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Neue Solidarität
Nr. 40-41, 6. Oktober 2010

Eine gemeinsame Mission für die ganze Menschheit

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität hielt die folgende Rede per Telefonschaltung auf der Viermächtekonferenz des Kongreßwahlkomitees von Summer Shields am 18. September in San Francisco.

Ich möchte Ihnen zu Ihrer Konferenz über das NAWAPA-Projekt und die Viermächteallianz für den Wiederaufbau der Weltwirtschaft meine Grüße aus Deutschland übermitteln.

Wir mobilisieren jetzt hier in Europa - in Deutschland, aber auch in Frankreich, Italien, den skandinavischen Ländern - dafür, daß unsere souveränen Länder sich dieser Perspektive eines Wiederaufbaus der Weltwirtschaft anschließen. Dies ist im eigenen Interesse all unserer Länder. Wenn Sie beispielsweise Deutschland und auch die anderen Länder betrachten: Sie unterstehen jetzt dem Austeritätsregime des Lissabonner Vertrages der EU und haben deshalb keine Perspektive für eine Erholung. Sie haben vielleicht Berichte über einen angeblichen „Aufschwung“ in Deutschland gehört, vielleicht sogar von einem neuen „Wirtschaftswunder“, aber das ist im Grunde absurd, weil es sich nicht auf die Realwirtschaft bezieht; und die Exportoffensive, die Deutschland kürzlich im zweiten Quartal hatte, wird nur von sehr kurzer Dauer sein, weil die Mehrheit der Exporte in andere Länder in der Europäischen Union geht und die Eurozone vor der Auflösung steht!

Denn in Griechenland ist die Verschuldung unhaltbar; Italien wird schon das nächste Griechenland genannt, was Verschuldung und möglichen Staatsbankrott angeht; das Problem für Spanien ist um mehrere Größenordnungen umfangreicher als das Griechenlands; die Lage in Portugal und Irland ist ebenso unhaltbar. Wir brauchen also eine andere Perspektive.

Denn die große historische Chance von 1989 mit der deutschen Wiedervereinigung, eine wirkliche Friedensordnung für das 21. Jahrhundert zu schaffen, wie wir es damals mit der Eurasischen Landbrücke zur Entwicklung des eurasischen Kontinents vorschlugen, wurde nicht ergriffen, sondern Margaret Thatcher, François Mitterrand und George Bush sen. zwangen Deutschland damals, die D-Mark aufzugeben, sie setzten den Maastrichter Vertrag durch, und das Resultat davon ist der gegenwärtige Kollaps.

Wir schlugen dagegen schon 1989 die Alternative vor, die Eurasische Landbrücke aufzubauen; das war die Idee, die Bevölkerungs- und Industriezentren Europas mit denen Asiens durch sogenannte „Entwicklungskorridore” zu verbinden.

In den letzten 20 Jahren hat die LaRouche-Bewegung weltweit wohl Hunderte von Konferenzen und Seminaren veranstaltet und für all diese Projekte organisiert, und diese befinden sich jetzt erfreulicherweise in Asien in verschiedenen Stadien der Realisierung - in Rußland, in China, in Indien, in Südkorea und in Südostasien.

Leider wurde diese Perspektive in den Vereinigten Staaten und in Europa nicht aufgegriffen, und deshalb befindet sich die transatlantische Region der Welt heute in der Zusammenbruchskrise, die Sie selbst schmerzlich erfahren.

NAWAPA wird entscheidend sein

Ich möchte Ihnen dies aus Europa sagen: Wegen der Zwangsjacke des Lissabonner Vertrags der Europäischen Union glaube ich gegenwärtig nicht - so sehr ich auch deutscher Patriot bin und mein Land liebe -, daß aus Europa eine Initiative zur Veränderung der Weltlage kommen wird. Aber wenn es Ihnen gelingt, die Amerikaner dafür zu mobilisieren, das NAWAPA-Programm umzusetzen, dann wird das der Schlüssel dazu sein, die Weltkrise zu lösen. Denn wenn Sie anfangen, NAWAPA zu bauen, hat das eine Signalwirkung für ähnliche Projekte auf der ganzen Welt.

So haben beispielsweise kürzlich die Präsidenten Medwedjew [Rußland] und Nasarbajew [Kasachstan] bei einem Treffen schon gesagt, man könne die Umleitung der sibirischen Flüsse Ob und Irtysch in den Aralsee wieder auf die Tagesordnung setzen. Ähnlich mobilisieren wir dafür, das Transaqua-Projekt auf die Tagesordnung zu bringen, d.h. Wasser vom Zaire bzw. Kongo zur Bewässerung und zum Wiederauffüllen des Tschadsees zu benutzen.

Lassen Sie mich nur ein paar Worte über die enorme Bedeutung des Wassers sagen: 46% der Menschen auf der Erde haben gegenwärtig kein fließendes Wasser in ihren Wohnungen. Bei einer wachsenden Bevölkerung wird das bald eine noch größere Ursache für Konflikte und sogar Kriege werden, als es jetzt schon ist. Jeden Tag sterben 4000 Kinder wegen mangelnder Hygiene, und das liegt hauptsächlich am Wassermangel. Etwa 1,2 Mrd. Menschen haben überhaupt keinen Zugang zu sauberem Wasser, nicht einmal in größerer Entfernung.

Der ausreichende Zugang zu sauberem, frischem Wasser ist offensichtlich ein Grundrecht. Wenn in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom “Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach Glückseligkeit“ die Rede ist, kann man davon ausgehen, daß Wasser dazugehört. Deshalb habe ich, als wir das Schiller-Institut gründeten, die Unabhängigkeitserklärung genommen und nur vielleicht sechs oder sieben Wörter verändert, damit sie auf jeden Menschen auf diesem Planeten anwendbar ist. Denn diese in der Unabhängigkeitserklärung genannten Rechte sollten eigentlich die Grundlage der Lebensbedingungen für jeden Menschen auf der Erde sein.

Friedrich Schiller, nach dem das Schiller-Institut benannt ist, könnte auch der „Dichter der Amerikanischen Revolution“ heißen, nicht nur weil er zu jener Zeit gelebt hat, sondern weil er das schönste Menschenbild entwickelt hat, das auch in der folgenden Zeit eine Inspiration für viele Amerikaner war. Damals, 1789, war Schiller davon überzeugt, daß das Zeitalter der Vernunft anbrechen würde, und sein großes Interesse an der Amerikanischen Revolution war ein ganz wesentliches Element dieser Überzeugung.

Leider setzte sich mit der Amerikanischen Revolution nicht das Zeitalter der Vernunft durch, und auch nicht mit der klassischen Periode, für die Friedrich Schiller das beste Beispiel war. Statt dessen kamen der Jakobinerterror, Napoleon, der Wiener Kongreß, der Europa in eine Periode der Restauration führte; später kam das 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen.

Ich habe eine zeitlang gedacht, Schiller habe vielleicht geirrt, weil das mit dem Zeitalter der Vernunft eben nicht so einfach wäre. Aber später gelangte ich zu dem Schluß, daß zu Schillers Zeit die notwendige wissenschaftliche und technische Entwicklung fehlte - oder, wie Wernadskij sagen würde, die Noosphäre war noch nicht ausreichend entwickelt, um das Zeitalter der Vernunft zu verwirklichen.

Jetzt bin ich mir ganz sicher, daß mit den riesigen Wassermanagementprojekten - NAWAPA, dem Wiederauffüllen des Aralsees und Tschadsees und vielen ähnlichen Projekten -, der Entwicklung der landeingeschlossenen Gebiete aller Kontinente dieses Planeten und der Fortführung dieser Verbesserung der Biosphäre durch die Intervention des Menschen, mit Raumfahrt und Kolonisierung des Weltraums wir sehr, sehr bald den Zustand erreichen werden, den Krafft Ehricke den “extraterrestrischen Imperativ“ nannte: daß nämliche Umstände entstehen werden, unter denen das Zeitalter der Vernunft die Art und Weise sein wird, wie die Menschen leben werden.

Die ästhetische Erziehung des Menschen

Diese wissenschaftliche Entwicklung muß jedoch mit der ästhetischen Erziehung des Menschen einhergehen - davon war auch Krafft Ehricke zutiefst überzeugt. Auch hier stehen wir kurz davor: vor der Umsetzung einer klassischen Renaissance.

Mit dieser Perspektive, daß wir an diesem historischen Moment sind, wo auf der einen Seite natürlich ein Sturz in ein Finsteres Zeitalter deutlich absehbar ist - und ich denke, wer einmal ernsthaft darüber nachdenkt, kann sich leicht vorstellen, wie das aussehen würde -, aber auf der anderen Seite wir auch an einem Punkt in der Menschheitsgeschichte sind, wo wir tatsächlich eine neue Ära der Menschheit schaffen können: Mit dieser Perspektive veranstalten wir derzeit eine Serie von Konferenzen in mehreren Städten in verschiedenen europäischen Ländern, und wir versuchen, Leute dafür zu gewinnen, am Wiederaufbau der Weltwirtschaft mitzuwirken. Es gibt z.B. sehr viele deutsche Ingenieurfirmen, mittelständische Industriebetriebe mit Kapazitäten im Werkzeugmaschinenbau, die schon das Know-how und Erfahrung mit solchen Projekten haben.

Das ist mehr als nur eine ökonomische Perspektive. Wir sind an einem Moment in der Geschichte, wo die Menschheit eine gemeinsame Mission für alle Menschen auf dieser Erde annehmen muß. Denn wir sitzen alle in einem Boot, und wenn wir nicht gemeinsam diesen ungeheuren Mangel an Entwicklung des Planeten überwinden, dann denke ich, werden die meisten von uns das nicht überstehen.

Die Entwicklung der Menschheit bedeutet nicht nur das Überwinden von Armut und Hunger. Sie bedeutet ein Leben, das der Menschenwürde angemessen ist, für alle Menschen auf diesem Planeten. Dies ist nicht nur die Beseitigung des Hungers, es bedeutet auch, daß wir, nachdem wir Hunger und Armut losgeworden sind, die Voraussetzungen dafür haben, daß jeder Mensch sein kreatives Potential entfalten kann - was offensichtlich nicht möglich ist, wenn man zu hungrig oder zu arm ist, um sein Auskommen zu haben. Das eigentliche Ziel dieser heutigen Perspektive ist es, das Genie aller Menschen zu entfesseln, sowohl der jetzt lebenden als auch der noch nicht gebornen.

Schließlich sind wir nicht aus den üblichen Gründen in der Politik, wie die normalen Berufspolitiker, sondern wir wollen eine wahrhaft menschliche Gesellschaft schaffen, und dazu braucht man eine leidenschaftliche Liebe zur Menschheit und für die internationale Völkergemeinschaft. Wenn wir das in uns mobilisieren können, dann bin ich mir völlig sicher, daß wir die Kinderkrankheiten der menschlichen Entwicklung wie Habgier, Oligarchismus, Monetarismus, Vorurteile gegenüber anderen Menschen, bald hinter uns lassen werden, und daß wir tatsächlich das erwachsene Zeitalter der Menschheit erreichen. Dafür wünschen ich Ihnen viel Erfolg für Ihre Konferenz.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Eine Übersichts-Tour des NAWAPA-Projektes
- Neue Solidarität 37/2009
Teil von NAWAPA: Die Schließung der Darien-Lücke
- Neue Solidarität 35/2009
NAWAPA vom Standpunkt der Entwicklung der Biosphäre
- Neue Solidarität 34/2009
NAWAPA: die TVA des 21. Jahrhunderts
- Neue Solidarität 33/2009
Gigantische Infrastruktur-Programme: Lokomotive für die Weltwirtschaft!
- Neue Solidarität 32/2009
Dossier: Großprojekte
- Neue Solidarität online
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- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)