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Neue Solidarität
Nr. 9, 2. März 2011

Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht!

Das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel!

Von Helga Zepp-LaRouche

Jetzt offenbaren Politiker und Regierungen, ob sie auf der Seite des Gemeinwohls und der Freiheit stehen oder auf der Seite der Spekulanten, die entschlossen sind, ihr Recht auf Megaprofite und Privilegien zu verteidigen. Entweder wir schaffen es, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Politik und der Wirtschaft zu stellen, oder wir stürzen in ein finsteres Zeitalter.

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit spielt sich ein Drama ab, bei dem es um nichts weniger als die Existenz der menschlichen Zivilisation geht - zumindest in der Form, wie wir sie kennen. Wie in einem gigantischen Erdbeben, das den gesamten Planeten erfaßt hat, breiten sich Freiheitskämpfe, Massendemonstrationen und Destabilisierungen aus. Das System der Globalisierung zerbricht - mit ungewissem Ausgang.

Die Menschheit wird gerade einem Test unterzogen, ob wir die moralische Überlebensfähigkeit besitzen oder nicht. Die Frage ist, ob wir rechtzeitig das, was Papst Johannes Paul II. einmal als „Strukturen der Sünde“ bezeichnet hat, abstreifen und durch eine politische und vor allem wirtschaftliche Ordnung ersetzen können, die mit der Schöpfungsordnung, also den Gesetzen des physischen Universums, übereinstimmt.

Angesichts des drohenden Staatsbankrotts der USA, vieler Staaten in Europa und sogenannter Entwicklungsländer, die viel zu lange daran gehindert wurden, sich zu entwickeln, und einer in der Bevölkerung immer weiter verbreiteten Ahnung, daß das Weltfinanzsystem nur noch wenige Zentimeter von einem Zusammenbruch entfernt ist, ist das Verhalten der politischen Klasse in geradezu klinisch verrückter Weise inadäquat. Unfähig, sich von den Denkaxiomen des untergehenden Systems zu befreien, verbleiben sie in ausgetretenen Bahnen, als ob sie Angst hätten, die Wirklichkeit des Zusammenbruchs wahrzunehmen.

Einfache Bürger hingegen fühlen sich weltweit durch die Erkenntnis verbunden, daß sie mit dem Ancien Régime keine Zukunft haben, weder in Nordafrika noch in den USA. Solidaritätsbotschaften werden von Wisconsin nach Ägypten geschickt und von Irland nach Tunesien. Und gleich, ob sie gegen einen despotischen Gouverneur in den USA auf die Straße gehen, der die Gewerkschaften zerschlagen will, oder für das Recht auf erschwingliche Brotpreise in Indien: Niemand hat den jetzt herrschenden Geist besser ausgedrückt als unser großer Freiheitsdichter Friedrich Schiller, dessen berühmter Rütli-Schwur von der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung inspiriert war:

In diesen Tagen offenbaren Regierungsvertreter und Politiker, ob sie auf der Seite des Gemeinwohls und der republikanischen Freiheit stehen - oder auf der Seite der Kasinowirtschaft und der Spekulanten, die entschlossen sind, ihr Recht auf Megaprofite und damit verbundene Privilegien zu verteidigen. In die erste Kategorie gehört z.B. der isländische Staatspräsident Olafur R. Grimsson, der sich jetzt zum zweiten Mal weigerte, einen Parlamentsbeschluß für eine Entschädigung britischer und holländischer Banken im Zusammenhang mit dem Bankrott der isländischen Landsbanki zu unterzeichnen. Stattdessen unterstützt er den von der Mehrheit des Volkes geforderten Volksentscheid. In Irland kann nach der Wahl ebenfalls ein Referendum erwartet werden. Zur zweiten Kategorie gehören Betonköpfe wie IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn oder EZB-Chef Jean-Claude Trichet, der die aus seiner Politik resultierende Inflation durch eine Senkung des Realeinkommens der Bevölkerung bekämpfen will.

Wolfgang Schäuble kann durchaus den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, der erste Finanzminister der G20-Staaten zu sein, der jetzt die Ergebnisse der Angelides-Kommission voll unterstützt und sogar die abweichende Meinung der vier Mitglieder der Republikanischen Partei eindeutig ablehnt, was er soeben in einer Rede an der Frankfurter Universität getan hat. Schäuble bestätigte ausdrücklich, daß das exzessive Pumpen von Liquidität, sprich exzessive Rettungspakete für die Banken und exzessive Deregulierung, also die Abschaffung des Glass-Steagall-Standards, für die Krise verantwortlich sind.

Das ist ein wichtiger erster Schritt, für den Schäuble Anerkennung verdient. Leider konnte er sich aber nicht zu der einzig realistischen Lösung durchringen, der Wiedereinführung des Trennbankensystems auf globaler Ebene, sondern er verwies auf das im Bereich des Monetarismus und des Eurosystems verbleibende geplante Restrukturierungsgesetz.

Dafür, daß die Zeiten sich ändern, spricht auch eine Umfrage, bei der von mehr als 200 befragten Ökonomen aus dem deutschsprachigen Raum 189 erklärten, daß der Aufkauf von toxischen Staatsanleihen durch die EZB die Euro-Krise verschärft und zur (Hyper-) Inflation führt. Nur sieben Ökonomen stimmten für die Aufkäufe, und elf enthielten sich.

Dabei ist die weltweite Inflation längst außer Kontrolle: In vielen Entwicklungsländern, in denen große Teile der Bevölkerung bis zu 70% ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen, zahlen immer mehr Menschen mit ihrem Leben für diese Politik, und auch in Deutschland sind wir hiervon nicht mehr weit entfernt.

Zu den Gepflogenheiten des Ancien Régime gehört leider auch die nimmer enden wollende Saga um die Dissertation von Verteidigungsminister Guttenberg. Denn einmal abgesehen davon, was für ein Licht diese Geschichte auf ihn selbst wirft, stellt sich doch auch die Frage, wie es einer Universität, die sich immerhin um ihren wissenschaftlichen Ruf sorgen muß, passieren kann, eine Doktorarbeit mit dem Prädikat „summa cum laude“ auszuzeichnen, bei der sich dann vermutlich 270 Seiten als abgekupfert herausstellen. Nun berichtet die BILD-Zeitung von einem zwischen 1999 und 2006 bestehenden Kooperationsvertrag zwischen der Universität Bayreuth und der Rhön-Klinikum AG, durch den 750.000 Euro an die Uni geflossen sind, um dort einen neuen Lehrstuhl für Medizinmanagement aufzubauen.

Diese Rhön-Klinikum AG, in deren Vorstand Guttenberg von 1996-2002 saß und an der die Familie Guttenberg beteiligt war, ist bekannt für die Kampagne zur Privatisierung des Gesundheitswesens, die unbestreitbar zu einem Dreiklassensystem führt. Und beim Studium des „Medizinmanagements“ geht es um die sogenannte Gesundheitsökonomie, bei der eine Kosten-Nutzen-Effizienz im Vordergrund steht, die natürlich unter den Bedingungen einer wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise fatale Auswirkungen hat.

Nun mag dieser Kooperationsvertrag juristisch betrachtet durchaus korrekt gewesen sein, ebenso wie die Gesundheitsökonomie leider inzwischen akzeptiert ist. Daß Guttenbergs Doktorvater aber ein so blindes Auge hatte, hat mindestens ein Geschmäckle.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: die Privatisierung des Gesundheitswesens gehört zu dem Paradigma der Globalisierung, die gerade untergeht, und der es zu verdanken ist, daß die Bundesärztekammer nun die Aufweichung des Hippokratischen Eids erlauben will, nach dem der Arzt nur dazu da ist, die Menschen zu heilen.

Noch gravierender ist allerdings, daß das gesamte politische Establishment sich von Guttenberg eine Reform der Bundeswehr hat unterjubeln lassen, die praktisch auf eine Privatisierung hinausläuft, die ebenfalls zur Axiomatik der Globalisierung gehört, zudem noch dem sozialen Bereich wichtige Arbeitskräfte entzieht und, wie sich jetzt herausstellt, auch fachlich enorme Mängel aufweist, weil wichtige Konsequenzen einfach übersehen wurden. Und Die Welt titelte schon: „Die Unterschicht übernimmt die Landesverteidigung“, da zu erwarten sei, daß künftig nur noch Personen zur Bundeswehr wollen, die anderswo chancenlos sind. Die Bundeswehrreform ist definitiv nicht im nationalen Interesse Deutschlands und sollte gestoppt werden.

Niemand, der diese Lage durchdenkt, wird leugnen können, daß der fortgesetzte Versuch, ein durch und durch marodes Finanzsystem durch weitere „Rettungspakete“ aufrecht zu erhalten, mehr Liquidität schafft, ergo mehr Spekulation, vor allem bei Rohstoff- und Lebensmittelpreisen, und daß dies wiederum zu mehr Hungerrevolten und zu mehr Flüchtlingswellen von Menschen führt, die natürlich dahin kommen wollen, wo sie sich eine Überlebenschance ausrechnen - nach Europa. Natürlich hat die italienische Regierung recht, wenn sie mit diesem potentiell gigantischen Problem nicht alleine gelassen werden will. Und sie hat auch recht, wenn sie einen Marshall-Plan für Nordafrika fordert. Aber wir brauchen einen Aufbauplan für die ganze Welt!

Realität ist, daß die Menschheit ein ganz kurzes Zeitfenster hat, innerhalb dessen wir die notwendige Reorganisation des Finanzsystems vornehmen und das monetäre System durch ein Kreditsystem in der Tradition Alexander Hamiltons, von Franklin D. Roosevelts New Deal und des Glass-Steagall-Standards durchsetzen können. In Deutschland waren wir mit der Politik der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Roosevelts Reconstruction Finance Corporation zum Vorbild hatte, diesem Kreditsystem am nächsten und haben damit innerhalb weniger Jahre Deutschland erfolgreich aus einem Trümmerfeld zum Land des Wirtschaftswunders gemacht. An diese Tradition müssen wir anknüpfen.

Ein Kreditsystem hat nichts mit Geld zu tun, sondern hier sorgt der Staat durch die Vergabe von Krediten für künftige Produktion dafür, daß der Binnenmarkt und damit der Lebensstandard der Bevölkerung gesteigert wird. Es bedeutet auch, daß souveräne Staaten langfristige Kooperationsverträge für konkrete Industrie- und Entwicklungsprojekte schließen, bei denen es ausschließlich um die Steigerung der Produktivität der Arbeitskraft durch die Entwicklung des kreativen Potentials der Menschen geht. Entweder wir schaffen es, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Politik und der Wirtschaft zu stellen, oder wir stürzen in ein finsteres Zeitalter.

Schließen Sie sich uns an bei der wichtigsten Mobilisierung unseres Lebens!

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