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Neue Solidarität
Nr. 10, 9. März 2011

Massenproteste weiten sich auf die ganzen USA aus

USA. Die Protestwelle in den Vereinigten Staaten gegen die brutale Sparpolitik auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung hat inzwischen das ganze Land erfaßt.

Während am 26. Februar die Proteste in der Hauptstadt des Staates Wisconsin schon den 12. Tag in Folge weiterliefen, gab es in allen 50 US-Staaten Kundgebungen für das Recht auf einen menschenwürdigen Lebensstandard, an denen sich Hunderttausende Amerikaner beteiligten. Die Bürger reagieren darauf, daß auf Bundesebene und in den Bundesstaaten ein beispielloser Angriff auf das soziale Netz, auf das Bildungs- und Gesundheitswesen und auf die gewerkschaftlichen Rechte stattfindet, während die Wallstreet und ausländische Banken mit Steuergeldern gestützt werden.

Der Aufruhr begann in Wisconsin, wo der erst im November gewählte, aber jetzt schon verhaßte republikanische Gouverneur Scott Walker ein Gesetz durchbringen will, das Tarifverträge für den öffentlichen Dienst praktisch abschafft und Hilfen für die Armen massiv kürzt. Nach Angaben des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO versammelten sich am 26. Februar mehr als 100.000 Menschen in der Landeshauptstadt Madison und weitere 25.000 im nahegelegenen Bundesstaat Indiana. Ähnlich wie zuvor in Wisconsin verließen dort die demokratischen Abgeordneten den Landtag aus Protest gegen geplante Gesetze zur Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung. Sie wollen erst wiederkommen, wenn die drei arbeitnehmerfeindlichen Gesetzentwürfe vom Tisch sind.

Am gleichen Tag demonstrierten auch in Trenton (New Jersey) 3000 Menschen gegen den Sparhaushalt von Gouverneur Chris Christie, der Präsident Obama wegen dessen Kritik an den öffentlichen Bediensteten gelobt hat. In Olympia (Bundesstaat Washington) kamen 3500, in Washington D.C., New York City und Albany (New York) jeweils 1000 Menschen zusammen. In den jetzt entindustrialisierten Bundesstaaten Ohio, Iowa und Michigan wurde die ganze Woche über mobilisiert.

In Madison hat Gouverneur Walker mehrmals gedroht, die Demonstranten gewaltsam aus dem Landtagsgebäude entfernen zu lassen. Um dies zu verhindern, reisten Polizisten und Feuerwehrleute aus dem ganzen Bundesstaat an und schlossen sich den Demonstranten an, die rund um die Uhr vor Ort sind. Bezeichnend für die Stimmung in der Bevölkerung: Gouverneur Walker wurde aus einem Restaurant herausgeworfen, weil die anderen Gäste sich beschwerten und kein Kellner bereit war, ihn zu bedienen. Unter Buhrufen mußte er die Gaststube verlassen.

Das öffentliche Schulwesen, das von den Bundesstaaten finanziert wird, leidet massiv unter Kürzungen. In Detroit (Michigan) wurde entschieden, die Hälfte (!) aller Schulen zu schließen und die Klassengrößen auf bis zu 60 Schüler zu erhöhen, um das Defizit abzubauen. In Providence (Rhode Island) kündigte der Schulausschuß an, vorsorglich alle Lehrer zu entlassen, um einen Teil davon dann „flexibel”, also billiger und ohne gewerkschaftlichen Schutz, wieder einzustellen.

Am 23. Februar veranstalteten Bürgermeister beider Parteien in Washington eine Pressekonferenz gegen die Kürzungen, die das Repräsentantenhaus vor kurzem verabschiedet hatte. Sie verurteilten die Sparpläne als „unamerikanisch”, „unerhört” und „inakzeptabel”. Sie drohten an, Mitte März einen Marsch auf Washington anzuführen.

Das Dilemma ist in allen Bundesstaaten das gleiche: Der Absturz der Realwirtschaft und der steile Anstieg der Arbeitslosigkeit führen zu entsprechenden Einbrüchen bei den Einnahmen und einem Anstieg der Sozialkosten, zusätzlich zu den Folgen des Platzens der verschiedenen Finanzblasen in den letzten Jahren. Angebliches „Anspruchsdenken” von Staatsbediensteten für diese Krise verantwortlich zu machen, ist grotesk.

Die Bundesstaaten dürfen laut Gesetz keinen Kredit schöpfen. Nur die Bundesregierung könnte ihnen Kredite geben, aber Präsident Obama verweigert das und fordert statt dessen Einsparungen. Am Aktionstag, dem 26. Februar, forderte er in einer Radiosendung mehr Opfer von der Bevölkerung, um das Defizit abzubauen. Über den Kampf um den Erhalt des Lebensstandards in Wisconsin und anderswo verlor er kein Wort.

Peinlicherweise zirkulieren jetzt im Internet seine markigen Erklärungen von 2007, als er ankündigte, sich selbst „bequeme Schuhe” anzuziehen und mitzudemonstrieren, wenn die Rechte der Arbeitnehmer angegriffen würden und er als Präsident im Weißen Haus säße. Kommentare fordern ihn auf, sich daran zu erinnern - jetzt sei „walkin’ time”. Für den Fall, daß Obama die Botschaft immer noch nicht versteht, landen mittlerweile schon ganze Schuhladungen im Weißen Haus. Und das hat bekanntermaßen nicht nur in der arabischen Welt auch noch eine weiterreichende Bedeutung.

sas