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Neue Solidarität
Nr. 1, 5. Januar 2011

Griechisch-orthodoxe Kirche: „Griechenland von EU und IWF besetzt“

Die griechisch-orthodoxe Kirche wirft Griechenlands „herrschender Klasse“ vor, das Land seinen Gläubigern, dem IWF und der EU ausgeliefert zu haben. Diese Anklage wurde in Form eines Flugblatts, in dem der Mangel an Führung und Moral attackiert wird, am Sonntag, den 19. Dezember, an allen Kirchen des Landes verteilt. Als Folge dieses Mangels sei Griechenland durch die Krise zu einem „besetzten“ Land geworden. Es führe nur noch die Befehle seiner Gläubiger IWF und EU aus und scheine „seine Unabhängigkeit verloren zu haben“.

Schroff kritisierte der Heilige Synod (das höchste Gremium der Kirche) die „herrschende Klasse“ des Landes, eine Formulierung, die sich sowohl gegen die ehemalige Mitte-Rechts-Regierung als auch gegen die gegenwärtige Regierung unter Ministerpräsident George Papandreou richtet. Die Bischöfe machen die politische Führung, nicht den Staat für die gegenwärtige Krise verantwortlich. Die politische Führung sei nicht zur Modernisierung in der Lage gewesen, sondern war nur an der Macht interessiert, sie „war nicht in der Lage, die Sprache der Wahrheit zu sprechen“. Sie habe sich in ein ausführendes Organ der Gläubiger verwandelt, indem sie „radikale Veränderungen“ durchsetzte, „die vor kurzem Griechenland noch empört hätten und die andererseits so gut wie keine Reaktion hervorgerufen haben“.

Diese Situation, stellt der Synod fest, gefährdet die Interessen des Landes und seiner Menschen und bringt sie unter die Herrschaft der Gläubiger. Der Synod weist darauf hin, daß laut Aussage vieler Wirtschaftswissenschaftler die globale Krise „eine künstliche Krise ist, die dazu dient, die ganze Welt der Kontrolle durch nicht-philantropische Kräfte zu unterwerfen“.

Die Kirche prangert die moralische Verarmung der Gesellschaft an, die, nur an schnellem Reichtum und Wohlsein interessiert, unverantwortlich gelebt und sich von der Wahrheit entfernt habe. So trage sie „durch selbstsüchtiges Verlangen, das von den verschiedenen beteiligten Bereichen nicht kontrolliert wird, zu der gegenwärtigen Krise bei“. Die Bischöfe schließen mit der Aufforderung an die Menschen, die Krise zu ihrem Vorteil zu nutzen und „Stärke und Liebe“ wiederzuentdecken, die in den „schwierigsten Augenblicken“ gebraucht würden, während sie den Bedürftigen ihre Solidarität anbieten, um sich zusammen und mit der Kirche aus dieser Lage zu befreien.

Die Stellungnahme der Kirche kommt zu einem Zeitpunkt, an dem in ganz Griechenland die Furcht weitverbreitet ist, daß das sozioökonomische und politische System vor dem Zusammenbruch steht. Die politische Lage auf den Straßen und in der regierenden PASOK-Partei ist so unsicher, daß es schon zum Jahresanfang zu Wahlen kommen könnte. In der Woche vor Weihnachten brachte Ministerpräsident Papandreou den brutalen Haushalt für das Jahr 2011 durch das Parlament, der eine Senkung des Lebensstandards um 20% vorsieht, während gleichzeitig ein Streik der Transportarbeiter den Verkehr in Athen völlig lahmlegte und es zu Aufruhr in der Athener Innenstadt kam.

Seine eigene Partei fängt an zu zerbrechen. Papandreou hat bereits vier Mitglieder der PASOK, die ihm die Unterstützung bei Abstimmungen verweigert hatten, aus der Parlamentsfraktion geworfen. Dadurch ist seine Parlamentsmehrheit geschrumpft. Obwohl es bei der letzten Abstimmung keine weiteren Abweichler gab, sah er sich gezwungen, die Entscheidung über von der EU geforderte „Reformen“, die drakonische Veränderungen für mehr als 70 Berufe brächten, zu verschieben. Mit zu den Regierungskritikern gehörte Vasso Papandreou (kein Verwandter des Ministerpräsidenten), Gründungsmitglied der PASOK und ehemaliger EU-Kommissar. Laut der PASOK-nahen Tageszeitung Ta Nea sind die Spannungen innerhalb der Partei mittlerweile so groß, daß Kabinettsmitglieder sich untereinander nicht mehr grüßen.

eir