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Neue Solidarität
Nr. 13, 28. März 2012

„Die Tagesordnung der Diskussion vollkommen verändern“

Im Anschluß an ihre Ansprache beantwortete Helga Zepp-LaRouche Fragen, die vor oder während des Forums von Zuschauern eingesandt wurden.

Moderator: Auch aus Rußland haben uns einige Zuschriften erreicht, die sehr reflektiv sind für die Tatsache, daß diese Kriegsgefahr erkannt wird und man sich wirklich Sorgen macht.

Ich will diese Zuschrift von Prof. Nekrassow hier kurz zusammenfassen, denn sie ist relativ lang. Er ist Mitglied der von dir schon genannten „Öffentlichen Kammer“, und zwar in der Region Swerdlowsk, das ist im Ural, wo die Hauptstadt Jekatarinburg ja recht bekannt ist. Er ist ebenso Vorsitzender der dortigen Snanije-Gesellschaft, der „Wissens-Gesellschaft“. Er hat eine Frage an Frau Zepp-LaRouche, die er sehr schätzt:

Es geht eine Welle von Alarmismus durch Rußland, und zwar in ganz alltäglichen Gesprächen und auch in den Medien. Z.B. nennt er hier Swetlana Peunowa. Sie ist Vorsitzende der Wolja-Partei, die über Gerüchte berichtet, daß im Militär, in den Streitkräften gesagt wird: Krieg wird im August ausbrechen. Da wird der Hinweis gemacht, daß 1941 diese Gerüchte, daß es im Juni zum Krieg kommen würde, durchaus wahr waren. Diese Frau Peunowa hat auch die entsprechenden Ministerien aufgefordert, Instruktionen an die Bevölkerung zu geben, was sie tun sollte im Fall, daß es in Rußland zu einem Bombardement käme.

Ein weiteres Beispiel wird genannt: Die Webseite „Movement for the Defense of Russian Science“ hat Informationen veröffentlicht, daß eine amerikanische Basis in Uljanowsk an der Wolga steht, und daß es seit 2006 zwischen Putin und der NATO zu einer Einigung gekommen ist für die freie Bewegung von NATO-Truppen auf russischem Territorium.

Damit ist die Angst verbunden: Kann es nicht sein, daß z.B. NATO-Truppen, die aus Afghanistan abgezogen werden, durch russisches Gebiet gebracht werden und dies zu einer Wiederholung eines Ereignisses führt, das 1918 passiert ist, als die tschechoslowakische Legion via der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok geholt wurde und es da aufgrund dieser Truppenanwesenheit zu einem dreijährigen Bürgerkrieg kam und dann sogar zu einer Besetzung eines Gebietes dort in Sibirien bis 1925?

Dazu nennt er noch den bekannten und oft schon zitierten Journalisten Maxim Kalaschnikow, der auch sagt, es wird zu einem Angriff auf Rußland kommen. Er nennt es in diesem Fall die Erfüllung des Maya-Kalenders - ich bin mir da nicht so sicher, ob das das Problem ist. Er macht aber den Punkt, daß diese Dinge in ganz alltäglichen Gesprächen in Rußland auftauchen, und stellt dann die Frage: Sind die amerikanischen Neokonservativen wirklich so aggressiv, daß sie hier eine Art biblisches Endzeitszenario abspielen, eine Art Jüngstes Gericht? Sind es diejenigen, die die Angriffe auf das World Trade Centre 2001 gemacht haben - darüber haben wir ja schon einiges gehört? Und gibt es nicht auch die Möglichkeit, daß das eine Art Gerüchtestreuung ist als Kriegführung, daß die Gerüchte auch als Waffe eingesetzt werden, in einem Versuch einer Orangenen Revolution, um einen Machttransfer in Rußland zugunsten der Liberalen, also derjenigen, die dort in den neunziger Jahren geherrscht haben, durchzuführen.

Helga Zepp-LaRouche: Das [letztere] würde ich auf jeden Fall bejahen. Wir haben im Fall vom Irak-Krieg eine unglaubliche Menge von Schwarzer Propaganda erlebt; wir erleben es im Augenblick in Bezug auf Syrien: Wir haben auf unserer Webseite berichtet über Videos, die gefälscht wurden, was berichtet wurde von CNN und Al-Dschasira. Es ist im Grunde ein ganzer Apparat, mit dem amerikanischen Botschafter McFaul, der jetzt neu im Moskau amtiert. Das ist eine direkte Provokation. Dieser McFaul ist seit 1990 für diese Project-Democracy-Leute tätig und ist jetzt einer der Koordinatoren für die sog. „Weiße Revolution“ oder „Schnee-Revolution“ gegen Rußland. Es gehört zu der Natur der Sache, daß Kriegspropaganda, schwarze Propaganda ausgestreut wird.

Ich denke, es gibt nur einen einzigen Weg. Wir haben mit großem Interesse verfolgt, was die politische Ausrichtung von Präsident Putin ist; wir sind nicht Super-Fans von Wladimir Putin, sondern wir haben einfach gesehen, daß Putin dabei ist, die Energieflußdichten im Produktionsprozeß wieder auf die Tagesordnung zu setzten - bemannte Raumfahrt, Ausbau der modernen Infrastruktur, die Verbindung von Amerika und Rußland durch den Bau des Beringstraßen-Tunnels, Kosmodrome, die schon genannte Stadt Umka. Die Chinesen wollen auch die bemannte Raumfahrt vorantreiben, sie wollen führende Weltraummacht werden und wollen enge Zusammenarbeit zwischen Rußland und China für diese nächste Stufe der menschlichen Entwicklung. Das ist im Augenblick nirgendwo anders auf der Welt zu finden.

Ich denke, daß natürlich Rußland enorme Probleme hat, ich bin auch nicht der Meinung, daß alle Probleme schon von Putin gelöst worden sind. Z.B. halte ich den Beitritt zur WTO, zur Welthandelsorganisation, für sehr gefährlich, weil das mit Sicherheit eine Unterwerfung ist unter dieses bankrotte monetaristische System. Es ist absolut wichtig, daß Putin relativ schnell, nachdem er Präsident geworden ist, mit dem liberalen Wirtschaftsmodell bricht, das ja aus der Zeit von Jelzin und fortgeführt durch Kudrin und andere noch in gewisser Weise vorhanden ist. Und auch die Idee, daß man für diese ganzen phantastischen Infrastrukturprojekte, die Entwicklung der Arktis, des fernen Ostens, Sibiriens, daß man da ausländische Investoren braucht, ist eine völlig falsche Idee, das ist ganz gefährlich.

Es ist wirklich wichtig - dies ist von Sergej Glasjew in einem Artikel kürzlich veröffentlich worden -, daß man aufhören muß, zu meinen, man brauche die Geldmärkte, um Kredite für die Realwirtschaft zur Verfügung zu haben, daß man sich von diesem Gedanken so schnell wie möglich trennen soll, und daß der Staat das Recht hat, produktive Kredite zu schöpfen für wohldefinierte Investitionen in die Realwirtschaft. Das ist das Kreditsystem, so wie es von Alexander Hamilton, dem ersten Finanzminister der USA, entwickelt worden ist.

Das wurde auch in China in einigen Artikel diskutiert; das ist z.B. das, was jetzt in Italien auf der Tagesordnung ist, in der Form einer Resolution für die Wiedereinführung von Glass-Steagall. Der ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister Tremonti hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. D.h. die Verbindung von Trennbankensystem und Kreditsystem, das muß auf die Tagesordnung. Das wird natürlich vor allem die Kampagne von unserem Kollegen in Frankreich, Jacques Cheminade sein, der die Voraussetzungen für die Bewerbung um das Präsidentschaftsamt erfolgreich errungen hat und einer der gleichberechtigten Präsidentschaftskandidaten in Frankreich sein wird.

Es gibt also in mehreren Ländern eine solche Diskussion, daß man den Monetarismus überwinden und ein Kreditsystem an dessen Stelle setzen muß für die Entwicklung der realen, physischen Ökonomie.

Deshalb ist es so wichtig, wenn jetzt Putin und die neue Regierung die wirklichen Projekte, die zukunftsweisend sind, auf die Tagesordnung setzen.

Einer der Gründe, warum ich diese Internetadresse mache, ist, weil ich denke, wir müssen internationale Debatte über die Gefahr des Krieges und der potentiellen Auslöschung der Menschheit eine bekommen. Wir haben gerade etwa vor zwei Wochen hier in Berlin eine Konferenz gemacht, die genau diese Thematik zum Ziel hatte, wo wir einerseits auf die Kriegsgefahr hingewiesen haben, aber dann auch, um zu sagen: Wenn wir in der Geometrie von Oligarchie bleiben, von imperialen, geostrategischen angeblichen „Interessen“, dann wird die Menschheit gegen die Wand knallen. Das kann jeder Mensch, der nicht vollkommen moralisch verrottet ist, sehen.

Wir müssen statt dessen die Tagesordnung, wie wir uns zwischen den Nationen, zwischen den Kulturen, zwischen den Völkern auseinandersetzen, vollkommen ändern.

Deshalb ist die Idee, daß wir über die wirklichen physischen Gesetze des Universums sprechen, daß wir erkennen, daß dieses Universum eben nicht begrenzt ist, daß wir nicht ein geschlossenes System haben, wo es begrenzte Rohstoffe gibt und andere Ressourcen, sondern daß es die Kreativität des Menschen ist, immer wieder neue solche Rohstoffe bzw. Ressourcen zu definieren, daß wir erst am Anfang einer solchen Entwicklung sind, und daß jetzt der Punkt gekommen ist, wo wir die gemeinsamen Ziele der Menschheit wirklich diskutieren müssen.

Ich richte mich mit einem dringenden Appell an alle Menschen, die dieses Internetforum anhören, zu helfen, daß wir die Agenda, die Tagesordnung der Diskussion vollkommen verändern. Wenn wir in dem gegenwärtigen System bleiben, wo nur imperiale Interessen gegeneinander knallen, dann wird es knallen.

Ich denke, die Menschheit ist die Gattung, die auch völlig anders sein kann. Wenn wir uns auf die Weisen unserer Völker in unserer Geschichte beziehen, auf die großen Denker, auf die Dichter, auf Schiller, auf Puschkin, auf Dante, Petrarca, auf die großen Erfinder, auf Leibniz - wenn wir den Sprung machen, daß wir uns auf eine Diskussionsebene einigen, wie sie eigentlich nur unter wissenschaftlichen Denkern üblich ist, unter großen Künstlern, unter Astronauten, die schon einmal diese Erde verlassen haben und von außen geguckt haben - und dann feststellen, daß unser Planet nur ein winzigkleiner Planet ist in einem unendlich großen Universum von Milliarden von Galaxien, daß es eigentlich verrückt ist, daß wir uns bekriegen sollen, sondern daß wir eigentlich höhere Ziele haben, die uns allen gemeinsam sind.

Wenn wir die Diskussion so verändern, dann bin ich absolut optimistisch, daß wir diese Gefahr überwinden können.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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