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Die Nationale Kommission zur Untersuchung der Finanz- und Wirtschaftskrise (Financial Crisis Inquiry Commission, FCIC) in den Vereinigten Staaten hat im Januar 2011 ihren Abschlußbericht vorgelegt. Es folgt die deutsche Übersetzung der vorgelegten Schlußfolgerungen.
Die Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise ist damit beauftragt worden, die Finanz- und Wirtschaftskrise zu untersuchen, die unser Land erfaßt hat, und der amerikanischen Bevölkerung ihre Ursachen zu erklären. Wir sind uns angesichts des wirtschaftlichen Schadens, den Amerika infolge der schlimmsten Finanzkrise seit der Großen Depression der dreißiger Jahre erlitten hat, der Bedeutung unserer Verantwortung genau bewußt.
Um zu verstehen, warum das geschah, mußten wir zuerst festzustellen, was geschehen war und wie es geschehen konnte. Wir legen hier unsere Schlußfolgerungen vor. Die amerikanische Bevölkerung ist aufgefordert, sich anhand der durch unsere Untersuchung gesammelten Beweismittel ein eigenes Urteil zu bilden. Unser Land wird sich nicht vollständig erholen können, wenn wir nicht aus der Geschichte lernen. Einige an der Wall Street und in Washington, denen an der Aufrechterhaltung des Status Quo liegt, sind vielleicht versucht, die Krisenereignisse aus der Erinnerung zu löschen oder nahezulegen, daß niemand diese hätte vorhersehen oder verhindern können. Der vorliegende Bericht bemüht sich darum, die Tatsachen offenzulegen, die Verantwortlichen zu benennen, Mythen zu entwirren und uns zu verstehen helfen, wie die Krise hätte verhindert werden können. Dieser Bericht ist der Versuch, Geschichte zu protokollieren, nicht, sie neu zu schreiben noch zuzulassen, daß sie umgeschrieben wird.
Um unseren Mitbürgern beim Verständnis der Krise und ihrer Ursachen zu helfen, präsentieren wir jeweils am Ende der Kapitel in Teil III, IV und V dieses Berichtes spezifische Schlußfolgerungen.
Der Gegenstand dieses Berichtes ist für unsere Nation von nicht geringer Tragweite. Die schwerwiegenden Ereignisse der Jahre 2007 und 2008 waren weder Schlaglöcher in der Straße noch eine akzentuierte Senke in den Finanz- und Wirtschaftszyklen, mit denen wir in einem freien Marktwirtschaftssystem zu rechnen gelernt haben. Sie waren ein fundamentaler Bruch - ein finanzieller Umsturz, wenn man so will -, der in den Kommunen und Kiezen im ganzen Land verheerenden Schaden angerichtet hat.
Jetzt, wo dieser Bericht in den Druck geht, sind mehr als 26 Millionen Amerikaner entweder arbeitslos, können keine Vollzeitbeschäftigung finden oder haben die Suche nach Arbeit aufgegeben. Etwa vier Millionen Familien haben durch Zwangsvollstreckung ihr Zuhause verloren, und weitere viereinhalb Millionen Familien befinden sich im Prozeß der Zwangsvollstreckung oder sind bei ihren Hypothekenzahlungen weit in Rückstand geraten. Beinahe 11 Billionen Dollar an Vermögen der Privathaushalte sind verschwunden, indem Ruhestandskonten und Lebensersparnisse hinweggefegt worden. Große und kleine Unternehmen haben die Schärfe einer tiefen Rezession zu spüren bekommen. Es herrscht große Wut über das, was passiert ist, und das mit Recht. Viele, die sich an alle Vorschriften gehalten haben, sind arbeitslos und verunsichert über die eigenen Zukunftsaussichten. Die Kollateralschäden dieser Krise sind reale Menschen und reale Kommunen. Die Folgen der Krise werden wahrscheinlich eine ganze Generation spürbar bleiben. Und unser Land steht vor keinem einfachen Weg, zu neuer wirtschaftliche Stärke zurückzufinden.
Wie so viele andere Amerikaner begannen auch wir unsere Untersuchung mit eigenen Ansichten und nur wenig Wissen darüber, wie das mächtigste Finanzsystem der Welt an den Rand des Kollapses geraten konnte. Als wir in diese unabhängige Kommission berufen wurden, war schon viel über die Krise gesagt und geschrieben worden. Trotzdem waren wir alle tief betroffen darüber, was wir während unserer Ermittlungen erfahren haben. So manches Mal waren wir fasziniert, überrascht und auch schockiert darüber, was wir sahen, hörten und lasen. Es war für uns eine Reise der Offenbarungen.
Viel Aufmerksamkeit wurde während der letzten zwei Jahre den Entscheidungen der US-Regierung geschenkt, massive finanzielle Hilfe zur Stabilisierung des Finanzsystems und zur Rettung großer Finanzinstitutionen bereitzustellen, die für systemisch zu wichtig galten, als daß man sie untergehen lassen könnte. Diese Entscheidungen - und die starken Emotionen, die mit ihnen verbunden waren - werden noch lange debattiert werden. Unsere Aufgabe war es aber, die folgende zentrale Frage zu stellen und zu beantworten: Wie konnte es kommen, daß sich unser Land 2008 gezwungen sah, zwischen zwei schmerzlichen Alternativen wählen zu müssen - entweder den totalen Kollaps unseres Finanzsystems und unserer Wirtschaft zu riskieren, oder Billionen Dollar an Steuergeldern in das Finanzsystem und eine Reihe von Unternehmen zu pumpen, während gleichzeitig Millionen von Amerikanern ihre Arbeitsplätze, ihre Ersparnisse und ihr Zuhause verloren?
In diesem Bericht werden wir die Ereignisse der Krise detailliert darstellen. Wir halten jedoch eine einfache Zusammenfassung zu Beginn für hilfreich. Zwar haben sich die Schwachstellen, die das Krisenpotential erzeugten, über viele Jahre hinweg aufgebaut, aber es war der Kollaps der Immobilienblase - aufgebläht durch niedrige Zinsen, schnelle und einfach verfügbare Kredite, unzureichende Regulierungen und toxische Hypotheken -, der eine Kette von Ereignissen entfachte, die im Herbst 2008 in die volle Krise führten. Billionen von Dollar riskanter Hypotheken hatten sich im gesamten Finanzsystem versteckt, als hypothekenbasierte Wertpapiere wieder und wieder verpackt, gebündelt und Investoren weltweit verkauft wurden. Als die Blase platzte, erschütterten Verluste von Hunderten Milliarden Dollar von Hypotheken und hypothekenbasierten Wertpapieren die Märkte und die Finanzinstitutionen, die sich dem Risiko dieser Wertpapiere ausgesetzt und dafür massiv eigene Kredite aufgenommen hatten. Das geschah nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit. Die Verluste wurden durch Derivate, d.h. synthetische Wertpapiere, noch vergrößert.
Mit der Pleite von Lehman Brothers und dem drohenden Kollaps des Versicherungsgiganten American Insurance Group (AIG) erreichte die Krise im September 2008 seismische Ausmaße. Panik, angefacht durch fehlende Transparenz in den Bilanzen bedeutender Finanzinstitute und durch ein Gewirr von Abhängigkeiten zwischen Institutionen, die als „too big to fail“ galten, sorgte dafür, daß die Kreditmärkte einfroren, der Handel zum Erliegen kam, die Börsen einbrachen und die Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzte.
Das Finanzsystem, das wir untersuchten, hat wenig mit dem der Generation unserer Eltern gemeinsam. Allein die Veränderungen während der letzten drei Jahrzehnte waren beachtlich. Die Finanzmärkte wurden zunehmend globalisiert. Die Technologie hat die Effizienz, Geschwindigkeit und Komplexität von Finanzinstrumenten und -transaktionen verändert. Es gibt breiteren Zugang zu Finanzmitteln und zu niedrigeren Kosten als je zuvor. Der Finanzsektor selbst ist zu einer viel dominanteren Kraft in unserer Wirtschaft geworden.
Von 1978 bis 2007 stiegen die Schulden des Finanzsektors von 3 Billionen auf 36 Billionen Dollar und verdoppelten sich damit gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das Wesen vieler Wall-Street-Firmen selbst hatte sich verändert - von relativ seriösen privaten Partnerunternehmen zu öffentlich gehandelten Aktiengesellschaften, die mehr und breitere Risiken eingingen. 2005 hielten die zehn größten Geschäftsbanken der Vereinigten Staaten 55% der Anleihen des Finanzsektors, mehr als doppelt so viel wie noch 1990. Am Vorabend der Krise 2006 machten die Profite des Finanzsektors 27% aller Unternehmensgewinne der USA aus - 1980 waren es 15%. Für die Analyse der Kommission war das Verständnis dieser Transformation entscheidend wichtig.
Nun zu unseren wesentlichen Feststellungen und Schlußfolgerungen, die auf den Fakten gründen, die dieser Bericht enthält: Sie werden in der Hoffnung vorgelegt, daß aus Fehlern gelernt und zukünftige Katastrophen verhindert werden können.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß diese Finanzkrise vermeidbar war. Die Krise war das Ergebnis menschlicher Handlungen und Unterlassungen und hat nichts mit Mutter Natur oder durchgedrehten Computermodellen zu tun. Die Kapitäne der Finanzwelt und die öffentlichen Verwalter unseres Finanzsystems haben Warnungen ignoriert und waren nicht in der Lage, die sich entwickelnden Risiken in einem System, das für das Wohlergehen der amerikanischen Öffentlichkeit so entscheidend ist, zu hinterfragen, zu verstehen oder mit ihnen umzugehen. Das war kein kleiner Ausrutscher, sondern ein schwerer Fehlschlag. Man kann zwar den Wirtschaftszyklus nicht zurückdrehen, aber eine Krise diesen Ausmaßes hätte es nicht geben dürfen. Frei nach Shakespeare: Der Fehler liegt nicht in den Sternen, sondern in uns.
Trotz der an der Wall Street und in Washington weit verbreiteten Ansicht, die Krise hätte nicht vorhergesehen oder verhindert werden können, gab es Warnzeichen. Tragisch war, daß sie ignoriert oder abgetan wurden. Es gab eine explosionsartige Ausweitung riskanter, zweitrangiger Hypothekenkredite und deren Verbriefung, einen untragbaren Anstieg der Immobilienpreise, verbreitete Berichte über unerhörte und rücksichtslose Kreditvergabepraktiken, einen dramatischen Anstieg privater Hypothekenschulden, eine exponentielle Zunahme von Handelsaktivitäten der Finanzfirmen, unregulierter Derivate und kurzfristige „Repo“-Kreditmärkte, um nur einige der Warnsignale zu nennen. Aber es herrschte eine verbreitete Schluderei; nur wenig Sinnvolles wurde getan, um der Bedrohungen rechtzeitig Herr zu werden.
Das beste Beispiel ist das völlige Versagen der Federal Reserve, dem Strom an toxischen Hypotheken zu wehren, was allein durch die Verfügung angemessener Standards bei der Hypothekenvergabe hätte erreicht werden können. Die Federal Reserve war die Institution, die dazu ermächtigt gewesen wäre, und sie handelte nicht. Unsere Untersuchungsakten enthalten reichliche Beweise weiteren Fehlverhaltens: Finanzinstitutionen erzeugten, kauften und verkauften Hypothekenpapiere, die sie weder prüften noch zu prüfen planten, oder von denen sie wußten, daß sie mangelhaft waren; Finanzfirmen saßen auf Krediten in Höhe von Dutzenden Milliarden Dollar, die Nacht für Nacht erneuert werden mußten und nur durch hypothekenbasierte Papiere abgesichert waren; und große Firmen und Investoren verließen sich bei der Einschätzung von Risiken blindlings auf Ratingagenturen. Was erwartet man von einer Autobahn, auf der es weder Geschwindigkeitsbegrenzungen noch deutlich Fahrbahnmarkierungen gibt?
* Wir kommen zu dem Schluß, daß sich verbreitetes Versagen bei der Finanzregulierung und -aufsicht für die Stabilität der Finanzmärkte unserer Nation als verheerend erwiesen hat. Der verbreitete Glaube an die selbstregulierende Natur der Märkte und die Fähigkeit der Finanzinstitutionen, sich selbst zu überwachen, hatte die Wachen an ihren Posten einschlafen lassen. Mehr als 30 Jahre Deregulierung und Vertrauen auf die Selbstregulierung von Finanzinstitutionen, wofür sich der ehemalige Federal-Reserve-Vorsitzende Alan Greenspan und andere stark gemacht hatten, unterstützt von mehreren aufeinander folgender Regierungen und Kongressen und bei jeder Gelegenheit aktiv vorangetrieben durch die mächtige Finanzindustrie, hatten entscheidende Sicherungssysteme ausgeschaltet, die die Krise hätten verhindern können. Diese Vorgehensweise hatte Überwachungslücken in kritischer Bereichen entstehen lassen, bei denen es um Billionen von Dollar ging, wie z.B. dem Schattenbankensystem und den außerbörslichen Derivatemärkten. Zusätzlich hatte es die Regierung zugelassen, daß sich die Finanzunternehmen ihre Regulierungsbehörde selbst auswählen konnten, was ein Wettrennen um die nachlässigste Überwachung auslöste.
Die Ansicht, den Regulierungsbehörden hätte die Macht gefehlt, das Finanzsystem zu schützen, akzeptieren wir jedoch nicht. Sie hatten in vielen Bereichen ausreichend Befugnisse, machten jedoch von diesen keinen Gebrauch. Um nur drei Beispiele zu geben: Die Securities and Exchange Commission (die US-Börsenaufsicht) hätte höhere Eigenkapitalvorschriften erlassen und riskante Praktiken bei den großen Investmenthäusern unterbinden können. Sie tat es nicht. Die Federal Reserve Bank von New York und andere Regulierer hätten den Exzessen der Citigroup im Vorfeld der Krise Einhalt gebieten können. Sie taten es nicht. Politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden hätten den außer Rand und Band geratenen Markt für hypothekenbasierte Anleihen unter Kontrolle bringen können. Sie taten es nicht. Immer wieder stuften Regulierer die von ihnen überwachten Institutionen als gesund und sicher ein, obwohl diese zunehmend Schwierigkeiten hatten. Oft kam die Herabstufung erst kurz vor ihrem Zusammenbruch. Und wo Regulierern die Befugnisse fehlten, hätten sie sie einfordern können. Zu oft fehlte ihnen - gefangen in politischen und ideologischen Grenzen - der politische Wille und auch der Mut, die Institutionen und das System herauszufordern, deren Aufsicht in ihre Hände gelegt war.
Veränderungen im Regulierungssystem entstanden auf vielerlei Weise, während sich die Finanzmärkte weiter entwickelten. Wie dieser Bericht jedoch zeigen wird, spielte die Finanzindustrie selbst eine Schlüsselrolle bei der Abschwächung regulierender Auflagen für Finanzinstitutionen, -märkte und -produkte. Daß eine Branche mit so großer Macht und Reichtum Druck auf politische Entscheidungsträger und Überwachungsbehörden ausüben würde, überraschte uns nicht. Von 1999 bis 2008 brachte der Finanzsektor 2,7 Milliarden Dollar für Lobbyarbeit in Washington auf; gleichzeitig flossen von Einzelpersonen und Organisationen 1 Milliarde Dollar Wahlkampfspenden. Am meisten machte uns zu schaffen, wie sehr die Finanzaufsicht in diesem Land um die notwendige Stärke und Unabhängigkeit gebracht wurde, um die Finanzstabilität zu wahren.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß dramatisches Versagen der Unternehmensführung und des Risikomanagements bei vielen systemisch wichtigen Finanzinstitutionen ein entscheidender Grund dieser Krise war. Es gab die Ansicht, daß der Selbsterhaltungstrieb großer Finanzunternehmen diese vor fataler Risikobereitschaft schützen würde, ohne daß eine ständig regulierend eingreifende Hand erforderlich wäre, was, so argumentierten die Unternehmen, Innovationen unterdrücken würde. Zu viele dieser Institutionen handelten rücksichtslos und gingen mit zuwenig Kapital und zuviel Vertrauen auf kurzfristige Finanzierung ein zu hohes Risiko ein. In vielerlei Hinsicht spiegelt dies eine fundamentale Änderung in diesen Institutionen wider, insbesondere bei großen Investmentbanken und Bankholdinggesellschaften, die ihre Aktivitäten auf zunehmend riskante Handelstätigkeiten konzentrierten, die kräftige Profite abwarfen. Sie exponierten sich in enormem Maße, indem sie Subprime-Kreditgeber übernahmen oder stützten und verbriefte Hypotheken im Wert von Billionen von Dollar, einschließlich künstlicher Finanzprodukte erzeugten, verpackten, umverpackten und verkauften. Wie Ikarus fürchteten sie sich nicht, der Sonne immer näher zu kommen.
Viele dieser Institutionen wuchsen aggressiv durch schlecht ausgeführte Übernahme- und Verflechtungsstrategien, was wirksames Management immer schwerer machte. Der Geschäftsführer von Citigroup sagte vor der Kommission, daß eine 40-Mrd.-Dollar-Position hochbewerteter verbriefter Hypotheken bei ihm für „keinerlei Aufmerksamkeit“ gesorgt hätte, und der Mitgeschäftsführer der Investmentbank von Citigroup sagte, er hätte „einen kleinen Bruchteil von 1%“ seiner Zeit auf diese Verbriefungen verwandt. „Too big to fail“ hieß in diesem Fall „zu groß, es zu managen“.
Finanzinstitute und Ratingagenturen verwendeten mathematische Modelle zur verläßlichen Risikoeinschätzung, die in zu vielen Fällen den gesunden Menschenverstand ersetzten. Zu häufig wurde aus Risikomanagement Risikorechtfertigung.
Mit Vergütungssystemen wurden in einer Umgebung billigen Geldes, heftigen Wettbewerbs und schwacher Regulierung allzuoft das schnelle Geschäft, der kurzfristige Gewinn belohnt - ohne angemessene Berücksichtigung langfristiger Konsequenzen. Oft förderten solche Systeme die große Wette - wobei bei Erfolg riesige Gewinne winkten und die Verluste begrenzt erschienen. Das war überall der Fall, von den Vorstandsetagen der Firmen bis zum Hypothekenverkäufer auf der Straße.
Unsere Untersuchung brachte atemberaubende Fälle von Führungsversagen und Unverantwortlichkeit an den Tag. Sie werden u.a. etwas erfahren über die Ahnungslosigkeit der AIG-Führungskräfte über Konditionen und Risiken des 79 Mrd. Dollar teuren Derivatengagements ihrer Firma bei verbrieften Hypotheken; über Fannie Maes Kampf um mehr Marktanteile, mehr Profite und mehr Boni, der die Firma dazu brachte, ihr Engagement in riskanten Krediten und Wertpapieren hochzufahren, als der Immobilienmarkt auf dem Höchststand war; und über die teure Überraschung, als der Unternehmensspitze von Merrill Lynch klar wurde, daß die Firma 55 Mrd. Dollar in „erstklassigen“ und angeblich „bombensicheren“ verbrieften Hypotheken hielt, die zu Verlusten in Milliardenhöhe führten.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß eine Kombination aus exzessiver Verschuldung, riskanten Investitionen und Mangel an Transparenz das Finanzsystem auf Kollisionskurs gebracht hat. Offensichtlich hängt diese Schwachstelle mit dem Versagen der Unternehmensführung und der Aufsichtsbehörden zusammen, aber sie ist allein bedeutend genug, um hier eigenständig behandelt zu werden.
In den Jahren bis zur Krise haben sich zu viele Finanzinstitute und zu viele Privathaushalte bis an die Grenzen des möglichen verschuldet, wodurch sie schon bei einem relativ geringfügigen Wertverlust ihrer Investitionen in finanzielle Notlage gerieten oder vom Ruin bedroht waren. Zum Beispiel arbeiteten die fünf großen Investmentbanken - Bear Stearns, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley - seit 2007 mit einer außerordentlich dünnen Kapitaldecke. Nimmt man nur einen Maßstab, so lag ihre finanzielle Hebelwirkung bei bis zu 40:1, d.h. vierzig Dollar Anlagewert stand nur ein Dollar Eigenkapital gegenüber, um etwaige Verluste abzudecken. Ein Kursverlust solcher Anlagen von weniger als 3% konnte ein ganzes Unternehmen auslöschen. Was die Sache noch schlimmer machte, war, daß ein Großteil der Kreditaufnahme mit kurzfristigem sogenannten Tagesgeld finanziert wurde, d.h. der Kredit mußte jeden Tag neu refinanziert werden. Zum Beispiel hatte Bear Stearns Ende 2007 11,8 Mrd. Dollar Eigenkapital und 383,6 Mrd. Dollar Schulden und lieh sich bis zu 70 Mrd. Dollar an Tagesgeldern. Entsprechend könnte man sich einen kleinen Betrieb mit 50.000 Dollar Eigenkapital vorstellen, der sich 1,6 Mio. Dollar leiht, wovon jeden Tag 296.750 Dollar fällig wären. Man kann nicht wirklich danach fragen, was sie sich eigentlich dabei gedacht haben, weil einfach viel zu viele genauso dachten.
Und der Verschuldungsgrad war oft versteckt - in Derivatpositionen, außerbilanzlichen Geschäftseinheiten und durch „Schönung” der Finanzberichte, die Anlegerkreisen zugängig waren.
Die Leverage-Könige waren Fannie Mae und Freddie Mac, die zwei gigantischen staatlich geförderten Unternehmen (GSEs). Zum Beispiel lag ihr gemeinsamer Verschuldungsgrad, einschließlich Krediten, die sie besaßen und garantierten, Ende 2007 bei 75:1.
Aber die Finanzunternehmen waren bei der Verschuldungsorgie nicht allein: Von 2001 bis 2007 hatten sich die Hypothekenschulden in ganz Amerika nahezu verdoppelt, und die Höhe der Hypothekenschulden pro Haushalt wuchs von 91.500 Dollar um mehr als 63% auf 149.500 Dollar an, und das, obwohl die Löhne im wesentlichen stagnierten. Als die Immobilienkrise losging, traf es sowohl die stark verschuldeten Finanzunternehmen als auch die Privathaushalte.
Die schwere Schuldenlast, die einige Finanzinstitutionen auf sich luden, wurde durch die riskanten Anlagen, die sie mit diesen Schulden erwarben, noch verschärft. Als die Hypotheken- und Immobilienmärkte am laufenden Band immer riskantere Darlehen und Wertpapiere produzierten, hatten sich viele Finanzinstitutionen damit vollgeladen. Ende 2007 hielt Lehman 111 Mrd. Dollar an Gewerbe- und Wohnimmobilien und damit verbundenen Wertpapieren, fast doppelt soviel wie zwei Jahre zuvor, und mehr als das Vierfache seines gesamten Eigenkapitals. Und wieder waren es nicht nur große Finanzbetriebe, sondern auch Privathaushalte, die solche Risiken eingegangen waren. Fast jeder zehnte Kreditkunde schloß in den Jahren 2005 und 2006 Hypotheken mit flexibler Verzinsung (option ARMs) ab, wobei die Zahlungen so niedrig angesetzt werden konnten, daß der Restbetrag der Hypothek jeden Monat weiter anstieg.
Innerhalb des Finanzsystems vergrößerten sich die Gefahren dieser Schulden, weil Transparenz nicht erforderlich oder unerwünscht war. Massive, kurzfristige Schuldenaufnahme zusammen mit Verpflichtungen, die für andere Marktteilnehmer nicht erkennbar waren, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, daß sich das System rasch auflösen konnte. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten wir eine Reihe von Schutzmaßnahmen aufgebaut: Die Federal Reserve als Kreditgeber der letzten Instanz, die Bundeseinlagenversicherung FDIC und umfassenden Regulierungen, die als Bollwerk gegen die Panik fungieren sollten, die Amerikas Bankensystem im 19. Jahrhundert regelmäßig heimgesucht hatte. Doch in den letzten über 30 Jahren ließen wir zu, daß ein Schattenbankensystems heranwachsen konnte - undurchsichtig und vollbeladen mit kurzfristigen Schulden -, das mit der Größe des traditionellen Bankenwesens konkurrierte. Schlüsselsegmente des Markts - z.B. der multibillionenschwere Repo-Markt, außerbilanzliche Geschäftseinheiten und außerbörsliche Derivate - waren dem Betrachter verborgen und frei von Schutzmaßnahmen, die wir zur Verhinderung finanzieller Kernschmelzen errichtet hatten. Das Finanzsystem des 21. Jahrhunderts operierte mit Schutzvorrichtungen des 19. Jahrhunderts.
Als der Immobilien- und Hypothekenmarkt abstürzte, wurde alles - der Mangel an Transparenz, die außerordentliche Schuldenlast, die kurzfristigen Kredite und die riskanten Wertanlagen - von der Realität eingeholt. Das Ergebnis war Panik. Wir ernteten, was wir gesät hatten.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß die Regierung schlecht auf die Krise vorbereitet war, und daß ihre widersprüchlichen Reaktionen zur Unsicherheit und Panik an den Finanzmärkten beigetragen haben. Als Teil unserer Aufgabe fanden wir es angebracht, die Reaktionen der Regierung auf die voranschreitende Krise zu untersuchen, nicht nur die Politik oder die Maßnahmen, die ihr vorausgingen, um festzustellen, ob diese Reaktionen zu der Krise beigetragen oder sie verschlimmert haben.
Wie unser Bericht zeigt, waren die wichtigen politischen Entscheidungsträger - das US-Finanzministerium, der Vorstand der Federal Reserve und die Federal Reserve Bank in New York - zwar bestens positioniert, um unsere Märkte zu überwachen, aber sie waren schlecht auf die Ereignisse von 2007 und 2008 vorbereitet. Auch andere Institutionen tappten im Dunkeln. Sie waren handlungsunfähig, weil sie keinen klaren Begriff von dem Finanzsystem hatten, mit dessen Aufsicht sie beauftragt waren, ganz besonders nicht von dessen Entwicklung in den der Krise vorausgegangenen Jahren. Das hatte zu einem nicht geringen Grad mit fehlender Transparenz an entscheidenden Stellen der Märkte zu tun. Man vermutete, Risiken seien diversifiziert worden, obwohl sie in Wahrheit konzentriert wurden. Seit dem Frühjahr 2007 wurden Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden wieder und wieder von der sich ausbreitenden Ansteckung überrascht und reagierten aus dem Stegreif mit spezifischen Programmen - sie stemmten sich mit bloßen Händen gegen die brechenden Deiche. Es gab keinen umfassenden strategischen Plan, um der Probleme Herr zu werden, weil es an einem umfassenden Verständnis von Risiken und Verflechtungen der Finanzmärkte mangelte. Einige Regulierer haben diesen Fehler eingestanden. Wir haben es zugelassen, daß uns das System enteilte, ohne daß wir es noch schützen konnten.
Es gab zwar ein gewisses Bewußtsein oder zumindest einige Diskussion über die Immobilienblase, doch läßt sich belegen, daß erfahrene Amtsträger nicht erkannt haben, daß das Bersten der Blase das gesamte Finanzsystem bedrohen könnte. Während des ganzen Sommers 2007 versicherten der Fed-Vorsitzende Ben Bernanke wie auch Finanzminister Henry Paulson der Öffentlichkeit, daß die Turbulenzen auf den zweitrangigen Hypothekenmarkt beschränkt bleiben würden. Als im Juni 2007 die Hedgefonds von Bear Stearns implodierten, die in großem Umfang in hypothekenbasierte Wertpapiere investiert hatten, wurde in der Federal Reserve über die Implikationen des Kollapses diskutiert. Trotz der Tatsache, daß so viele andere Investmentfonds denselben Risiken ausgesetzt waren wie die Bear-Stearns-Fonds, wurden letztere für „relativ einmalig“ gehalten. Nur Tage vor dem Kollaps von Bear Stearns im März 2008 brachte der Vorsitzende der Börsenaufsicht SEC, Christopher Cox, „seine Zuversicht über die Kapitalpolster“ bei großen Investmentbanken zum Ausdruck. Erst im August 2008, also nur wenige Wochen vor der staatlichen Übernahme von Fannie Mae und Freddie Mac, begann das Finanzministerium das schreckliche Ausmaß der finanziellen Notlage zu begreifen, in denen diese beiden Institutionen steckten. Und noch einen Monat vor dem Kollaps von Lehman Brothers war die New Yorker Federal Reserve immer noch bemüht, mehr über das finanzielle Risiko herauszufinden, das durch Lehmans mehr als 900.000 Derivatkontrakte entstanden war.
Die widersprüchliche Vorgehensweise der Regierung in der Krise - die Entscheidung, Bear Stearns zu retten und Fannie Mae und Freddie Mac zu übernehmen, gefolgt von dem Entschluß, Lehman nicht zu retten, AIG aber wiederum zu helfen - vergrößerte zusätzlich noch die Unsicherheit und Panik an den Märkten.
Während wir diese Beobachtungen machen, respektieren und achten wir aber auch die Bemühungen von Finanzminister Henry Paulson, Fed-Chef Ben Bernanke und Timothy Geithner, erst als Präsident der Fed in New York und jetzt als Finanzminister, und noch vielen anderen mehr, die inmitten der chaotischsten und herausforderndsten Umstände an der Stabilisierung unseres Finanzsystems und unserer Wirtschaft mitgearbeitet haben.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß es einen systemischen Zusammenbruch der Verantwortlichkeit und ethischer Grundsätze gegeben hat. Die Integrität unserer Finanzmärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Märkte sind für das wirtschaftliche Wohlergehen unseres Landes unerläßlich. Die Stabilität und die anhaltende Prosperität des Finanzsystems und unserer Wirtschaft beruhen auf den Vorstellungen redlicher Geschäftstätigkeit, Verantwortlichkeit und Transparenz. In unserer Wirtschaft erwarten wir, daß Unternehmen und Individuen Gewinne machen wollen, während sie gleichzeitig hochwertige Produkte und Dienstleistungen herstellen und sich anständig verhalten.
Leider - und das gab es auch bei spekulativen Booms und Pleiten in der Vergangenheit - beobachteten wir den Verfall von Verantwortlichkeit und Ethik, was die Finanzkrise noch verschlimmerte. Das traf nicht auf alle zu, aber diese Verstöße reichten von ganz unten bis in die Chefetagen. Sie hatten nicht nur erhebliche finanzielle Konsequenzen, sondern resultierten auch in einem Vertrauensverlust der Anleger, Unternehmen und der Öffentlichkeit in das Finanzsystem.
Beispielsweise ergab unsere Untersuchung, daß sich der Anteil derjenigen Kreditnehmer, die bereits wenige Monate nach Vertragsabschluß ihre Hypothek nicht mehr bedienen konnten, zwischen Sommer 2006 und Ende 2007 nahezu verdoppelt hatte. Diese Zahlen zeigen, daß sie wahrscheinlich Hypotheken aufnahmen, die sie im Grunde niemals zurückzahlen konnten oder wollten. Sie werden lesen, daß Hypothekenbroker den Immobilienmaklern eine „Gewinnspannenprämie“ zahlten, damit sie Darlehensnehmern Kredite mit höheren Kosten vermittelten, um ihrerseits höhere Maklergebühren einzustreichen, was den Kreditnehmern oft gar nicht mitgeteilt wurde. Der Bericht dokumentiert die zunehmenden Fälle von Hypothekenbetrug, die in einem Umfeld versagender Kreditvergabestandards und lascher Finanzaufsicht gedeihen konnten. Die Zahl von Anzeigen über verdächtige Aktivitäten - Anzeigen von Einlagebanken und daran angeschlossenen Unternehmen über mögliche Verbrechen im Zusammenhang mit Finanzgeschäften - in Bezug auf Hypothekenbetrug wuchs zwischen 1996 und 2005 um das 20fache und verdoppelte sich erneut zwischen 2005 und 2009. Eine Studie beziffert die Verluste aus Betrugsfällen im Bereich der Hypothekenkredite zwischen 2005 und 2007 auf 112 Mrd. Dollar.
Darlehensgeber genehmigten Kredite, obwohl sie wußten, daß Kreditnehmer sie sich nicht leisten konnten und daß dies massive Verluste bei Anlegern von Hypothekenpapieren bedeuten könnte. Bereits im September 2004 erkannten Vorstandsmitglieder des Unternehmens Countrywide, daß viele der von ihnen stammenden Darlehen zu „katastrophalen Folgen“ führen könnten. Weniger als ein Jahr später stellten sie fest, daß bestimmte von ihnen vergebene Hochrisikokredite nicht nur zu Zwangsvollstreckungen, sondern auch zu einer „finanziellen und rufschädigenden Katastrophe“ für das Unternehmen führen könnten. Aber sie hörten nicht auf.
Der Bericht dokumentiert außerdem, daß große Finanzinstitutionen nur sehr ineffektiv einzelne Kredite prüften, die sie ankauften, um sie zu bündeln und an Anleger weiterzuverkaufen. Sie wußten, daß ein erheblicher Anteil der untersuchten Kredite weder ihren eigenen Zeichnungsnormen, noch denen des Ausstellers entsprachen. Sie verkauften diese Anleihen trotzdem an Anleger weiter. Die Kommission nahm viele der den Anlegern zur Verfügung gestellten Verkaufsprospekte in Augenschein und stellte fest, daß diese äußerst wichtige Information darin nicht enthalten war.
Diese Schlußfolgerungen müssen im Kontext der menschlichen Natur und individueller und gesellschaftlicher Verantwortlichkeit betrachtet werden. Erstens, die Krise auf menschliche Schwächen wie Gier und Überheblichkeit zu schieben, wäre stark vereinfachend. Für die Krise relevant war es, menschliche Schwächen nicht berücksichtigt zu haben.
Zweitens, wir sind der klaren Überzeugung, daß die Krise das Resultat menschlicher Fehler, Fehleinschätzungen und Untaten war, die ein Versagen des Systems zur Folge hatten, für die unser Land teuer bezahlt hat. Wenn Sie diesen Bericht lesen, werden Sie erkennen, daß bestimmte Unternehmen und Individuen sich unverantwortlich verhalten haben. Eine Krise solchen Ausmaßes kann jedoch nicht das Ergebnis einiger weniger übler Akteure sein, und das war hierbei auch nicht der Fall. Das Ausmaß der Krise bedeutet gleichzeitig aber nicht, daß „wir alle Schuld sind“; viele Unternehmen und Personen nahmen an den Exzessen, die zur Katastrophe führten, nicht teil.
Wir legen jenen öffentlichen Amtsträgern eine besondere Verantwortung auf, die mit dem Schutz unseres Finanzsystems beauftragt waren, denjenigen, die unsere Regulierungsbehörden leiten sollten, und jenen Firmenchefs, deren Fehler uns in die Krise manövriert haben. Diese Personen strebten nach Ämtern mit herausragender Verantwortung und Verpflichtung und nahmen diese an. Was die Spitze sagt, hat großen Einfluß, und wir wurden, jedenfalls in diesem Fall, schwer enttäuscht. Niemand sagte „nein”.
Als Nation müssen wir aber auch die Verantwortung für das, was wir haben geschehen lassen, übernehmen. Gemeinschaftlich, aber sicher nicht einstimmig, duldeten wir oder akzeptierten wir ein System, ein Paket aus politischen Leitlinien und Maßnahmen, die unsere jetzige Zwangslage verursacht haben.
Dieser Bericht beschreibt die Vorgänge und das System, die unsere Nation in die Krise getrieben haben. Die komplexe Maschinerie unserer Finanzmärkte besitzt viele äußerst wichtige Teile - von denen einige während der Entfaltung und Vertiefung der Finanzkrise eine zentrale Rolle gespielt haben. Wir ziehen hier unsere Schlüsse über spezifische Bestandteile des Systems, von denen wir glauben, daß sie entscheidend zur Kernschmelze des Finanzsystems beigetragen haben.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß eingebrochene Standards bei der Vergabe von Hypothekendarlehen und das Verteilersystem hypothekenbesicherter Anleihen das Feuer der Krise entfacht und die Ansteckungsgefahr verbreitet haben. Als die Immobilienpreise fielen und Hypothekennehmer in Zahlungsverzug gerieten, begannen sich die Lichter der Wall Street zu verdunkeln. Dieser Bericht dokumentiert den Zerfall der Standards für die Vergabe von Hypothekendarlehen und das Verteilersystem für hypothekenbesicherte Anleihen, das die toxischen Hypothekenanleihen von den Wohnvierteln in ganz Amerika an Investoren in aller Welt weitergab.
Viele Hypothekengeber setzten die Meßlatte so niedrig, daß die Kreditgeber den auf ein Darlehen erpichten Kreditnehmern die Qualifikation einfach blind abnahmen, wobei oft absichtlich die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers nicht beachtet wurde. Nahezu ein Viertel aller in der ersten Jahreshälfte 2005 gewährten Hypothekenkredite waren endfällige Darlehen, bei denen zunächst nur die Zinsen gezahlt werden. Im selben Jahr wurden für 68% der von Countrywide und Washington Mutual bewilligten „optionalen zinsvariablen Hypothekenkredite” kaum oder keine Nachweise über die Finanzierungsfähigkeit benötigt.
Diese Trends waren nicht geheim. Als unverantwortliche Kreditvergabe, räuberische und betrügerische Praktiken eingeschlossen, immer dominanter wurden, erhielten die Federal Reserve und weitere Regulierungs- und Aufsichtsbehörden Warnungen aus vielen Bereichen. Die Federal Reserve vernachlässigte jedoch ihren Auftrag, „die Sicherheit und Stabilität des Finanz- und Bankensystems der Nation zu wahren und die Darlehensrechte der Konsumenten zu schützen.“ Sie versagte dabei, rechtzeitig eine Stützmauer zu errichten. Und der Bundesrechnungshof und die Sparkassenaufsichtsbehörde, in Zuständigkeitsstreitereien verwickelt, hinderten die staatlichen Regulierungsbehörden dabei, Mißbräuche zu unterbinden.
Während viele dieser Hypothekendarlehen in den Bilanzbüchern der Banken verblieben, kamen die größeren Geldsummen von den globalen Anlegern, die sich darum rissen, ihr Bares in die neugeschaffenen hypothekenbezogenen Anleihen zu stecken. Es hatte für Finanzinstitutionen, Investoren und Regulierungsbehörden gleichermaßen den Anschein, daß das Risiko besiegt worden sei: Die Anleger besaßen hochbewertete Papiere, von denen sie sicheren Gewinn erwarteten; die Banken dachten, sie hätten die riskantesten Kredite aus ihren Bilanzen getilgt; und die Regulierungsbehörde sah, wie Unternehmen Gewinne machten und die Kosten für Darlehen sanken. Aber jeder Schritt in dem Verteilersystem für hypothekenbezogene Anleihen hing davon ab, die Nachfrage für eine weitere Runde am Laufen zu halten. Von den Spekulanten, die die Häuser den Hypothekenmaklern zuschanzten, die die Darlehenskunden ausfindig machten, über die Darlehensgeber, die die Hypothekenkredite vergaben, bis hin zu den Finanzunternehmen, die die hypothekenbesicherten Anleihen, verbriefte Schuldscheine (CDOs), CDOs, die von CDOs abhingen, und synthetische CDOs erzeugten: Niemand in dem Verteilersystem für Schrottpapiere hatte in dem Spiel das nötige dicke Fell. Alle dachten, sie könnten ihre Risiken blitzschnell an den nächsten in der Reihe weitergeben. Sie täuschten sich. Als die Darlehensnehmer ihre Ratenzahlungen einstellten, jagten die Verluste - durch Derivate vervielfacht - durch das Verteilersystem. Wie sich herausstellte, waren die Verluste auf eine Reihe systemisch wichtiger Finanzinstitutionen konzentriert.
Am Ende erwies sich das System, das Millionen von Hypotheken auf so effiziente Weise geschaffen hatte, als schwierig zu entknoten. Seine Komplexität hatte Barrieren errichtet, die Hypotheken so zu modifizieren, daß Familien in ihren Häusern bleiben können, und hat zusätzliche Unsicherheit über den Gesundheitszustand des Immobilienmarktes und der Finanzinstitutionen geschaffen.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß außerbörsliche Derivatgeschäfte (Over-The-Counter bzw. OTC-Derivate) erheblich zur Krise beigetragen haben. Das Inkrafttreten eines Gesetzes im Jahre 2000, das die Regulierung außerbörslicher Derivatgeschäfte durch die Bundes- wie durch die Länderregierungen verbot, war ein wichtiger Wendepunkt auf der Marschroute zur Finanzkrise.
Von Kapitalgesellschaften zu Aktienunternehmen, zu Landwirten und zu Anlegern wurden Derivate zur Absicherung gegen bzw. zur Spekulation auf Veränderungen von Preises, Quoten oder Indizes oder sogar auf solche Ereignisse wie Zahlungsausfall von Schuldnern benutzt. Ohne jegliche Aufsicht gerieten die OTC-Derivate schnell außer Kontrolle und außer Sichtweite, wobei sie auf ein Volumen von geschätzten 673 Billionen Dollar anwuchsen. Dieser Bericht erläutert den Faktor unkontrollierter Hebelwirkung; den Mangel an Transparenz, die Kapital- und Sicherheitsanforderungen; Spekulation; Unternehmensverflechtungen; und Risikokonzentrationen auf diesen Märkten.
Die außerbörslichen Derivatgeschäfte trugen auf drei entscheidenden Wegen zur Krise bei. Erstens, ein Typ von Derivaten - die Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) - trieb das Verteilsystem für Hypothekenanleihen an. CDS-Papiere wurden an Anleger verkauft, um Geschäfte mit hypothekenbezogenen Anleihen, die durch riskante Darlehen gedeckt wurden, gegen Zahlungsausfall oder Wertverlust abzusichern. Unternehmen verkauften solche Absicherungen - im Falle von AIG in der Höhe von 79 Mrd. Dollar - an Kunden, die in diese neumodischen hypothekenbesicherten Anleihen investierten, und halfen damit, den Markt in Gang zu bringen und auszuweiten, und damit wiederum die Immobilienblase aufzublähen.
Zweitens, CDS-Papiere waren für die Schaffung synthetischer CDOs unerläßlich. Bei diesen synthetischen CDOs handelte es sich bloß um Wettgeschäfte auf die Kursentwicklung echter hypothekenbezogener Anleihen. Sie verstärkten die Verluste, die aus dem Zusammenbruch der Immobilienblase resultierten, indem sie mehrfache Wetten auf ein und dieselben Anleihen erlaubten, und so dabei mithalfen, sie über das gesamte Finanzsystem zu verbreiten.
Allein Goldman Sachs bündelte und verkaufte vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Mai 2007 synthetische CDOs in der Höhe von 73 Mrd. Dollar. Die von Goldman Sachs hergestellten synthetischen CDOs bezogen sich auf mehr als 3400 Hypothekenanleihen, und auf 610 von ihnen mindestens zweimal. Dies schließt nicht mit ein, wie oft auf diese Anleihen in synthetischen CDOs, die andere Unternehmen erzeugt hatten, Bezug genommen wurde.
Drittens und letztens, als die Immobilienblase platzte und die Krise ausbrach, befanden sich die Derivate in der Mitte des Sturms. Der Versicherer AIG, von dem man nicht verlangt hatte, Kapitalreserven als Sicherheitspuffer für die von ihnen verkauften Versicherungen anzulegen, bekam ein Rettungspaket, als es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konnte. Die Regierung verbürgte schließlich die Zahlung von mehr als 180 Mrd. Dollar, da es Befürchtungen gab, der Kollaps von AIG würde eine Kettenreaktion von Verlusten im gesamten Weltfinanzsystem anstoßen. Die Existenz von Millionen von Derivatkontrakten aller Art zwischen wichtigen, systemrelevanten Finanzinstitutionen - unsichtbar und unbekannt in diesem unregulierten Markt - ließ zusätzliche Unsicherheit und Panik aufkommen, was wiederum dazu beitrug, die Regierungshilfen für diese Unternehmen zu beschleunigen.
* Wir kommen zu dem Schluß, daß das Versagen der Ratingagenturen ein wesentliches Rad im Getriebe der finanziellen Zerstörung waren. Die drei Ratingagenturen spielten eine entscheidende Rolle bei der finanziellen Kernschmelze. Die hypothekenbesicherten Wertpapiere, die im Zentrum der Krise standen, hätten ohne ihr Gütesiegel nie vermarktet und verkauft werden können. Anleger verließen sich oft blindlings auf sie. In einigen Fällen waren sie verpflichtet, sie zu nutzen, in anderen hingen regulative Kapital-Standards von ihnen ab. Die Krise hätte ohne die Ratingagenturen nicht stattfinden können. Ihre Bewertungen ließen den Markt anschwellen, und die Herabstufungen der Jahre 2007 und 2008 richteten auf den Märkten und bei vielen Firmen verheerende Schäden an.
In unserem Bericht werden Sie über die Pannen bei Moody’s lesen, die von der Kommission als Fallstudie untersucht wurden. Zwischen 2000 und 2007 gab Moody’s fast 45.000 mit Hypotheken verbundenen Wertpapieren die Bewertung AAA. Im Frühjahr 2010 hatten gerade einmal sechs US-amerikanische Privatfirmen diese begehrte Bewertung. 2006 vergab Moody’s den AAA-Stempel an jedem Arbeitstag dreißigmal an mit Hypotheken verbundene Wertpapiere. Die Resultate waren desaströs: 83% der Hypothekenpapiere die in jenem Jahr mit AAA-Bewertung versehen worden waren, wurden schließlich herabgestuft.
Sie werden mehr über die Vorgänge lesen, die zu den Pannen bei Moody’s führten: Über mangelhafte Computermodelle, Druck von Finanzfirmen, die für die Ratings zahlten, über den unerbittlichen Kampf um Marktanteile, über einen Mangel an Ressourcen für die anstehenden Aufgaben, trotz Rekordprofiten, und über den Mangel an sinnvoller öffentlicher Aufsicht. Sie werden sehen, daß ohne die aktive Teilnahme der Ratingagenturen der Markt für hypothekenbesicherte Wertpapiere nicht das hätte werden können, was er wurde.
Es gibt viele differierende Ansichten darüber, was die Ursachen dieser Krise waren. In dieser Beziehung hat sich die Kommission bemüht, wichtige Fragen zu beantworten, die ihr gestellt wurden. Hier diskutieren wir drei davon: Verfügbarkeit von Kapital und überschüssiger Liquidität, die Rolle von Fannie Mae und Freddie Mac, sowie die Wohnungspolitik der Regierung.
Erstens, was die Frage überschüssiger Liquidität angeht: In unserem Bericht skizzieren wir die Geldpolitik und Kapitalflüsse während der Jahre, die zur Krise führten. Niedrige Zinsen, weithin verfügbares Kapital und internationale Anleger, die ihr Geld in Immobilien in den USA anlegen wollten, waren Voraussetzungen für die Schaffung einer Kreditblase. Diese Bedingungen erzeugten erhöhte Risiken, die von Marktteilnehmern, Politikern und Behörden hätten erkannt werden müssen. Jedoch kommt die Kommission zu dem Schluß, daß überschüssige Liquidität nicht notwendigerweise eine Krise herbeiführen mußte. Die wesentlichen Ursachen dieser Krise waren die Fehler, die oben skizziert wurden - insbesondere das Versagen, die Exzesse an den Hypotheken- und Finanzmärkten effektiv in Schach zu halten. In der Tat stellt die Verfügbarkeit erschwinglichen Kapitals - inländischem wie ausländischem - eine Gelegenheit für wirtschaftliche Expansionen und Wachstum dar, wenn sie in produktive Kanäle fließen können.
Zweitens untersuchten wir die Rolle staatlich geförderter Unternehmen, wobei Fannie Mae der Kommission als Fallstudie in diesem Bereich dient. Diese Unternehmen hatten ein besonders mangelhaftes Geschäftsmodell, weil sie an der Börse gehandelte Aktiengesellschaften waren, die implizit die Regierung als Bürgen hatten, Subventionen erhielten und im öffentlichem Auftrag handelten. Ihr 5-Billionen-Dollar-Hypotheken-Engagement und ihre Marktpositionen waren beachtlich. 2005 und 2006, just als der Markt den Gipfel überschritt, beschlossen sie, ihre Erwerbungen aufzustocken und auch riskante Hypotheken zu garantieren. Jahrzehntelang nutzten sie ihre politische Macht, um sich gegen wirksame Regulierung und Überwachung zu wehren - so gaben sie zwischen 1999 und 2008 164 Millionen Dollar für Lobbyarbeit aus. Sie wiesen die gleichen Mängel bei Firmenpolitik und Risikobewertung auf, die die Kommission auch bei anderen Finanzinstituten aufdeckte. Bis zum dritten Quartal 2010 gab das US-Schatzamt 151 Milliarden Dollar an Finanzhilfen aus, um Fannie und Freddie über Wasser zu halten.
Wir kommen zu dem Schluß, daß diese beiden Unternehmen zur Krise beitrugen, aber keine primäre Ursache darstellten. Es ist wichtig, daß ihre hypothekenbesicherten Papiere im Verlauf der Krise im wesentlichen ihren Wert behielten und nicht zu den schwerwiegenden Verlusten der Finanzfirmen beitrugen, die im Zentrum Krise standen.
Die staatlichen Unternehmen beteiligten sich an der Verbreitung minderwertiger und anderer riskanter Hypotheken, aber bei diesem Goldrausch folgten sie mehr der Wall Street und anderen Kreditgebern, als ihnen voranzugehen. Sie erwarben hypothekenbesicherte Wertpapiere mit der höchsten Bewertung aus anderer Hand, und ihre Teilnahme an diesem Markt pumpte Helium in die Immobilienblase, aber ihre Käufe bildeten nie eine Mehrheit auf dem Markt. Ihre Käufe machten im Jahr 2001 10,5% der nicht-staatlichen zweitrangigen hypothekenbesicherten Wertpapiere aus; dieser Anteil stieg 2004 auf 40% und fiel 2008 auf 28%. Sie lockerten ihre Zeichnungsnormen, um riskantere Darlehen und damit zusammenhängende Wertpapiere aufzukaufen oder zu garantieren, um so die Wachstumserwartungen der Börsenanalysten und Investoren zu erfüllen, um Marktanteile zurückzugewinnen und um großzügige Boni für ihre Direktoren und Angestellten auszuzahlen, während sie ihre Aktivitäten mit der breiten und anhaltenden politischen Unterstützung für privaten Eigenheimbesitz rechtfertigten.
Die Kommission untersuchte auch die Wertentwicklung der Kredite, die von Fannie und Freddie gekauft oder garantiert wurden. Obwohl sie erhebliche Verluste einfuhren, war die Säumnisrate bei diesen von Fannie und Freddie gekauften Krediten wesentlich niedriger als bei Krediten, die von anderen Finanzinstituten versichert wurden. Zum Beispiel zeigen die Daten, die die Kommission von einem Teil der Kreditkunden mit ähnlicher Bonitätsbewertung - unter 660 Punkten - gesammelt hat, daß es für die Fannie- und Freddie-Hypotheken Ende 2008 weitaus weniger wahrscheinlich war, in Zahlungsrückstand zu geraten, als für nicht von ihnen versicherte Hypotheken: 6,2% im Vergleich zu 28,3%.
Wir studierten ausführlich, wie die Ziele für erschwingliches Wohnen des Ministeriums für Städtebau und Entwicklung die Investitionen Fannies und Freddies in riskante Hypotheken beeinflußten. Anhand von Belegen und Interviews mit Dutzenden Leuten aus diesem Bereich stellten wir fest, daß diese Ziele nur marginal zur Beteiligung Fannies und Freddies an diesen Hypotheken beigetragen haben.
Letztlich noch zu der Frage, ob die Wohnungsbaupolitik der Regierung ein Hauptgrund für die Krise war: Jahrzehntelang war es die Politik der Regierung, durch eine Reihe von Anreizen, Förderprogrammen und Verfügungen den Eigenheimbesitz zu fördern. Diese Maßnahmen wurden von mehreren Administrationen und Kongressen entwickelt und fortgesetzt - in der Tat gaben die Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush ehrgeizige Ziele vor, um den Eigenheimbesitz voranzubringen.
Bei unserer Untersuchung legten wir besonderes Augenmerk auf die schon oben erwähnten Ziele des Ministeriums für Städtebau und Entwicklung zur Schaffung erschwinglichen Wohnraums und auf den Community Reinvestment Act (CRA). Der CRA wurde 1977 beschlossen, um das „Redlining“ seitens der Banken zu bekämpfen - d.h. die Praxis, Individuen und Geschäften in bestimmten Wohngegenden ohne Rücksicht auf ihre Bonität Kredit zu verweigern. Der CRA verpflichtet Banken und Sparkassen, an diejenigen Kommunen zu verleihen, in sie zu investieren und ihnen Dienstleistungen anzubieten, von denen sie Geldeinlagen annehmen, soweit es in Übereinstimmung mit der Bankensicherheit und ehrlicher Geschäftspraxis bleibt.
Die Kommission kommt zu dem Schluß, daß der CRA kein entscheidender Faktor bei dem Verleihen zweitklassiger Kredite oder bei der Krise war. Viele Verleiher zweitklassiger Kredite unterlagen nicht dem CRA. Nachforschungen zeigen, daß nur 6% sogenannter high-cost-Kredite - stellvertretend für zweitklassige Kredite - überhaupt irgendeine Verbindung zu dem Gesetz hatten. Für Kredite, die von Kreditgebern unter der CRA-Gesetzgebung in den dafür vorgesehenen Wohngegenden verliehen wurden, war die Einstellung von Zahlungen nur halb so wahrscheinlich wie bei Krediten, die in denselben Nachbarschaften von unabhängigen Hypothekengebern vergeben wurden, die dem Gesetz nicht unterlagen.
Nichtsdestotrotz machen wir bezüglich der Wohnungspolitik der Regierung die folgende Beobachtung - sie hat in dieser Beziehung versagt: Als Nation haben wir uns in dem Bestreben, denjenigen Familien Kredit zu gewähren, denen der Zugang zu den Finanzmärkten bisher verweigert wurde, energische Ziele für Eigenheimbesitz gesetzt. Trotzdem hat es die Regierung nicht geschafft, sicherzustellen, daß die Philosophie der Möglichkeiten der Realität vor Ort entsprach. Sie werden abermals Zeuge des Versagens der Federal Reserve und anderer Aufsichtsbehörden werden, unverantwortliche Kreditvergaben zu zügeln. Der US-Eigenheimbesitz erreichte im Frühling 2004 seinen Höchststand und begann dann zu fallen. Von dem Punkt an stand das Gerede von „Möglichkeiten” in tragischem Konflikt mit der Realität eines finanziellen Desasters, daß sich schon anbahnte.
Als diese Kommission vor 18 Monaten ihre Arbeit aufnahm, dachte mancher, daß die Ereignisse von 2008 und ihre Folgen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts schon weit hinter uns liegen würden. Aber mehr als zwei Jahre, nachdem die Bundesregierung in beispielloser Manier in unsere Finanzmärkte eingegriffen hat, ringt unser Land noch immer mit den Nachwirkungen der Katastrophe. Unser Finanzsystem ist, verglichen mit dem Zeitpunkt unmittelbar vor Ausbruch der Krise, in vielerlei Hinsicht unverändert geblieben. In der Tat ist der amerikanische Finanzsektor infolge der Krise stärker denn je in den Händen einiger weniger großer, systemisch entscheidender Institutionen konzentriert.
Obwohl es nicht unser Auftrag war, politische Empfehlungen auszusprechen, ist der ganze Zweck unseres Berichts, eine Bestandsaufnahme der Ereignisse vorzunehmen, um einen neuen Kurs einschlagen zu können. Bei unserer Untersuchung sind wir auf den dramatischen Zusammenbruch der Unternehmensführung, auf tiefgreifende Fehler bei Aufsichtsbehörden und beinahe verheerende Schwachstellen in unserem Finanzsystem gestoßen. Wir stellten fest, daß eine Reihe von Entscheidungen und Handlungen zu einer Katastrophe führten, auf die wir schlecht vorbereitet waren. Das sind ernsthafte Angelegenheiten, die angegangen und gelöst werden müssen, um das Vertrauen in unsere Finanzmärkte wiederherzustellen, eine nächste Krise zu verhindern und ein Kapitalsystem aufzubauen, das als Basis für eine neue Ära allgemeinen Wohlstands dient.
Die größte Tragödie wäre es, wenn wir dem ewig wiederkehrenden Refrain glauben, wonach niemand die Krise hätte voraussehen oder etwas dagegen tun können. Wenn wir diese Sichtweise akzeptieren, wird es erneut passieren.
Dieser Bericht sollte nicht als das Ende der Untersuchung der Krise angesehen werden. Es gibt noch viel zu lernen, viel zu untersuchen und jede Menge in Ordnung zu bringen.
Das ist unsere kollektive Verantwortung. Wenn wir ein andere Richtung einschlagen wollen, so liegt es nun an uns, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen.