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Neue Solidarität
Nr. 5, 2. Februar 2011

Landwirtschaftszählung 2010 sagt vieles, aber auch vieles nicht

Am 27. Januar stellte das statistische Bundesamt die Ergebnisse der „Landwirtschaftszählung 2010“ im Berliner ICC bei einer Pressekonferenz vor. Die Statistiker befragten dazu die über 300.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland, um diverse Daten zu erheben, die nun in einer aktuellen Studie vorgestellt werden. Das Fazit der Bundesstatistiker: „Der Strukturwandel in der Landwirtschaft geht weiter“.

Seit 2007 sind 21.000 Betriebe verschwunden. Den stärksten Rückgang gab es bei einer Betriebsgröße zwischen 20 und 50 Hektar (ha). Einen Anstieg gab es hingegen bei der Zahl der Betriebe über 100 ha - hier kamen bundesweit 2000 Betriebe hinzu. Die durchschnittliche Betriebsgröße stieg dadurch von 2007 bis 2010 von 52 auf 56 ha.

Von den knapp 12 Mio. ha Ackerland wurden im vergangenen Jahr 1,8 Mio. ha (ein Viertel mehr als 2007) für die Produktion von Silomais genutzt. Er ist damit nach dem Winterweizen (3,3 Mio. ha) bereits die zweitwichtigste Feldfrucht. Der Anteil an „Energiemais“, der nicht für die Ernährung, sondern für Biogasanlagen genutzt wird, dürfte sich dabei innerhalb von drei Jahren annähernd verdoppelt haben (2007 wurden für 239.000 ha Prämien bezahlt, auf denen „Energiemais“ angebaut wurde; das waren damals etwa 15% der Silomaisproduktion). Nicht erwähnt von den Bundesstatistikern wurde, wie viele Flächen insgesamt für die Herstellung von Biosprit und Biogas genutzt werden. Auch rechnen unsere Bundesstatistiker nicht vor, wie viele Nahrungsmittel für wie viele Menschen auf diesen Flächen nicht produziert werden.

Ein anderer Aspekt des „Strukturwandels“ ist die Spezialisierung und Industrialisierung der Viehhaltung. Dabei zeigt sich eine klare Unterscheidung zwischen einer relativ großen Zahl von Betrieben, die verschiedene Vieharten halten, und einer relativ kleinen Zahl von Betrieben, die hoch spezialisiert sind und einen sehr großen Anteil der Gesamtzahl der Tiere halten. So gibt es zwar 61.000 Betriebe, die Geflügel halten, aber nur 9.000 Betriebe halten fast zwei Drittel allen Federviehs.

2010 gab es 5% weniger Arbeitskräfte in der Landwirtschaft als 2007. Damit waren noch 1,1 Millionen Menschen entweder als Familienarbeitskräfte (568.000), ständig angestellte Arbeitskräfte (195.000) oder als Saisonarbeitskräfte (334.000) tätig. Die Familienbetriebe sind also nach wie vor der wichtigste Arbeitgeber in der Landwirtschaft. Allerdings müssen mehr und mehr Betriebe auf Nebenerwerbsquellen setzen, um überleben zu können. Die Bundesstatistiker formulieren das recht blumig-trocken als „mehr Wertschöpfung in ländlichen Räumen durch Multifunktionalität der landwirtschaftlichen Betriebe“. Rund 41.000 Höfe betreiben Windkraft- und Biogasanlagen bzw. erzeugen Wärme und Strom für den Verkauf, nicht für den Eigenbedarf.

Eine Gefahr für den Bestand der Familienbetriebe in Deutschland ist, daß die Hofnachfolge oft nicht gesichert ist. Die Hofnachfolge sollte frühzeitig und geordnet geklärt werden, jedoch ist dies bei 70 % aller Unternehmen, deren Landwirte 45 Jahre und älter sind, nicht der Fall. Das zeigt, daß die junge Generation im bäuerlichen Familienbetrieb allzu oft keine Lebensperspektive mehr sieht.

Leider konnten die Bundesstatistiker viele Fragen nicht beantworten, etwa über die Kreditausstattung der Unternehmen. Offen bleibt auch, wie viele Flächen und Arbeitskräfte insgesamt für Nahrungsmittelproduktion genutzt werden bzw. für Biogas drauf gehen. Die Landwirtschaftszählung sagte auch nichts darüber aus, wie das Verhältnis zwischen Erzeugung und Verbrauch von Nahrungsmittel in Deutschland ist. Das sind Fragen, die der Bürger den Politikern stellen sollte, denn die Statistiker erfassen ja nur die Zahlen, die sie erfassen sollen.

dbu