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Neue Solidarität
Nr. 38, 21. September 2011

Nach dem Ende des Euro-Systems:
Neue Allianzen für Deutschlands Zukunft

Von Helga Zepp-LaRouche

Während die US-Finanzminister Geithner und die Fed die EU zu einer Politik der unbegrenzten Geldvermehrung bewegen wollen, wächst die Revolte in den Berliner Koalitionsparteien, und die Möglichkeit eines nahen Endes der Ära Merkel zeichnet sich ab. Deutschland hat nur eine Zukunft, wenn es sich mit den Nationen verbündet, die sich vom Monetarismus abwenden und auf eine wirkliche Aufbaupolitik setzen wollen.

Als Antwort auf die wiederum unmittelbar bevorstehende Kernschmelze des globalen Finanzsystems, die sich in den vergangenen Wochen mit einem Kursverlust des DAX um 32%, dramatischen Verlusten bei den Bankaktien, wilden Schwankungen an den Börsen und dem drohenden Fallen des Damoklesschwerts der Insolvenz Griechenlands ankündigte, beschloß die US- Fed, alle diese Probleme in einer gewaltigen Flut von Dollarnoten zu ertränken. Gemeinsam mit der EZB und den Zentralbanken Großbritanniens, Japans und der Schweiz verspricht die Fed, allen Banken unbegrenzt (!) Dollarkredite bis zunächst zum März 2012 zur Verfügung zu stellen.

Damit wiederholen die fünf wichtigsten Zentralbanken der Welt genau die Politik, die die Reichsbank in Weimar-Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 1923 verfolgte: hyperinflationäres Gelddrucken! Nur mit dem Unterschied, daß es diesmal nicht auf ein Land beschränkt bleibt, sondern die gesamte transatlantische Region betrifft!

Als wäre das nicht schon hyperinflationär genug, hat US-Finanzminister Geithner laut der Nachrichtenagentur Reuters den EU-Finanzministern nahe gelegt, die Gelder des EFSF von 440 Milliarden Euro mit einer Hebelwirkung von 10:1 auszustatten, und so einen Fond von 4,4 Billionen Euro für die Rettung von insolventen Staaten bzw. deren Gläubigerbanken zur Verfügung zu haben. Vorbild soll dabei das amerikanische TALF-Programm sein (Term Asset-Backed Securities Loans Facility), das 2008 vom US- Finanzministerium und der Fed eingerichtet worden war, um den Verbriefungsmarkt zu reanimieren, und bei dem offiziell eine Billion Dollar an Krediten ausgegeben wurden, möglicherweise aber erheblich mehr, worauf Äußerungen des Generalinspekteurs eines anderen Programms, des sogenannten TARP-Programms, Neil Barofsky, hindeuten. Diese wunderbare Geldvermehrung soll den Zweck haben, notfalls auch Länder wie Spanien, Italien, Belgien und vielleicht auch noch Frankreich „zu retten“.

Wie aus verschiedenen Äußerungen der österreichischen Finanzministerin Fekter und des luxemburgischen Ministerpräsidenten Juncker, die bei Redaktionsschluß bekannt waren, hervorgeht, kam es zu erheblichem Streit zwischen Geithner und den EU-Repräsentanten - immerhin lehnten diese das ebenfalls geforderte neue „Stimulus“-Programm ab. In jedem Fall stünden einem Rettungsplan nach dem TALF-Modell für die Ausweitung des EFSF erhebliche rechtliche Hindernisse im Weg, die aber angesichts der beispiellosen Serie von Rechts- und Vertragsbrüchen seitens der europäischen Regierungen seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 leider kein eisernes Bollwerk sind.

Immerhin befand Juncker bezüglich Geithners Vorschlag, den EFSF bei Anleihekäufen als Hebel einzusetzen, die Euro-Gruppe diskutiere nicht mit Nicht-Mitgliedstaaten über eine Ausweitung des EFSF. Es bleibt zu sehen, ob hier nur zwei überblähte Egos aneinander geraten sind, oder ob Juncker zugibt, daß die Europolitik einschließlich der von ihm öffentlich zugegebenen Politik der bewußten Irreführung der Bevölkerung gescheitert sind.

Neuausrichtung Deutschlands?

Die Merkel-Regierung scheint es noch nicht bemerkelt zu haben, aber die Bevölkerung in Deutschland reagiert auf die Ereignisse, die von vielen als existentiell bedrohlich empfunden werden, mit einer Mischung aus Angst, Wut, Depression und plötzlichem politischen Erwachen. Die Presseagentur dpa ließ vom YouGov-Institut eine Umfrage abhalten, nach der 82% (!) das Krisenmanagement der Merkel-Regierung als „eher schlecht“ bewerten und zwei Drittel gegen eine Fortsetzung der Rettungspakete für Griechenland oder ein anderes Land sind. Angesichts der täglich zunehmenden Revolte in den Koalitionsparteien und der Möglichkeit eines nahen Endes der Ära Merkel kann man der Bundeskanzlerin nur mit James Carville antworten. Bill Clintons ehemaliger Strategieberater antwortete soeben auf die Frage, was das Weiße Haus angesichts schlechter Umfrageergebnisse tun solle, mit der lakonischen Antwort: „Sie sollen in Panik geraten! ... Sie sollten jemanden entlassen - sie sollten eine Menge Leute entlassen. Warum sehen wir immer noch die gleichen politischen und wirtschaftlichen Berater, die uns in diesen Schlamassel hineingebracht haben?“

Ob Frau Merkel intelligent genug ist, das zu tun, bleibt abzuwarten. Angesichts der wachsenden Opposition gegen die Fortsetzung der Rettungsschirme EFSF und ESM findet die Abstimmung im Bundestag nicht wie geplant im September, sondern voraussichtlich erst im Oktober, oder vielleicht auch gar nicht mehr statt - je nachdem, wie der Mitgliederentscheid in der FDP ausgeht, oder die Revolte in den Unionsparteien sich entwickelt, oder das generelle Scheitern des Euro im Kontext der Systemkrise plötzliche Schocks erzeugt.

Die Befürworter des EU-Empire werden versuchen, alle möglichen Drohkulissen aufzubauen, um die Bevölkerung zur Akzeptanz eines EU-Superstaates zu bringen, von der ad nauseam beschworenen „Nervosität der Märkte“ bis zu der absurden Vorstellung, die Alternative zum Euro seien neue Kriege in Europa, wie soeben vom polnischen Finanzminister proklamiert. Wer soll denn, bitte schön, in Europa ernsthaft Krieg gegen wen führen? Weder das schweizerische Heer noch die Genietruppen dürften sich vor Steinbrücks Kavallerie fürchten.

Fürchten könnte man sich höchstens vor der belehrungsresistenten Verbohrtheit der Befürworter des Euros, die neuerdings in der Utopie gipfelt, daß nur eine europäische Wirtschaftsregierung und Eurobonds (SPD und Grüne) oder gleich die Vereinigen Staaten von Europa (Präsident Obama) das Problem lösen könnte. Die Vorschläge, die von der SPD und den Grünen kommen, drohen Europa in eine Transferunion zu verwandeln, in der eine dramatisch verarmende Bevölkerung in einem deindustrialisierten Deutschland Zahlmeister für den Rest Europas spielen soll - und das spätestens im kommenden Winter auch noch im Dunkeln, wenn aufgrund der Energiewende tagelange Blackouts das wirtschaftliche und soziale Leben stillegen.

Solange die europäischen Regierungen weiter versuchen, sich innerhalb eines durch und durch bankrotten monetaristischen Systems durchzuwursteln, wird das Tempo des Kollapses zunehmen. Schon kreisen die Ratingagenturen wie Geier über Italien, und sie werden die italienischen Schulden ebenso abwerten wie sie dies mit einigen der größten französischen Banken getan haben. Die Insolvenz Griechenlands und weiterer Staaten ist längst nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann und Wie.

Alle derzeit veröffentlichten „Szenarios“ über den Euro-Austritt Griechenlands oder eine Rückkehr zur D-Mark, die zu dem Schluß kommen, daß dies in jedem Fall die teuerste und schlechteste Lösung wäre, spiegeln lediglich wider, daß ihre Autoren fest im monetaristischen Denken verhaftet sind. Sicher ist, daß die Unfähigkeit des politischen Establishments, das Gemeinwohl der Bevölkerung als Priorität zu betrachten und vor allem das Problem einer enormen Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern zu beheben, während sie sich statt dessen zum Büttel des skrupellosen Finanzkapitals zu machen, die größte Bedrohung für den sozialen Frieden repräsentiert. Der New Yorker Bürgermeister Bloomberg hat soeben vor Aufständen gewarnt, wenn die Obama-Administration nicht umgehend etwas für die Schaffung von Arbeitsplätzen unternimmt.

Solange die europäischen Staaten ihrer Souveränität beraubt unter dem imperialen Diktat der EU dahinsiechen, ist von Europa keine Initiative zur Lösung seiner eigenen Probleme, geschweige denn derer der Welt zu erwarten. Ganz anders ist die Lage in den USA, wo das Momentum für die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Standards, also eines Trennbankengesetzes, täglich wächst. 40 Co-Sponsoren hat Marcy Kapturs Gesetzesvorschlag H.R. 1489 bisher, sowie die Unterstützung von einem halben Dutzend nationaler und hunderten lokaler und regionaler Organisationen. Die Tradition Franklin D. Roosevelts, der Amerika mit der Kombination von Glass-Steagall, Pecora-Kommission, New Deal, TVA-Infrastrukturprogramm und Bretton Woods aus der Depression der dreißiger Jahre herausgeführt hat, ist heute lebendiger, als sich die meisten, von den Medien in bewußter Ignoranz gehaltenen Menschen in Europa vorstellen können. Eine plötzliche, baldige Einführung des Glass-Steagall-Gesetzes in Amerika ist eine realistische Möglichkeit, und Europas einzige Chance liegt darin, sich auf die analoge Einführung eines Trennbankensystems vorzubereiten.

Die Alternative: Aufbau

Zwischen patriotischen Kräften in den USA, Rußland und China werden derzeit Diskussionen um die Gestaltung des 21. Jahrhunderts geführt, die von einem völlig anderen Geist geprägt sind als das kleinkarierte Geschachere um Schuldenbremsen, Lastenausgleiche oder Rentenaltererhöhung, also die Verwaltung eines schrumpfenden Kuchens. Die Zukunftsfragen, um die es geht, sind z.B. solche, wie die Rohstoff- und Energiesicherheit der Menschheit für die nächsten hundert Jahre sichergestellt werden kann, durch die Erschließung des Fernen Ostens und arktischen Rußlands im Kontext des Ausbaus von NAWAPA, des Baus des Tunnels unter der Beringstraße zwischen Alaska und Sibirien, sowie des Baus neuer Städte unter Permafrost-Bedingungen, Kosmodrome und Raumfahrtstationen für die bemannte Raumfahrt im 21. Jahrhundert.

In einer kollabierenden Eurozone hat Deutschland keine Zukunft, auch nicht als Zahlmeister des restlichen Europa, das im Chaos zu versinken droht. In einer Welt allerdings, in der die Banken wieder ihre angemessene Rolle als Dienstleister der Industrie, der Landwirtschaft und des Handels spielen, in der es darum geht, langfristige, d.h. auf 25 oder 50 Jahre angelegte Entwicklungsprojekte zu finanzieren, in der es wieder um die Identität Deutschlands als dem Land der Dichter, Denker und Erfinder geht, da hat Deutschland eine glänzende Zukunft vor sich.

Die Entscheidung - Absturz in ein neues finsteres Zeitalter, oder die Errichtung einer Welt der gleichberechtigten souveränen Republiken, die durch die gemeinsamen Ziele der Menschheit verbunden sind - steht unmittelbar bevor. Das ist die Fragestellung, mit der sich die Bewegung, die weltweit mit Lyndon LaRouche assoziiert ist, seit vierzig Jahren auseinandersetzt, und die jetzt von jedem denkenden Menschen gesehen werden kann. Niemand sollte in diesem Moment ein Zaungast der Geschichte bleiben.