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Neue Solidarität
Nr. 49, 7. Dezember 2011

Akute Weltkriegsgefahr durch die Finanzkrise:

Warum Schillers Menschenbild einen Ausweg weist

Von Helga Zepp-LaRouche

Bei der Mitgliederversammlung des Schiller-Instituts hielt Helga Zepp-LaRouche die Hauptrede, die wir hier dokumentieren.

Liebe Freunde und Mitglieder des Schiller-Instituts, nach dieser wahren Seelenspeise1 müssen wir uns leider jetzt erst einmal etwas weniger angenehmen Dingen zuwenden. Um Sie so ein bißchen sanft zu dem eigentlichen Thema hinzuführen, was ein ziemlich schreckliches ist, will ich zunächst einmal betonen, daß es vielleicht keinen größeren Kontrast gibt als zwischen dem, was Sie von den Medien oder auch von den Politikern, den Parteien, den Parteitagen, die dieser Tage stattfinden, über die Realität erfahren, und dem, was in Wirklichkeit passiert.

Wenn Sie nur den Medien glauben, dann ist deutsche Politik und die Wirklichkeit bestimmt von Castor-Transporten, von V-Männern, von allen möglichen Themen, die aber im Verhältnis zu dem, was wirklich das Problem ist, so ungeheuer unwichtig sind, daß es wirklich schon verblüfft, wie das möglich ist.

Wir haben ja jeden Tag Informationstische und versuchen die Menschen für die Realität und die Lösungen zu interessieren, und da erlebt man eben auch das Resultat dieser Separierung, wenn man Menschen sagt: Das Finanzsystem ist in der allerletzten Phase der Desintegration, der Euro ist dabei, sich aufzulösen, wir haben eine akute Kriegsgefahr, die zum Dritten Weltkrieg führen könnte. Dann sagen die Leute: „Ach, das interessiert mich jetzt nicht.“ Oder, „Ich höre das, aber ich habe keine Emotionen. Also, was Sie sagen, mag ja alles sein, aber ich fühle gar nichts.“ Oder sie sagen: „Tja, das kann sein, aber ich habe keine Angst. Obwohl Sie mir das sagen, habe ich keine Angst.“

Das sind alles jetzt Zitate von Reaktionen aus den letzten Tagen, und das hat sehr wohl etwas mit Friedrich Schiller zu tun, weil Friedrich Schiller schon zu seiner Zeit gesagt hat, daß die Menschen wie verkrüppelte Pflanzen sind, daß sie bestimmte Aspekte ihrer Persönlichkeit gut ausgebildet haben, und andere gar nicht, und daß sie vor allen Dingen in Bezug auf die Fähigkeit, die Realität aufzunehmen, einen totalen Mangel an Vorstellungskraft haben, und an Empfindungsvermögen. Und Schiller sagte deshalb, das dringendste Bedürfnis seiner Zeit sei die Ausbildung des Empfindungsvermögens. Und ich glaube, wenn der Schiller heute irgendwie mal bei uns so hereingucken könnte, dann würde er sagen: Was waren das für goldene Zeiten im Verhältnis zu der Barbarei, die sich heute entwickelt hat, wo die Menschen wirklich angesichts all der schrecklichen Entwicklungen trotzdem das nicht aufnehmen wollen oder können?

Akute Kriegsgefahr

Also nach dieser kleinen Vorbemerkung: Wir haben akute Kriegsgefahr. Und zwar so akut, daß mein Ehemann Lyndon LaRouche gesagt hat: Wenn das schief geht, dann kann es dieses Wochenende, also heute, Sonntag, tatsächlich zu einem Krieg kommen.

Was ist die Ausgangslage? Es sind in den letzten Tagen mehrere russische Kriegsschiffe in das östliche Mittelmehr gefahren, und zwar vor die Küste von Syrien. Und damit einher gehen eben klare Botschaften und Aussagen von der russischen Führung, daß sie nicht akzeptieren werden, daß die Regierung von Bashir Assad gestürzt wird, entweder durch Rebellen, die vom Ausland unterstützt werden, oder durch militärische Interventionen, sei es von der Türkei aus, sei es von Saudi-Arabien oder gar Militärinterventionen des Westens.

Das heißt, daß die russische Regierung im Grunde klar gemacht hat, daß sie einen Schlag gegen Syrien nicht akzeptieren wird, und bisher sieht es eben so aus, daß diese Warnmeldungen, Warnaussagen nicht akzeptiert werden von Washington und von Brüssel, also dem NATO-Hauptquartier.

Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Dingen, die man dazu sehen muß. Der russische Präsident Medwedjew hat, ebenfalls kaum bemerkt von den westlichen Medien, in den letzten Tagen eine Erklärung abgegeben zu den NATO-Raketenabwehr-Systemen, die in Osteuropa installiert werden, vor allen Dingen in Polen und Tschechien, und er hat in dieser Erklärung, die eine offizielle, sehr ernste Erklärung war zu den Raketenabwehrsystemen, die von der Bush-Administration für Polen und Tschechien geplant waren, gesagt, daß Obama zunächst einmal gesagt hatte - im Wahlkampf und am Anfang seiner Amtszeit -, man werde das neu überprüfen und neu bewerten, und das hätte Rußland als positiven Schritt betrachtet. Dann allerdings hätte sich Schritt für Schritt gezeigt, daß die USA und die NATO an diesen Raketen festhalten, und das sei eine sehr schlechte Entwicklung. Rußland habe beim letzten NATO-Rußland-Gipfel vor einem Jahr in Lissabon noch einmal einen Vorschlag unterbreitet für ein gemeinsames Raketenabwehrsystem in Europa, bei dem dann praktisch jedes Land einen Sektor kontrolliert hätte, und das sei eben ein Vorschlag gewesen, um sicherzustellen, daß es in Europa nie wieder Grenzlinien und Mauern geben müsse. Aber die NATO und die USA hätten allerdings keinerlei Interesse an diesem Vorschlag gezeigt, und deshalb habe er folgende Entscheidungen getroffen:

Und falls es nicht zu einer befriedigenden Reaktion des Westens kommen sollte, würde Rußland auch den neuen START-Vertrag, der vor ungefähr einem Jahr abgeschlossen wurde, kündigen.

Das kommt einige Tage, nachdem der russische Generalstabschef Makarow eine Bemerkung gemacht hat, die in den Medien auch nur ganz kurz erwähnt wurde, daß es nämlich sein könnte, daß Rußland in einen regionalen Krieg verwickelt wird, bei dem es zum Einsatz von Atomwaffen kommt, und der sich ausweiten könnte zu einem großen Krieg.

Rückfall in die Barbarei

Wie konnten wir an diesen Punkt kommen?

Sie erinnern sich, daß bei dem Krieg gegen Libyen - der ein voller Krieg war, und nicht etwa, wie Obama gesagt hat, bloß eine humanitäre Intervention, um den bedrängten Rebellen da zu Hilfe zu kommen, sondern es war ein voller Krieg, mit wochenlangen NATO-Lufteinsätzen, mit Beteiligung der Marine und Bodentruppen, wenn man so will, wenn man davon ausgeht, daß CIA und Special Forces durchaus auch auf dem Boden operierten, und immerhin haben die französischen Generäle, die auch beteiligt waren, auch gesagt, es ist ein Krieg mit dem Ziel eines Regimewechsels und der Eliminierung von Gaddafi. Sie erinnern sich, daß die Art und Weise, wie Gaddafi umgebracht wurde, wirklich barbarisch war, d.h., die kriegführenden Parteien haben es zugelassen, daß Gaddafi so umgebracht wurde, wenn nicht mehr; das bleibt einer Untersuchung überlassen. Aber ohne Gerichtsverfahren - bei Saddam Hussein war es wenigstens noch ein ordentliches Gerichtsverfahren - einen Staatschef eines anderen Landes einfach so umzubringen, das ist einfach der Rückfall in die Barbarei. Und als klar war, daß man eben keinen Prozeß gegen Gaddafi wollte, weil das möglicherweise monatelang gedauert hätte, während die Kräfte, die diesen Krieg betreiben, weiter marschieren wollten, nach Syrien, nach Iran, da waren unsere Alarmleuchten schon auf „rot“.

Und dann kam es vor einigen Wochen zu einem Skandal in Israel, wo die Geheimdienste die Nachricht an die Öffentlichkeit gebracht hatten, daß Netanjahu und der israelische Verteidigungsminister Barak einen Präventivschlag gegen den Iran planen. Und es gab einen Riesenaufruhr, weil die jetzigen und früheren Chefs von Schin Bet und Mossad und der Generalstabschef sagten, das darf auf keinen Fall passieren, denn Israel könnte einen solchen Krieg nicht gewinnen, sondern die Region würde für 100 Jahre zerstört. Und deshalb ist diese Information an die Öffentlichkeit gekommen.

Kurze Zeit später hat die Internationale Atomenergiebehörde einen Bericht veröffentlicht, auf den sich diese Idee eines Präventivschlags von Israel bezog, wonach der Iran angeblich an einem Atomwaffensystem baut, das in einem halben Jahr Atomwaffen produzieren könnte, und deshalb wurden dann verschärfte Sanktionen gefordert. Jedenfalls war völlig klar, daß das eine Eskalation war.

Die iranische Regierung hat das erst einmal zurückgewiesen und gesagt, das stimmt nicht, wir wollen die Quellen haben. Verschiedene russische Kommentatoren haben darauf hingewiesen, daß die einzigen Quellen dieser Aussagen britische, französische und amerikanische Quellen waren, und haben verlangt, daß die ihre Beweise auf den Tisch legen.

Und dann war sehr bald klar, daß es im Golf und im östlichen Mittelmeer zu einem absolut dramatischen Truppenaufmarsch gekommen war, nämlich drei amerikanische Flugzeugträger - zwei davon im Golf, einer im östlichen Mittelmeer, mit modernsten Raketenabwehrsystemen. Solche Flugzeugträger, da können innerhalb kürzester Zeit Hunderte von Kampfflugzeugen abheben, die können Marschflugkörper abschicken, die haben also sozusagen eine enorme Feuerkraft, und sie waren begleitet von einer großen Anzahl von Zerstörern und Fregatten, also ein Riesenaufgebot.

Dann ging die Eskalation gegen Syrien weiter, plötzlich gab es Rebellen in Syrien, von denen wir wissen, daß sie massiv von saudischen und auch von anderen ausländischen Kräften finanziert und unterstützt wurden, und dann stellte plötzlich die Arabische Liga ein Ultimatum, daß Syrien bis Freitag abend 500 internationale Beobachter nach Syrien einlassen sollte. Und das hat Syrien natürlich nicht gemacht, denn wenn schon Anschläge auf das Hauptquartier der Regierungspartei, Attentatsversuche auf führende Politiker stattfinden und generell ein irregulärer Krieg im Land gegen die Regierung geführt wird, dann muß man sich nicht wundern, wenn die Regierung dann sagt, daß sie dem nicht zustimmt. Daraufhin hat die Arabische Liga eben auch von verschärften Sanktionen gesprochen, u.s.f.

Und da das ganze sich jetzt zuspitzt an diesem Wochenende - das Ultimatum der Arabischen Liga ist ausgelaufen, und wie gesagt, die Drohungen gegen Syrien haben eine absoluten Höchstpunkt erreicht, hat jetzt Rußland gesagt: Bis hierhin und nicht weiter.

Die haben also diese Kriegsschiffe in das Gewässer geschickt, sie haben einen Flugzeugträger, den Admiral Kusnezow, auf den Weg geschickt, und damit ist natürlich klar: Rußland sagt, wir akzeptieren einen weiteren Krieg gegen Syrien nicht.

Jetzt ist die Frage: Wird der Westen, die NATO, die USA und die Briten - das britische Verteidigungsministerium hat sofort britische Flottenverbände zur Unterstützung einer Aktion der USA gegen den Iran in die Region geschickt - werden die jetzt aufhören, oder kommt es zum Krieg?

Und man muß sich das wirklich vergegenwärtigen: Wenn es zum Krieg kommt, dann ist das nicht zu stoppen. Angenommen, es würde ein Präventivschlag von Israel gegen den Iran gemacht: Der Iran hat mehrfach angekündigt, daß sie dann z.B. die verschiedenen amerikanischen Ziele in der Region und natürlich britische Ziele, israelische Ziele, ins Visier nehmen würden. Das wäre dann - spätestens dann - der Vorwand, daß die USA und Großbritannien wiederum Gegenschläge machen. Rußland hat gesagt, es wird nicht akzeptieren, daß der Iran angegriffen wird, es befinden sich viele russische Ingenieure im Iran, die bei dem Bau der Kernkraftanlagen dort Hilfe leisten.

Und dann, wie gesagt, kommt jetzt noch diese Lage in Osteuropa hinzu. Wie inzwischen auch offiziell von der russischen Seite klargemacht wurde, hatte der Schlag der Russen gegen Südossetien 2008 nicht etwa nur mit Südossetien zu tun, und dem, was Saakaschwili damals in Georgien gemacht hat, sondern das war ein Signal, daß Rußland die Ostausweitung der NATO nicht weiter akzeptiert.

Und das ist natürlich jetzt wirklich eine Situation, die reif ist für einen großen Konflikt. Denn man muß die Asienreise von Obama dazunehmen, die jetzt in den letzten zwei Wochen stattgefunden hat: Da hat er ja mehrere Verteidigungsabkommen abgeschlossen, mit mehreren Staaten. In Australien werden 2500 Soldaten stationiert, worauf China extrem scharf reagiert und gesagt hat, es sei nicht im Interesse der betroffenen Staaten, damit fortzufahren. Wenn man sich das auf der Karte vorstellt, dann sieht man: Es ist eine Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland und gegenüber China.

Der Grund ist der Finanzkollaps

Was ist der Grund? Warum ist die Welt an diesen Punkt gekommen?

Da muß man natürlich, einmal abgesehen von all diesen tagespolitischen Nachrichten, sehen: Die Dynamik ist, daß das Weltfinanzsystem in der transatlantischen Region in der Endphase des Kollapses ist. Wenn ich versuche, mir Überschriften für unsere Zeitung oder Artikel von mir auszudenken, fällt es mir inzwischen schwer, etwas dramatischeres zu sagen als das, was in der Welt oder in der Süddeutschen Zeitung steht: Panik, Euro-Kollaps, Apokalypse, Armageddon, alle diese Begriffe sind inzwischen in der öffentlichen Diskussion, und in den USA das Bankensystem ist hoffnungslos bankrott, das einzige was ihnen noch bleibt, ist „quantitative easing“, d.h., die Geldpresse anzudrehen. Der Euro ist in einem absoluten Zustand des Kollapses. Der Griechenland-Rettungsschirm funktioniert nicht, die Bevölkerung ist verzweifelt. Italien braucht jetzt einen Rettungsschirm. Spanien braucht einen Rettungsschirm, selbst Belgien. Frankreich wird heruntergestuft, und es ist abzusehen, wann auch Deutschland seine Bonität verliert. Der ganze Schwindel mit der Hebelung für die Europäische Finanz-Stabilitäts-Fazilität funktioniert nicht, und weil natürlich niemand in so einen bankrotten Verein investieren will, wird diese Hebelung von den 440 Mrd. Euro auf eine Billion Euro, was noch beim letzten EU-Gipfel so groß herausgestellt wurde - das wird nicht funktionieren.

Und deshalb laufen jetzt angeblich hinter den Kulissen Geheimverhandlungen zwischen Merkel und Sarkozy, um neue EU-Verträge vorzubereiten, die Anfang des Jahres verabschiedet werden sollen, wonach dann ein sogenanntes „Kerneuropa“ praktisch stärker integriert wird - d.h., eine europäische Fiskalunion, Transferunion; aber die weniger wichtigen und weniger starken Länder, die würden dann an die Peripherie hinausgeworfen, und das unterstützt natürlich überhaupt nicht den Frieden in Europa, den der Euro angeblich so befördern sollte.

Schon jetzt ist Deutschland vom beliebtesten zum unbeliebtesten Land geworden in Griechenland und Italien. Bei der Perspektive, daß der Herr Steinbrück vielleicht Kanzlerkandidat oder Kanzler würde, nachdem er schon die Kavallerie in die Schweiz schicken wollte, machen die Schweizer schon erhebliche Verteidigungsanstrengungen gegen diesen Fall; also mit anderen Worten: Das ist völlig absurd. Und anstatt zuzugeben, daß das System gescheitert ist, versuchen sie eben, das Empire, was die EU de facto ist, irgendwie weiterzuwursteln.

Also die transatlantische Region geht unter. Die EZB soll jetzt wirklich Geld drucken. Der Druck der Amerikaner, von Obama, von Cameron, von Barroso, daß die EZB jetzt einfach die Notenpressen anstellen soll, daß die Eurobonds jetzt endlich hermüssen - d.h. der deutsche Steuerzahler wäre dann derjenige, der dann alles bezahlen soll: das ist die letzte Rationalisierung für ein gescheitertes System.

Und wenn man das im Gegensatz sieht zu der asiatischen Region, wo China, Indien und andere Länder noch immerhin erhebliche Wachstumsraten haben - acht, neun Prozent - und eigentlich auf einem viel gesünderen Kurs sind, d.h. in Hochtechnologie, bemannte Raumfahrt, entwickelte Transportsysteme investieren, dann sieht man, daß im Grunde das, was sich entwickelt, wirklich diesen Déja-vu-Effekt erzeugt. Nicht nur in Bezug darauf, daß der Iran genauso behandelt wird wie 2003 der Irak, wo ja auch, wie Sie sich erinnern werden, plötzlich Massenvernichtungswaffen sein sollten, die angeblich jede Stadt der Welt in 45 Minuten hätten erreichen können. Dann wurde der Krieg geführt, Saddam Hussein wurde hingerichtet, und man stellt fest: Es gab keine Massenvernichtungswaffen, es gab keine Beziehungen zu Al-Kaida, es gab nichts von alledem. Alles war auf Lügen eines britischen Memorandums aufgebaut, was dann der Colin Powell zur Grundlage seiner Rede nahm, die er gehalten hat für die Kriegserklärung, was er später als den „größten Fehler seines Lebens“ bezeichnet hat. Aber man rechnet damit, daß die Leute ein extremes Kurzzeitgedächtnis haben, daß das alles schon vergessen ist, und sie nicht erkennen, daß jetzt dieselbe Propaganda gegen den Iran gemacht wird.

Aber der Déja-vu-Effekt sollte auch eintreten in Bezug auf die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges.

Wie vor dem Ersten Weltkrieg

Denn die Situation war praktisch so: Als Bismarck in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts verschiedene Dinge tat, die vom Standpunkt des Britischen Empires extrem verhaßt waren, als er nämlich begann, Deutschland innerhalb von kürzester Zeit aus einem Feudalstaat in eine moderne Industrienation zu verwandeln, und zusätzlich noch diese deutsche Industriemacht konsolidierte durch einen extrem kompliziertes und komplexes Geflecht von diplomatischen Beziehungen, da war für Edward Albert, den Prinzen von Wales, und das Britische Empire damals klar, daß dieser Bismarck wegmußte, und durch Intrigen erreichte man seine Entlassung, und damit war die Bahn freigegeben für das, was zum Ersten Weltkrieg werden sollte.

Als dann in den neunziger Jahren die Transsibirische Eisenbahn gebaut und damit die eurasische infrastrukturelle Integration befördert wurde, als die Bahn von Berlin nach Bagdad gebaut wurde, und sich damit abzeichnete, daß der eurasische Kontinent sich auf einer enormen Entwicklungsperspektive befand, da erschienen plötzlich in England diese Geopolitiker - Milner, Mackinder -, die eben dann diese verrückte geopolitische Theorie hervorbrachten, derjenige, der das eurasische Herzland kontrolliere, der würde auch die Welt kontrollieren und die transatlantischen Länder ins Hintertreffen bringen.

Das war dann der Kontext, in dem Großbritannien systematisch das Schachbrett für den Ersten Weltkrieg vorbereitete - also die Entente Cordiale inszenierte, die Triple Entente und das Bündnis zwischen Japan und Großbritannien, und dann die Balkankriege. Und dann waren die Schüsse von Sarajewo nur noch der letzte Auslöser.

Und interessant ist, daß am 14. Mai 1890 der ehemalige Generalstabschef der deutschen Armee, General Graf von Moltke, in seiner letzten Reichstagrede davor warnte, daß wir vor einem neuen Siebenjährigen Krieg und vielleicht sogar vor einem neuen Dreißigjährigen Krieg stehen.

Was war damit gemeint? Der Siebenjährige Krieg wurde dann ein vierjähriger Krieg, aber ein Weltkrieg. Eigentlich ist die Bezeichnung des Ersten Weltkrieges nicht ganz richtig, denn es hatte schon vorher einen Weltkrieg gegeben, nämlich den berühmten Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763, der ein Weltkrieg war, weil er alle Kontinentalmächte in Europa involvierte, er spielte sich auf amerikanischem Territorium ab und in der Karibik, es ging um die Kontrolle von Indien, er spielte auf allen Weltmeeren. Und am Ende des Siebenjährigen Krieges konsolidierte sich das Britische Empire zum ersten Mal in der Form, wie es dann seitdem existierte.

Es wird ja immer von Zeitgenossen behauptet, die sich vom Studium der Geschichte immer relativ fern gehalten haben: „Das Britische Empire ist doch untergegangen mit dem Zweiten Weltkrieg, seitdem gibt es das nicht mehr.“ Aber wenn man heute einfach den Begriff Globalisierung, mit all dem, was zu der Kontrolle der Finanzmärkte gehört - die berühmten „Märkte“, von denen die Politiker immer sprechen, also die Kombination von Investmentbanken, Zentralbanken, Hedgefonds, Beteiligungsgesellschaften, Versicherungsgesellschaften: wenn man das alles zusammen nimmt, und dann noch die Methoden hinzunimmt, also etwa die Kontrolle von Söldnerheeren, Privatarmeen, Subversion, irregulärer Kriegsführung, die Unterstützung von Aufständischen und Rebellen, denen man dann durch „humanitäre Hilfe“ zuhilfe kommen muß: Wenn man alle diese Instrumente des Imperiums betrachtet, dann ist überhaupt kein Zweifel, daß wir heute tatsächlich unter der Weltkontrolle eines solchen Imperiums leben.

Und das ist eben das Problem, daß wir heute vor einem neuen Siebenjährigen Krieg stehen, nur daß dieses Mal der Auslöser eben nicht im Balkan zu suchen ist, sondern im Nahen Osten und in der Golfregion.

Reduzierung der Menschheit einkalkuliert

Und auch wenn es extrem schwierig ist, sich das vorzustellen: Es gibt heute Leute, die als „Kollateralschaden“ in Kauf nehmen würden, daß es dazu kommt, daß dabei einige Milliarden Menschen umkommen.

Ich weiß, daß das schwere Kost ist, und für die meisten Menschen schwierig ist, sich das vorzustellen, aber wenn man in der Geschichte nachforscht: das Britische Empire - oder ein Vertreter davon, Bertrand Russell, hat z.B. unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt, es sei schade, daß nicht mehr Menschen umgekommen sind, es müsse eigentlich in jeder Generation so ein Krieg stattfinden, damit dann die Menschen reduziert würden und die anderen sich um so besser weiter vermehren könnten.

Und auch heute gibt es viele Leute, die der Meinung sind, daß es besser wäre, wenn die Menschheit reduziert würde, daß wir sowieso nicht sieben Milliarden und schon gar nicht neun Milliarden oder zehn Milliarden Menschen ernähren können, und daß deshalb so ein großer Krieg eine Art Bereinigung wäre, wo dann hinterher die Lage handhabbar wäre.

Ich bin absolut überzeugt davon, daß das ein Teil der Kalkulation ist. Denn kein Mensch, der halbwegs normal denkt, würde sonst ein solches riskantes Spiel betreiben. Wir haben praktisch den Auslöser vom Dritten Weltkrieg! Fidel Castro hat vor zwei oder drei Wochen gesagt, wenn nur 100 Atomwaffen eingesetzt würden, dann wäre von der Menschheit nichts mehr übrig. Es gibt aber ein paar Tausend Nuklearwaffen, die eingesetzt werden könnten, wenn es zu einem allgemeinen Schlagabtausch kommt. Und jeder, der auch nur mit so etwas spielt oder solche Truppenaufmärsche macht, der ist entweder kriminell oder verrückt - oder beides. Und das ist der Grund, warum mein Mann den dramatischen Punkt macht und sagt, daß Obama aus dem Amt entfernt werden muß, wenn dieser Krieg gestoppt werden soll.

Nun ist diese Demonstration der Stärke, die die Russen jetzt machen - genau wie die Demonstration der Stärke in Ossetien damals von uns bewertet wurde, daß das ein absoluter Warnschuß war, mit dem Ziel, eine Eskalation zum Dritten Weltkrieg zu stoppen, was auch in gewisser Weise für eine gewisse Zeit genützt hat; aber jetzt dieser Aufmarsch der russischen Schiffe in den syrischen Gewässern ist ein noch sehr viel lauterer Warnschuß, und man kann nur hoffen, daß die amerikanischen und anderen Generäle, die wissen, was das bedeutet, daß die jetzt wirklich in diesen Stunden, während wir hier sprechen, aktiv werden und diese Eskalation beenden.

Denn es gibt keinen guten Ausweg, außer daß man es stoppt, außer daß man sagt: Es war ein Fehler, wir hören jetzt damit auf. Aber wir sind am Rande der Zerstörung der menschlichen Zivilisation.

Ich weiß, daß es extrem schwer ist, sich das vorzustellen, aber es nützt überhaupt nichts, wenn man es ausblockt. Denn die Realität geht davon nicht weg. Und mein Mann hat gestern in einer Diskussion gesagt: Wir müssen sofort in einen Denkmodus umschalten, als wären wir schon im Krieg. Denn nur dann können wir furchtfrei so handeln, wie es nötig ist, und das beste, was wir hier machen können, ist, daß wir vor der Gefahr warnen.

Leider ist es bisher so, daß mit der Ausnahme von meinem Ehemann, von Fidel Castro, den er in seiner Rede Executive Intelligence Review als eine der warnenden Stimmen erwähnte, von Hugo Chavez von Venezuela und einigen russischen Stimmen - ich habe noch keinen anderen Politiker in Westeuropa gehört, der diese Gefahr beim Namen genannt hätte. Und das halte ich für absolut unverantwortlich. Das Damokles-Schwert der vollständigen Vernichtung schwebt über unseren Häuptern, und keiner von diesen Politikern hält es für notwendig, die Bevölkerung darüber aufzuklären, wo nur eine Mobilisierung dieser Bevölkerung etwas bewirken könnte, um diese Gefahr zu stoppen.

Woher die Kraft nehmen?

Also, die Frage ist, wie geht man damit um? Wie kann man in sich selbst die Kraft finden, mit einer so schrecklichen Realität fertig zu werden und wirklich die Mobilisierung in Gang zu bringen, die absolut notwendig ist, um diese Gefahr eventuell zu überwinden?

Ich habe darüber nachgedacht, und, wie gesagt, eine Garantie, daß wir das stoppen können, kann ich natürlich nicht geben. Aber wo findet man einen Trost, in der Realität oder dem, was man darüber denken kann, sodaß man die innere Stärke zu handeln nicht verliert? Und dann habe ich darüber nachgedacht, und habe gesagt: Eigentlich liegt dieser Trost in den Gesetzen des Universums.

Dann habe ich überlegt, was sind die Traditionen, auf die wir uns beziehen, wo haben frühere Denker sich mit diesem Problem oder einem ähnlichen Problem auseinander gesetzt? Und dann bin ich zu dem Schluß gekommen, daß der erste Denker, der sich wirklich über die Gesetze des Universums und den Zusammenhang zum Menschen und seiner Kreativität geäußert hat - zumindest, was überliefert ist - das war Platon. Und zwar in seiner Schrift Timaios, die ja bekanntermaßen die einzige Platonschrift war, die in den 1700 Jahren seit dem Untergang der griechischen Klassik oder des klassischen Griechenlands oder der Übernahme durch das Römische Reich bekannt war, bis dann die orthodoxe Delegation auf Vermittlung von Nikolaus von Kues zum Konzil von Florenz kam und dort den gesamten Platon mitbrachte. In diesen ganzen 1700 Jahren, das muß man sich mal vorstellen: 1700 Jahre lang war Platon fast vollkommnen verschwunden, und existierte eben nur in der Form von einigen wenigen Kopien des Timaios in einigen Klostergemäuern, wo aber die meisten das nicht einmal lesen konnten, weil sie kein Griechisch konnten. Jedenfalls war der Platon fast verschwunden.

Aber dieser Timaios ist deshalb sehr interessant, weil dort, mindestens, was an überlieferten Dokumenten da ist, zum ersten Mal der Begriff eines Universums dargestellt wurde, wo das Universum als universelles Prinzip der Entwicklung verstanden wurde, mit der Idee des Menschen als Zweck und Absicht dieser Entwicklung.

In der Einleitung beschreibt der Dialogpartner Kritias die Geschichte der Menschheit als Folge von Kulturen, die hin und wieder untergehen - manchmal aus moralischer Unfähigkeit, manchmal aufgrund physischer Katastrophen. Und wenn diese Kulturen untergegangen sind, dann kam es also jedesmal zu einer neuen Kultur, die auf den Trümmern dieser alten Kultur aufgebaut wurde. Und der Mensch kennt, laut Timaios, diesen Teil des Universums außerhalb von sich selbst, und erkennt, daß eine ontologische Kongruenz da ist mit seiner eigenen Kreativität.

Die Charakteristik dieser Kreativität ist der Wandel von geringeren zu höheren Zuständen dieser Entwicklung, und dieses ist dieselbe Charakteristik, die im nicht-menschlichen Bereich und im Bereich der Kreativität stattfindet. Allerdings findet diese Entwicklung in dem nicht-menschlichen Bereich statt ohne den willentlichen und bewußten Aspekt.

Das heißt, da war zum ersten Mal eine Idee eines sich entwickelnden Universums, in dem der Mensch die treibende Kraft ist.

Das sind natürlich Ideen, die Nikolaus von Kues, Leibniz und natürlich Wernadskij weiterentwickelt haben, und die heute, wie wir das mit modernen wissenschaftlichen Methoden tun können, bewiesen ist, real sind: Das war die Konzeption des Universums, die tatsächlich existiert, im Gegensatz zu allen anderen, falschen Vorstellungen von der Erde als Scheibe, oder der Erde als geschlossenem System, oder einem endlichen Planeten, oder all diesen Irrlehren, die periodisch immer wieder aufgetaucht sind.

Das biogenetische Gesetz der Evolution

Nikolaus von Kues hat in der Docta Ignorantia das beschrieben, was Prof. Haubst als das „biogenetische Gesetz der Evolution“ dargestellt hat, indem er zum ersten Mal diese Unterscheidung gemacht hat zwischen dem anorganischen Teil, dem biologischen Teil und dem Bereich der menschlichen Vernunft. Bei Nikolaus gibt es allerdings noch eine vierte Ebene, und das ist Gott, der Schöpfer.

Nikolaus beschreibt diesen Prozeß der Evolution eben nicht so, daß das eine Entwicklung von unten nach oben ist, im Sinne von Darwin, dem Überleben des Stärkeren, sondern er beschreibt, wies es ausgeht von dem Einen - in dem Fall natürlich vom Schöpfergott, der praktisch ein Entwicklungsgesetz in der Schöpfungsordnung hat, daß jede Gattung auf jeder Ebene dieser drei Stufen ihre volle Entwicklung nur erreichen kann, wenn sie in einem Punkt an der nächst höheren Gattung teilnimmt.

Nikolaus sagt, daß die Entwicklung dadurch zustande kommt, daß die höhere die niedere empor reißt. Der Mensch ist nur dann voll Mensch, wenn er mindestens in einem Punkt an der nächsthöheren Instanz partizipiert, also am Schöpfergott. D.h., nur dann ist der Mensch voll Mensch, wenn er schöpferisch ist, wenn er die vis creativa, die kreative Kraft, die ihm von Gott gegeben ist, einsetzt. Und an einer Stelle geht der Nikolaus sogar soweit, daß er sagt: Seitdem der Mensch erschaffen ist, findet die ganze Entwicklung überhaupt nur noch durch die Kreativität des Menschen statt.

Das ist insofern richtig, denn wenn der Mensch als bisher einziges entdecktes intelligentes Lebewesen nicht da wäre, dann würde es uns furchtbar wenig nützen, zu wissen, ob es noch irgendwelche anderen intelligenten Lebewesen gibt. Denn wir wären ja nicht da, um das zu beurteilen. Also kann man durchaus sagen: Selbst wenn wir jetzt andere intelligente Lebewesen entdecken - was möglicherweise bald passieren könnte, denn das Universum ist so riesengroß, mit Milliarden von Galaxien, die sich pausenlos entwickeln, was wir eigentlich jetzt erst mit den modernen Methoden von Astronauten und Sonden alles verwerten können: Trotzdem ist diese Aussage von Nikolaus absolut richtig, daß der Mensch, wenn er seine kreative Kraft einsetzt, tatsächlich, wie er sagt, in der Jagd nach der Weisheit ein zweiter Gott wird. Das heißt nicht, daß er Gott gleich ist, aber daß er diese kreative Tätigkeit der Schöpfung in sich replizieren kann.

Die Welt und das denkende Wesen

Und das ist in gewisser Weise etwas, was Wernadskij dann weiter entwickelt hat, und was auch Schiller - das ganze Werk von Schiller ist geprägt von diesem Denken. Sie kennen sicher alle den kleinen Ausspruch über das Wesen: „Suchst Du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend. Das ist’s.“

Das ist sehr einfach, aber es trifft die Essenz, und Schiller war ja durch seinen Lehrer Abel an der Karlsakademie sehr mit den Werken von Leibniz vertraut, und wenn man beispielsweise die Jugendschrift von Schiller sich anschaut, die Theosophie des Julius, dann stellt man fest: Schiller hat absolut in dieser Art gedacht. Unter dem Kapitel „Die Welt und das denkende Wesen“ sagt er:

Das ist dasselbe Thema, oder dieselbe Idee, die Keats in seiner Ode auf eine griechische Urne bezeichnet hat, wo der Betrachter dieser griechischen Urne plötzlich den Künstler erlebt, der das vor vielen Tausend oder Hundert Jahren gemacht hat.

Wir werden heute noch einen Vortrag zu diesem Thema hören, deshalb will ich das jetzt nicht ausmalen, aber mir ist das kürzlich so gegangen bei dem Bild von Leonardo da Vinci in der Ausstellung in Berlin, „Gesichter der Renaissance“, das Bild „Die Dame mit dem Hermelin“, wo ich plötzlich zu Tränen gerührt war, weil ich plötzlich neben diesem unglaublichen Bild, was das erste seiner Art war, in dieser Rätselhaftigkeit und Ambiguität, plötzlich den Leonardo kannte - der stand sozusagen plötzlich neben dem Bild im Raum. Und diese Erfahrung war so gewaltig, daß ich in der Tat wirklich zu Tränen gerührt war.

Das heißt, das Universum ist im Grunde so, daß wir diese Wahrheiten erkennen können.

Schiller sagt weiterhin in dieser Theosophie des Julius:

Wir brauchen die ästhetische Erziehung!

Jetzt wird natürlich jeder sagen: Ja, wenn das so einfach wäre, wenn man sich nur mit Schönem zu umgeben brauchte, und so fort, wäre man ein kreativer Mensch, man wäre dem Schönen, Edlen und Wahren verpflichtet - das ist ja im wahren Leben gar nicht so!

Natürlich ist da ein Problem, aber ich habe auch über dieses Problem lange nachgedacht. Denn Schiller hat ja diese ganze Frage der ästhetischen Erziehung - d.h., daß der Mensch eben tatsächlich das einzige Wesen ist, das sich willentlich zum Genie entwickeln kann -, Schiller hat das in den Ästhetischen Briefen beschrieben, die ja eine Reaktion waren auf den Untergang der Französischen Revolution und die Schrecken der Jakobinerherrschaft, wo Schiller sagte: „Ein großer Augenblick hat ein kleines Geschlecht gefunden“. Und von da an hat er gesagt, daß die ästhetische Erziehung des Menschen der einzige Weg ist, wie wir aus dieser Verrohung und der Barbarei herauskommen können, und da hatte er diese Idee der Erziehung der Emotionen.

Und das scheint mir nach wie vor das absolut Dringlichste zu sein: daß man ganz bewußt sagt, der Mensch muß nicht nur seine Vernunft entwickeln, sondern er muß vor allen Dingen eine schöne Seele werden. Und eine schöne Seele werden heißt, daß man seine Emotionen zu dem Grad auf die Ebene der Vernunft erzieht, daß man ihnen blindlings trauen kann, weil sie einem nie etwas sagen würden, was die Vernunft nicht gebietet. Und wenn dieser Zustand erreicht ist, der durch die Beschäftigung mit der großen Kunst, mit Erfindungen, mit der Kreativität des Menschen bewerkstelligt werden kann, dann fallen Freiheit und Notwendigkeit, Leidenschaft und Pflicht in eines.

Das ist wirklich der Schlüssel, und ich will das in diesem ernsten Augenblick wirklich noch einmal zum Thema machen, denn es gibt viele Leute, die sind hochintelligent, die können alle möglichen Spezialdinge sehr gut bewerkstelligen, aber wenn man sie dann im menschlichen Bereich sieht, dann stellt man da ein unglaubliches Manko fest. Und deshalb, denke ich, ist dieses Schillersche Ideal der Erziehung des Empfindungsvermögens wirklich der Schlüssel zu dieser Krise.

Denn es sind eben niemals die Technologie und auch nicht Waffen das Problem, sondern es ist immer die subjektive Seite der Menschen, die damit umgehen.

Schiller sagt weiterhin:

Und das ist leider eben auch der gegenwärtige Zustand. D.h., wenn ein entwickelteres Volk absinkt, dann wird es barbarischer als eines, was sich noch gar nicht entwickelt hat.

Ich glaube, wir haben in der deutschen Geschichte ein Beispiel dafür, und wir sehen es jetzt in einigen anderen kriegsführenden Nationen, die sich damit auch konfrontieren müssen, daß Amerika - das als großartige Republik das beste, was Europa zu bieten hatte, in seiner Gründung, in seiner Verfassung vereint hat - heute dabei ist, einen Krieg zu beginnen, der schlimmer ist als der Erste und der Zweite Weltkrieg.

Deshalb sollten alle die Leute, die gezweifelt haben, als Lyn (LaRouche) gesagt hat, Obama sei wie Nero, und die sich über einen gewissen Gesichtsschmuck erregt haben - die sollen das bitte jetzt noch einmal von dem Standpunkt reflektieren, ob das nicht sehr wohl absolut richtig war. Denn wenn wir diese Krise nicht stoppen, dann ist es in der Tat schlimmer als alles, was bisher gewesen ist.

Universalgeschichte

Schiller hat im übrigen in der Universalgeschichte dieselben Gedanken, wie wir sie schon in Platons Timaios haben, wo er praktisch beschreibt, wie die menschliche Gattung von niederen Zuständen sich zu immer höheren entwickelt hat, und ich will das nur einmal ganz kurz zitieren:

Und das kontrastiert Schiller dann mit der Gegenwart und sagt:

Dann beschreibt er, wie der menschliche Fleiß, seine Geschicklichkeit dem Meer Land abgewonnen hat, wie er Germaniens Wälder entwickelt hat, wie er Asiens Reben nach Europa gebracht hat, die Scheunen gefüllt hat, und so fort.

Schiller kommt dann bekanntermaßen am Ende der Universalgeschichte zu dem Schluß, daß die einzige Weise, wie der Mensch seine eigene Unsterblichkeit erlangen kann, die ist, daß er „sein eigenes flüchtiges Schicksal an die lange Kette der Menschengeschlechter knüpft“ und in ihm ein edles Verlangen entglüht, „das, was er von früheren Generationen erhalten hat, vermehrt an die Zukunft und die kommenden Generationen weiterzugeben“.

Die Ebene des Erhabenen erreichen

Und das ist in gewisser Weise das einzige, was einem in diesem Moment irgendwie Halt geben kann: daß man sich ganz bewußt ist über die Möglichkeit, sich selber auf die Ebene des Erhabenen zu bringen, daß man also seine Identität eben nicht in dem hier und jetzt findet, in dem sinnlichen Genuß, in dem Erleben der Lustmaximierung und der Verminderung von Pein, sondern daß man in der Tat denkt, daß wir historische Individuen sind, daß wir eine Verantwortung haben für all das, was die menschliche Gattung bisher hervorgebracht hat, und daß wir das erhalten müssen, weil es unerträglich ist für jeden Menschen, der Liebe zu den Ideen eines Beethovens oder eines Schillers jemals empfunden hat, daß das in so einer Krise untergehen soll.

Denn wenn die menschliche Zivilisation jetzt zerstört würde, würde vielleicht nichts davon übrig bleiben. Dann hätte ein Beethoven umsonst komponiert, dann hätte Bach dieses wunderbare Stück geschrieben und es wäre nur eine Welle im großen Ozean gewesen. Und ich denke, daß wir jetzt an einen Punkt gekommen sind, wo wir die absolute Leidenschaft für die großen Ideen der humanistischen Tradition Europas lebendig machen und in gewisser Weise in uns klingen lassen müssen, daß wir sie wachrufen, weil nur das uns die Stärke geben kann, die wir jetzt brauchen.

Das heißt, daß man intellektuelle Arbeit eben nicht betrachtet als etwas, was man so quasi in der Sonntagsschule macht oder weil es irgendwie angenehm ist, sondern daß wir wirklich mit Leidenschaft diese Ideen, die ein Platon, ein Nikolaus, ein Leibniz gedacht haben, oder Schiller, Schubert oder Beethoven - daß wir das wirklich benutzen, um eine neue Renaissance zu machen.

Denn diese Idee, daß wir verantwortlich sind für das, was aus dieser Krise kommt - auch wenn man sagen muß, daß es natürlich nicht alleine in unserer Verantwortung liegt: das ist das, was uns als Menschen in die Lage versetzt, selbst mit diesen schrecklichen Realitäten zurandezukommen und dadurch auch unseren Optimismus nicht untergehen zu lassen.

Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, daß man in so einer Situation um so mehr, mehr als je zuvor, an die Möglichkeit der ästhetischen Entwicklung der menschlichen Gattung glaubt, daß man eine Renaissance bewerkstelligen kann, und daß man im Grunde sagt: Vielleicht war gerade so eine Existenzkrise der menschlichen Zivilisation nötig, um mit den Axiomen einer gescheiterten Epoche umzugehen, indem man sie ersetzt durch bessere Ideen, und damit im Grunde ein neues Kapitel der menschlichen Gattung einleitet.

Das ist die Aufgabe, die sich das Schiller-Institut eigentlich von Anfang an gestellt hat, d.h., wir sind von Anfang an angetreten, eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung und eine neue kulturelle Renaissance zu schaffen. Und das steht jetzt mehr auf dem Prüfstein als je zuvor, und deshalb bitte ich Sie alle, daß Sie sich in diese Situation wirklich einbringen mit der Idee, daß wir es schaffen müssen, weil die Alternative nicht akzeptabel ist.


1. Der Chor des Schiller-Instituts hatte zuvor die Motette „Jesu, meine Freude“ von Johann Sebastian Bach aufgeführt.

Den Videomitschnitt dieses Vortrags finden Sie auf der Internetseite des Schiller-Instituts (www.schiller-institut.de).

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