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Von Andrea Andromidas
Buchbesprechung. Kurt Biedenkopf, Wir haben die Wahl, Propyläen, Berlin 2011 - Ludwig Erhard gewidmet.
„Wenn doch in Deutschland wenigstens zwei-, dreimal das Licht ausginge!“ - dieser Stoßseufzer stammt von Prof. Miegel aus einer Artikelserie der Süddeutschen Zeitung im September 2004 über die psychologische Lage der Deutschen, die immer noch nicht bereit seien, die nötigen drastischen „Reformen“ zu akzeptieren. „Maggie Thatcher war auch erst möglich, als die Engländer richtig an der Wand standen. Davon sind wir immer noch weit entfernt. Infolgedessen geht nichts.“1
Selbiger Professor sitzt heute in der Enquete-Kommission gegen Wachstum und ist seit langem ein Mitstreiter des Club-of-Rome-Anhängers Kurt Biedenkopf, um dessen jüngstes Buch Wir haben die Wahl es hier geht - übrigens mit dem bezeichnenden Untertitel „Freiheit oder Vater Staat“.
Beide machen keinen Hehl daraus, daß sie die Errungenschaften der Industriegesellschaft für nicht tragbar für den Planeten halten, daß der daraus erwachsene Lebensstandard schleunigst abgebaut werden muß, bevor diese Erfolgsgeschichte womöglich auf die Entwicklungsländer übergreift, und daß die Allianz bestimmter Konservativer mit den Grünen aus diesem Grunde längst überfällig ist.
Das neue Buch von Biedenkopf ist eigentlich nichts weiter als eine Propagandaschrift für die im letzten November errichtete Enquete-Kommission, mit dem Titel „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“. Im Gegensatz zu dieser sophistisch formulierten Überschrift, die so gewählt wurde, weil man die wirkliche Absicht erst einmal verbergen will, sagt Biedenkopf ziemlich deutlich, was das Resultat dieser Politik sein soll: Mit der Industriegesellschaft wird auch der Sozialstaat verschwinden, und es wird wieder so sein, wie es vorher war. Alle sozialen Belange sind Privatangelegenheit der Familie. Wer das Geld für Bildung und Gesundheit aufbringen kann, wird es sich leisten können - und die anderen eben nicht.
Wer aber hätte gedacht, daß ausgerechnet Ludwig Erhard für diese Kehrtwende herhalten muß? Ist das Niveau der Debatten über Wirtschaft in diesem Land schon derart abgesunken, daß ein Herr Biedenkopf es wagen kann, für seine Politik des Nullwachstums ausgerechnet den Namen zu mißbrauchen, der mit einer der größten Wachstumsphasen Deutschlands verbunden ist?
Damit der Leser eine Idee von der historischen Lüge dieses Unterfangens bekommen kann, will ich den Inhalt der Biedenkopf-Schrift ziemlich kurz zusammenfassen, und dafür etwas länger auf die Politik Ludwig Erhards eingehen.
Wie Professor Miegel sieht auch Biedenkopf in der gegenwärtigen Krise die Chance für die Verwirklichung seiner politischen Ambitionen. Folgende Zitate beinhalten das ganze Programm:
„Die Krise hat das Kommando übernommen. Sie hat eine entgrenzte, aus den Fugen geratene Entwicklung abrupt abgebrochen: erst in den Finanzmärkten, dann in der Realwirtschaft und schließlich in der EWU selbst. Das macht die eigentliche Bedeutung der Krise aus. Sie zwingt uns zu einem Paradigmenwechsel. Er wird uns auf Jahre in Atem halten. Seine Folgen werden unumkehrbar sein. Kein vernünftiger Weg führt mehr zurück zum ,wie bisher’. Die politischen und wirtschaftlichen Ziele der Vergangenheit haben sich als irrational erwiesen - und unvereinbar mit unserer gegenwärtigen und künftigen Wirklichkeit.
Drei Prozesse haben in gegenseitiger Verstärkung zur europäischen Krise geführt: die herrschende Wachstumspolitik, die steigende Staatsverschuldung und die wachsenden Zukunftsbelastungen durch die Ausbeutung der Umwelt und der begrenzten Vorräte der Erde - und dies bei einer weiter anwachsenden Weltbevölkerung und deren Erwartungen an die Zukunft.
Allen drei Prozessen ist gemeinsam: sie beginnen in den 1970er Jahren und verlaufen seitdem exponentiell. Exponentielle Entwicklungen sind nicht stabil. Sie sind Ausdruck eines Ungleichgewichts, das durch Entgrenzungen entsteht...“ (S.182)
„Es wird ein steiniger Weg werden, unbequem und voller Schwierigkeiten. Nichts ist anstrengender - und mit höheren politischen Kosten verbunden - als die Überwindung herrschender ,Denkbesitzstände’, der Abschied von der Illusion eines ständig wachsenden Wohlstands, wenn man in der Welt schon die höchsten Höhen erreicht hat. Nichts verlangt mehr Mut und Kraft als die selbst gewählte Befreiung von der Sucht nach einem ständig steigenden Wachstum, das längst seinen Sinn verloren hat.“ (S.179 )
Auf der gleichen Seite ist die Rede von der „Droge“ der Verschuldung und Wachstumsideologie, und ein paar Seiten weiter nennt er es ungerecht und unmoralisch, nach grenzenlosem Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand zu streben. Im Gegensatz zu diesem materiellen Wohlstand sei der Zuwachs an Intelligenz dagegen erstrebenswert und machbar.
Bei solch markigen Worten sollte man erwarten, daß Herr Biedenkopf längst den Mut und die Kraft gefunden hat, von den höchsten Höhen herabzusteigen und es einem Diogenes in der Tonne gleichzutun, aber bis jetzt fehlen die Anzeichen dafür.
Schon in den 1970er Jahren, als man noch optimistisch daran ging, die Errungenschaften industriellen Wachstums auf die Entwicklungsländer zu übertragen, schloß Biedenkopf sich dem Chor derer an, die seither das Lied von den Grenzen des Wachstums singen. Damals habe er schon gewarnt, daß ungezügelter Fortschrittswille zu Staatsverschuldung und Plünderung der Rohstoffe führen müsse. Im Gegensatz zu den Menschen, deren Freiheitsdrang er zutiefst mißtraut, huldigt er der unsichtbaren Hand des Marktes, die schon dafür sorgen wird, daß der Markt „seine Legitimation als Ort der Verwirklichung von Freiheit“ selbst unter Bedingungen einer Mangelwirtschaft finden wird.
Gegen Ende seines Buches, im 8. Kapitel, zeigt Biedenkopf, daß er zu denen gehört, die ganz genau wissen, was die Transformation von einer Industriewirtschaft zu einer Mangelwirtschaft bedeutet. Da heißt es:
„So könnte sich eines Tages ein wirksamer sozialer Druck aufbauen, dem sich Menschen ohne den Schutz der Familie, die in Einsamkeit, im Altersheim oder als Pflegefall leben, kaum werden entziehen können. Je unverhältnismäßiger die Belastungen der aktiven Generationen durch die nicht mehr aktiven werden, weil die Strukturen fehlen, die eine neuartige Lastenverteilung erlauben, umso offener wird sich die Versuchung melden, die Alten zu ermutigen, diese Last aus Gründen der Solidarität mit den Jüngeren durch die freiwillige Beendigung ihres Lebens zu verringern - ,freiwillige’ Frühverrentung, um Jüngeren Platz zu machen; ,freiwillige’ Lebensverkürzung, um Jüngere zu entlasten. In der seit einiger Zeit geführten Debatte über die Zulässigkeit von Sterbehilfe und ein ,selbstbestimmtes’ Lebensende könnte sich diese Versuchung bereits ankündigen. Umso wichtiger ist es, nicht allein auf die überkommene Sozialordnung zu bauen, sondern vor allem auf die Regenerierungsfähigkeit der Familien, der kleinen Lebenskreise und der Kommunen.“ (Siehe auch den nebenstehenden Kasten.)
Ganz anders Ludwig Erhard, denn er war für die Menschen - für alle Menschen, für den Arbeiter gleichermaßen wie für den Unternehmer. Neben der Tatsache, daß sein Name unzweifelhaft mit der größten Wachstumsperiode Nachkriegs-Deutschlands verbunden ist, wird sich jeder von den Älteren an sein berühmtes Wort vom „Maßhalten“ erinnern. Daraus aber den Schluß ziehen zu wollen, er habe selbst Zweifel an der Richtigkeit seines Wachstumskurses gehabt, war damals so falsch wie heute. Er sagt dazu:2
„Aber eine Volkswirtschaft kann nicht mehr gewähren, als sie nach der Anstrengung der Menschen und der Ergiebigkeit ihrer Arbeit an Sozialprodukten zu erstellen in der Lage ist. Gerade in Zeiten der Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung muß mit starkem Nachdruck auf die Grenzen des Verbrauchs jedes einzelnen hingewiesen werden. Hoffentlich wird nun niemand aus dieser Aussage ableiten wollen, daß ich einer besonderen deutschen Spielart von austerity-Politik, einer Politik des Verzichts, das Wort reden möchte. Niemand kann mir auch nachsagen, daß ich je Vokabeln verwandt habe wie ,den Leibriemen enger schnallen’, ,entsagen und entbehren müssen’ u.a.m. Solche Heilmittel sind mit meiner wirtschaftspolitischen Grundauffassung nicht in Einklang zu bringen.
Nach allem, was ich in den letzten Jahren praktiziert habe, dürfte ich also kaum in den Geruch kommen, daß ich etwa eine restriktive Verbrauchspolitik als Selbstzweck betreiben möchte, oder daß es mein Ziel sein könnte, eine gute Konjunkturlage gewaltsam herunterdrücken zu wollen. Nein, es bleibt dabei: der Erfolg unserer Wirtschaftspolitik bestand immer darin, daß wir vor Spannungen niemals zurückgewichen sind, sondern die Lösung immer im dynamischen Durchbruch nach vorne, d.h. also in der Expansion, gesucht und gefunden haben. An dieser Grundeinstellung wird auch für die Zukunft nicht gerüttelt. Man möge sich nur einmal klarmachen, wie viel an Kraft, Energie und gutem Willen zerstört werden müßte, wenn sich die Wirtschaftspolitik von der Absicht leiten lassen wollte, das Volk wieder zu einer bereits überwundenen Bescheidenheit zurückzuführen...
Es kommt noch hinzu, daß im Zuge der Demokratisierung der Massen eine soziale Umschichtung Platz greift, die insbesondere den Lohnempfänger in seinem materiellen Sein stark hebt. Im Zuge dieser Entwicklung ist es fast selbstverständlich, ja sogar unausweichlich, daß immer mehr Menschen zu einem gehobenen Lebensstandard hingeführt, d.h. zum Kauf von immer mehr Gebrauchs- und Verbrauchsgütern befähigt werden, die ihnen bislang vorenthalten waren.
Diese Entwicklung habe ich bewußt angestrebt, und ich bin über den Erfolg glücklich. Mutet es da nicht allenthalben pharisäerhaft an, wenn sich die wohlhabenderen oder gar reicheren Schichten unseres Volkes über die Genußsucht und Begehrlichkeit derjenigen ereifern, die im Grunde genommen keinen anderen Wunsch haben, als es jenen gleich zu tun. Gegen solches Pharisäertum führe ich deshalb auch einen leidenschaftlichen Kampf.
Ich verbuche den materiellen Aufstieg des deutschen Arbeiters und anderer Schichten unseres Volkes als einen absoluten politischen, sozialen und volkswirtschaftlichen Gewinn.
Ich frage daher mit allem Nachdruck: bedeutet der Rundfunkempfänger, der Staubsauger, der Kühlschrank usf. im Hause eines Begüterten etwas anderes als in der Wohnung des Arbeiters?
Ist er etwa das eine Mal Ausdruck von Zivilisation und Kultur, das andere Mal Zeugnis materialistischer Gesinnung? …
Über die unterschiedlichen Konjunkturlagen hinweg erhält der menschliche Fleiß, das Schaffen aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten sowie der Drang und der Zwang zu einer ständigen Verbesserung unseres Produktionsapparates seinen ökonomischen Sinn und sozialen Inhalt durch die Eröffnung einer immer besseren und freieren Lebensführung für das gesamte Volk. Wir bauen keine ägyptischen Pyramiden als Selbstzweck; nein, jede neue Maschine, jedes anlaufende Kraftwerk, jeder zusätzliche Arbeitsplatz und jedwede anderen Mittel der Leistungssteigerung dienen in letzter Konsequenz der Bereicherung des menschlichen Seins aller im Bereich der sozialen Marktwirtschaft lebenden und schaffenden Menschen. Ich werde dabei nie müde werden, dafür zu sorgen, daß die Frucht des wirtschaftlichen Fortschritts immer breiteren und am Ende möglichst allen Schichten des Volkes zugute kommt.“
(Kapitel 10, Wachstum für alle. Hervorhebungen im Original)
Nun muß man folgende bedeutsame Feststellung herausheben: Die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft in den Nachkriegsjahren, die den Erfolg Ludwig Erhards ermöglichten, wurden nicht von ihm, sondern ganz entscheidend von Franklin Delano Roosevelt geprägt. Von den vielen Schreiberlingen und anderen Zeitgenossen, die sich mit Erhards Federn zu schmücken trachten und den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft beliebig oft strapazieren, spricht keiner über den dramatischen Unterschied zwischen den gegenwärtigen und damaligen Rahmenbedingungen: Das Bretton-Woods-System, das bis 1971 bestand, war ein System fester Wechselkurse! Das nach seiner Auflösung Schritt für Schritt entstandene Spielkasino gab es damals nicht! Außerdem sorgte das von Roosevelt 1933 eingeführte Glass-Steagall-Gesetz (und entsprechende Gesetze in Deutschland) dafür, daß die Realwirtschaft ganz im Mittelpunkt der zukünftigen Entwicklung stand und Investmentgeschäfte in ihre Schranken gezwungen wurden.
Wieso spricht gerade in Deutschland niemand darüber, daß dieser enorme Einschnitt die Zeit Ludwig Erhards von der unsrigen trennt? Mit der Ablösung des Bretton-Wood-Systems wurde das System fester Wechselkurse aufgehoben. Was hat sich seither geändert? Selbst Biedenkopf nennt die frühen 1970er Jahre als Wendepunkt. Dieser Mangel an Ursachenforschung hat dazu geführt, daß der heute ständig zitierte Begriff der Sozialen Marktwirtschaft gerade in der Debatte der vergangenen Jahre immer mehr zu einer Sprechblase verkommt und längst nichts mehr mit den Anforderungen seines Urhebers gemein hat.
Mehrfach betonte Ludwig Erhard, daß der Begriff „ Soziale Marktwirtschaft“ nur dann zu rechtfertigen sei, wenn ein stetiger wirtschaftlicher Fortschritt der ganzen Bevölkerung zugute kommt:
„Eine Wirtschaftspolitik darf sich aber nur dann sozial nennen, wenn sie den wirtschaftlichen Fortschritt, die höhere Leistungsergiebigkeit und die steigende Produktivität dem Verbraucher schlechthin zugute kommen läßt.“
Sowohl während seiner Zeit als Wirtschaftsminister als auch in der Zeit seiner Kanzlerschaft wurde die intensive Beteiligung des Staats bei Investitionen in die Kerntechnik als selbstverständliche Sicherung künftiger wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auf den Weg gebracht.
Obwohl Ludwig Erhard prinzipiell nicht daran zweifelte, daß sich dank der fortschreitenden Technik „die Lebensbedingungen der Völker, die die soziale Marktwirtschaft verwirklichen, fortdauernd erweitern und verbessern“ lassen, ist es seiner Herkunft aus der liberalen Wirtschaftsschule zuzuschreiben, daß es gewisse Zweifel gab über die Frage, wie ein stetig zunehmendes qualitatives Wachstum zu erzeugen und die Unsicherheit wiederkehrender Wirtschaftszyklen zu beseitigen sei.
Dieser Unsicherheit stand aber eine sehr entschlossene Haltung allen Versuchen gegenüber, Maßnahmen einzuführen, die nur individuellen Vorteilen, aber nicht dem Wohl der ganzen Volkswirtschaft dienen würden. In der Auseinandersetzung um die Kartellgesetze, die im übrigen durch einen intensiven Dialog mit seinen amerikanischen Gesprächspartnern entstanden, wird deutlich, daß Ludwig Erhard entschlossen war, das ganze Gewicht des Staates einzusetzen, um die Bevorteilung mächtiger Interessen zu verhindern. Der gegenwärtige Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, daß internationale Bankenkartelle die Wirtschaft ganzer Länder zu knebeln versuchen, wäre für ihn nichts weniger als ein Albtraum gewesen.
Zur Freiheit des Wettbewerbs schreibt er:
„Dieser herrscht nur dort, wo keine Macht, die Freiheit zu unterdrücken, geduldet wird, sondern wo die Freiheit, in dem Sitten- und Rechtskodex eines Volkes verankert, zum allgemein verpflichtenden Gebot, ja zum höchsten Wert der Gemeinschaft selbst wird. Wir werden, - das ist meine feste Überzeugung - nur so lange eine freie Unternehmungswirtschaft haben, als wir von Staats wegen über die Freiheit wachen. Wenn man im unternehmerischen Lager allenthalben geglaubt hat, sich darüber beschweren zu müssen, daß das umgekehrt eine unbillige Einschränkung der Freiheit durch den Staat wäre, dann kann ich darauf nur erwidern, daß es eine falsch verstandene Freiheit ist, wenn man meint, unter dem Namen und mit dem Dogma der Freiheit die Freiheit selbst unterdrücken zu können. So wie es im staatlichen, d.h. im politisch-gesellschaftlichen Raum eine Ordnung durch das Grundgesetz gibt, das das Zusammenleben der Menschen regelt und die Beziehungen gestaltet, so gilt eine Gleiches für die Wirtschaft. Hier sind die Verantwortungen klar geschieden. Der Unternehmer hat die Verantwortung für seinen Betrieb; dort kann er mit Fug und Recht fordern, daß sein Handeln von staatlicher Weisung oder Gängelung frei bleibt, daß er also echte unternehmerische Freiheit und Freizügigkeit genießt und üben darf. Ich bin der erste, der den Unternehmer in dieser Forderung unterstützt. Die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik aber hat allein der Staat zu tragen. Wir wissen, wohin es führt, wenn man diese beiden Funktionen miteinander vermengt. Diese kurzen Ausführungen sollen deutlich machen, wie nach meiner Auffassung die Grundlagen einer marktwirtschaftlichen Politik gestaltet sein müssen, und wo ich die Grenzen zwischen dem Individuum und dem Staat gezogen wissen möchte.“ (Hervorhebung im Original.)
Die Aufgabe, über die Freiheit des Wirtschaftsprozesses im Interesse seiner Bürger zu wachen, hat der Staat heute längst aufgegeben, und stattdessen hat er diese Freiheitsrechte internationalen Investoren (sie nennen sich „Global Players“) vermacht, damit sie ihr globales Spielkasino betreiben können. Der wirtschaftliche Reichtum, in dem Ludwig Erhard niemals etwas anderes als das gemeinschaftliche Produkt seiner Bürger und die Substanz einer Sozialen Marktwirtschaft schlechthin sah, wurde bereits zu großen Teilen in abenteuerlichen Wettgeschäften regelrecht verspielt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, fordert Brüssel jetzt die Ausschlachtung Griechenlands, dann Spaniens, dann Portugals, etc., und Biedenkopf ganz auf der gleichen Linie die Preisgabe der Industriegesellschaft und die Aufgabe der sozialen Errungenschaften. Um es deutlich zu sagen: Das hat mit Sozialer Marktwirtschaft nicht das geringste zu tun, und Ludwig Erhard wird sich im Grabe umdrehen!!
Anmerkungen
1. Deutschlands Neocons, Dr. Böttiger-Verlag, 2005, S. 141.
2. Alle Zitate aus: Ludwig Erhard, Wohlstand für alle, Econ Verlag GMBH Düsseldorf, 1957, 1. Auflage.