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Neue Solidarität
Nr. 12, 21. März 2012

Wichtiges kurzgefaßt

Tremonti verurteilt erfolglose Geldpumperei der EZB

In einem Interview mit dem italienischen Wirtschafts- und Finanzfernsehsender Class CNBC griff der frühere Wirtschaftsminister Giulio Tremonti am 9. März die EZB wegen ihrer dreijährigen Billiggeldspritzen für die Banken - vornehm LTRO, „Long Term Refinancing Operation“ genannt - an: „Die Krise ist nicht vorbei, alle Faktoren, die sie hervorriefen, sind immer noch da und wir befinden uns nur in einer Phase des Waffenstillstands.“ Die Zinsaufschläge für italienische Staatsanleihen seien immer noch weit höher als vor zwei Jahren, auch wenn sie zwischenzeitlich etwas heruntergegangen sind. „Die Situation hat sich nicht normalisiert, wenn man bedenkt, daß sie eine Konsequenz der Tatsache ist, daß die EZB umsonst eine Billion Euro an Liquidität ausgegeben hat. Die EZB-Bazooka gegen das Krisenmonster hat nicht funktioniert.“

Tremonti sagte, die EZB kümmere sich nicht um das Verbot der Finanzierung von Regierungen. Sie gebe Geld an die Banken, die dann die Regierungen finanzieren. „Die EZB verwandelt sich in etwas, was wie ein Hedgefonds aussieht, mit Sicherheiten, die keineswegs eine Topqualität haben.“

Am 13. März hatte Tremonti bei der Vorstellung seines neuen Buches an der vatikanischen Lateran-Universität gesagt, die EZB hätte sich stärker als die Federal Reserve exponiert, mit immensen Risiken. Er wies die Idee zurück, Europa müsse sein Sozialsystem aufgeben. Statt dessen müsse man „Derivate verbieten“, die er als „teuflische Erfindung“ bezeichnete. Heutzutage habe eine große internationale Bank im Durchschnitt eine Milliarde an Derivatkontrakten.

Bei einer dritten Veranstaltung in Mailand griff er die EU-Überwachung Griechenlands an. „Man kann ein Volk nicht per Kommission regieren. Die Griechen müssen bei allgemeinen Wahlen abstimmen.“

Regierung Monti will Arbeitslosengeld halbieren

Die Arbeitsministerin der technokratischen Monti-Regierung in Italien, Elsa Fornero, hat jetzt Pläne vorgelegt, nach denen bereits im Laufe des Jahres 2012 das Arbeitslosengeld halbiert werden soll. Gewerkschaften und Industrievertreter reagierten gleichermaßen sehr negativ darauf.

Gegenwärtig können Arbeitslosenbezüge bis zu drei Jahre gezahlt werden, während die Arbeiter weiter auf der Gehaltsliste der Firma stehen. Dieses System heißt „Cassa Integrazione“ und trägt dazu bei, 50% oder mehr der Lohnkosten durch Regierungsunterstützung zu senken. Wenn es der Firma wieder besser geht, können die betroffenen Arbeiter jederzeit wieder zu arbeiten anfangen. Fornero plant, das Cassa Integrazione-System abzuschaffen und stattdessen ein System einzuführen, mit dem die Arbeiter von der Lohnliste der Firmen genommen werden und Arbeitslosengeld für maximal 18 Monate erhalten sollen. Und während durch das System der Cassa Integrazione 80% des Gehaltes gesichert ist, wird es in der neuen Regelung nicht mehr als 1115 Euro pro Monat geben, mit einer Kürzung von 15% nach 12 Monaten.

Was die Senkung des Lebensstandards angeht, zeigt eine zwischenzeitlich erschienene Studie der Banca Intesa Sanpaolo, daß aufgrund der Sparpolitik der Nahrungsmittelkonsum italienischer Familien auf das Niveau von vor 30 Jahren gesunken ist. Von 2006 bis 2010 fielen die jährlichen pro-Kopf-Ausgaben für Nahrungsmittel von 2600 Euro auf 2400 Euro, dasselbe Niveau wie 1980. Allein im Jahr 2011 sanken die Ausgaben um 1,5%. Das bezieht sich auf Fleisch, Wurst, Gemüse und Frischmilch. Die Studie zeigt auch, daß fixe Ausgaben, wie Miete, Wasser, Elektrizität, Benzin, Versicherungen etc., die im Jahre 1970 noch 24,7% der Verbrauchsausgaben ausmachten, im Zeitraum 2007-2009 auf 40% anstiegen.

Daß die Italiener das alles nicht widerstandslos hinnehmen, zeigt sich an Beispielen wie dem MOVISOL-Aktivisten Claudio Giudici, der dafür berühmt ist, daß er praktisch im Alleingang eine Revolte der Taxifahrer gegen die Monti-Regierung organisierte, oder an der Initiative für ein Trennbankensystem von Senator Oskar Peterlini, die immer mehr Unterstützung findet. Es ist höchste Zeit, daß man sich auch in Deutschland um die Verteidigung des Gemeinwohls kümmert, statt sich von den Medien jede Lüge gefallen zu lassen - ob über die Lage in Syrien, oder was den diktatorischen „Fiskalpakt“ und den Rettungsschirm ESM betrifft, die nur zu Hyperinflation und Verarmung der Bevölkerung führen werden.

EU-Politik richtet Griechenland zugrunde

Auch in Griechenland sollen die Arbeitslosen für die Banken bluten. Die EU-Kommission fordert jetzt, daß Griechenland zusätzlich zu den gerade vereinbarten Kürzungen noch einmal 5,5% des Bruttoinlandsprodukts einsparen soll. Das bedeutet weitere Einschnitte bei den Gesundheits- und Sozialausgaben und bei den Beschäftigten des öffentlichen Sektors.

Schon jetzt wurden die Arbeitslosengelder um 25% zusammengestrichen und im letzten Monat der Mindestlohn um 22% gekürzt. Die Arbeitslosenbezüge wurden von 461 Euro auf 360 Euro reduziert und Zahlungen für Langzeitarbeitslose von 200 Euro auf 156 Euro im Monat gesenkt. Unterstützungszahlungen für arme Familien wurden von 98 Euro auf 77 Euro verringert. Im Dezember lag die Arbeitslosenquote bei 21%.

Offenbar sollen die Löhne auf afrikanisches Niveau gesenkt werden. So streiken die Stahlarbeiter der Hellenischen Stahlwerks Halyvourgia bereits seit fünf Monaten, um sich gegen eine 40%ige Lohnkürzung zur Wehr zu setzen. Arbeitern mit 15jähriger Beschäftigungszeit, die 1100,- Euro im Monat verdienen, sollen die Löhne auf 650 Euro gekürzt werden! Der neue Mindestlohn wird auf 550 Euro pro Monat festgesetzt.

Die griechische Industrieproduktion fiel im Januar um 5% im Jahresvergleich, nachdem sie schon im Dezember um 11,3% zusammengebrochen war. Das berichtet die Hellenische Statistikbehörde (Elstat). Die Stromproduktion im Januar sank um 5,5%, während der gütererzeugende Sektor um 6,3% kollabierte. Das griechische BIP schrumpfte im 4. Quartal um 7,5%, nach einem Rückgang um 5% im vorherigen Quartal.

Ein Indikator für den Kollaps des Lebensstandards ist die Tatsache, daß Diebstähle jeder Art im Jahre 2011 um 10% angestiegen sind.

Wer wird als nächster vom „Aufschwung“ profitieren?