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Neue Solidarität
Nr. 8, 23. Februar 2011

Ägypten braucht einen geordneten Ausweg aus der Krise

Der EIR-Korrespondent Hussein Askary gab eine Woche vor dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubarak dem LaRouche-Aktionskomitee LPAC das folgende Interview über die Ursachen für die Massendemonstrationen in Ägypten. Mit ihm sprach Chris Landry.

Landry: Via Telefon sprechen wir mit dem Südwestasienkorrespondenten von EIR, Hussein Askary, über die jüngsten Entwicklungen in Ägypten. Was spielt sich dort ab?

Askary: Was wir derzeit in Ägypten erleben, ist eine schrecklich tragische Situation. Lyndon LaRouche hat während der letzten Tage immer wieder betont, daß es sich hier nicht um eine spezifisch ägyptische Krise handelt, und auch nicht um eine tunesische oder eine andere potentielle Krise in Jordanien oder Jemen. Was wir in Ägypten sehen, ist das Scheitern der Globalisierung, einem System, das 40 Jahre in die Vergangenheit reicht, bis zum Ende des Bretton-Woods-Systems, der Durchsetzung des britischen monetären Systems und damit der Globalisierung; im Falle Ägyptens und der Zerstörung der ägyptischen Wirtschaft, die in Wahrheit der Krise zugrunde liegt, den Massenprotesten, der Angst besonders der jungen Bevölkerung, die genau sehen, daß sie keine Zukunft haben. Diese Zerstörung der ägyptischen Wirtschaft begann schon vor mehr als 30 Jahren - nämlich mit der Politik, die der IWF und die Weltbank Ägypten durch die Regierungen Europas, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten aufzwangen. Aber man kann dasselbe über fast jedes andere Land Afrikas, Nordafrikas, Südwestasiens, und sogar Osteuropas sagen, wo Länder jetzt wegen der Zusammenbruchskrise der gesamten Wirtschaft für soziale Explosionen reif sind.

So sieht es aus. Es gibt spezifische interne Probleme in Ägypten, aber sie sind nicht spezifisch für Ägypten, z.B. die Massenarbeitslosigkeit unter den jungen Menschen, der Produktivitätsverlust, die Nahrungsmittelkrise, die ein Resultat der hyperinflationären Politik ist, die besonders während der letzten paar Jahre durch die Obama-Regierung und die Europäische Union geschaffen wurde, indem man einfach Geld zur Rettung des britisch dominierten Weltfinanzsystems druckte. Das führt jetzt zu einer hyperinflationären Preisexplosion bei Grundnahrungsmitteln, Treibstoff und anderen Dingen. Dazu kommen aber auch die fehlenden Investitionen vieler, vieler Jahre in die Infrastruktur, Wasserprojekte und Elektrizität, was es diesen Nationen inzwischen unmöglich macht, ihre eigene Bevölkerung zu erhalten.

Das ist ein tragischer Indikator dafür, was passieren kann, wenn man nicht auf Lyndon LaRouche hört und nicht den universellen Prinzipien folgt, für die LaRouche seit vielen Jahren kämpft. Vor wenigen Tagen erschien der Angelides-Bericht über das Versagen der Politik der Rettungspakete in den USA. Da wird aber auch gezeigt, wie sich die Krise, also der ganze Finanzkollaps, über mehr als 30 Jahre hinweg entwickelt hat.

An jedem Wendepunkt, an jeder Station dieser gescheiterten Politik, an der in den USA, in Europa und weltweit katastrophale Entscheidungen getroffen wurden, waren LaRouche und seine Mitstreiter zur Stelle, warnten vor der Krise, zeigten aber auch Lösungen auf - nicht nur global, sondern auch für spezifische Staaten, wie im Falle Ägyptens in den frühen achtziger Jahren.

Landry: Zu dieser 40jährigen Entwicklung: Was war seit der Abkopplung des Dollars vom Gold durch Nixon 1972, seit der Zerstörung des Bretton-Woods-Systems die Politik der sogenannten Inter-Alpha-Bankengruppe und der USA gegenüber Ägypten?

Askary: Es ist so, daß das Britische Empire - also das alte und das neue - die Region seit mehr als 100 Jahren beherrscht. Ägypten war ja selbst durch die Briten besetzt worden (1882), und zwar als Resultat der Finanz- und Wirtschaftspolitik, denn Britannien übernahm die Herrschaft in Ägypten, um sie zur Zahlung von Schulden zu zwingen, die sich dort durch Betrug aufgehäuft hatten.

Aber die Briten waren auch vor dem Ersten Weltkrieg aktiv, mit ihrer Präsenz im Nahen Osten, in Ägypten und anderen Ländern, und mit ihrem Einfluß dort; später dann mit dem Versuch, alles zu zerstören, was mit den Ideen Franklin Delano Roosevelts zu tun hatte, und auch mit dem Entstehen der Blockfreien Bewegung, welche ja die Bestrebungen Roosevelts für die Welt nach dem Krieg teilte: Es sollte keine kolonialen, imperialen Systeme mehr geben, sondern souveräne, unabhängige Nationalstaaten, die zusammenarbeiten würden, um ihre Wirtschaften aufzubauen, mit Betonung auf der Entwicklung von Infrastruktur, Elektrizität, Wasser und Landwirtschaft, damit die Länder selbständig würden und gleichzeitig zusammenarbeiten konnten.

Genau zu der Zeit, als die Regierung Nixon unter dem Einfluß britischer Agenten das Bretton-Woods-System zerstörte, also genau 1971-73, kam es zur Ölkrise, die durch den Oktoberkrieg (Jom-Kippur-Krieg) geschaffen wurde - inszeniert von Henry Kissinger, also dem US-Außenminister und Nationalen Sicherheitsberater. Er hat den Krieg orchestriert! Dann kam noch die Ölkrise, durch die die anglo-saudische Herrschaft und die Petro-Dollar-Politik weiter ausgebaut wurde.

Aber seitdem waren die Briten in einer sehr angenehmen Lage, in der ihre Geister, in Person von Amerikanern wie Henry Kissinger, ihre Politik im Namen der Vereinigten Staaten weltweit umsetzten. Kissinger machte öffentlich keinen Hehl aus seiner Neigung zum britisch-imperialen System, entgegen den Ideen Franklin Roosevelts und dem amerikanischen nationalen Verfassungssystem. Kissinger regelte also in Südwestasien und in Ägypten insbesondere die Angelegenheiten des Britischen Empire.

Dazu gehörte auch Krieg, aber als dann zwischen Ägypten und Israel der Friedensprozeß begann, war Kissinger auch zur Stelle. Und das war der Tropfen Gift, der dem süßen Geschmack des Friedens beigefügt wurde, denn Ägypten isolierte sich von den umgebenden arabischen Staaten, als es den Israelis die Hände schüttelte und den Friedensprozeß akzeptierte. Ägypten wurde von der Unterstützung der Saudis und anderer arabischer, ölreicher Länder abgeschnitten und fand sich auf einmal in vollkommener Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Und um Hilfe von den USA zu bekommen, mußte Ägypten der Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung folgen - und das war das Gift, das ihnen mit dem Friedensprozeß eingeflößt wurde. Die Ägypter wurden also, um amerikanische Hilfe und Hilfe aus Europa zu bekommen, gezwungen, die Politik der „offenen Tür” - wie Präsident Sadat das nannte - durchzuführen; eine Liberalisierungspolitik, bei der „offene Tür” bedeutet, daß Diebe aus aller Welt ein- und ausgehen konnten, wie sie wollten.

Allerdings ging diese Politik daneben und es gab heftige Gegenreaktionen. 1981 wurde dann Präsident Sadat durch militante Mitglieder der Moslembruderschaft umgebracht - die übrigens auch eine britische Schöpfung ist. Damals also, 1981/82 kam dann Präsident Mubarak an die Macht, aber Ägyptens Wirtschaft funktionierte noch auf der Grundlage, die Gamal Abdel Nasser nach den Revolutionen 1952 und 1962 gelegt hatte. Es war eine staatlich gelenkte Wirtschaft, die auf Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrialisierung fußte. Die Landwirtschaft wurde reformiert; der Assuan-Staudamm wurde gebaut; Stahl-, Zement- und Textilindustrien wurden errichtet. Es gab also eine Basis für den Aufbau Ägyptens als moderne Nation.

Und genau zu dieser Zeit präsentierten Lyndon LaRouche und seine Mitarbeiter der ägyptischen Regierung einige Vorschläge. LaRouches Magazin Executive Intelligence Review führte Interviews mit ägyptischen Ministern, die absolut mit der Vision LaRouches und EIRs übereinstimmten, daß Ägypten das „Japan des Mittleren Ostens” werden sollte. Sie sprachen über den Bau von Kernkraftwerken, über den Transport von Wasser in Wüstengebiete, um z.B. Wasser aus dem Mittelmeer in die Qattara-Senke zu bringen - alles sehr interessante Projekte,  die Ägypten und Sudan zum Brotkorb für die ganze afrikanische und arabische Welt machen würden.

Leider wurden diese Ideen von Leuten in den USA sabotiert. Damals hatte LaRouche es geschafft, 1982-83, die Strategische Verteidigungsinitiative SDI für eine gewisse Zeit zur offiziellen Politik der USA zu machen. Aber dann kam es zu einem massiven Angriff auf LaRouche, weil er eben neben den Briten, der Sowjetunion und den USA durch die Macht seiner Ideen zu einer Art Supermacht geworden war. Der Angriff auf LaRouche begann in den USA, aber auch die SDI und seine Politik für Ägypten und den Nahen Osten gerieten unter Attacke.

Zeitgleich wurde der ganze Mittlere Osten in Brand gesteckt - das war der Krieg zwischen Irak und Iran von 1981-88. Die Ausrichtung der ganzen Region ging von wirtschaftlicher Entwicklung zu einer Kriegswirtschaft über, und Ägypten zum Beispiel wurde gezwungen, Waffen zu importieren, auf Kredit, und anstelle von Maschinen oder Kernkraftwerken wurde ein Waffenarsenal aufgebaut. Das war in allen Ländern der Region der Fall. Internationale Waffenkartelle unter Leitung der Briten waren während der ganzen achtziger Jahren sehr aktiv. Als Resultat fand Ägypten sich Ende der achtziger Jahre in der Schuldenfalle. Als der Irak nach Kuwait einfiel, wurde Ägypten gezwungen, sich Thatcher und George Bush (sen.) anzuschließen und den Irak anzugreifen. Im Gegenzug dafür wurden Ägypten die Schulden erlassen!

Leider mußte sich Ägypten dazu mit dem IWF zusammensetzen. Und das war ein Desaster, denn im Einklang mit der IWF- und Weltbankpolitik mußte Ägypten seine Währung abwerten, seine Industrien privatisieren, Zölle auf landwirtschaftliche Produkte aufheben und so die eigene Wirtschaft und die Landwirtschaft plattmachen. Jetzt mußten sogenannte „Exporte“ dafür sorgen, daß harte Währung ins Land kam. Und was dann noch von der ägyptischen Landwirtschaft übrigblieb, wurde auf den Export ausgerichtet. So exportiert Ägypten bis zum heutigen Tag Obst und Gemüse nach Europa, kann aber die eigene Bevölkerung nicht ernähren! Das Land wurde von Hilfe aus den USA und Europa abhängig gemacht, um Brot und andere Grundnahrungsmittel zu bekommen, während die begrenzten eigenen landwirtschaftlichen Bereiche für cash crops eingesetzt werden, also Baumwolle usw.

Das andere Problem war, daß Ägypten während all dieser Jahre keinen Kredit zur Finanzierung von Infrastruktur, Kernkraftwerken und ähnlichem bekommen konnte - für Projekte, wie sie LaRouche für Ägypten vorgeschlagen hatte. Ägypten hätte im Jahr 2000 40% seines Stroms aus Kernkraft beziehen sollen, und dazu ist es nie gekommen. LaRouche und seine Mitarbeiter waren der US-Hilfe für Ägypten gegenüber sehr skeptisch und hatten vorgeschlagen, daß die 1 Mrd. $ an Hilfsgeldern, die in irgendwelche lächerlichen ländlichen Projekte gingen, für den Bau von Kernkraftwerken ausgegeben werden sollten, damit Ägypten nicht nur ausreichend Strom produzieren, sondern auch Wasser entsalzen könne, womit der Wüste neues fruchtbares Land abgewonnen werden könnte.

Es ist nie dazu gekommen und Ägypten geriet immer tiefer in die Falle der wirtschaftlichen Liberalisierungspolitik, die zeitgleich auch Mexico, Afrika und Ostasien aufgezwungen wurde, also eine globale Politik, in der Ägypten nur ein Teil war.

In den neunziger Jahren war Ägypten also vollkommen von landwirtschaftlichen Exporten und Tourismus abhängig geworden. 1995-97 fiel der Tourismus aus, weil aus London operierende Gruppen von Terroristen den ägyptischen Tourismus aufs Korn genommen und mehrfach Touristen erschossen hatten - EIR hatte das damals auch dokumentiert. Der Tourismus brach also weg, Ende der neunziger Jahren war Ägypten wirtschaftlich erledigt und mußte ein neues Abkommen mit den USA unterzeichnen, d.h. mit Al Gore. Und nach diesem Abkommen mußte Ägypten den Rest seiner Industrien privatisieren: die Stahlindustrie, die Textilindustrie usw. Und später dann sogar die Infrastrukturproduktion.

Al Gore spielte auch im Privatisierungsprozeß der russischen Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Und man sieht ja, was in Rußland passiert ist; nämlich das, was normalerweise passiert, wenn man eine staatlich gelenkte Wirtschaft direkt in eine völlig liberalisierte und privatisierte Wirtschaft verwandelt: Ein Haufen Leute in und um die Regierungsstruktur und Geschäftsleute mit entsprechenden Verbindungen übernehmen diese Industrien für einen Spottpreis. Und die haben natürlich auch Verbindungen zu Finanzinteressen im Ausland - und genau das ist in Ägypten auch passiert. Da kommt die Korruption her. Sie wurde Ägypten von außen aufgezwungen.

So wurden der Präsident, seine Söhne und ein großer Teil der Elite in Ägypten sehr reich, wie die russischen Oligarchen, aber die Mehrheit der Bevölkerung, mehr als 50%, lebt unter der Armutsgrenze. Ägypten hat es nicht geschafft, in irgendeines der landwirtschaftlichen oder stromerzeugenden Projekte zu investieren, die schon in den achtziger Jahren vorgeschlagen worden waren.

Das ist eine Tragödie,  die über 30 Jahre hinweg entstanden ist, aber wir können diese Zeit noch wettmachen, wenn wir der Politik folgen, die LaRouche jetzt vorschlägt: Die Einführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems, den Beginn des Wiederaufbaus der Weltwirtschaft auf Basis nationalen Kredits und der Zusammenarbeit der Nationen beim Aufbau von Infrastruktur, Landwirtschaft und anderen Projekten. Das ist die Lösung.

Ägypten leidet heute unter einer Krankheit, mit der die ganze Welt schon vor 40 Jahren infinziert wurde, wenn nicht früher. Aber das ist die Quelle des Übels und das ägyptische Volk und andere Völker zahlen heute den Preis dafür.

Landry: Ägypten ist der weltweit größte Importeur von Weizen, wenn ich mich nicht irre.

Askary: Ja, es dürfte zu den vier größten Importeuren gehören.

Landry: Aha, und eine Menge von mit Nahrungsmitteln beladenen Schiffen können in den ägyptischen Häfen nicht landen, weil die Banken das Land im Grunde dichtgemacht haben. Es finden also keine Geschäfte statt und man kommt nicht einmal an Nahrungsmittel…

Askary: Ganz genau. Die Lebensfähigkeit, die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft wird vollkommen in den Wind geblasen, wenn Ägypten jetzt das tut, was Obama, das britische Foreign Office oder die Regierungen der EU sagen... Die bestmögliche Option wäre, sicherzustellen, daß es eine friedliche, organisierte Transformation gibt, hin zu einer neuen Regierung und einem neuen Parlament. Während all der Jahre waren die Regierung Ägyptens und die Eliten natürlich mitverantwortlich für diese Politik, aber sie waren eher Juniorpartner bei einem Verbrechen.

Es sollte jetzt also einen geordneten Ausweg geben. Was Ägypten der Welt heute bieten kann, sind Lyndon LaRouches Ideen! D.h. die Idee, daß universelle Prinzipien über die sogenannte „physische Ökonomie” herrschen: also die Art, wie Nationen blühen können, wie Menschen ihre Kreativität gebrauchen können, um ihre Länder und die Welt insgesamt aufzubauen. Aber auch, daß junge Menschen diese Prinzipien nicht nur verstehen müssen, sondern sie als Teil ihrer Identität annehmen müssen. Denn viele junge Menschen, die heute demonstrieren, wütend sind und ihre Wut zum Ausdruck bringen, können keine klare, organisierte Identität ausdrücken; sie haben keine Vorstellung von ihrer Identität als Individuen in ihren Nationen und im Universum als ganzem, weil ihnen einfach das Wissen fehlt, weil die Kultur und die Bildung während der letzten 30-40 Jahre weltweit vollkommen degeneriert sind.

Junge Menschen haben heute zwar das Recht frustriert zu sein, aber das Problem ist, daß sie nicht das notwendige Wissen und die Identität haben, um aus der Krise herauszufinden. Und diese Art von Arbeit wird vom „Basement” bei LaRouchePAC und der LaRouche Jugendbewegung gemacht. Das ist der Schlüssel zur Lösung für eine solche Krise, da kann man nicht einfach nur wütend sein und einen „Regimewechsel” verlangen. Die Briten wären ja überglücklich, wenn es darauf beschränkt bliebe! Man muß sehr aufpassen, was man sich wünscht.

Landry: Ganz bestimmt. Ich denke, das bringt unser Interview zum Abschluß. Hussein, vielen Dank für Deine Zeit. Ich danke Dir für all die vielen Gedanken in dieser prekären Situation. Ich denke, wir haben viel zu tun.

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