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Neue Solidarität
Nr. 46, 17. November 2010

Fünf Sekunden vor zwölf für die Zivilisation!

Ein Aufruf zum Widerstand gegen den „fiskalischen“ Faschismus automatischer Kürzungen
bei den öffentlichen Haushalten und Sozialausgaben

Von Helga Zepp-LaRouche

Nach dem erwartungsgemäßen Scheitern des G-20-Gipfels in Seoul, bei dem die Staatschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer es erneut nicht vermochten, die superdringende Reorganisation des bankrotten Finanzsystems vorzunehmen, befindet sich die gesamte menschliche Zivilisation in der unmittelbaren Gefahr einer eskalierenden Zusammenbruchskrise. Eine von der Fed und den anderen Zentralbanken ausgehende Hyperinflation, ein sich abzeichnender Kollaps des Euros und die Gefahr eines „fiskalischen“ Faschismus - brutale automatische Kürzungen bei den öffentlichen Haushalten und Sozialausgaben - in den USA und Europa sind die herausragenden Elemente dieser Situation.

Wir sind mit der baldigen Desintegration des gesamten Weltfinanzsystems mit katastrophalen Konsequenzen für die Weltwirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung konfrontiert. Angesichts dieser Gefahr einer in der Geschichte beispiellosen Perspektive kann man das Nichthandeln der Regierungen und die Kluft zu dem Wissen der Bevölkerung über das Ausmaß der Krise eigentlich nur vom Standpunkt einer klassischen Tragödie betrachten. Es zeichnet sich das Bild einer Zivilisation, wie Friedrich Schiller sie in seinen ästhetischen Briefen beschreibt: Die führenden Institutionen sind vom Utilitarismus, vom Nützlichkeitsdenken, von der reinen Profitmaximierung dominiert, der Charakter der sogenannten Eliten, die nur den Tanz auf der Titanic so lange wie möglich genießen wollen, ist dekadent und verkommen, die Masse der Bevölkerung ist in einem Zustand der bewußt inszenierten Ahnungslosigkeit über die wahre Lage und merkt nur irgendwie, daß sie die Dummen sein sollen.

Es gibt keine einfachen Lösungen mehr, die Optionen wurden eine nach der anderen verspielt. Nur relativ wenige selbstdenkende Individuen sind bereit, die sich mehrenden Anzeichen des Zusammenbruchs richtig zu deuten - sei es die Politik des Gelddruckens der Fed, die Strangulierung der Finanzen der Gemeinden durch aberwitzige Richtlinien und Steuerausfälle, der Ausbruch von Cholera und Typhus in Haiti oder Tschad, oder der unsägliche Zustand der sogenannten Jugendkultur, in der Zehnjährige sich harte Pornos per Handy zusenden und Drogenkonsum bei erschreckend vielen Jugendlichen das kognitive Potential für immer auslöscht. Wer nicht erkennt, daß dies verschiedene Symptome einer untergehenden Gesellschaft sind, dem fehlt es an Vorstellungsvermögen, oder er ist moralisch bereits abgestorben.

In den USA drohen nach dem Erdrutsch-Verlust der Obama-Demokraten bei den Zwischenwahlen zwei prinzipielle Ungeheuerlichkeiten: Die Zentralbank Fed hat nicht nur weitere 600 Milliarden Dollar ins System gepumpt, sondern gibt Banken wegen der chaotischen Lage auf dem Hypothekenmarkt zu null Zinsen unbegrenzt Kredite, und hat damit die Schleusen zur Hyperinflation wie in Deutschland 1923 geöffnet, die sich jetzt in der Form der Spekulation in Rohstoffen, Agrarrohstoffen und Märkten in den Schwellenländern weltweit ausbreitet.

Und zweitens wollen Obama und die neugewählten Tea-Party-Republikaner wie Rand Paul brutalste Kürzungen vornehmen. Festgelegte Regeln sollen automatisch alles kürzen; Rentenansprüche, Gesundheitskosten, Sozialausgaben aller Art. Aber die Vorstellung, unter Bedingungen einer hyperinflationären Explosion einen ausgeglichenen Haushalt zu erzwingen, ist der helle Wahnsinn!

Die Kombination von Bernanke, Obama und Rand Paul bedeutet den Untergang der USA!

Rechtzeitig zum G-20-Gipfel setzte sich die irische Staatsschuldenkrise wieder dramatisch auf die Tagesordnung, die genauso wenig wie die drohenden Staatspleiten von Griechenland, Portugal, Spanien und Italien keineswegs nur Krise eines Landes ist, sondern auch die drohende Insolvenz der Banken in Deutschland, Frankreich und Großbritannien bedeutet.

In Italien hat jetzt der Chef des privaten Einlagensicherungsfonds FITD, Paolo Savona, Italien aufgefordert, seine Mitgliedschaft im Euro-System zu überdenken, das sich zu einer Schlinge entwickelt habe, die Italien den Hals zuziehe. In Europa sei eine Regierungsform auf der Basis von Regeln eingeführt worden - dem berühmten Stabilitätspakt des Maastrichter Vertrages zur Kontrolle von Schulden und Haushaltsdefiziten. Dieser Mechanismus sei allerdings gescheitert, und jetzt versuchten die Regierungen eine Regierungsform einzurichten, bei der es darum ginge, die Regeln zu umgehen. Italien stehe deshalb vor einer historischen Entscheidung, entweder in der Währungsunion zu bleiben, in der sich die europäische Schlinge um den Hals Italiens zuziehe, ,,oder die Eurozone zu verlassen und nach einer vorübergehenden Anpassung die Souveränität über seine ökonomischen Entscheidungen und globalen Partnerschaften wiederzuerlangen.“ Savona rief zu einer nationalen Debatte über diese Frage auf. Hinter den Kulissen ist ebenfalls eine heftige Debatte über den kurz bevorstehenden Austritt Irlands und Portugals aus der Eurozone entbrannt.

Daß Barroso sofort EU-Hilfe für Irland versprach, zeigt, daß er sich der Fragilität der Lage in der Euro-Zone bewußt ist. Wenn Irland (und dann Portugal, Spanien, Italien und wieder Griechenland, etc.) den in Luxemburg ansässigen European Financial Stability Fund in Anspruch nehmen müssen, fallen diese Länder als Garantoren und Kapitalgeber natürlich aus, und die Bürde für den deutschen Steuerzahler wächst dementsprechend. Da sich die deutsche Regierung über die Folgen dieser Politik im Klaren ist - auch für die Umfrageergebnisse für die schwarzgelbe Koalition -, brachte Bundeskanzlerin Merkel zusammen mit Sarkozy einen Vorschlag zur Änderung des Lissabonner Vertrages ins Spiel, der u.a. eine „kontrollierte Restrukturierung“ der Staats- und Bankenschulden vorsieht. EZB-Chef Trichet schloß seinerseits einen solchen „haircut“, d.h. die teilweise Abschreibung der Schulden, kategorisch aus und beharrt statt dessen darauf, daß die ganze Last durch brutale Kürzungen auf den Lebensstandard der Bevölkerung abgewälzt werden soll.

Diese Kombination von Gelddrucken für die kontinuierliche Refinanzierung eines schon lange insolventen Systems bei gleichzeitiger massiver Sparpolitik bedeutet die schlechteste aller Welten, sie ist eine Fortsetzung der Umverteilung von Arm zu Reich, sie zerstört weiter produktive Kapazitäten und setzt eine weltweite Hyperinflation in Gang, bei der alles zerstört wird. Der führende chinesische Ökonom Zhang Yansheng, Leiter des Instituts für internationale Wirtschaftsforschung der Entwicklungs- und Reformkommission, sprach von der billigen Liquidität, die von der Fed in das globale System gepumpt werde, als einem großen Feuerball, der auf China zurolle und zu platzen drohe. In der Tat droht eine Hyperinflation wie in Deutschland 1923, nur diesmal nicht beschränkt auf ein Land, sondern für den ganzen Planeten.

Der Euro war von Anfang an eine Fehlkonstruktion, die Deutschland von Thatcher, Mitterand und Bush Sr. als Preis für die Wiedervereinigung aufgezwungen wurde und mit der Deutschland in das Korsett des Maastrichter Vertrages eingeschnürt werden sollte. Wenn mit dem Ausscheiden von Portugal, Irland, Griechenland, vielleicht auch Spanien und Italien, die es sich einfach nicht mehr leisten können, in der Eurozone zu bleiben und immer höhere Zinsen für immer mehr Schulden zu zahlen, das Ende des Euros deutlich wird, so ist dies eine positive Entwicklung. Denn nur wenn Deutschland und die anderen europäischen Nationen ihre Souveränität über die eigene Währung und Kreditschöpfung wiedererlangen, kann es einen Ausweg aus dieser Krise geben.

Mit fünf gescheiterten G-20-Gipfeln seit dem Ausbruch der Krise Ende Juli 2007 ist nun zweifelsfrei erwiesen, daß diese selbsternannte Kombination von Staaten nicht fähig oder willens ist, die nötigen Korrekturen vorzunehmen. Der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche - der einzige, der diese Bezeichnung aufgrund seiner stets richtigen Prognosen verdient - hat seit langem darauf hingewiesen, daß nur die Kombination eines sich auf seine Roosevelt-Tradition besinnenden Amerika, sowie Rußland, China und Indien stark genug sei, sich gegen die Finanzoligarchie durchzusetzen. Einer solchen Vier-Mächte-Allianz müssen sich dann souveräne Staaten wie Deutschland, Frankreich, Italien und andere anschließen.

Diese Kombination souveräner Staaten muß sofort ein globales Trennbankensystem durchsetzen, bei dem der Giftmüll verzockter Spekulationen abgeschrieben und nationale Kreditschöpfung für die Finanzierung der Realwirtschaft in Gang gesetzt wird.

Wir müssen dann weltweit das gleiche tun, womit Roosevelt in den Dreißiger Jahren die USA aus der Depression geführt hat: Durch eine Reihe von großen Infrastrukturprojekten müssen wir die Rahmenbedingungen für einen Aufschwung der physischen Ökonomie schaffen. Die meisten dieser Projekte, wie NAWAPA (ein riesiges Wassermanagementprojekt für Kanada, USA und Mexiko), der Bau des Beringstraßen-Tunnels zwischen Alaska und Sibirien, der Ausbau der Eurasischen Landbrücke oder das Transaqua-Projekt für die Auffüllung des Tschad-Sees und die Bewässerung der Sahelzone, liegen seit langem schlüsselfertig in den Schubladen der Ingenieurbüros.

Deutschland hat mit seinem immer noch einzigartigen Mittelstand die ökonomischen und technologischen Kapazitäten, um bei vielen dieser Projekte direkt oder indirekt mitzuarbeiten. Nur so können wir wieder zur produktiven Vollbeschäftigung kommen, das Steueraufkommen erwirtschaften, mit dem wir uns adäquate Gesundheits- und Rentensysteme, öffentliche Schwimmbäder und Bibliotheken und ähnliches leisten können. Und nur durch die Beteiligung an einem globalen Rekonstruktionsprogramm können wir die für Deutschland so wichtige langfristige Rohstoff- und Energiesicherheit erreichen.

Über diese reale Alternative zur gegenwärtigen Politik brauchen wir eine nationale Debatte.

Der sich so klar vor uns abzeichnenden Tragödie können wir nur entkommen, wenn wir die Axiome und Werte unserer Gesellschaft und täglichen Praxis grundlegend verändern. Wir brauchen Widerstand gegen den fiskalischen Faschismus und eine internationale Allianz für Entwicklung und Wiederaufbau. Schließen Sie sich uns an!

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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