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Forschungssatelliten haben starke Veränderungen in der Ionosphäre kurz vor starken Erdbeben festgestellt. Aber anstatt diese Forschungen auszuweiten, werden die Mittel gekürzt.
Der französische Forschungssatellit DEMETER zeichnete wahrscheinlich Warnsignale vor dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7 am 12. Januar 2010 in Haiti auf. Dies stellte man bei einer späteren Analyse der Daten fest.
DEMETER ist ein französischer Forschungssatellit, der 2004 in eine Erdumlaufbahn geschickt wurde, um die Ionosphäre und den oberen Bereich der Atmosphäre in der Nähe von durch Erdbeben gefährdeten Zonen zu untersuchen. Der Satellit zeichnete nur Tage vor dem Erdbeben in Haiti signifikante Änderungen in der Ionosphäre auf. Trotzdem wurde der Satellit 2010 abgeschaltet - also gerade zu einer Zeit, in der diese Forschung verstärkt werden sollte, um den Prozeß, der vor einem Erdbeben innerhalb der Erdkruste vor sich geht, und die Auswirkungen dieser Vorgänge auf die obere Atmosphäre besser zu verstehen.
Wissenschaftler der griechischen Universität von Serres und der Democritus Universität von Thrakien publizierten letzten Dezember eine Abhandlung, in der sie darüber berichteten, daß DEMETER 30 Tage vor dem Erdbeben große Veränderungen des elektrischen Feldes der Erde, „einen signifikanten Anstieg von Energie", aufgezeichnet hatte. Die Forscher schreiben: „Diese Resultate weisen darauf hin, daß die Veränderung der Energie von ULF-magnetischen Wellen (ultra-low-frequency - ultra-Niederfrequenz - im Bereich von 0-20 Hertz) mit großen Veränderungen im Vorfeld von Erdbeben in Verbindung gebracht werden könnten.“ Theoretische Studien und Laborexperimente wiesen darauf hin, so die Forscher, daß die Veränderungen von Gesteinen unter Druck und Temperaturschwankungen in der tieferen Erdkruste ihre elektrischen Eigenschaften verändern und elektrische Ladungen erzeugen, die sich bis in die Atmosphäre fortpflanzen können. Diese Ladungen verändern die Ionosphäre und verursachen ultra-niederfrequente elektromagnetische Wellen.
Unabhängig davon, ob die Erklärung dieser Vorgänge zutrifft, stehe fest, daß der Satellit DEMETER über Haiti „einen signifikanten Anstieg der ULF-Energie-Wellen um bis zu 360%“ aufzeichnete, „in dem Zeitraum von einem Monat vor dem Erdbeben, verglichen mit der normalen Hintergrund-Energie.“ So zeigen diese Resultate „sehr gut auf, daß ULF-elektromagnetische-Wellen sehr nützlich dabei sein könnten, in der Ionosphäre mögliche Vorläufer seismischer Phänomene aufspüren.“
Das DEMETER-Projektteam berichtet auch über ähnliche Vorgänge im Vorfeld eines Erdbebens der Stärke 8, das 2009 Samoa erschütterte. Sieben Tage vor dem Erdbeben erfaßte der Satellit „eine Dichtezunahme und einen Temperaturabfall (der Ionosphäre), der ziemlich genau über dem Epizentrum des Bebens lokalisiert werden konnte.“
Das Projekt DEMETER resultierte aus einer Folge von Untersuchungen aus den neunziger Jahren, die erste Anzeichen dafür lieferten, daß vor großen Erdbeben die Veränderungen der Erdkruste die Ionosphäre (700 km) über der Erdoberfläche beeinflussen. Ein Artikel in der Tageszeitung Anchorage's Daily News in Alaska vom 24.1.2010 berichtete, Wissenschaftler gingen davon aus, daß die aus negativ geladenen Teilchen bestehende Ionosphäre vor einem Erdbeben auf die Erde heruntergezogen wird, während ein positiv geladener Ionenstrom von der Erde hochströmt.
DEMETER war nicht der einzige Versuch, mehr über diese Phänomene zu erfahren. Ein NASA-Satellit, der die Infrarotstrahlung der Erde mißt, brachte ähnliche Resultate. Vor heftigen Erdbeben sind starke Infrarotstrahlungen meßbar. Das Problem ist, daß die Forschung in diesen Bereichen generell erheblich unterfinanziert ist. Eine zentrale Rolle bei der Vergabe der Gelder kommt dem Geologischen Dienst der USA (USGS) zu. Dieser verfolgt ein ziemlich mechanisches Model von Erdbeben-Gefährdungs-Einschätzungen und behauptet, es gebe keine elektromagnetische Forschung, die Vorhersagen zur „Zufriedenheit der USGS und der seismologischen Experten“ geliefert hätte. Kritiker werfen dem USGS einen Interessenkonflikt vor, da dieser die Gelder seinem eigenen seismologischen Netzwerk zukommen lasse.
Forscher bei der NASA verfolgen eine andere Herangehensweise. Friedmann Freund vom Ames Research Center der NASA entwickelte dort ein seismo-elektromagnetisches Konzept, das als das umfassendste gilt. Er ist sich sicher, daß ein weiteres Vorgehen in diesem Bereich die Vorhersage von Erdbeben ermöglichen wird. „Es wird möglich sein, praktische Vorhersagen für Erdbeben ab einer Stärke von 7,0, vielleicht aber sogar schon ab einer Stärke von 6,0 zu machen“ sagt Freund. „Man wird zwar niemals den genauen Tag oder das genaue Epizentrum vorhersagen können, genausowenig wie man sagen kann, wo ein Blitz einschlägt. Aber man wird sagen können: ,Der Sturm kommt.’“
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