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Neue Solidarität
Nr. 40, 5. Oktober 2011

Nur das Glass-Steagall-System kann Griechenland retten

Von Dean Andromidas

Reisebericht. Griechenland hat mit seiner strategischen Lage gute Voraussetzungen für eine schnelle Entwicklung seiner Wirtschaft - aber nur, wenn die Finanzkrise durch die Neuordnung des Weltfinanzsystems überwunden wird.

Ich habe soeben Griechenland besucht und bin zu der Überzeugung gelangt, daß Griechenland und andere Länder nur vor der völligen Zerstörung bewahrt werden können, wenn in den Vereinigten Staaten jetzt Lyndon LaRouches Sieben-Punkte-Programm zur Überwindung der weltweiten Krise umgesetzt wird.

Die große Mehrheit der Griechen hegt keinerlei Zweifel, daß sie dem Angriff einer ausländischen Macht ausgesetzt sind, nämlich den internationalen Banken und ihrem Werkzeug, der Europäischen Union. Für die Griechen stellt sich ihre Lage gegenwärtig dar wie die des besetzten Vichy-Frankreich 1940: die Europäische Union und die Banker sind wie die Nazi-Besatzer, ihre Regierung wie das Vichy-Regime, und die USA sind noch nicht in den Krieg eingetreten.

Ich habe mit Politikern, Ökonomen, Unternehmern und Wissenschaftlern verschiedenster politischer Couleur gesprochen, und sie alle waren sich darin einig, daß die Banken nach dem Trennbanken-Maßstab saniert werden müssen, weil die Ursache der Krise im bankrotten Weltfinanzsystem liegt. Sie wissen, daß die barbarischen „Reformen“, die der Feind, sprich die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF, diktiert, Griechenland in afrikanische Zustände treiben. Deshalb herrscht eine gewaltige Verachtung von Politikern und Parteien.

Die Schulden des griechischen Staats sind unbezahlbar. Sie liegen offiziell bei knapp 400 Mrd. Euro, aber man muß noch weitere 100 Mrd. Euro an Bürgschaften hinzurechnen, die die Regierung auf Verlangen der Troika gegenüber ihren Banken übernahm. Nachdem die Schulden durch die beiden „Rettungspakete“ noch um mehr als 200 Mrd. Euro erhöht wurden, wird erwartet, daß sie im kommenden Jahr auf mehr als das Doppelte des griechischen BIP ansteigen werden. Dazu kommen dann noch die Auslandsschulden des privaten Sektors, weitere 300 Mrd. Euro. Der größte Teil dieser Forderungen wird von britischen, französischen, deutschen und amerikanischen Banken gehalten, die im Prinzip alle noch viel bankrotter sind als der griechische Staat.

Sparmaßnahmen keine Lösung

20 Monate beispielloser Sparmaßnahmen haben die griechische Wirtschaft und den Lebensstandard der griechischen Bevölkerung zerstört. Die Wirtschaft ist um 15-20% geschrumpft, das Einkommen der Privathaushalte ist im Schnitt um 50% zurückgegangen. Die Arbeitslosigkeit ist auf 17%, die Jugendarbeitslosigkeit auf mehr als 40% angestiegen, und täglich verlieren im Schnitt weitere 1000 Menschen ihre Arbeit. Allein im Staatssektor wurden 200.000 Arbeitsplätze abgebaut, vor allem durch die Entlassung von Zeitarbeitern und einen Einstellungsstopp, durch den allein in diesem Jahr 80.000 Beschäftigte, die in Rente gingen, nicht durch Neueinstellungen ersetzt wurden. Die Troika verlangt die Entlassung von weiteren 30.000 Beschäftigten, mit dem Ziel, die Zahl der Staatsbediensteten um mehr als ein Drittel zu reduzieren.

Durch die Kürzungen bei den Gehältern und Renten um bis zu 40%, bei gleichzeitigen dramatischen Steuererhöhungen und einer immer noch anhaltenden Konkurswelle bei den Unternehmen, wächst die Armut in immer bedenklicherem Maß. Die Zahl der Obdachlosen hat in den letzten 12 Monaten um 25% zugenommen.

Unterdessen hat die jüngste Runde neuer Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen und Entlassungen im Staatssektor Unmut ausgelöst. Studenten wollen im Herbst den Universitätsbetrieb lahmlegen, die U-Bahn wird bestreikt, und es sind mehrere Generalstreiks geplant, „solange es nötig ist“, bis die Politik den Kurs ändert.

Selbst die konservativen Unternehmerverbände wenden sich gegen die Austerität. Der Präsident der Athener Industrie- und Handelskammer (EBEA) Kostas Michalos kritisierte, die Sparpolitik mache Griechenland zum Armenhaus. „Die Hartherzigkeit der Regierung, die von ihrer beispiellosen Inkompetenz herrührt, kann weder von Unternehmern noch von Arbeitnehmern oder Rentnern hingenommen werden.“ Die Entscheidung der Regierung, die Steuerfreibeträge zu senken, die Renten zu kürzen, „Hungerlöhne“ einzuführen und den öffentlichen Sektor völlig zu zerschlagen, sowie ihre Ankündigung nicht näher bestimmter Privatisierungen würden, wenn man sie umsetze, zur völligen wirtschaftlichen und sozialen Zerstörung des Landes führen.

Michalos wurde darin unterstützt vom Präsidenten des Hellenischen Unternehmerverbandes (SEV), Dimitris Daskalopoulos, der die Europäische Union verurteilte. Vor einer Gruppe von 25 deutschen Journalisten warf er der Troika vor, ihre Politik habe eine negative Wirkung auf das Leben der Menschen, „sie sind nicht willens oder fähig, sich so schnell umzustellen, wie es der gnadenlose wirtschaftliche Rationalismus verlangt“. Daskalopoulos sagte, der private Sektor und die Gesellschaft Griechenlands zahlten den Preis für das Zögern der politischen Klasse bei der Reform des Staates, aber die EU sei dafür mitverantwortlich. „Dieses Land war ein Versuchskaninchen für das gemeinsame Europa, das strukturell auf derartige Krisen nicht vorbereitet war.“ Griechenland habe in den letzten 12 Monaten schmerzhafte und wichtige Schritte getan. „Kein anderes Land hat sein Defizit inmitten einer Depression um mehr als 7% des BIP, und kumuliert über zwei Jahre um 10% reduziert.“

Die regierende sozialistische PASOK-Partei bekommt unter dem Druck Risse. Auch wenn die Regierung es dementiert, haben führende Parteileute ein Referendum darüber gefordert, ob das Land beim Euro bleiben oder zur Drachme zurückkehren soll. Die liberale Tageszeitung Kathimerini berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, Premierminister George Papandreou hoffe, daß ihm ein Volksentscheid zugunsten des Verbleibs in der Eurozone das Mandat für die Umsetzung der Sparmaßnahmen verschaffen werde. Verschiedene griechische Beobachter jedoch erklärten gegenüber EIR, eine solche Abstimmung würde wahrscheinlich zugunsten der Drachme ausfallen. Berichten zufolge könnten bei der nächsten Abstimmung 5-6 PASOK-Parlamentarier gegen die Sparmaßnahmen votieren, was zum Sturz der Regierung und einer nationalen Insolvenz führen kann.

EU läßt Statistiken fälschen

Der Haß der Bevölkerung auf die EU wurde noch durch einen Skandal angestachelt. Zwei frühere Mitarbeiter des griechischen Statistischen Amtes (ELSTAT) berichteten, daß die EU die Regierung gezwungen hat, Statistiken zu fälschen, um noch schärfere Sparmaßnahmen zu rechtfertigen. Zoe Georganta zufolge zwang der statistische Dienst der EU, Eurostat, die Regierung, das Haushaltsdefizit 2009 überhöht anzugeben.

Georganta, eine Professorin der Ökonometrie sagte gegenüber der Tageszeitung Eleftherotypia, das Defizit sei „technisch“ aufgebläht worden, um es als das höchste in Europa darzustellen. „Das Defizit des Landes im Jahr 2009 wurde von Eurostat vorsätzlich mit 15,4% [des BIP] angegeben. Es sollte höher sein als das irische, das bei 14% lag, um härtere Maßnahmen gegen Griechenland zu rechtfertigen.“

In verschiedenen Radio-Interviews sagte Georganta, tatsächlich habe das Defizit nur etwa bei 12% des BIP gelegen, aber Eurostat habe Druck auf die Regierung ausgeübt, auch die Vorleistungen staatlicher Unternehmen und Versorgungsbetriebe mit einzurechnen, obwohl weder Frankreich noch Deutschland dies tun.

In einem drastischen Schritt entließ Finanzminister Evangelos Venizelos den gesamten ELSTAT-Vorstand, mit Ausnahme des neuen Präsidenten Andreas Georgiou, einem früheren hohen Beamten des Weltwährungsfonds. Da ELSTAT formal aber eine von der Regierung unabhängige, nur dem Parlament verantwortliche Einrichtung ist, wurde die Angelegenheit nun von der Opposition aufgegriffen, die Antwort auf eine Reihe sehr peinlicher Fragen verlangt.

Es überrascht nicht, daß fast jeder, mit dem ich in Griechenland sprach, eine Glass-Steagall-Reform und die Schaffung eines Kreditsystems für eine gezielte Politik zur Entwicklung von Industrie und Infrastruktur befürwortete.

Ich hatte auch Gelegenheit, den Abgeordneten Dr. Panagiotis Kouroumplis zu sprechen, den vielleicht angesehensten Abgeordneten Griechenlands. Dr. Kouroumplis ist für sein sozialpolitisches Engagement bekannt und war einer der wenigen Abgeordneten der regierenden PASOK-Partei, der gegen das „Memorandum“ (bzgl. drastischer Kürzungen, damit die EU die griechischen Staatsschulden weiter stützt) gestimmt hatte, wofür er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Dr. Kouroumplis vertritt einen Wahlkreis im Nordwesten Griechenlands, der an der strategischen Achse liegt, die vom griechischen Adriahafen Patras durch Albanien, Montenegro, Serbien und Kroatien nach Zentraleuropa verläuft. Er äußerte großes Interesse an LaRouches Vorschlägen und deren möglichem Nutzen für Griechenland.

LaRouches Politik kommt nach Athen

In einem öffentlichen Forum in Athen sowie gegenüber bekannten Hochschullehrern, Unternehmern und zwei Parlamentariern - insgesamt einem Querschnitt durch das politische Leben Griechenlands - konnte ich die Vorschläge der LaRouche-Bewegung erläutern. Es war das erste Mal, daß ein Vertreter des Schiller-Instituts hierzu direkt die Gelegenheit hatte.

Der Soziologe Prof. George O. Tsobanoglou von der Ägäischen Universität hatte mich als Vertreter des Instituts eingeladen, auf einer Konferenz zum Thema „In Notzeiten tragfähige Gemeinden aufrecht erhalten“ eine Rede zu halten. Mit der Notlage war natürlich die wirtschaftliche Krise gemeint. Ich beschrieb, wie das Schiller-Institut und Lyndon LaRouche diese „Notzeiten“ sehen, und forderte als Lösung eine Trennbankenreform des Weltfinanzsystems und ein Kreditsystem zur Finanzierung von Großprojekten.

Die allgegenwärtige Krise hatte natürlich auch ihre Wirkung auf diese Veranstaltung; die jüngsten „Reformen“ der Hochschulen lösten einen Streik von Studenten und Lehrkräften aus, was zur Folge hatte, daß weniger Teilnehmer zu der Konferenz kamen als ursprünglich erwartet. Aber sie fand statt, und ich sprach auf der Eröffnungssitzung, zusammen mit dem früheren Präsidenten des griechischen Industrieverbandes, dem Präsidenten der Athener Universität und dem Bürgermeister der Insel Ägina.

Es war eine internationale Konferenz mit Teilnehmern aus Deutschland, Polen, Rumänien, Italien, Lettland und Japan, und viele dieser Redner berichteten über die Auswirkungen der gegenwärtigen und jüngsten Krisen in ihren jeweiligen Ländern. Prof. Akira Kurashima aus Japan sprach über das Erdbeben im März, andere über die Probleme des politischen Übergangs und des Ausbaus von Institutionen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Prof. George Gantzias von der Ägäischen Universität erklärte, man könne Griechenland nicht verantwortlich machen für eine Krise, die von einem „europäisch orientierten Virus“ und einen „global orientierten Virus“, d.h., dem systemischen Kollaps des globalen Finanzsystems ausgehe.

Dr. Tsobanoglou, der die Konferenz organisierte, kam in seinem Vortrag auf den Kern der Krise zu sprechen, nämlich die völlig Abkopplung der Politik der Europäischen Union von den Realitäten der griechischen Gesellschaft und Wirtschaft. Aus Dr. Tsobanoglous Ausführungen sowie meinen persönlichen Feststellungen bei diesem Besuch in Griechenland kann man nur zu dem Schluß kommen, daß die Europäische Union - selbst schon ohne das barbarische „Memorandum“ - eine existentielle Bedrohung für Griechenland darstellt.

Potential und Realität

So verdankt Griechenland beispielsweise dem günstigen Klima ein enormes Potential für landwirtschaftliche Erzeugnisse aller Art, allen voran Oliven und Wein, aber die neoliberalen Reformen der EU-Agrarpolitik ruinieren die griechische Landwirtschaft. Einer der Konferenzteilnehmer, der beim Landwirtschaftsministerium arbeitet, wies darauf hin, daß in Griechenland große Flächen aus der Agrarproduktion herausgenommen wurden. Simos Kedikoglous, ein Abgeordneter der oppositionellen Partei Nea Dimokratia, wurde kürzlich in Russia Today zitiert: „Mit der ,Hilfe’ der Europäischen Union haben die griechischen Landwirte aufgehört, zu produzieren. Können Sie sich vorstellen, daß ein Land wie Griechenland heute seine Bevölkerung nicht selbst ernähren kann? Wir erzeugen nicht genug Fleisch, wir erzeugen nicht genug Weizen, wir erzeugen nicht genug Öl. Wir importieren.“

Die Agrarpolitik der EU dient vor allem den Kartellen und nützt vor allem den Produzenten in Frankreich, Spanien und den Benelux-Staaten. Griechenlands Milchquote reicht nur für den halben Bedarf des Landes, es ist gezwungen, Milch zu importieren. Im vergangenen Jahr wurde sogar für 15 Mio. Euro Olivenöl aus Deutschland eingeführt, das ursprünglich aus Griechenland selbst stammte.

Ein weiterer Fall ist Baumwolle. Griechenland ist der zehntgrößte Produzent von Baumwolle weltweit und der größte Produzent innerhalb der EU. Baumwolle macht mindestens ein Zehntel der Agrarerzeugung Griechenlands aus, aber nur 15% davon werden in Griechenland selbst verarbeitet, weil es keine nennenswerte Textilindustrie gibt. Außerdem hat die EU eine Reform eingeführt, die die gesamte Produktion in Griechenland zu beseitigen droht. Sie sieht eine Streichung von Subventionen zugunsten der in Afrika produzierten Baumwolle vor, angeblich, um Afrika etwas Gutes zu tun. Bei genauerem Hinsehen sieht man jedoch, daß die Baumwollbranche in Afrika von Kartellen wie Cargill beherrscht wird, die den Kleinpflanzern weit weniger für ihr Produkt bezahlen als den Produzenten in Griechenland.

Die griechischen Landwirte haben den geringsten Bildungsgrad in Europa und nur sehr geringe Fähigkeiten, was die Vermarktung angeht, aber da die EU Hand in Hand mit den Kartellen arbeitet, gibt es keine Programme für eine Stärkung der landwirtschaftlichen Genossenschaften.

Griechenlands Zukunft: die Eurasische Landbrücke

Die einzige Hoffnung für die Entwicklung der griechischen Wirtschaft liegt in einer vollen Einbindung in die Eurasische Landbrücke und die Verkehrsnetze und Wasserprojekte wie das Transaqua-Projekt, die für Südwestasien und Afrika vorgeschlagen wurden. Als Vertreter des Schiller-Instituts stellte ich diese Projekte bei der Athener Konferenz vor. Ich erinnerte an die Blüte Griechenlands in der Antike, als der östliche Mittelmeerraum und der Nahe Osten der produktivste Teil der damaligen Weltwirtschaft waren. Obwohl das Land nur wenige Rohstoffe hatte, machten seine strategische Lage, die Fähigkeiten der griechischen Seefahrer und seine relativ weit fortgeschrittene Kultur es damals zu einer führenden Macht.

Mit der Umsetzung der neuen Projekte könnte Griechenland seine strategische Lage erneut als Schlüssel zur Entwicklung der Wirtschaft nutzen. Im Norden wird die Realisierung von Entwicklungskorridoren die Volkswirtschaften der Staaten des ehemaligen Jugoslawien und Osteuropas, ganz zu schweigen von der Russischen Föderation, transformieren.

Im Osten liegt Südwestasien, wo eine große kulturelle und wirtschaftliche Erneuerung möglich ist, wenn der arabisch-israelische Konflikt durch wirtschaftliche Zusammenarbeit gelöst wird, vor allem durch den Bau von Verkehrsverbindungen unter den dortigen Staaten sowie ins übrige Asien, nach Afrika und Europa. Im Süden liegt der Suezkanal, dessen Bedeutung als strategischer Knotenpunkt zwischen Ost und West und bei der Entwicklung Afrikas nur noch zunehmen kann.

Die Häfen

So wird Griechenland ein Knotenpunkt sein. Seine strategische Lage wird noch dadurch begünstigt, daß es gute Häfen hat, die heute jedoch als Umschlagsplätze für Osteuropa noch zu wenig genutzt werden und zu wenig ausgebaut sind. Würden die griechischen Häfen an ein Netz moderner Eisenbahnlinien angebunden, das einen effizienten Frachtverkehr erlaubt, könnte es ein „Tor zur Welt“ für Osteuropa werden.

Diese Vision für Griechenland ist nicht neu. In den letzten 15 Jahren haben die griechischen Regierungen diese Idee mit Unterstützung der EU aufgegriffen und nationale Pläne ausgearbeitet, um diese Entwicklung zu unterstützen. Doch mit der Politik, die die Troika dem Land seit Februar 2011 aufzwingt, wurde Griechenlands Bahnnetz komplett von der übrigen Welt abgeschnitten. Derzeit gibt es keinen regelmäßigen Zugverkehr nach Bulgarien und zum paneuropäischen Eisenbahnnetz, weder in das landeingeschlossene Serbien noch in die Türkei, die gerade dabei ist, ihre Bahnverbindungen nach Osten auszubauen.

Der Hafen Piräus ist jetzt der zehntgrößte Containerhafen Europas und der größte Passagierhafen des Kontinents. China hat schon früh die günstige strategische Lage erkannt, und die China Ocean Shipping Company (COSCO) hat dort für 35 Jahre einen Containerhafen gepachtet, der als Umschlagsplatz für Chinas Exporte nach Mitteleuropa dienen soll. Dies eröffnet zwar ein großes Zukunftspotential, stieß jedoch auch auf Kritik, nicht zuletzt wegen der geringen Löhne, die COSCO zahlt.

Der zweitgrößte Hafen ist Thessaloniki, er hat wesentliche Bedeutung für den gesamten Balkan. Er liegt näher an Sofia als Bulgariens Schwarzmeerhäfen Burgas und Varna, dient aber auch der Makedonischen Republik und Serbien. Es existieren Bahnstrecken, die ihn zumindest theoretisch mit dem paneuropäischen Eisenbahnnetz verbinden.

Die Regierung ist bereits dabei, die Bahnverbindung zwischen Athen bzw. Piräus und Thessaloniki auszubauen; sie läßt zwei Tunnel bohren, um die Strecke auf voller Länge doppelgleisig auszubauen. Nach ihrer Fertigstellung wird sich die Fahrzeit von jetzt 7 auf 3,5 Stunden halbieren. Aber auch dieses Projekt hängt jetzt wegen der Krise in der Luft.

Östlich von Thessaloniki liegt der Hafen Kavala, der wichtigste Hafen für die griechische Region Ost-Makedonien. Dort wurde in jüngster Zeit ein neuer Handelshafen gebaut, in der Absicht, daß er auch von Bulgarien und Rumänien genutzt wird.

Noch weiter östlich liegt der kleinere Hafen Alexandropolis, der ebenfalls von Bulgarien genutzt werden kann. Ursprünglich gab es Pläne, als russisch-bulgarisch-griechisches Gemeinschaftsprojekt eine Ölpipeline von Burgas am Schwarzen Meer nach Alexandropolis an der Ägais zu bauen.

An der Adriaküste liegt der Hafen Igoumenitsa, einer der wichtigsten Häfen in der Region mit jährlich mehr als 200.000 Passagieren und 120.000 LKW, von dem aus wichtige Fährverbindungen zu anderen Orten auf dem Festland, zu den Inseln und nach Italien ausgehen. Man arbeitet bereits an einer Verbesserung und Ausweitung der Verbindungen von Tarent, dem zweitgrößten italienischen Hafen, nach Igoumenitsa und von dort aus über die Autobahn Egnatia-Odos quer durch Nordgriechenland weiter zu den Häfen Thessaloniki, Kavala, Alexandropolis und Istanbul, so daß der Zugang zum gesamten Balkan, einschließlich Albanien, Bulgarien und der früheren jugoslawischen Republik Makedonien möglich wäre.

An der Nordwestspitze des Peleponnes liegt der wichtige Hafen Patras mit seinem vor kurzem fertiggestellten Südhafen und der neuen Rion-Antirion-Brücke über den Golf von Korinth, durch die seine strategisch günstige Lage noch verbessert wurde.

Der Hafen Volos, ungefähr auf halber Strecke zwischen Athen und Thessaloniki gelegen, dient Thessalien, der größten Landwirtschaftsregion des Landes, aber er könnte auch als wichtiges Tor zum Nahen Osten und nach Asien dienen. Er ist schon jetzt der drittgrößte Hafen Griechenlands, hat aber noch großes Erweiterungspotential.

Außerdem gibt es eine Reihe kleinerer Häfen, wie Lavrio in der Region Attika und Kalamata am Südende des Peloponnes, die das Netz ergänzen können.

Was die Eisenbahnen angeht, so wurde die Achse Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg-Dresden, die Piräus und Thessaloniki an das europäische Fernstreckennetz anbinden soll, bereits als Priorität in das „Transeuropäische Netz“ der EU-Kommission aufgenommen. Priorität hat auch die Eisenbahnachse des sog. Intermodalen Ionisch-Adriatischen Korridors, der Kalamata, Patra und Igoumenitsa mit Thessaloniki verbinden soll.

Allerdings sind diese „Prioritäten“ nicht als einheitliches Gesamtprojekt konzipiert; es handelt sich lediglich um verschiedene Verbesserungen, teilweise auch Neubaumaßnahmen, und bei der gegenwärtigen Vorgehensweise wird es Jahre dauern, bis das Programm fertiggestellt ist. Deshalb ist auch die Wirkung auf die Volkswirtschaft, was die konkrete Schaffung von Arbeitsplätzen angeht, begrenzt. Und jetzt sind aufgrund des „Memorandums“ der Troika sogar die schon bestehenden Verbindungen blockiert.

Diese Projekte sollten im Mittelpunkt des Wiederaufbauprogramms für die griechische Wirtschaft stehen. Sie sollten mit Hochdruck vorangetrieben werden, damit sie als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen wirken, der eine schnelle und starke Wirkung auf die Wirtschaft entfaltet. Mit einem effizienten Programm zum Ausbau der nationalen Infrastruktur, das in das größere Infrastrukturnetz Eurasiens integriert ist, sind die Möglichkeiten zur Entwicklung der Volkswirtschaft fast unbegrenzt.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Kernthema: Eurasische Landbrücke
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