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Der populistische Schweizer Politiker Christoph Blocher (Schweizerische Volkspartei, SVP) hat mit einem Volksentscheid gegen Bankrettungspakete gedroht, falls das Schweizer Parlament nicht bis November ein befriedigendes Gesetz in Kraft setzt. Man erwartet, daß der Nationalrat auf der Grundlage des Mitte August erwarteten Berichtes der TBTF-Kommission („Too big to fail“ - „Zu groß, um pleite zu gehen“) ein solches Gesetz ausarbeiten wird. Diese Kommission wurde gebildet, nachdem im Parlament und von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Sorge geäußert worden war, die Schweiz könne im Fall einer Krise weder die UBS noch die Credit Suisse retten, deren Aktiva sich auf das Vierfache des BIP der Schweiz belaufen. Es war dabei zu einem Konflikt zwischen dem SNB-Gouverneur Philipp Hildebrand und den Banken gekommen, die sich gegen eine Regulierung oder Aufspaltung ihrer Aktivitäten wehren. Hildebrand hatte die Banken gewarnt, eine Regulierung sei auch gegen ihren Widerspruch möglich, wenn sie nicht kooperieren.
Man erwartet jedoch, daß der TBTF-Bericht keine besonderen Empfehlungen aussprechen wird, außer der Umwandlung eines Teils der Bankenschulden in Pflichtwandelanleihen (mandatory convertible bonds, MCB). Dies werde das Risiko einer Insolvenz nicht beseitigen, sondern nur reduzieren. „Die Staatsgarantien werden nicht beseitigt“, sagte Blocher.
Blocher und der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (SP) Christian Levrat hatten schon vor einem Jahr „den Banken den Krieg erklärt“, und auch Levrat erwägt einen Volksentscheid als letztes Mittel, wenn das Gesetz nicht wenigstens ein 20-30%iges Verhältnis von Kapital/MCB zu den Aktiva vorschreibt. Andreas Schneider-Ammann, ein führendes Mitglied der liberalen Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), hat gedroht, zusammen mit SPV und SP für ein Gesetz zu stimmen, das die Banken reguliert. Schneider-Ammann ist Vorsitzender des Schweizerischen Maschinenbauverbandes Swissmem. Allerdings wird erwartet, daß der Einfluß der Banken im Nationalrat groß genug ist und daß die Mehrheit für ein zahnloses Gesetz stimmen wird.
Trotzdem ist zu spüren, daß sich der Wind gedreht hat. Etliche Prominente haben in den letzten Wochen die äußerst populäre Forderung nach einer substantiellen Regulierung unterstützt; beispielsweise sagte Thomas Jordan, ein führender Vertreter der SNB, am 25. April in einem vielzitierten Interview mit der führenden Wochenzeitung Sonntag, daß man im Falle einer Krise auch größere Banken in die Insolvenz schicken sollte, anstatt sie stützen: „Die Teile einer Bank, die fürs Funktionieren der Volkswirtschaft lebensnotwendig sind, sollen in einer Krise herausgelöst werden können. Der Rest soll verkauft oder eben liquidiert werden können... Es ist davon auszugehen, daß wir als kleine Volkswirtschaft schärfere Bestimmungen haben werden als im Ausland“, sagte Jordan. Im Fall einer Krise könne es sogar sein, daß die großen Banken der Schweiz „zu groß sind, um gerettet werden zu können - ,too big to be rescued’“.
Der vorläufige Bericht der TBTF-Kommission zeigte, daß ein Trennbankensystem nach dem Glass-Steagall-Modell diskutiert, aber dann abgelehnt wurde. Wie der stellv. Kommissionspräsident Patrick Raaflaub am 22. April berichtete, werde die Kommission keine Maßnahmen empfehlen, wie „direkte Einschränkungen des Geschäftsmodells etwa das ,Narrow Banking’ mit fristenkongruenten Ausleihungen und Verbindlichkeiten, bei dem Banken mit Einlagengeschäft nur risikoarme, liquide Aktiven halten dürfen, und ein Verbot des Eigenhandels (sog. Trennbankensystem)“.
Der andere stellv. Vorsitzende der Kommission ist jedoch der schon erwähnte Thomas Jordan. Auch Peter Siegenthaler, ebenfalls Kommissionsmitglied und Präsident des Verwaltungsrates des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken, die meist Banken kleinerer und mittlerer Größe sind, soll für eine Aufspaltung von Bankoperationen sein, die er kürzlich als „zu groß“ und „zu verflochten“ für ein kleines Land wie die Schweiz bezeichnete. Man darf davon ausgehen, daß die traditionell über alle Parteigrenzen hinweg herrschende starke Anti-EU-Stimmung in der schweizerischen Bevölkerung - die noch verstärkt wird durch die Tatsache, daß die großen Investmentbanken der Schweiz mit der allgemein abgelehnten Brüsseler Politik der Mega-Rettungspakete verbunden sind - eine große Rolle in der öffentlichen Debatte der kommenden Wochen und bei einem möglichen Volksentscheid über die Restrukturierung der Banken spielen wird.
sas