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Neue Solidarität
Nr. 2, 12. Januar 2011

Von „passiver“ zu „aktiver“ Euthanasie?

Euthanasie. Unter dem Druck der Wirtschaftskrise gibt es nun Vorstöße zur Legalisierung von Euthanasie auch in Frankreich, nachdem sie in den Benelux-Staaten schon weitgehend legalisiert ist.

Zeitgleich zu den Milliarden Steuergeldern für Rettungspakete an bankrotte Banken, die aus der notwendigen Infrastruktur, den Sozialsystemen und vor allem dem Gesundheitssystem abgezogen werden, wird die Debatte über „aktive Sterbehilfe“ bzw. „Euthanasie“ losgetreten, nicht nur in den USA und Deutschland, sondern auch in Frankreich.

Am 18. Januar wird sich die Kommission für Soziale Fragen des französischen Senats treffen, um ihren Euthanasie-Bericht zu diskutieren, der dann schon am darauffolgenden Dienstag zur Debatte gestellt werden soll. Schon anhand der Veränderung der Titel der seit 2008 vorgelegten Gesetzesvorschläge sieht man genau das Problem, vor dem Helga Zepp-Larouche in Erinnerung an Dr. Leo Alexander und die Nürnberger Prozesse warnte. Dr. Alexander benutzte das Bild der „schiefen Ebene“, auf der man abrutscht, wenn man sie einmal betreten hat.

Der erste Vorschlag vom Oktober 2008 wurde noch als „aktive Hilfe zum Freitod, der das Gewissen und den Willen dieser Person vollständig respektiert“, von Senator Fouché, einem Senator von Präsident Sarkozys Partei UMP, vorgestellt. Der zweite Vorschlag vom Juli 2010 hieß nur noch „Aktive Sterbehilfe“ und der dritte und bisher letzte Gesetzesvorschlag, der im Oktober 2010 vorgestellt wurde, ruft offen zur „freiwilligen Euthanasie“ auf, und stammt vom Abgeordneten Guy Fischer von der Kommunistischen Partei.

Dieser letzte Gesetzestext ist ein Meisterstück Orwell'scher Sophisterei, der Platon aus dem Grabe aufwecken sollte. Zuallererst verweist der Text darauf, daß schon seit 2002 und einer weiteren Gesetzesänderung 2005, die von Jean Leonetti eingeführt wurde, das Recht auf passive Sterbehilfe bestehe, indem die Patienten sich der Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen widersetzen können. Das sei aber unzureichend, da es ihnen nicht die Möglichkeit und die „Freiheit“ gebe, „den eigenen Tod wirklich selbst zu bestimmen“.

Weiter heißt es, die Praxis der terminalen Sedierung („Ruhigstellung für den Tod“) der Patienten und des gleichzeitigen Flüssigkeitsentzugs sei „in Wirklichkeit schon eine Form der aktiven Euthanasie, was die Ärzte, zum großen Nachteil der Betroffenen, nicht zugeben wollen“, die noch dazu sehr lange dauern könne. „Natürlich befriedigt diese Vorgehensweise das Verlangen des Patienten, zu sterben, aber nicht sein rechtmäßiges Verlangen auf ein ruhiges, schnelles und würdiges Lebensende“ (!) Wenn Ärzten weiterhin erlaubt sein solle, Euthanasie abzulehnen, dürfe diese Entscheidung aber „einen nicht mehr heilbaren Patienten nicht seines Grundrechtes berauben, den Moment und die Bedingungen seines eigenen Todes zu wählen.“

Ferner heißt es: „Wir glauben nicht, daß das Recht auf Euthanasie eine Verletzung des Hippokratischen Eides ist, sondern eher das Gegenteil: es stellt den Patienten in den Mittelpunkt des medizinischen Handelns der Ärzte.“ Deshalb, so die Forderung, solle Frankreich nach dem Vorbild der Niederlande und Belgiens 2002 die „freiwillige Euthanasie“ einführen. Artikel 5 des Gesetzesvorschlags sieht vor, daß dementsprechende Patientenverfügungen bei einem automatisierten Nationalregister hinterlegt werden sollen. Dessen Verwaltung soll durch eine ,Nationale Kommission zur Kontrolle der Praktiken freiwilliger Euthanasie’ geschehen, die gemeinsam vom Justiz- und Gesundheitsministerium gegründet werden soll.

Holland, Belgien und Luxemburg: Vorreiter für Euthanasie

Am 1. April 2002 wurde mit einem Gesetz in den Niederlanden die Tötung auf Verlangen und die Beihilfe zum Suizid gesetzlich geregelt, die zuvor in der Praxis schon gang und gäbe war.

Der Anfang des Gesetzes lautet folgendermaßen: „Wir Beatrix, von Gottes Gnaden Königin der Niederlande, Prinzessin von Oranien-Nassau (...) lassen wissen: daß Wir, in der Erwägung, daß es wünschenswert ist, in das Strafgesetzbuch einen Strafausschließungsgrund für den Arzt aufnehmen, der unter Berücksichtigung der gesetzlich zu verankernden Sorgfaltskriterien Lebensbeendigung auf Verlangen vornimmt oder Hilfe bei der Selbsttötung leistet, und dazu gesetzliche Vorschriften für ein Melde- und Kontrollverfahren zu erlassen, nach Anhörung des Staatsrats und im Einvernehmen mit den Generalstaaten folgendes Gesetz gutheißen und billigen...“1

Trotz der vorgeschriebenen „Sorgfaltskriterien“ dauert laut Spiegel die durchschnittliche Prüfungsdauer der niederländischen Kommission pro Fall nur vier Minuten, die Konsultation eines Kollegen bleibt häufig aus. 2005 wurden von 1993 gemeldeten Fällen von Tötung auf Verlangen und ärztlich assistiertem Suizid nur drei Fälle beanstandet, die aber nicht von der Staatsanwaltschaft verfolgt wurden. Übrigens können auch Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren einen Arzt bitten, sie zu töten oder ihnen beim Suizid zu helfen. Bei 16- und 17jährigen kann die Tötung auch ohne Einwilligung der Eltern erfolgen.

Regierungsstudien zufolge werden nur etwa die Hälfte aller Tötungen gemeldet. Damit ist eine der angeblichen Begründungen für die Notwendigkeit des Gesetzes bereits hinfällig. Außerdem sank zwar die Zahl der gemeldeten Fälle, aber die Zahl sog. „terminaler Sedierungen“ stieg rapide. Dabei werden Patienten mit Medikamenten in tiefen Schlaf versetzt, anschließend wird die Flüssigkeits- und Nahrungsmittelzufuhr beendet.2 Studien aus den Jahren 1990, 1995 und 2001 zeigten, daß die Ärzte in jeweils rund 25% der Fälle auch Patienten getötet haben, die darum gar nicht gebeten hatten - weil die Angehörigen es „nicht mehr ertragen“ hätten oder aufgrund „der geringen Lebensqualität“ des Patienten.

Wenige Monate nach den Niederlanden verabschiedete auch das belgische Parlament am 16. Mai 2002 ein ähnliches Gesetz, dessen Art. 15 vorschreibt, daß die Tötung nach den Gesetzesvorschriften statistisch als „natürlicher Tod ausgewiesen wird und in allen rechtlichen Bedingungen als ein solcher zu gelten hat.“ Psychisch Kranke können den Arzt bitten, sie zu töten. 2005 wurde das Gesetz noch weiter liberalisiert. Seitdem dürfen nicht nur Krankenhausärzte, sondern auch Hausärzte Patienten mit einem sog. „Euthanasie-Kit“ auf ihr Verlangen hin töten. Dazu wurden Apotheken in Belgien gesetzlich verpflichtet, Päckchen mit Barbituraten abzugeben, wenn dies aufgrund einer Verschreibung geschieht, „in der der Arzt ausdrücklich vermerkt, daß er in Übereinstimmung mit dem geltenden Gesetz handelt“. Der Vorsitzende des belgischen Kontrollgremiums, Wim Distelmanns, fordert schon seit langem, auch Jugendlichen und Alzheimer-Patienten die Tötung auf Verlangen zu ermöglichen. Außerdem sollen Ärzte, die ihre Patienten nicht töten wollen, gezwungen werden, diese an andere Kollegen zu überweisen.

Luxemburg legalisierte am 18.12. 2008 als letztes Beneluxland den ärztlich assistierten Selbstmord sowie die Tötung auf Verlangen. Ärzte können nach Konsultation mit einem Kollegen unheilbar kranke Patienten straffrei töten, wenn diese das schriftlich verlangt haben. Patienten mit einer Patientenverfügung, die sich nicht mehr äußern können, dürfen straflos getötet werden, und Jugendliche ab 16 Jahren können sich mit Zustimmung der Eltern töten lassen. Kurioserweise wurde für das Inkrafttreten des Gesetzes erst noch die luxemburgische Staatsverfassung durch Premierminister Jean Claude Juncker und das Parlament dahingehend geändert, daß das Staatsoberhaupt künftig Gesetze nicht mehr billigen, sondern nur noch verkünden darf. Staatsoberhaupt Großherzog Henri von Luxemburg hatte nämlich angekündigt, er werde dem Gesetz nicht zustimmen.

Wie gesagt, die plötzliche Welle von Initiativen zur Legalisierung freiwilliger oder vielleicht auch weniger freiwilliger Euthanasie in Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten muß vor dem Hintergrund der Finanzkrise gesehen werden: Da die Regierungen ihre Mittel dazu verwenden sollen, die Banken zu stützen, will man die Kosten im Gesundheitssektor senkten. Und der wirksamste Weg, die Kosten im Gesundheitssektor zu senken, ist es nun einmal, die „teuren“ Patienten nicht mehr zu versorgen, sondern zum „sozialverträglichen Frühableben“ zu überreden.

Die Alternative zu dieser menschenverachtenden Sichtweise ist es, „Sterbehilfe“ für das bankrotte Finanzsystem zu leisten und es einer Konkurssanierung zu unterziehen, damit wir die Wirtschaft wiederaufbauen können. Dann können wir uns auch wieder ein Gesundheitssystem leisten, das diese Bezeichnung auch verdient.

efi/alh


Anmerkungen

1. Die niederländische Prinzessin Mabel von Oranje ist eine führende Repräsentantin von George Soros’ „Open Society Institute“ und des „European Council for Foreign Relations“. Soros, einer der wichtigsten Finanzspekulanten des bankrotten britisch-imperialen Finanzsystems und Drogenlegalisierungsbefürworter, hat das weitverzweigte „Project Death in America“ ins Leben gerufen, das auch bei den von der Obama-Regierung geplanten Kürzungen im Gesundheitssektor eine wesentliche Rolle spielt.

2. In England gingen im Jahr 2007/08 laut führenden Ärztevertretern im nationalen Gesundheitssystem und NICE, das Präsident Obama mit als Vorbild dient, 16,5% aller Todesfälle auf „terminale Sedierung“ zurück. (siehe „Euthanasieskandal in Großbritannien“, Neue Solidarität 39/2009))

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Operation „Nie wieder Euthanasie!“
- Neue Solidarität 1/2011
Obama dekretiert „Sterbeberatung“
- Neue Solidarität 1/2011
Obama setzt das Messer an
- Neue Solidarität 19/2010
Schluß mit der englischen Krankheit im Gesundheitswesen!
- Neue Solidarität 42/2009
Der Euthanasieskandal in Großbritannien
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EIR-Historiker konfrontiert „Effizienzrat“ in Washington
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Jetzt handeln! Gegen Obamas Politik der „Menschenopfer“
- Neue Solidarität 24/2009