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Neue Solidarität
Nr. 8, 23. Februar 2011

Wortmeldung zur Auseinandersetzung um Stuttgart 21

Hubert Mohs kandidiert bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im Wahlkreis Stuttgart I (Mitte) für die Bürgerrechtsbewegung Solidarität und verbreitet in Stuttgart die folgende Stellungnahme zum Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Das Projekt Stuttgart 21 hat in den letzten Monaten viele Menschen betroffen gemacht wie wenig andere Themen. Zehntausende sind dabei für ihre Überzeugung auf die Straße gegangen. Sie wollen dieses Projekt unbedingt verhindern. Das Ganze ist zu einer tief bewegenden Großaktion geworden, bei der nicht wenige Frustrierte ihre Aggressionen hochkommen lassen. Das Projekt spaltet die Bevölkerung. Feindschaft trennt die „Guten“ und die „Bösen“.

Großen Zorn haben die S21-Gegner, weil die für das Projekt Verantwortlichen sich lange Zeit um diesen Protest offensichtlich wenig geschert haben. Die Projektgegner betrachten es als unerträgliche Provokation, daß die Zuständigen auf ihre Sorgen nicht im gewünschten Maße eingegangen sind, sondern im Gegenteil offenbar ungerührt sogar durch den Abriß des Bahnhof-Nordflügels vollendete Tatsachen geschaffen haben. Das berechtigt sie in ihren Augen auch zum zivilen Ungehorsam. Um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen und die Öffentlichkeit aufzurütteln, haben sie wiederholt wichtige Straßenkreuzungen blockiert und den Verkehr zum Stillstand gebracht.

Mit ihrem Widerstand haben sie aber auch erreicht, daß Stuttgart 21 zum Thema eines mehrwöchigen Schlichtungsgesprächs wurde, wo sich Gegner und Befürworter auf Augenhöhe ihre jeweilige Sicht und ihre Sorgen darlegen konnten. Der Schlichterspruch am Ende verlangt beiden Seiten viel ab. Dennoch werden auch danach die Gegendemonstrationen entschlossen fortgesetzt.

Warum soll Stuttgart 21 verhindert werden?
Was bringt Menschen aller Schichten dazu, sich in dieser Art zu artikulieren?

Was aber spricht für Stuttgart 21?

Wie stichhaltig sind die gegen Stuttgart 21 vorgebrachten Argumente?

Wie kann denn jetzt eine kleine Minderheit, die alle diese demokratischen Entscheidungen neuerdings nicht akzeptieren will und allen Ernstes behauptet, die Entscheider hätten aufgrund falscher Information abgestimmt, den Vorwurf „undemokratisch“ erheben? Auch wenn sie jetzt auf außerparlamentarischem Wege Zehntausende von Menschen mit den oben geschilderten Tatsachenverdrehungen und Scheinproblemen in einem aufgeheizten Prozeß zum Widerspruch mobilisiert, ist das keine demokratische Alternative. Müssen denn die maßlose Wortwahl, mit der die Wortführer der S21-Gegner ihre Anhänger zum Haß aufstacheln, und ihre rüden Verunglimpfungen nicht nachdenklich machen? Ich habe mit eigenen Ohren und Augen erlebt, wie ihre Redner meisterlich Agitation und Demagogie einsetzen, über Großlautsprecher skrupellos „Lügenpack, Lügenpack“ skandieren und die Zuhörer zu kochender Wut aufpeitschen. Sie erwecken den Eindruck, als wollten sie nach dem Motto handeln: „Wir haben allein recht, und die anderen sollen gefälligst zustimmen.“ Soll hier wirklich der Konsens zivilisierter Zusammenarbeit aufgekündigt werden? Sind solche Anführer als ehrliche Vertreter des Volkswillens glaubwürdig? Wer ist da ohne weiteres bereit, ausgerechnet ihnen blindes Vertrauen entgegenzubringen? Demokratie lebt von der real wahrgenommenen Verantwortung aller ihrer BürgerInnen.

Kritische Reflexion

Mit K21 ließen sich die erwünschten Fahrzeitverkürzungen, die Weiterführung der Regionalzüge und die Anbindung des Filderraumes nicht erreichen. K21 sieht unter anderem eine aufgeständerte Talbrücke bei Obertürkheim zu einem langen Fildertunnel sowie einen neuen zweigleisigen Tunnel unter dem Rosensteinpark vor. Was würden die Parkschützer dazu sagen, wenn dafür Bäume gefällt werden müßten? Wären dort und im Neckartal nicht massivste Widerstände gegen K21 zu erwarten?

Bei Meinungsumfragen auf zufälliger Basis ohne konstruktive Moderation wurde in der hoch emotional aufgewühlten Situation unter anderem auch eine Mehrheit gegen Stuttgart 21 erfragt. Objektiv ist der echte Wille der Mehrheit aber mit solchen Zufallsbefragungen nicht ermittelt. Wäre es denn richtig, diese Umfragen ohne weiteres als „Volkes Wille“ zu respektieren und ohne Rücksicht auf die Folgen das Ende von Stuttgart 21 zu beschließen? Ist das hoch komplexe Fachwissen der Experten wirklich zu ersetzen durch den einfachen „gesunden Menschenverstand“ beliebiger Laien? Bräuchten wir denn überhaupt den hohen Aufwand der komplexen repräsentativen Demokratie, wenn das Ganze viel leichter durch solche einfachen Abstimmungen erreicht werden könnte? Oder wäre damit nicht unverantwortlicher Manipulation Tür und Tor geöffnet? Was bliebe da von einem Rechtsstaat übrig? Was von einem Gemeinwesen, das allen BürgerInnen Rechtssicherheit bieten soll?

Bei Stuttgart 21 geht es um einen politischen Streit um die beste Lösung für unseren Bahnhof. Es ist völlig legitim, wenn dabei engagiert für die eigene Sicht gekämpft wird. Aber das Ergebnis demokratischer Auseinandersetzung muß anerkannt werden. Wie kann ehrlich behauptet werden, die Projektträger, die die gefällten Entscheidungen verantwortlich realisieren wollen, seien stur und kümmerten sich nicht um Volkes Willen, nur weil einige wenige Projektgegner im demokratischen Entscheidungsprozeß ihren Willen nicht durchsetzen konnten? Kann es allein denen überlassen bleiben, ob eine Stadt und ihre BürgerInnen bald zu friedlichen Verhältnissen zurückkehren können? Viele sagen da: Es ist nicht hinnehmbar und kein Zeichen demokratischer Kultur, wenn die Gegner von Stuttgart 21 die Deutungshoheit über den Nutzen von Großprojekten allein für sich beanspruchen und die Andersdenkenden selbstgerecht der Bosheit bezichtigen. Mit solchem Zerrbild von Demokratie könnten Anarchisten jedes Gemeinwesen zerstören, wenn man sie gewähren läßt. Wollen wir das?

Fragen wir kritisch: Warum denn all dieser Widerstand gegen Stuttgart 21? Woher kommt dieser geradezu religiöse Eifer mit Tausenden von Kerzen im Schloßpark, bei dem nicht wenige sogar ihre Kirchenoberen auffordern, Partei für ihre Sache zu ergreifen? Allen Ernstes ist zu fragen: Sind sich die vielen Demonstranten gegen Stuttgart 21 wirklich klar über ihre Ziele? Was wollen sie wirklich? Was sagen sie selbst, wenn man sie fragt?

Wenn man diese Antworten hört, fragt man sich unwillkürlich, ob die Gegner von Stuttgart 21 sich wirklich verstehen als Teil der Kraft, die stets verneint; als Menschen, die sich grundsätzlich gegen Großprojekte stellen (es sei denn, sie kämen aus den eigenen Reihen wie das Milliardenprojekt K21); als Menschen, die de facto der jetzigen und den kommenden Generationen jeden wirklich großen Fortschritt vorenthalten wollen, rein vom Gefühl her, ohne sich rational Rechenschaft zu geben für ihr Tun; als Menschen, die sich mit fliegenden Fahnen für die Verhinderung der für eine wachsende Menschheit notwendigen Lebensgrundlagen einsetzen lassen. Warum? Weil sie sich entgegen geschichtlicher Erfahrung haben weismachen lassen, jeder große Fortschritt zerstöre die uns anvertraute Schöpfung? Verstehen sie solche Verweigerung wirklich als Verantwortung für die Zukunft?

Oder geht es beim Widerstand gegen Stuttgart 21 eigentlich um etwas ganz anderes, was konkret mit diesem Infrastrukturprojekt wenig zu tun hat? Ist die Wut gegen „die da oben“ nicht vielmehr Ausdruck einer tief sitzenden Politikverdrossenheit, eine Antwort von Enttäuschten auf das zerstörte Vertrauen zu Volksvertretern, die vorher schöne Reden halten und nachher, wenn sie gewählt sind, ganz andere Interessen vertreten? Dann wäre der Kampf am Hauptbahnhof quasi ein Stellvertreterkrieg aus einem großen Ohnmachtsgefühl heraus gegen treulose Macher. Quasi gegen Politiker allgemein. Hervorgerufen durch die häufige Erfahrung, daß das Volk immer mehr ausgepreßt wird, während verantwortungslosen Bankern, die sich geldgierig verzockt haben, Hunderte von Milliarden nachgeworfen werden. Da bringt dieser Kampf die Befriedigung des Bedürfnisses, es „denen da oben“ jetzt einmal richtig zeigen zu können.

Dennoch ist zu fragen: Ist es wirklich ein Zeichen von Mündigkeit, wenn angesichts solcher realer Mißstände jetzt ein äußerst wichtiges Infrastrukturprojekt für unser aller Zukunft geopfert werden soll? Ist solches radikales Rachebedürfnis nicht eher einem Amoklauf zu vergleichen?

Gezielte Sabotage

In der öffentlichen Wahrnehmung ist bei vielen der Eindruck entstanden, daß es zum guten Ton gehöre, sich gegen Stuttgart 21 auszusprechen. Auch glauben viele, es handle sich hier um eine spontane Erhebung von verantwortlichen BürgerInnen gegen eine verantwortungslose Obrigkeit. Viele der S21-Gegner sind ehrlich überzeugt, mit ihrem Widerstand für etwas Gutes und Notwendiges einzutreten. Sie lassen sich willig in Dienst stellen, weil das, was sie bei ihren Kundgebungen erfahren haben, ihnen so einleuchtend erscheint. Aber ist das wirklich gut, was sie anstreben? Sind die Initiatoren der Gegnerschaft tatsächlich von redlichen Motiven getrieben? Daß die Grünen z.B. in ganz kurzer Zeit von der einstimmigen Unterstützung von Stuttgart 21 zur radikalen Gegnerschaft umgeschwenkt sind, macht die Demons­tranten offenbar nicht stutzig, obwohl die schieren Wahlkampfinteressen dabei mit Händen zu greifen sind. Es stört sie auch nicht, daß auf den Großkundgebungen in kaum vorstellbarer Weise Haß geschürt und Emotionen hochgepeitscht werden, ja daß skrupellos Rufmord betrieben wird. Sie klammern sich blind an das Phantom K21, das man ihnen als Köder vor die Nase gehängt hat. Aber diese Rechnung kann nicht aufgehen. Für K21 gibt es keinerlei rechtsgültige Planung, keine Geldgeber und keinen Bauherrn. Das bedeutet, daß bei Verhinderung von S21 überhaupt nichts wesentliches gebaut wird, weder jetzt noch in zehn Jahren. Aber genau hier sehe ich das wirkliche Ziel hinter diesen Aktionen: der von langer Hand geplante Boykott von S21. Daß die Grünen inzwischen ganz offen auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in Frage stellen, zeigt doch klar, daß bei ihnen auch K21 nicht die geringste Chance hätte.

Es geht also um die gezielte Sabotage der Lebensgrundlagen künftiger Generationen, die vorsätzliche Verhinderung und Zerstörung von lebenswichtiger Infrastruktur. Großprojekte sollen grundsätzlich unmög­lich gemacht werden. Den Rest besorgt der Zahn der Zeit. Im Verein mit vielen ähnlichen Aktionen geht es letzten Endes um die vorsätzliche Verelendung des größten Teils der Bevölkerung durch Entzug der Lebensgrundlagen, damit die Profiteure unumschränkt herrschen können. Denen sind demokratische Strukturen schon lange ein Dorn im Auge. Sie mißbrauchen demokratische Freiheiten, um die Demokratie zu zerstören. Sie benutzen dabei willige Vollstrecker und betrügen die Leichtgläubigen, indem sie Weiß als Schwarz und Schwarz als Weiß darstellen. Sie setzen große Millionenbeträge für die Widerstands­aktionen ein, die über Organisationen wie campact.de und BUND von schwer reichen Hedgefonds stammen, die keineswegs das Gemeinwohl im Sinn haben oder für bessere Gerechtigkeit eintreten. Natürlich haben die Gutwilligen, die sich gegen S21 engagieren, solche Menschenfeindschaft nicht im Entferntesten im Sinn, aber sie lassen sich blind dafür instrumentalisieren. Aber entbindet sie ihre Blindheit von der Verantwortung für ihr Tun?

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Stoppt die grünen Fußtruppen der Finanzheuschrecken!
- Neue Solidarität 43/2010
Dossier: Heißer Herbst
- Neue Solidarität online