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Neue Solidarität
Nr. 7, 17. Februar 2010

Euro-System am Rande des Zusammenbruchs
Soll Deutschland für alles bezahlen?

Von Helga Zepp-LaRouche

Der EU-Sondergipfel wiederholt die Fehler der Brüningschen Sparpolitik, wie die Forderungen gegenüber Griechenland zeigen. Praktisch soll der Europäische Rat zu einer „Europäischen Wirtschaftsregierung“ und damit zu genau dem Monster umgewandelt werden, vor dem wir vor der Unterzeichnung des Lissaboner Vertrags gewarnt haben.

Der EU-Gipfel in Brüssel am 11. Februar hat absolut nichts getan, um den sich abzeichnenden Zusammenbruch des Euro-Systems abzuwenden. Die Forderung, daß Griechenland seinen Haushalt 2010 um 4% kürzen soll, wiederholt die Fehler der Sparpolitik Brünings und wird sich angesichts des massiven Widerstands sowieso nicht verwirklichen lassen. Die Frage, wer für die Refinanzierung der griechischen Schulden aufkommen soll (der deutsche Steuerzahler natürlich), wurde wegen der Explosivität der Frage erst einmal vertagt. Unverhohlen war dagegen die Ankündigung des EU-Ratspräsidenten van Rompuy, daß ab sofort der Europäische Rat für die Wirtschaftspolitik, für Haushaltspläne, strukturelle Reformpläne und Maßnahmen bezüglich des Klimawandels(!) zuständig sein soll.

Auch wenn der Begriff „Europäische Wirtschaftsregierung“ vermieden wurde, so beabsichtigt der Europäische Rat doch, genau als eine solche aufzutreten, d.h. nicht nur Griechenland, sondern alle Mitgliedsländer als Protektorat zu behandeln und damit das ganze unselige Arsenal von Maastricht-Kriterien, Stabilitätspakt und Schuldenbremse diktatorisch einzusetzen. Damit hat sich die EU des Lissaboner Vertrages genau zu dem Monster gemausert, vor dem wir vor seiner Unterzeichnung gewarnt haben: einem oligarchischen Imperium, in dem der letzte Rest an Souveränität der Nationalstaaten verschwindet.

Bezeichnenderweise äußerte sich Alberto Giovannini, jener EU-Berater, der die Gruppe geleitet hatte, die den technischen Übergang von nationalen Währungen zum Euro ausgearbeitet hatte, am Vortag in der italienischen Tageszeitung Il Sole 24 Ore mit den folgenden ungeheuerlichen Worten: „Die Geschichte lehrt uns, daß Imperien stets größere Effizienz und Prosperität erreichen; bei einer ausgedehnten Geographie ist das imperiale Modell erfolgreicher.“

Wenn es nicht gelingt, diese Politik dramatisch zu ändern, wird das gesamte europäische System zusammenbrechen. Denn angesichts der enormen Defizite fast aller Mitgliedsstaaten bliebe nur noch der deutsche Steuerzahler als großer Zahlmeister übrig. Dabei stellt die übermäßige Konzentration auf Griechenland schon selber wieder eine Täuschung dar, denn die griechischen Schulden an die diversen europäischen Banken sind ein vergleichsweise kleines Problem. Das weitaus dramatischere Problem ist die Verschuldung Spaniens, dessen Banken faule Hypothekenkredite mittels Verbriefung in ganz Europa verbreitet haben.

Spanische Banken erhielten allein im Dezember 2007 63 Mrd. Euro durch die Repo Facility der EZB und zwischen Mitte 2008 und Ende 2009 weitere 27,7 Mrd. an frischem Geld, für das sie weitgehend toxische Immobilientitel als Sicherheiten hinterlegten, d.h. „Wertpapiere“ eines Marktes, der nach den Worten des Präsidenten der spanischen Hypothekengesellschaft, Santos Gonzales, de facto bankrott ist. Die Banco Santander, die personell und geschäftsmäßig eng mit der Royal Bank of Scotland verbunden ist, sitzt auf gigantischen Blasen wie der „bolha Brasil“, der brasilianischen Blase. Mit dem brasilianischen „carry trade“, bei dem Investoren Geld zu fast 0% in Europa, USA oder Japan aufnehmen und dann mit 8,75% Zinsen in Brasilien investieren, konnten Spekulanten bei einer Aufwertung des Real um 27% im Jahre 2009 einen Gewinn von 35,75% einsacken. Doch diese Blase ist ebenso solide wie ähnliche Gewinne, die Santander bei Geschäften in Großbritannien gemacht hat.

Weiterzocken wie bisher

In Wirklichkeit geht es bei den drohenden Staatspleiten von Griechenland, Spanien, Portugal, Irland, Italien, Türkei, Dubai, Großbritannien und den USA, um nur einige zu nennen, um das gleiche, wie wir es bereits bei den gigantischen Billionen-Rettungspaketen für die Banken in den USA und Europa gesehen haben – d.h. um die Banken selbst und ihre fortgesetzte Zockerei, für die sie dann von den Regierungen mit neuen Steuergeldern belohnt werden sollen. Wenn diese Politik fortgesetzt wird, würde die Folge sehr bald eine dramatische Geldentwertung sein.

Dies ist offensichtlich auch dem FAZ-Herausgeber Holger Steltzner aufgefallen. In einem aufgeschreckten Leitkommentar schrieb er am Tag des EU-Gipfels: „Im Klartext heißt das: Deutschland soll für die Schulden Griechenlands einstehen. Aber so hat man den Deutschen den Euro nicht verkauft. Vor dem Abschied von der Deutschen Mark wurde feierlich der Maastrichter Vertrag unterzeichnet, der ausdrücklich verbietet, daß ein Mitglied der Währungsunion für die Schulden eines anderen haftet. Wenn dieses zentrale Gebot finanzpolitischer Stabilität nicht mehr gilt, dann sind der Maastrichter Vertrag, der Stabilitäts- und Wachstumspakt und auch die Schuldengrenze im Grundgesetz das Papier nicht wert, auf dem die Stabilität gelobt wird. Dann werden sich die Deutschen die Mark zurückwünschen.“ Auf dem Spiel stünden der Fortbestand der Europäischen Währungsunion und die Stabilität der gemeinsamen Währung, es drohe die Entwertung des Geldes und der Renten der Bürger - starke Worte für eine Zeitung, die mit dem neoliberalen Paradigma verheiratet zu sein schien.

In der Tat werden die europäischen Nationen nur überleben, wenn sie die Souveränität über ihre eigene Währung und Wirtschaftspolitik wiedererlangen. Und sie werden auch nur überleben, wenn die Hochrisiko-Spekulation, die die G20-Regierungen seit dem Ausbruch der Krise vor 27 Monaten immer wieder abgesegnet haben, ein für allemal durch die Wiedereinführung des amerikanischen Glass-Steagall-Standards beendet wird, bei dem die Tätigkeiten von Geschäfts- und Investmentbanken strikt getrennt und wertloser Giftmüll gestrichen wird.

Wir werden sehen, wie das Karlsruher Verfassungsgericht, das im Juni 2009 ausdrücklich geurteilt hatte, daß die EU kein Bundesstaat sei, und die Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten sowie deren eigene Kontrollkompetenz bekräftigt hatte, auf den jüngsten EU-Gipfel reagiert. In dem sogenannten „Maastricht-Urteil“ vom Oktober 1993 hatte Karlsruhe jedenfalls jeder deutschen Regierung das Recht zugesprochen, die Währungsunion zu verlassen, falls sich die Stabilität des Euro als Trugschluß herausstellen und hinter dem Währungsstandard der D-Mark zurückbleiben sollte.

In dieser hochdramatischen und hochgefährlichen Situation ist es unerläßlich, daß mit Mythologien aufgeräumt und die Wahrheit wiederhergestellt wird. Ein solcher Mythos ist es, daß Banken einen „systemischen“ Charakter hätten und sie deshalb immer wieder vom Steuerzahler „gerettet“ werden müßten. Wenn etwas systemischen Charakter hat, dann ist es die Realwirtschaft, das Allgemeinwohl und das Leben der Bürger.

Eine andere dieser Mythologien, die sog. menschengemachte Klimaerwärmung, ist soeben unter Bergen gefälschter Emails, den nichtgeschmolzenen Himalaja-Gletschern und großen Mengen realen Schnees untergegangen, die St. Petrus dankenswerterweise und sehr demonstrativ auf die nördliche Halbkugel hat rieseln lassen.

Es bleibt nicht viel Zeit zu handeln.