verbesserung der produktiven Arbeit erzeugen. Ohne die Kernkraft müßten wir ein realwirtschaftliches Schrumpfen hinnehmen, das in fataler Weise zu Kriegen und zur Entvölkerung einer Welt ohne Ressourcen führen würde.

6. Sich der Herausforderung stellen, Afrika zu entwickeln und den Weltraum zu erforschen.

Die Entdeckungen des Menschen, mit denen wir Dinge, die heute bloß Abfall oder nutzlos sind, in die Ressourcen von morgen verwandeln, werden es uns erlauben, die Tür zur Entwicklung Afrikas und zur Erforschung des Weltraums zu öffnen. Wie die Glorreichen 30 Jahre [das französische Gegenstück zum deutschen Wirtschaftswunder] bewiesen haben, müssen soziale Gerechtigkeit und Fortschritt der Wissenschaft Hand in Hand gehen. Dazu darf man nicht die Vergangenheit oder unsere unmittelbaren Erfahrungen extrapolieren, sondern muß mit den Augen und dem Geist der Zukunft sehen und handeln.

Wer nicht weit vorausschaut, bleibt kurzsichtig, und wer in der Wiege bleibt, wird nicht erwachsen. Ohne die Entwicklung Afrikas, beispielsweise durch das Wiederauffüllen des Tschadsees, zwingen wir diesen Teil der Welt, praktisch ohne Lunge zu leben. Ohne den Weltraum können wir nicht über das sprichwörtliche Ende unserer irdischen Nasenspitze hinausschauen - und das ist das Schicksal all derer, die über diesen Teil meines Programms lachen, und nicht sehen, daß China und Rußland in Bereiche vorstoßen, wo ihre Bequemlichkeit und geistige Trägheit sie niemals hinführen werden.

Das also ist es, worum ich kämpfe; das ist die wahre Herausforderung in einem Präsidentschaftswahlkampf. Es geht nicht darum, „wieviel es kostet“ oder wie wir die großen Banken retten können, sondern darum, wie wir gemeinsam die Welt von morgen aufbauen können, für die Frankreich einer der wichtigsten Katalysatoren sein muß. Eine Stimme für diese Ideen wird den Einsatz auf die Höhe anheben, die unsere Zeit erfordert. Ich nenne das eine „nützliche Stimme“, eine wirkliche Stimme.

„Es gibt in unserem Frankreich in lebenswichtigen Fragen eine Trägheit des Denkens, eine Schläfrigkeit des Geistes, die uns allen Überraschungen ausliefert bis zu den Tagen, wenn sich jenes leuchtende Erwachen ereignet, das unser Land zum Glück immer wieder gerettet hat, auch wenn die Zeiträume dazwischen viel zu lang waren.“ (Jean Jaurès in: „Gehirnversagen“)

Hier stehen wir, vor einem jener Momente in der Geschichte, die uns, wie es Jaurès beschreibt, die Gelegenheit zu jenem leuchtenden Erwachen bieten. Wir haben nicht das Recht, sie uns entgehen zu lassen.

Die wahren Schulden sind nicht die gegenüber den Spekulanten und Räubern, es sind unsere Schulden gegenüber den vergangenen und den zukünftigen Generationen.

Um die Fackel weiterzugeben, müssen wir einen doppelten Krieg führen - wirtschaftlich und kulturell -, bei uns zuhause und im Weltmaßstab. Wir können ihn gewinnen, wenn wir uns überall in diesem Kampf engagieren: in unserer Arbeit, an den Wahlurnen und auf dem Gebiet der Ideen.

Wir dürfen niemals akzeptieren, daß das menschliche Leben zu einer Frage von Buchhaltung wird. Das menschliche Leben ist definiert durch die schöpferische Phantasie, die vorgefaßte Meinungen abschüttelt und eine Gesellschaft von Patrioten und Weltbürgern entstehen läßt. Frankreich kann und muß das Vorbild dafür sein. Ich werde dafür kämpfen. Das ist keine Utopie - utopisch wäre es, so weiterzumachen wie bisher, denn damit rasen wir geradewegs gegen die Wand.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Cheminades Zulassung erregt Interesse - und Ärger
- Neue Solidarität 13/2011
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