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Neue Solidarität
Nr. 48, 30. November 2011

Dr. Hans Blix: IAEA-Bericht rechtfertigt keinen Krieg

Interview. Der EIR-Redakteur Jeffrey Steinberg führte am 15. November per Telefon das folgende Interview mit Dr. Hans Blix. Dr. Blix war von 1978-79 Außenminister Schwedens, von 1981-1997 Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und von 2000-2003 Leiter der Überwachungs-, Verifizierungs- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen (UNMOVIC) für den Irak. Als Leiter von UNMOVIC versuchte Dr. Blix, zusammen mit seinem Nachfolger als Chef der IAEA, Mohamed El Baradei, nachdrücklich, den Krieg im Irak zu verhindern, worüber er 2004 in seinem Buch „Disarming Iraq“ („Die Entwaffnung des Irak“) berichtet.

Jeffrey Steinberg: Dr. Blix, vielen Dank, daß Sie sich für dieses Interview zur Verfügung gestellt haben. Ich möchte Sie zunächst auf den Bericht ansprechen, den die IAEA vorgelegt hat. Rechtfertigt dieser, Ihrer Meinung nach, in irgendeiner Weise militärische Maßnahmen?

Dr. Hans Blix: Nein, absolut nicht. Ich will Ihnen sagen, was meiner Meinung nach wichtig ist an dem Bericht. Erstens sehe ich nicht, daß er irgendwelche bemerkenswerten neuen Daten liefert. Wir hatten viel über die Informationen gehört, die die IAEA im Lauf der letzten beiden Jahre von den Geheimdiensten erhalten hatte, und ein Teil davon ist darin eingeflossen. Bisher war die Haltung der Behörde, meiner Meinung nach zurecht, Geheimdienstinformationen verschiedener Länder zu begrüßen - sie sagen, daß es inzwischen zehn Länder sind -, sie aber nicht zu vertreten. Sie haben sie sich nicht zueigen gemacht, sondern nur gesagt, daß sie Fragen aufwerfen. Und das ist meiner Meinung nach legitim.

Diesmal haben sie gesagt, wir vergleichen das, was wir von den Geheimdiensten erhalten, mit dem, was wir selbst durch die Beobachtungen unserer Überwachungsinspektionen haben, und was wir von dem A.Q. Khan-Netzwerk erhalten haben - sie nennen den Namen nicht, aber das ist klar -, und wenn wir diese Dinge zusammennehmen, dann ergibt sich insgesamt ein glaubwürdiges Bild.

Nun, damit unterstützen sie wohl nicht jede einzelne Information, die sie erhalten haben, aber der Gesamteindruck ist, daß sie sagen, es gebe Aktivitäten des Iran, die für die Entwicklung einer Waffe von Bedeutung sind, und es gibt andere Aktivitäten, bei denen sie sehen, daß sie für nichts anderes als die Produktion einer Waffe relevant sind. Soweit gehen sie.

Das ist relativ vorsichtig formuliert. Sie sagen nicht, wir behaupten, wir schließen, daß sie eine Waffe produzieren werden, denn soweit ist der Iran noch nicht, und natürlich ist die Frage, ob man eine Waffe machen will, letztendlich eine Frage des politischen Willens. Und sie tun nicht so, als wüßten sie, daß dieser Wille besteht.

Nun, schon diese Schlußfolgerung der Einschätzung ist etwas Neues. Sie haben das bisher nicht getan, und das ist meiner Meinung nach das, worüber man diskutiert. Man muß schon sehr genau lesen, um zu sehen, daß die Behörde nicht behauptet, daß sie eine Waffe machen.

Steinberg: Die Russen, insbesondere Außenminister Lawrow, sagen im Grunde, weil die IAEA sich zunehmend auf Geheimdienstinformationen verläßt, die ihnen von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden, sollte die IAEA erstmals genau sagen, von welchen Ländern diese Vorwürfe kommen. Und ich würde gerne wissen, was Sie persönlich über diese Behauptungen der Mitgliedstaaten denken. Wir haben das im Fall des Irak bereits gesehen, den sie in ihrem Buch Disarming Iraq eloquent beschrieben haben. Sehen Sie, daß die Rhetorik mit den tatsächlichen Belegen in dem Bericht übereinstimmt?

Blix: Nun, es mag sein, daß sie Informationen unter der Bedingung, die Quelle nicht aufzudecken, erhalten haben. Aber ich glaube, sie würden gut daran tun, sehr vorsichtig zu sein, wenn sie diese Belege beurteilen. Wir kennen das vom Irak, wie Sie sich erinnern werden - da war der berühmte Fall des angeblichen Vertrags zwischen dem Irak und Niger über den Import von Uranoxid, der sich als Fälschung erwies. Und was den Iran angeht, haben wir - darüber wurde in der Vergangenheit viel gesprochen - den bekannten Fall eines Computers, der gestohlen oder gefunden wurde, und der, als man ihn untersuchte, Material enthielt, das darauf hindeutete, daß an der Entwicklung einer Rakete gearbeitet wurde, die dazu ausreichen würde, eine Nuklearwaffe oder nukleares Gerät zu tragen. Das haben wir schon lange gehört und es klingt wie bei James Bond. Und ich weiß nicht, ob die Einschätzung der verschiedenen Informationen durch die Behörde richtig ist oder nicht. Ich hoffe, daß sie dabei umsichtig und vorsichtig waren.

Mir ist eine Information aufgefallen, die in dem Bericht angeführt wird, nämlich, daß ein Ausländer in Teheran aktiv gewesen sei und ihnen geholfen habe in Bezug auf starke Explosionen. Aber dem hat Moskau widersprochen. Der Bericht der Behörde sagt nicht, daß es ein Russe war, aber in Moskau hat sich ein Russe gemeldet und hat gesagt: „Ich war in Teheran, und habe dort einen Vortrag über Explosionen gehalten, aber bei diesen Explosionen ging es um die Produktion von Diamanten.“ Und er bestritt, irgend etwas mit dem Militärprogramm, dem militärischen Nuklearprogramm zu tun zu haben.

Der entscheidende Punkt, den ich hervorgehoben habe, ist, daß zwei Dinge besonders im Rampenlicht stehen. Einerseits: Bauen sie eine Bombe? Und andererseits: Sollen wir bombardieren? Für mich ist die interessantere Frage die, was die Welt mit dem, was die Behörde berichtet und sieht, anfangen soll. Und dann kommen wir zu der ersten, vorläufigen Frage: Sollte der Iran bombardiert werden? Ich sage: Nein, absolut nicht.

Ich denke vor allem, daß das illegal wäre. Der Iran bedroht niemanden. Sie waren auch in der Vergangenheit nicht aggressiv oder expansionistisch. Sie haben schrecklich unter dem Krieg gegen den Irak gelitten, eine lange Zeit. Es gibt also keine Anzeichen für eine Aggression. Sicher, es gibt Äußerungen von Ahmadinedschad und anderen, die völlig inakzeptabel sind! Aber ich denke nicht, daß sie wirklich eine Bedrohung darstellen, niemand ist unmittelbar bedroht. Soviel zur Frage der Legalität.

Das andere Argument - nun, es gibt sehr viele Argumente gegen die Bombardierung. Das erste ist, daß es schreckliche Konsequenzen für den gesamten Nahen Osten hätte. Die Iraner werden nicht einfach dasitzen und Däumchen drehen. Und es könnte zu kriegerischen Entwicklungen im Golf kommen - im Roten Meer und im Persischen Golf durch Verminung, die Iraner haben Freunde in Gaza, sie haben Freunde im Libanon. Es weiß also niemand, wohin ein Militärschlag führen würde. Und da die Israelis und andere nicht wissen, wo überall Einrichtungen im Iran sind, so wären mit Sicherheit einige übrig, und wenn die Iraner bisher noch nicht beschlossen haben, eine Nuklearwaffe zu bauen, dann würde meiner Meinung nach ein solcher Schlag wahrscheinlich dazu führen.

Außerdem haben wir hier ein Land, in dem es viele verschiedene Ansichten in dieser Frage gibt, und viel Kritik an der Regierung, aber ich bin mir sicher, daß sie sich in einer gemeinsamen Front zusammenschließen werden, wenn sie angegriffen werden.

Ich sehe also viele mögliche, schreckliche Konsequenzen eines Angriffs. Wenn man ihn aber ausschließt, dann werden andere sagen: „Seht ihr, die Verhandlungen haben nichts gebracht. Sie haben versucht, die Iraner zur Einstellung ihres Anreicherungsprogramms zu bewegen, und das haben sie nicht getan, und es gab verschiedene Sanktionen, aber das führte zu nichts.“

Ein Angebot, daß die Iraner nicht ablehnen können

Das ist wahr, aber ich denke, wie viele Menschen wissen wirklich, was man dem Iran in dieser Situation angeboten hat? Die Welt fordert sie auf, die Anreicherung einzustellen, okay. Die Iraner müssen dann eine Kosten-Nutzen-Analyse machen: Wieviel gewinnen sie durch die Einstellung, und wieviel verlieren sie? Ich denke, einige der Angebote, die ihnen von der übrigen Welt gemacht wurden, waren recht vernünftig und recht positiv - natürlich würden die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden, der Iran wäre wieder frei an den Finanzmärkten, es gibt also Einschränkungen, die dann verschwinden würden.

Und sehr wichtig ist, daß die Überzeugung des Iran nicht richtig ist, die Welt würde versuchen, ihnen den Nutzen der Kernenergie vorzuenthalten. Sie wurden durch die Fünf-Plus-Eins-Verhandlungen nur gebeten, die Anreicherung und den Schwerwasserreaktor einzustellen, aber man hat nicht gefordert, daß sie ihr Kernkraftprogramm einstellen sollen - das zivile Programm, das ihnen Elektrizität liefert. Im Gegenteil, man hat ihnen sogar Unterstützung angeboten, um weitere Kernreaktoren zu bauen! Das ist sehr wichtig.

Die übrige Welt könnte auch noch andere Dinge vorschlagen. Wenn man die übrige Welt dafür kritisieren kann, daß sie keine Resultate vorzuweisen hat - was hätten sie sonst noch tun können? Nun, man vergleiche, was Nordkorea vorgeschlagen wurde, dann wird man sehen, daß Nordkorea Garantien bekommen hat, daß es nicht angegriffen wird, und ich glaube, auch Garantien, daß es keine Subversion von innen geben wird. Das hat man, soweit ich weiß, dem Iran bisher nicht angeboten und das wäre ein wichtiges Element.

Die USA haben seit 1979 keine diplomatischen Beziehungen zum Iran, seit die Botschaft besetzt wurde; auch das ist etwas wertvolles, was bei einer Kosten-Nutzen-Analyse ins Gewicht fallen würde. Es könnte noch weitere Dinge geben, wenn man sich etwas einfallen läßt. Man hat die Idee einer Pipeline vom Iran durch Pakistan nach Indien blockiert - nun, auch das ist etwas, was man bei Verhandlungen anbieten könnte, als Gegenleistung für die Einstellung des Anreicherungsprogramms. Das sind also eine Reihe wichtiger Überlegungen, über die in der Presse nicht viel gesprochen wird, wo man nur darüber redet, ob man bombardieren soll oder nicht.

Ein Naher Osten frei von Atomwaffen

Aber ich habe noch eine andere Idee, die vielleicht etwas längerfristig wäre; sie würde heute sicher nicht von den Israelis angenommen werden, nämlich das Konzept einer Zone im Nahen Osten, die frei ist von Massenvernichtungswaffen. Die Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages 2010 kam zu dem Schluß, daß es 2012 eine solche Konferenz geben sollte, und wenn dieser Beschluß nicht gefaßt worden wäre, dann hätte die Konferenz meiner Meinung nach nicht so erfolgreich geendet, wie sie es tat. Nun gibt es diese Entscheidung, und die Vereinten Nationen haben angekündigt, daß es im kommenden Jahr eine solche Konferenz geben wird - übrigens in Helsinki, mit einem finnischen Staatssekretär als Moderator - um an diesem Konzept zu arbeiten.

Nun, dieses Konzept einer Zone, die frei von Massenvernichtungswaffen ist, oder wie man früher sagte, „atomwaffenfrei“, richtete sich damals natürlich gegen Israel. Die arabischen Staaten wollten, daß Israel seine Atomwaffen abschafft. Und Israel hat im Laufe der Jahre geantwortet, ja, wir stehen positiv zu dieser Idee, aber erst, wenn der Frieden wiederhergestellt ist. Sie haben das also weit weg geschoben. Ich denke, daß man heute nicht über den Nahen Osten nachdenken kann, ohne die iranische Entwicklung eines Anreicherungsprogramms zu berücksichtigen, und die Möglichkeit, die es dem Iran verschafft, eines Tages Kernwaffen zu entwickeln, wenn er das will.

In dieser Konstellation liegt meiner Meinung nach etwas Interessantes. Wenn man eine Zone hat, an der sich alle Staaten des Nahen Ostens beteiligen, einschließlich Israels und des Iran, ich denke auch an die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten etc., und sie sich alle verpflichten, weder Atomwaffen noch die Fähigkeit anzustreben, aus hochangereichertem Uran oder Plutonium waffenfähiges Material herzustellen, dann würde Israel zwar seine Waffenkapazitäten opfern müssen, aber es würde gleichzeitig den Vorteil gewinnen, daß auch der Iran sein Anreicherungsprogramm aufgäbe, und auch alle anderen sich verpflichteten, ohne Anreicherung und Wiederaufbereitung zu bleiben. Man müßte natürlich auch sehr gründliche Inspektionen durchführen und vielleicht auch die Versorgung mit Kernbrennstoffen für die Kernkraftwerke in der Region zusichern und vielleicht Sicherheitsgarantien geben; alle möglichen Dinge werden notwendig sein. Und ich glaube, wenn ich diese Idee heute den Israelis vorlege, dann werden sie darüber lachen, aber je näher die Iraner an die Option kommen, selbst die Bombe zu bauen, und je mehr sich Saudi-Arabien und Ägypten künftig vielleicht dafür interessieren, ein ernsthaftes Nuklearprogramm zu starten, vielleicht auch mit Brennstoffkreislauf-Aktivitäten, dann denke ich, wäre ein solcher großangelegter Plan denkbar.

Was mir Optimismus gibt, ist, daß der Iran meiner Meinung nach keine Atomwaffen braucht. Wenn man auf die Geschichte zurückblickt, dann beschaffen sich die Staaten vor allem wegen ihrer vermeintlichen Sicherheitsinteressen Kernwaffen: Pakistan-Indien, Indien-China, China gegenüber Rußland und den Vereinigten Staaten, usw. Und vielleicht auch, um einen Status zu erwerben - den Status einer Großmacht. Wenn man ein Paria ist oder sogar als Paria bezeichnet wird, dann wird man vielleicht gern eine Atomwaffe zur Schau stellen. Aber die vermeintliche Sicherheit ist der wichtigste Grund, und ich glaube, das ist von Bedeutung.

Ich glaube, es ist weise, wenn der Westen oder die USA den Nordkoreanern sagen: „Wenn ihr das Nuklearprogramm einstellt, dann wird es weder Angriffe von außen noch Subversion von innen geben.“ Ich habe den Eindruck, daß auch der Iran wie ein Paria behandelt wird, als Teil der sogenannten „Achse des Bösen“, und daß sie deshalb auch ein Gefühl der Notwendigkeit solcher Zusicherungen haben - nicht zuletzt, nachdem die Vereinigten Staaten ihre Flugzeugträger im Persischen Golf hatten.

Ich würde sagen, daß die Regierung Obama viel sensibler war. Ich höre nicht mehr so oft, daß alle Optionen auf dem Tisch sind, auch wenn sie nach der Qom-Affäre ihre Rhetorik etwas verschärft haben, als bekannt wurde, daß der Iran noch ein zweite Anreicherungsanlage hat. Ich denke, wenn man sagt, daß alle Optionen auf dem Tisch sind, dann ist das so etwas, als wenn man sagt: „Ich würde dich nicht gerne erschießen, aber ich kann nicht ausschließen, daß ich es tun werde!“ Und wenn ich in Teheran oder Nordkorea säße und dies hörte, dann wäre ich besorgt. Aber dann ist es um so wichtiger, sich mit den Iranern an einen Tisch zu setzen und zu sagen: „Wir mögen euer Regime nicht. Niemand in der westlichen Welt ist begeistert über das Regime, das ihr habt, aber wir werden es nicht antasten. Das müßt ihr, das muß euer Volk selbst regeln...“

Steinberg: Es gab eine Serie von Besuchen von Vertretern der USA, zuletzt von Verteidigungsminister Leon Panetta, in Israel, die die Israelis gewarnt haben, nicht präventiv ohne vorherige Konsultationen zuzuschlagen. Aber derzeit kann niemand darauf vertrauen, daß Israel nicht irgendwelche unilateralen Aktionen unternimmt, auch wenn sie wissen, daß sie nicht in der Lage sind, das iranische Atomprogramm auszulöschen. Sie scheinen darauf zu setzen, daß die Vereinigten Staaten, wenn Israel etwas unternimmt und sie vor der Wahl stehen, sich in einem Wahlkampfjahr entweder auf die Seite Israels oder des Iran zu stellen, Israel unterstützen und dann im Grunde einsteigen und den Job erledigen werden. Wie ernsthaft ist Ihrer Meinung nach die Gefahr, daß ein Krieg ausbricht, angesichts der Tatsache, daß dies, wie Sie schon sagten, kein begrenzter oder eingeschränkter Krieg wäre und alle möglichen unvorhersehbaren Konsequenzen hätte?

Blix: Ich wäre nicht 100% sicher, daß die Israelis nicht doch etwas unternehmen, aber die Art, wie sie diese Sache in die Öffentlichkeit getragen haben, ist interessant. Ich meine, es gab praktisch eine Beschreibung der Diskussionen im israelischen Kabinett, und wie viele dafür und wie viele dagegen waren. Und dann gab es eine Diskussion über die Frage: „Wie konnte das in die Medien gelangen?“

Ich meine, man kann sich sicherlich vorstellen, daß sie den IAEA-Bericht benutzen und sagen: „Seht ihr, wie bedroht wir sind? Wir müssen über einen Militärschlag nachdenken.“ Aber sie wissen, daß die übrige Welt das nicht will, und das zweitbeste wäre dann eine Verschärfung der Sanktionen und das Hinzufügen weiterer Sanktionen, um den Druck zu erhöhen.

Aber man kann nicht 100% sicher sein - ich meine, sie haben 1981 den Osirak-Reaktor bombardiert, und sie haben den syrischen Reaktor bombardiert, von dem es hieß, er sei nordkoreanischer Bauart. Man kann also in dieser Frage nicht ganz beruhigt sein. Aber ich denke, man muß mit den Israelis argumentieren: „Seht, es ist leicht, einen dramatischen Schritt zu unternehmen, aber wohin führt euch das?“

Ich meine, daß er ihnen nicht besonders viel nützen würde. Sie sind jetzt ziemlich isoliert mit ihrer Politik gegenüber der West Bank. Und die arabische Welt rund um sie herum wird nach einem Angriff auf den Iran nicht positiver zu ihnen stehen. Ich denke also, es gibt viele gute Gründe für Israel, sich zurückzuhalten, aber ich würde nicht meinen Kopf oder Arm darauf verwetten, wie sie sich verhalten werden.

Steinberg: Eine letzte Frage, wenn es Ihnen recht ist: Einer der Leute, die sich sehr lautstark über die Notwendigkeit dramatischer Maßnahmen gegen den Iran ausgesprochen haben, ist der frühere britische Premierminister Tony Blair, der eine bedeutende Rolle im Vorfeld des Irakkrieges spielte und sehr guten Zugang zu Präsident Obama hat - sie haben sich erst letzte Woche im Weißen Haus getroffen. Ich habe den Eindruck, wie Sie schon angedeutet haben, daß es eine Änderung der Rhetorik gab, die aus den Vereinigten Staaten kommt, und der Präsident ist sich offensichtlich des Wahlkampf-Druckes bewußt, sich im Fall einer Aktion auf Israels Seite zu stellen. Wie schätzen Sie das ein?

Blix: Nun, ich glaube, daß die gemeinsame Philosophie von Blair und Bush der Welt nicht wirklich viel Freude gebracht hat. Und ich hoffe, daß diese Philosophie nicht durch Osmose von Blair auf Obama übergehen wird. Wenn man sich anhört, was die Regierungen sagen - Blair ist nicht mehr in der Regierung, er hat vor allem deshalb verloren, weil die Öffentlichkeit ihm sein Vorgehen im Irak übelgenommen hat. Aber wenn man heute die Franzosen und die Deutschen hört, die sind erklärtermaßen gegen eine Militäraktion. Bei Cameron ist weniger klar, was er tun würde, er hat sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Aber wenn man sieht, was im Irak geschehen ist, dann kann man feststellen, daß das [britische] Außenministerium, die Bürokratie und die Öffentlichkeit sehr skeptisch in Bezug auf militärische Maßnahmen waren. Blair hat es dann trotzdem getan, aus einer Reihe von Gründen, von denen einige meiner Meinung nach idealistisch waren, denn Blair war der Ansicht, daß die Großmächte - daß es gut wäre, wenn sie schreckliche Diktatoren beseitigen.

Nun, wenn der Sicherheitsrat dies im Fall eines Völkermords beschließt, dann verstehe ich das auch, aber die Idee, daß die Großmächte sich hinsetzen und darüber entscheiden, wer anrüchig ist, und wer anrüchig genug ist, daß sie ihn schlachten, die gefällt mir nicht.

Steinberg: Die Gefahr ist hier, daß irgendwelche Schritte gegen den Iran einen viel größeren Krieg auslösen könnten, in den dann alle Supermächte hineingezogen werden.

Blix: Ja. Nun, Obama ist in einer schwierigen Lage. Es ist, wie Sie schon sagten, ein Wahljahr, und die AIPAC-Lobby ist in den USA sehr stark. Soviel ich weiß, stimmt die Mehrheit der amerikanischen Juden für die Demokraten. Und ich habe viele getroffen, die meiner Meinung nach in Bezug auf einen Militärschlag gegen den Iran sehr skeptisch sind. Aber die Regierung Netanjahu ist eine Regierung des rechten Flügels, und die hat starke Unterstützung durch AIPAC. Und ich denke, daß das den Bewegungsspielraum eines US-Präsidenten in einem Wahljahr einschränkt.

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