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Neue Solidarität
Nr. 5, 2. Februar 2011

China entwickelt größte Stadtregion der Welt

China treibt die Entwicklung seiner Städte voran und investiert dafür riesige Summen in den notwendigen Ausbau der Infrastruktur.

Die britische Tageszeitung The Telegraph berichtete am 24. Januar, daß China in den nächsten sechs Jahren das Perlflußdelta in der Provinz Guangdong, mit einer Einwohnerzahl von ca. 42 Mio. Menschen und einer Fläche von fast 42.000 km², urbanisieren wird. Über 150 Großprojekte sind vorgesehen, um die kleineren und größeren Städte in den Großregionen Guangzhou (Kanton) und Shenzen mit weiteren Städten wie Foshan und Dongguan zu verbinden und auszubauen.

Die Region ist dafür wie gemacht: So ist Shenzen z.B. nur durch einen Fluß von Hongkong getrennt und gehört zu den wichtigsten wirtschaftlichen Gebieten Chinas. Mit neuer Infrastruktur sollen die Städte der Region um das Perlflußdelta näher zusammenrücken und nicht weiter als eine Fahrstunde voneinander getrennt sein. Dafür werden über 2 Bio. Yuan (220 Mrd. Euro) investiert, um u.a. 29 neue Bahntrassen mit einer Gesamtlänge von ungefähr 5000 km zu bauen. Wasserwege und Versorgung, Kommunikation und Energie werden ausgebaut, um aus dem Perlflußdelta eine integrierte Großregion zu machen und die Lebensumstände ihrer Einwohner zu verbessern.

Ähnliche Großregionen sind der Ballungsraum Tokio mit 34,2 Mio. Einwohnern, bisher das größte zusammenhängende städtische Gebiet der Welt; Neu-Delhi mit ungefähr 24 Mio. Einwohnern und Mumbai (Bombay) mit über 23 Mio. Einwohnern. Dagegen nimmt sich die größte zusammenhängende Region Westeuropas, der Großraum Paris mit 10,2 Mio. Einwohnern, geradezu klein aus, der größte deutsche Ballungsraum, das Ruhrgebiet, hat gar nur 5,2 Mio.

„Wenn die Städte erst einmal integriert sind, können sich die Einwohner freier bewegen und die Gesundheitsversorgung und andere Einrichtungen der gesamten Region nutzen“, zitiert der Telegraph den Chefplaner des Guangdonger Land- und Stadtplanungsinstituts, Ma Xiangming.

Die Urbanisierung der unterentwickelten und rückständigen Gebiete ist eine der größten Herausforderungen, die China in den kommenden Jahrzehnten in Angriff nehmen will. Vergangenen Sommer berichtete die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften, daß in China mehr Menschen in Städten leben (620 Mio.) als in irgendeinem anderen Land der Welt. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind es aber nur 46%, was deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt liegt. Ein Ziel Chinas ist es daher, bis 2030 einen Urbanisierungsgrad von 65% zu erreichen. Der Meilenstein von 50% soll zwischen 2011 und 2015 in der gegenwärtigen 12. Entwicklungsphase erreicht werden.

Das bedeutet, daß in dieser Zeit ca. 15 Millionen Menschen aus ländlichen Gebieten jährlich in städtische Regionen ziehen werden oder ihre Regionen erschlossen werden.

Das ist eine große Aufgabe. Menschen in Städten z.B. brauchen etwa dreimal mehr Wasser als die Menschen auf dem Land. Und wieviel Wohnungen, Straßen, Massenverkehrsmittel, Elektrizität, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, sanitäre Anlagen und andere Infrastrukturen notwendig sind, damit die Städte nicht zu Slums verkommen wie in anderen Entwicklungsländern - das ist für uns Mitteleuropäer, die das alles schon haben und unter einem Entwicklungspessimismus leiden, wahrscheinlich unvorstellbar. Obwohl man bemüht ist, die beste und neueste Technik zu nutzen, gibt es in 400 der 655 chinesischen Großstädte massive Probleme wie Wassermangel oder endlose Staus. Eine weitere Herausforderung wird es sein, die Qualität des Aufbaus sicherzustellen. Wenn allein 2011 z.B. 10 Mio. Wohneinheiten zu erschwinglichen Preisen gebaut werden sollen, aber noch viel mehr gebraucht werden, ist eine logistische Meisterleistung gefordert.

Dabei werden auch andere Regionen nicht vergessen. So ist z.B. im nördlichen Ballungsraum um Beijing (Peking) und Tianjin (Tientsin) schon eine Urbanisierung im Gang, die eines Tages 260 Mio. Menschen umfassen wird. Begonnen wurde damit schon vor 2008, und die bekannte Schnellbahntrasse zwischen den beiden Städten wurde pünktlich zu den Olympischen Sommerspielen in China eröffnet. Auch das Yangtse-Programm für die Verbesserung der Wasserwege, Hochwasserschutz und Verbesserung der Wasserversorgung muß hier genannt werden.

Eine weitere wichtige Grundlage, um die Menschen in China aus ihrer Armut zu holen, ist die Energieversorgung. Nach Angaben des ehemaligen Direktors der Nationalen Chinesischen Energiebehörde Zhang Guobao sind innerhalb des 12. Fünfjahresplans weitere 10 Kernkraftkomplexe vorgesehen. Das Gesamtziel bis 2020 sei, insgesamt 86 Gigawatt aus Kernkraft zu erzeugen (entspricht 5% von Chinas Energieversorgung - bisher sind es bloß 2%). Dafür will der staatliche Atomkonzern bis 2020 insgesamt 800 Mrd. Yuan (ca. 90 Mrd. Euro) investieren. Die Herausforderung hierbei wird es sein, die nötigen Anlagen und Ausrüstungen zu bekommen. China Daily berichtete, daß zurzeit etwa 50% der benötigten Ausrüstung in China selbst produziert werden. Die Frage sei, ob China die Produktion schnell genug ausweiten könne, um bis 2020 auch moderne Reaktoren der 3. Generation zu bauen. Die bisherigen elf Kernkraftwerke benutzen noch die Technik der 2. Generation. China will aber seine Forschung so vorantreiben, daß es den Wissensvorsprung der Industrienationen sehr bald aufholen kann.

mmc