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Stephan Ossenkopp richtet eine ernste Mahnung an die CDU: Adenauer wollte keine Finanzoligarchie und keinen EU-Überstaat!
Wir sind drauf und dran, in kürzester Zeit unsere Zivilisation zu verlieren, sollten die Institutionen Deutschlands sich nicht umgehend von der hyperinflationären Politik der grenzenlosen Rettungsschirme abkehren. Zu diesen Institutionen gehört auch die CDU, und ihre Mitglieder müssen jetzt für einen radikalen Schwenk in ihrer parteilichen Ausrichtung sorgen.
Das System des Euro kann niemand „retten”, egal wieviele Billionen oder Billiarden an Stützungsgeldern für die maroden Banken aus den Völkern Europas herausgepreßt werden. Das durch die Verträge von Maastricht bis Lissabon geschaffene Europa, derzeit unter der Führung von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, ist völlig entstellt, vergleicht man es mit der ursprünglichen grandiosen Vision, die vom Gründer der CDU und ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer, gemeinsam mit dem französischen Außenminister Robert Schuman, verfolgt worden ist. Sie wollten weder einen Überstaat gründen noch die Souveränität der Nationen abschaffen; sie wollten auch keine Diktatur der Finanzmärkte, keine Schuldenbremse und keine harten Sparauflagen für die öffentlichen Haushalte. Im Gegenteil: sie wollten ein brüderliches Nebeneinander der europäischen Nationen, einen Investitionsplan zur Hebung des Lebensstandards aller Europäer, und sie wollten eine gemeinsame Mission Europas, die nicht in Profiten für Spekulanten, sondern im gemeinsamen Aufbau Afrikas, also der Schwächsten der Schwachen, liegen würde.
Wer das nicht wahrhaben will, sollte endlich aufwachen und sich an den historischen Fakten orientieren, bevor es zu spät ist und die Welt in einen Weltkrieg gestürzt wird, so wie nach dem Börsen-, und Bankenkrach der zwanziger und dreißiger Jahre.
Der legendäre französische Außenminister und Präsident Robert Schuman gab seine Vision über die Gestaltung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Schrift Für Europa zu Papier.1 Niemand käme auf die Idee, heißt es darin, die nationale Einheit und die Grenzen abzuschaffen. Eine Solidarität der Nationen solle entstehen, die ihre Vergangenheit nicht verleugnen müßten. „Unser Ziel ist nicht, die Staaten zu verschmelzen, einen Überstaat zu schaffen. Unsere europäischen Staaten sind eine historische Wirklichkeit, sie verschwinden zu lassen, wäre psychologisch unmöglich. Ihre Unterschiedlichkeit ist im Gegenteil von Vorteil, und wir wollen sie weder nivellieren noch gleichmachen.“ Das neue politische Ideal für Europas Staatenbund sieht Schuman in Abraham Lincolns Idee der „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“. Solidarität und fortschreitendes Vertrauen, Versöhnung und christliche Brüderlichkeit sollen die Ideale vor allem der jungen Generation in Europa sein.
Wie furchtbar weit haben wir uns von diesen edlen und bewahrenswerten Idealen entfernt! Heute wird der Lebensstandard der Bevölkerung Europas brutal zerschlagen, während gleichzeitig bedingungslose Blankoschecks für die kriminell agierenden Finanzmärkte ausgestellt werden. Frau Merkel, die Regierung, der Bundestag und leider auch die viel zu wenig Widerstand zeigende CDU führen Europa, und damit auch Deutschland, ins furchtbare Verderben. Der griechische Komponist Mikis Theodorakis drückte dies am 22. Oktober in seinem bewegenden Aufruf so aus: „Sie [die Großbanken] begannen in Griechenland, indem sie es als ein Versuchskarnickel benutzten, um sich dann zu anderen Ländern an der europäischen Peripherie fortzubewegen und sich langsam dem Zentrum zu nähern. Die Hoffnung einiger europäischer Länder, dem letztendlich zu entkommen, zeigt nur, daß die europäische Führung von heute gegen die Bedrohung eines neuen ,Finanzfaschismus’ nicht besser gewappnet ist, als gegen die Bedrohung durch Hitler während der Zeit zwischen den Weltkriegen.”2
Robert Schuman traf 1949 Konrad Adenauer, der ihm die Idee einer dauerhaften wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, u.a. durch ein gemeinsames Eisenbahnnetz, vorstellte. Wenige Monate später, am 9. Mai 1950, schlug Frankreich eine weitreichende Vereinigung der Kohle-, Stahl und Eisenindustrien beider Länder vor. Aus diesem Schuman-Plan wurden die Montanunion und schließlich der Gedanke einer Europäischen Union. Doch nicht die Liberalisierung des Finanzsektors, Wettbewerb um niedrigste Preise, oder gar Kriegseinsätze gegen autoritäre Regime standen zur Debatte, sondern friedliche Zusammenarbeit, Anhebung der Produktivität und Wirtschaftswachstum.
Wörtlich heißt es im Schuman-Plan: „Die so geschaffene Solidarität der Produktion wird bekunden, daß jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist. Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offensteht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen Ländern, die sie umfaßt, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen. Diese Produktion wird der gesamten Welt ohne Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt werden, um zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der Werke des Friedens beizutragen. Europa wird dann mit vermehrten Mitteln die Verwirklichung einer seiner wesentlichen Aufgaben verfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Erdteils.“ Adenauer schloß sich diesem Aufruf Schumans sofort und enthusiastisch an.
Was auch immer in Angela Merkels Kopf und Herz vor sich geht, sie verkörpert mit ihrer Politik weder diese europäischen Ideale, noch die Interessen Deutschlands oder ihrer Partei. Sie versteht nur geschickt, ihre Handlungen als Erfüllungsgehilfin des Finanzimperiums in entsprechende Worthülsen einzukleiden. Konrad Adenauers Grundsätze, wie sie sich im CDU-Parteiprogramm der Tagung von Neheim-Hüsten im Februar/März 1946 widerspiegeln, lesen sich wie eine donnernde Mahnung an Merkels Sophismus: „Die christliche Grundlage der demokratischen Union ist das absolut Notwendige und Entscheidende. An die Stelle der materialistischen Weltanschauung, wie wir sie unter dem Nationalsozialismus erlebt hatten, soll wieder die christliche Weltanschauung treten; an die Stelle der sich aus dem Materialismus ergebenden Grundsätze die Grundsätze der christlichen Ethik. Sie sollen bestimmend sein für den Wiederaufbau des Staates und die Abgrenzung seiner Macht, für die Rechte und Pflichten der Einzelperson, für wirtschaftliches und soziales Leben, für das Verhältnis der Völker zueinander.”
Im „Ahlener Programm“ der CDU von 1947 wird es noch konkreter: „Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert... Die Wirtschaft hat der Entfaltung der schaffenden Kräfte des Menschen und der Gemeinschaft zu dienen.”
Das Ahlener Programm spricht sich gegen die Privatisierung der Infrastruktur, wie z.B. Bahn, Post, Rundfunk, Energie- und Wasserversorgung, aber auch des Geldwesens, aus, denn die “zu dem engen Kreis der Vertreter der Großbanken und der großen industriellen Unternehmungen gehörigen Personen hätten infolgedessen eine zu große wirtschaftliche und damit zu große politische Macht.“
Adenauer wollte ein System schaffen, in welchem „die industrielle Wirtschaft, die bäuerliche Wirtschaft, das Handwerk, Handel, Gewerbe und Verkehr, Geld- und Bankwesen“ harmonisch koexistieren, denn „alle Teile der Wirtschaft greifen ineinander und stehen in Wechselwirkung. Kein Teil darf losgelöst vom anderen betrachtet werden.”
Jeder Deutsche, allen voran jedes Mitglied der CDU/CSU, sollte sich nicht nur sofort öffentlich schützend vor Griechenland und andere europäische Nationen stellen. Sie sollten sich auch kompromißlos für die Wurzeln und ursprünglichen Ideen ihrer Parteigründer einsetzen, und damit das eigentliche wirtschaftliche und kulturelle Interesse Deutschlands verteidigen. In Deutschland muß der immer noch vorherrschende Dornröschenschlaf gebrochen und von einem wachen und kämpferischen Widerstand gegen die Finanzdiktatur abgelöst werden.
Den Appell des griechischen Musikers Mikis Theodorakis sollte sich jeder zu Herzen nehmen und dementsprechend handeln. Er schreibt am Schluß seines Aufrufs: „Es besteht der dringende Bedarf an unmittelbarer, grenzüberschreitender Koordinierung aller Aktionen von Intellektuellen, Künstlern und Künstlerinnen, spontanen Bewegungen, sozialen Kräften und Persönlichkeiten, die die Bedeutung der Lage erkennen; wir müssen eine mächtige Widerstandsfront gegen das nahende ,totalitäre Empire der Globalisierung’ aufstellen, bevor es zu spät ist... Die momentane Architektur des Finanzwesens, welche auf den Verträgen von Maastricht und der WTO basiert, hat in Europa eine Schuldenerzeugungsmaschine geschaffen. Wir brauchen eine radikale Änderung aller Verträge, die Unterordnung der EZB unter die politische Kontrolle durch die Völker Europas, eine ,goldene Regel’ für soziale, fiskalische und ökologische Mindeststandards in Europa. Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel, die Rückkehr zur Wachstumsstimulation durch die Stimulation der Nachfrage, durch neue europäische Investitionsprogramme, eine neue Regulierung, Besteuerung und Kontrolle des internationalen Kapital- und Warenflusses; eine neue Form des vernünftigen und bedachten Protektionismus in einem unabhängigen Europa...”
Der CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer hätte diesen Widerstand angeführt. Sollte sich die CDU, gemeinsam mit anderen Kräften Deutschlands, nicht sofort auf ihre ursprünglichen Prinzipien des Gemeinwohls besinnen, werden Finanzkrach, ein chaotischer Zusammenbruch der Realwirtschaft und das sich schon heute abzeichnende Aufkommen eines neuen globalen Krieges die Chancen auf einen zivilisierte Zukunft der Menschheit gegen Null tendieren lassen.
Stephan Ossenkopp
Anmerkungen
1. Schuman, Robert: Für Europa. Nagel Verlag, 1963