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Wissenschaftsfeinde behaupten, die Menschheit sei bei Erdbeben „der Macht der Natur hilflos ausgeliefert“, dabei ist längst das Gegenteil bewiesen. Erdbeben lassen sich sehr wohl mit einer entsprechenden Methodik vorhersagen.
Bereits 1975 in China konnte man früh genügend Informationen sammeln, um das Erdbeben der Stärke 7,3 vom 4. Februar 1975 in Haicheng vorherzusagen und die Bewohner rechtzeitig zu evakuieren. Diese Vorkehrungen haben wahrscheinlich mehr als 150.000 Menschen das Leben gerettet.
Auf amerikanische Initiative hin besuchte 1976 eine internationale Expertengruppe „Haicheng Earthquake Study Delegation” die Erdbebenzone und erklärte: „Hier wurde zum ersten Mal auf der Welt ein großes Erdbeben zutreffend vorausgesagt.”
Die anomalen Anzeichen vor dem Erdbeben waren sowohl mikroskopischer wie makroskopischer Art. Das damalige Vorgehen zeigt, wie wichtig es für den Erfolg ist, verschiedenste Messungen und Beobachtungen zu „triangulieren”, da Erdbeben mit verschiedenen Charakteristika einhergehen.
Die mikroskopischen Anomalien wurden mit für damalige Zeiten modernen Instrumenten entdeckt: Veränderungen der Seismizität, geodätische Deformation, Veränderungen der Wasserchemie, des Erdmagnetfeldes und tellurischer Ströme, Krustenspannung - all dies wurde aufgezeichnet. Die beobachteten makroskopischen Anomalien waren Veränderungen im Verhalten von Tieren (u.a. kamen Schlangen und Mäuse an die Erdoberfläche, offenbar um Gasen zu entkommen, die sich in der Erde bildeten), Veränderungen des Grundwassers (Höhe, Fließverhalten, Farbe und Geruch) sowie ungewöhnliche akustische und Lichtphänomene.
2006 berichtete das Bulletin der Seismologischen Gesellschaft Amerikas wieder über die Erfahrungen von Haicheng. Es hatte in den sechziger Jahren in einem weiten Gebiet um die spätere Erdbebengegend von Haicheng leichtere Beben gegeben. Die Regierung setzte eine Kampagne in Gang, besser auf Erdbebenanzeichen zu achten, strengere Bauvorschriften einzuhalten und Überwachungssysteme auszubauen.
Bei einer nationalen Konferenz im Juni 1974 wurde eine „mittelfristige Voraussage”, über ein kommendes Erdbeben abgegeben, das in ein bis zwei Jahren erwartet wurde. Tatsächlich fand das Erdbeben am 4. Februar 1975 statt. Eine kurzfristige Vorhersage (weniger als sechs Monate) erfolgte bei einer anderen nationalen Konferenz Mitte Januar 1975. Das erste Vorbeben (das nicht immer stattfindet) wurde am 1. Februar 1975 um 1:35 Uhr nachts aufgezeichnet. Eine unmittelbare Warnung ging am 4. Februar um 12:30 Uhr mittags heraus.
Auch wenn das Epizentrum des Erdbebens etwa 200 km von dem vorausgesagten Ort in Nordchina entfernt lag, retteten die genauen Beobachtungen, Warnungen und Evakuierungen viele Menschenleben. Etwa 2000 Menschen fielen dem Erdbeben zum Opfer, fast 28.000 wurden verletzt, in einer Stadt mit einer Million Einwohner und in einer Region, in der drei Millionen Menschen lebten. Mehr als 90% der Gebäude wurden beschädigt. Ohne die Evakuierungen hätte man nach Schätzungen mehr als 150.000 Menschenleben beklagen müssen.
Das Haicheng-Erdbeben ereignete sich gegen Ende der Kulturrevolution. Zunächst waren die Berichte über die Fähigkeiten zur Vorhersage vielleicht etwas übertrieben worden. Aber als die internationale wissenschaftliche Delegation schließlich das Gebiet 1976 besuchte, war davon schon nicht mehr die Rede. Die 2006 erschienene Studie der Seismologischen Gesellschaft konnte auch auf bis dahin geheime Dokumente zurückgreifen, die das Ausmaß der Vorhersagen und der Evakuierungsmaßnahmen bestätigten. Qi-Fu Chen, Forschungsprofessor bei der Chinesischen Erdbebenverwaltung in Peking, bezeichnet das Haicheng-Erdbeben als „nützlichen Bezugspunkt”. Es werde daran deutlich, daß es nicht unmöglich ist, Erdbeben vorherzusagen, und welche Bedeutung der intensiven Forschung zukommt, um diese Herausforderung meistern zu können.
In einem Interview mit dem englischsprachigen Fernsehsender Russia Today berichtete der Chef der russischen Raumfahrtagentur Anatoli Perminow am 4. April, er habe die Schaffung eines globalen, raumgestützten Sicherheitsüberwachungssystems vorgeschlagen. 23 Länder hätten bereits zugestimmt. China und die NASA überlegten, sich anzuschließen.
Geplant sei, auf jedem Kontinent internationale Zentren einzurichten, um die große Datenmenge aus den vielen nationalen Satelliten weiterzuverarbeiten. Einerseits sei das gesammelte Beobachtungsmaterial für viele Staaten nicht besonders nützlich, andererseits hätten ärmere erdbeben- und flutgefährdete Länder wie Indonesien gar keine eigenen Satelliten. Mit solchen Daten könnte man Regierungen Empfehlungen zur Warnung vor Erdbeben und anderen Naturkatastrophen geben.