|
|
Am 29. April führte Lyndon LaRouche einen außerordentlichen Dialog mit einer Gruppe internationaler Fachleute, die in New York zusammengekommen waren, um über verschiedene Elemente der von LaRouche vorgeschlagenen Vier-Mächte-Vereinbarung zu beraten. Zu der Gruppe gehörten Politiker sowie verschiedene erstrangige Akademiker führender amerikanischer Universitäten wie Stanford, Berkeley, MIT, Princeton und Columbia. Auch Vertreter Rußlands, Chinas und Indiens waren zugegen. Einige Journalisten waren als Beobachter eingeladen worden. Ursprünglich hatte das Seminar privaten Charakter, aber unter den Teilnehmern herrschte Einvernehmen, daß es angesichts der akuten Weltfinanz- und Wirtschaftskrise und der ungewöhnlich klaren Bemerkungen LaRouches nicht zu rechtfertigen sei, die Ausführungen unveröffentlicht zu lassen. Es folgt der zweite Teil einer redaktionell überarbeiteten Abschrift der Beratungen, die am 21. Juni 2010 von LaRouches Aktionskomitee veröffentlicht wurde.
Freeman: Die nächste Frage berührt auch die Wirtschaftswissenschaft, aber auf einer anderen Ebene. Die Frage lautet: „Einige von uns waren sehr begeistert, als Sie bei Ihrem letzten Internetforum die Frage ,Mathematik contra Physik’ in der Ökonomie beantworteten. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es in dieser Frage unter uns eine etwas unterschiedliche Orientierung - es eine Spaltung zu nennen, wäre sicherlich übertrieben -, was hauptsächlich auf die Ausbildung und auch auf die unterschiedlichen Arbeitsgebiete zurückzuführen ist. Viele von uns haben bei verschiedenen Gelegenheiten viel Zeit mit Arbeiten über die Finanzierung innenpolitischer Aufgaben verbracht. Wahrscheinlich wollen sie mich am liebsten umbringen, wenn ich das sage, aber sie verfolgen in diesen Fragen oft eher einen soziologischen Ansatz. Sie machen ihre Sache nicht schlecht, aber diese Einstellung kommt von ihren Aufgaben; viele haben Jobs bei der Regierung in Washington gehabt oder ähnliches.
Wir anderen schlagen uns mit dem Konflikt zwischen Mathematik und Physik seit langem herum und waren von Anfang an davon fasziniert, allerdings diskutieren wir erst seit kurzem über die von Ihnen angesprochenen Fragen zu Wernadskij. Da eine kleine Gruppe von uns, etwa sechs Leute, fließend Russisch sprechen, haben wir uns einiges davon im Original angesehen. Wir befinden uns bei der Beschäftigung damit zwar auf einer viel niedrigeren Stufe als Sie, aber wir sind uns einig, daß Wernadskij für die zugrundeliegende Methodik langfristiger Wirtschaftsentwicklung sehr wichtig ist.
Unsere Debatte hat jetzt durch die Frage Wernadskij contra Oparin einen neuen Anstoß erhalten, wobei wir unterschiedliche Ansichten vertreten. Alle werden mir vorwerfen, daß ich die Frage zu meinen Gunsten formuliere, um von Ihnen etwas zur Stärkung meiner Position zu hören, aber meine Ansicht ist, daß Wernadskij und Oparin vielleicht nicht gerade völlig gegensätzliche Standpunkte vertreten, aber jedenfalls nicht gut zusammenzupassen - so ähnlich wie bei dem Unterschied zwischen Platon und Aristoteles. Ich möchte, daß Sie darauf ein wenig eingehen, weil dadurch nicht nur die Debatte geklärt wird, bei der ich weiß, daß ich recht habe, sondern weil wir dadurch für die zukünftige Arbeit der kleinen Gruppe, die sich damit beschäftigt, nützliche Anleitungen erhalten. Wenn Sie jedoch meinen, das sei alles für diese Debatte zu intern, können wir Sie auch in einem kleineren Rahmen fragen.
LaRouche: Nein, das ist relevant. Oparin war Marxist, stand aber unter starkem Einfluß von Kreisen in Großbritannien, die teilweise mit (Bertrand) Russells Umfeld in Verbindung standen. Er war auch Chemiker. Er versuchte Leben vom Standpunkt einer reduktionistischen Chemie zu definieren. Unter Stalin hatte er kaum Gelegenheit, Wernadskij anzugreifen. Ich kenne da nur einen berühmten Vorfall - es mag andere Gelegenheiten gegeben haben, die ich oder die von mir konsultierten Leute übersehen haben. Aber im Kern war sein Ansatz inkompetent und bleibt es bis heute: Er ging nämlich davon aus, daß man Lebensformen aus nichtlebenden Prozessen schaffen könnte - sozusagen aus dem Chemiebaukasten.
Er hat seine Argumente dafür beschrieben, sie sind wohlbekannt, und einige der chemischen Prozesse, die er nannte, kommen als Phänomen in lebenden Prozessen durchaus vor. Aber daraus entsteht kein Leben, und Leben definiert sich ja als die Entwicklung von Leben. Wernadskij hatte verstanden, was das bedeutet. Wernadskij hatte auch verstanden, daß wirkliche Chemie aus Sicht der Experimente, der Forschung in drei Kategorien unterteilt ist. Die eine sind die nichtlebenden Prozesse - alles, was sich chemisch in seinen Merkmalen als nichtlebend einstufen läßt. Die zweite sind lebende Prozesse und deren Überreste, und die dritte ist menschliches Leben.
Das Universum als ganzes ist schöpferisch. Anders gesagt, wie der berühmte Philo von Alexandria der aristotelischen Tradition entgegenhielt: Gott ist nicht gestorben, nachdem er das Universum erschaffen hatte. Friedrich Nietzsche [„Gott ist tot“] hat unrecht. Im Gegenteil, das Universum ist von Natur aus schöpferisch, es ist nicht tot oder fixiert.
So hat beispielsweise Harkins festgestellt, daß Atome eine Evolution durchmachen, die nicht auf Radioaktivität, sondern auf einer Art Tunnelungsvorgang beruht, wobei ein Proton an die richtige Stelle in einem Atom eingeschleust wird und sich so dessen chemische Eigenschaften ändern.
Das Universum ist kreativ. Und wir wissen mittlerweile, daß das Universum im wesentlichen aus kosmischer Strahlung aller Art besteht. Aus dieser Suppe kosmischer Strahlung entstehen die anderen Ausdrucksformen materiellen Daseins und Erfahrung.
Leben ist etwas Besonderes, wobei aber nur menschliches Leben wirklich bewußt ist. Das Tierleben hat sich in aufeinanderfolgenden Ordnungen der Arten entwickelt. Es gibt eine allgemeine Ordnung der Pflanzenarten. Auch die nichtlebendigen Aspekte des Lebens haben eine Ordnung. All das existiert. Aber nur die Menschheit hat schöpferische Geisteskräfte - man denke beispielhaft etwa an Albert Einstein -, wie Wernadskij beschrieben hat.
Unser Augenmerk gilt zwei Dingen: dem Leben, und dem Unterschied zwischen Leben und Nichtleben und menschlichem Leben. Das sind systemische Unterschiede, die in zwei völlig verschiedene Kategorien gehören. Man kann nicht vom Unbelebten zum Leben springen. Leben geht nur aus Leben hervor. Nur Leben erzeugt Leben. Und nur menschliches Leben erzeugt eine willentliche Evolution des Universums zu höheren Seinszuständen.
Das alles steht bei Wernadskij. Die Reduktionisten, die gewöhnlich der britischen Ideologie anhingen, wie auch Oparin, waren immer problematische Fälle.
Das ist entscheidend, um Wirtschaftswissenschaft zu verstehen. Denn worum geht es dabei? Wir wollen den Zustand menschlichen Lebens reproduzieren und stärken. Um ein Umfeld für menschliches Leben zu schaffen, müssen wir die Zunahme des Lebens fördern. Beispielsweise brauchen wir mehr Kohlenstoff, denn der spielt beim Wachstum von Pflanzen eine entscheidende Rolle. Wir brauchen lebende Pflanzen. Wir brauchen mehr davon und von besserer Qualität. Bäume sind besser als Gras. Gräser wandeln höchstens 1-2% der Sonnenenergie in Biomasse um. Bei Bäumen geht dieser Anteil beim Verbrauch auf bis zu 10% hoch. Insbesondere Bäume, teilweise auch Gräser, sorgen für ein milderes Klima - im Gegensatz zur Wüste, wo es zwar Sonnenstrahlung im Überfluß gibt, aber keine Möglichkeit, diese in etwas für das Leben Nützliches umzuwandeln.
Auf diese Parameter muß man sich beziehen, wenn man verdeutlich will - und sei es nur für einfache schulische Zwecke -, was das Prinzip einer Volkswirtschaft ist. Die schöpferischen Fähigkeiten der Menschheit versetzen uns in die Lage, die physikalische Chemie der menschlichen Umwelt, die die eigentliche Grundlage der Produktion ist, revolutionär zu verändern.
Dabei muß man verstehen, was menschliche Kreativität ist. Menschliche Kreativität entsteht nicht aus der Mathematik. Mathematik ist nicht schöpferisch. Mathematik läßt sich als Hilfsmittel im Produktionsprozeß einsetzen. Am wichtigsten ist aber das Umfeld menschlicher Kreativität. Neuerungen durch den Menschen, wofür die Person Albert Einsteins typisch ist, oder früher Nikolaus von Kues oder Kepler, wenn man seine Entdeckungen im einzelnen durchgeht. Bei Leibniz und seinen Erkenntnissen über Dynamik sieht man das gleiche.
Wenn man diese Dinge versteht, versteht man, was Wirtschaft wirklich ist - nicht bloß den äußeren Schein, den man erlebt. Weil mir das gefällt, habe ich das zu meiner Lebensaufgabe gemacht, und ich sehe darin inzwischen mehr nur als etwas, was ich mag: Es ist zu meinem Beruf, meiner Berufung geworden.
In diesen Begriffen sollte man denken. Man muß sich klarmachen, daß die Wernadskijschen Kategorien, nach unserem Wissensstand, gültig sind. Was wir bei der Untersuchung der kosmischen Strahlung und deren Beziehung zu Lebensprozessen zunehmend herausfinden, stützt und verstärkt unsere Sichtweise in diesem Zusammenhang. Wenn man darüber nachdenkt, wie man einen Menschen sicher zum Mars und zurückbringen kann, ohne daß er zu Brei wird, spielen auch solche Überlegungen eine Rolle.
Was braucht man, um die notwendigen biophysikalischen Bedingungen für menschliches Leben in einer Umwelt mit geringerer Schwerkraft zu schaffen oder andere Probleme zu lösen, wenn Menschen sich lange im Weltraum aufhalten? Immerhin würde es mit einem herkömmlichen Antrieb etwa 300 Tage dauern, zum Mars zu gelangen. Für das Material ist das kein Problem, für Menschen schon. Sie könnten wie ein Stück Wackelpudding aussehen, wenn sie schließlich ankommen.
Deswegen brauchen wir eine schnellere Methode, zum Mars zu kommen, d.h. man braucht eine stetige Beschleunigung - und Entschleunigung -, dann können Menschen theoretisch in vielleicht nur zwei Tagen zum Mars fliegen.
In solche Richtungen müssen wir denken und von dort zurückblicken, um uns zu verdeutlichen, daß das, was wir heute tun, sich über die Spanne eines ganzen Menschenlebens, also heute etwa 70, 80 Jahre oder länger, auf die Menschheit auswirken wird. Welchen Beitrag kann ein Mensch während seines Lebens von der Geburt bis zu seinem Lebensende, vielleicht irgendwann vor dem 100. Lebensjahr, leisten? Wir alle sollten bedenken, welche Folgen unser heutiges Tun für das Leben unserer Enkel hat.
Viele heutige Investitionen sind langfristige Investitionen. Man investiert in etwas, was eine Nutzungsdauer von einem Jahrhundert hat, beispielsweise große Wasserprojekte, wie sie vor kurzem in China gebaut wurden, oder in Eisenbahnnetze oder entsprechendes. Oder in neue Industriezweige, die eine Menge langfristige Investitionen erfordern. Dabei muß man immer zwei oder zweieinhalb Jahrzehnte im voraus denken. Wir müssen über unser Leben nachdenken, darüber, was am Ende bei unserem Leben herauskommt - nicht nur für uns, sondern bei unserer Rolle in der Gesellschaft, wie sie sich über den Großteil eines Jahrhunderts erstreckt.
Denken wir an ein Kind, das geboren wird, aufwächst und bis zu seinem Tod eine Aufgabe erfüllt: So erhält die Entfaltung dieses Menschen und dieser Generation über fast ein ganzes Jahrhundert hinweg eine durchgehende Bedeutung. Deswegen muß man sich Ziele für Veränderungen stecken, Ziele, welche die Existenzfähigkeit der Menschheit erhöhen, manchmal bis zu einem Jahrhundert in die Zukunft. Und eine Entwicklung der Realwirtschaft ist dabei für mich das entscheidende.
Freeman: Dazu paßt unsere nächste Frage sehr gut. Denn der Fragesteller, der zur Stanford-Gruppe gehört, sagt:
„Eine der Fragen, die aufkam - sowohl in den Diskussionen mit Herrn Dworkowitsch, als dieser in Stanford war, aber auch heute in einigen unserer Diskussionen, und ich weiß, daß das ein anhaltendes Problem bei den Diskussionen unter den Amerikanern ist -, ist die Frage der Infrastruktur. Wenn ich Infrastruktur sage, dann rede ich nicht bloß von Autobahnen oder ähnlichem, sondern von langfristigen Infrastrukturinvestitionen, wie es tatsächlich auch das Raumfahrtprogramm war. Verschiedene Leute argumentieren, das Raumfahrtprogramm sei kein Teil der Infrastruktur, womit ich ganz entschieden nicht übereinstimme. Aber Herr Dworkowitsch äußerte sich so: Infrastruktur ist nett, wir alle mögen Infrastruktur. Aber das Problem mit der Infrastruktur ist, daß sie viel Zeit braucht. Es dauert lange Zeit, bis sie gebaut ist, und es dauert lange Zeit, bis sie ,profitabel’ wird.
Das ist schon ziemlich ironisch, denn meine eigene Sicht von Infrastrukturinvestitionen und der Gründe, warum sie einen so bedeutenden Anreiz für das Wirtschaftswachstum darstellen, ist genau das Gegenteil. Denn es sind ja Investitionen in ein langfristiges Projekt, nicht bloß, daß langfristig Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern diese Investitionen werden bei Einsatz fortgeschrittener Wissenschaft und Technik auf lange Zeit in die Zukunft hinein nützlich sein.
Das wirft eine Frage auf, die natürlich nicht in den Diskussionen mit Dworkowitsch - denn ich denke, das ist nicht sein Gebiet -, sondern bei uns eine Rolle spielte, und das ist die Rolle der Energieflußdichte als Maß für das, was menschlicher Fortschritt eigentlich darstellt - und das ist es ja vermutlich, was wir alle anstreben. Deshalb befassen wir uns ja überhaupt nur mit diesen Fragen.
Wenn die Steigerung der Energieflußdichte, wie Sie diese in einzigartiger Weise identifiziert haben, tatsächlich Fortschritt darstellt, d.h. die tatsächliche Tragfähigkeit des Planeten und unsere Möglichkeit definiert, das gesamte Sonnensystem zu erforschen, dann scheint mir die Hauptfrage bei der Gestaltung nationaler Politik zu sein, wie man sie steigert.
Ich mag mich irren, und deshalb stelle ich diese Frage - aber mir scheint sich dann sofort die Frage zu stellen, was das Maß dafür ist. Das führt uns zurück zu der früheren Frage, die zur Volkswirtschaft gestellt wurde. Mir scheint, daß der eigentliche Test ist: Wie steigert man die Energieflußdichte? Wenn das so ist, so schließe ich daraus, daß die Infrastruktur genau diese Funktion hat.
Aber ich möchte gern, daß Sie das kommentieren, Herr LaRouche.“
LaRouche: Bei dieser Frage muß man zu einer Diskussion zurückgehen, die Leibniz am Ende des 17. Jahrhunderts führte, insbesondere im letzten Jahrzehnt, als er das Konzept der Dynamik einführte.
Der Dynamikbegriff von Leibniz hat nichts mit dem zu tun, was man heute auf der Straße oder sogar in den Universitäten unter Dynamik versteht. Man meint damit meistens eine Art Drang oder Impuls, aber das ist nicht das Maß.
Dynamik bezieht sich auf die Tatsache, daß wir in einem Universum leben, etwa dem Universum, das man mit der kosmischen Strahlung beschreiben kann. Oder Dynamik wie bei Massenbewegungen oder in der Politik. Politik im weiteren Sinne beruht auf der Wirkung von Ideen oder von etwas, das in einer Idee zum Ausdruck kommt, auf eine breite Schicht von Menschen, und auf den Effekten dieser Wirkung. Das verstand Leibniz unter Dynamik.
Der Dichter Percey Shelley zum Beispiel - ich habe schon oft darauf hingewiesen - beschreibt am Schluß seiner Verteidigung der Poesie eine ähnliche Form der Dynamik, wie sie beispielsweise auch von Rosa Luxemburg als Massenstreik beschrieben wird: Ein Volk gerät trotz entgegengerichteter Tendenzen in Bewegung. Wenn man die Dynamik einer Gesellschaft untersucht, betrachtet man Dynamik in diesem Sinne - im gleichen Sinne, wie Shelley diesen Prozeß in seiner Verteidigung der Poesie beschreibt. Man findet die gleiche Erkenntnis auch bei anderen großen Dichtern und solchen, die dieses Phänomen als ein soziales Phänomen erkennen.
Wenn man also den Dynamikbegriff im Leibnizschen Sinne verwendet - nicht so, wie man ihn heute in verballhornter Weise benutzt - untersucht man die Beziehung zwischen einer Umgebungsänderung - Umgebung im weitesten Sinne - und dem potentiellen Verhalten beispielsweise einer menschlichen Gesellschaft, welches sich auf eine mögliche Verbesserung der Lebensbedingungen oder der gesellschaftlichen Produktivität bezieht.
Aus diesem Grund entstehen in diesem Prozeß Verbesserungen, etwa in der Grundinfrastruktur der Wirtschaft, die für das Leben der Gemeinschaft und zur Verbesserung des Lebensstandards notwendig ist. Auch mit Maschinen und anderen Produktionsformen läßt sich die Produktivität der Arbeit erhöhen. Oder man ergreift einfache Gegenmaßnahmen, um die Erschöpfung einer Ressource auszugleichen, wenn mehr Aufwand notwendig wird, um die gleiche Ausbeute zu erzielen wie zuvor, als die betreffende Ressource noch nicht erschöpft war. Man braucht ein höheres Niveau der Technologie oder der Energieflußdichte, um das Problem zu lösen.
Die Fähigkeit der Menschheit, zu überleben, basiert nicht darauf, daß der Mensch hier auf der Erde wie auf einer flachen Scheibe oder ähnlichem herumläuft, sondern der Mensch muß sich ein geeignetes Umfeld schaffen. Wie wirkt sich dieses Umfeld - das Arbeitsumfeld, das gesamte Lebensumfeld - auf die Arbeitsproduktivkräfte pro Quadratkilometer oder pro Kopf aus? Mit Investitionen in neue Prozesse steigern wir die Produktivkräfte der Arbeit, wobei man das Verhältnis zwischen der Erhöhung der Arbeitsproduktivkräfte in der Gesellschaft und den aufzuwendenden Investitionen berechnet. Daraus ergibt sich ein Faktor, der diese Erhöhung entstehen läßt.
Ohne diese Investitionen erschöpft sich die Gesellschaft. Wenn man auf dem gleichen technischen Niveau, ohne technologischen Fortschritt, ohne kapitalintensive Verbesserungen stillsteht, nutzen wir die Gesellschaft ab. Die reichsten Rohstoffvorkommen werden ausgebeutet, so daß nur noch relativ weniger reiche Vorkommen verbleiben. Aber wir gleichen das durch ein höheres Niveau der Technologie aus, indem gewöhnlich die Energieflußdichte der entsprechenden Prozesse erhöht wird. Auf diese Weise schreiten wir voran. Wenn wir das nicht tun, gehen wir zur Hölle.
Zu diesen Verbesserungen gehört die reale Infrastruktur: Massenverkehrsmittel, Trinkwassersysteme, saubere Luft, bessere Qualität der Nahrungsmittel, billigere und leichter verfügbare Nahrungsmittel. Wir wollen keine übergroßen Städte und abgelegene Landgebiete. Wir wollen Städte mittlerer Größe, die von Parks und anderen Grünanlagen durchzogen sind und so eine quasiländliche Wirkung haben. Forst- und Landwirtschaft sollten unmittelbar um solche mittelgroßen Städte betrieben werden. Es soll nicht alles nur in einem Teil des gesamten Kontinents konzentriert sein. Über den gesamten Kontinent verteilt sollen Wirtschaftsstrukturen entwickelt werden. Mit einem effizienten Verkehrssystem sollen Fracht und Menschen mit geringem Zeitverlust und geringen Kosten komfortabel transportiert werden können.
Die Produktion sollte somit über ein großes Gebiet verteilt werden, anstatt sie in Slums oder slumähnlichen Ansiedlungen zu konzentrieren.
Das Konzept einiger Leute, auf das Sie hingewiesen haben, ist unsinnig und zeigt nur, daß jemand, der ein solches Argument vorbringt, kein kompetentes Verständnis davon hat, Städte zu planen, Maschinen zu entwerfen, einen produktiven Prozeß zu gestalten oder die Kosten eines Produktionsprozesses für die Menschen zu bestimmen - all diese wesentlichen Dingen, die das natürliche Talent eines professionellen Ökonomen vor allem im Bereich der physischen Wirtschaft sein sollten. Dabei sollten auch die soziale Umgebung und die psychologische Umgebung berücksichtigt werden, die genauso wichtig für die Menschen ist wie die physische Umgebung.
Schulklassen sollten nicht überfüllt sein. Der Unterricht an den Schulen sollte die Entwicklung der schöpferischen Fähigkeiten der Schüler fördern - Dinge dieser Art. Wir wollen an der Spitze der Wissenschaft stehen. Wir wollen, daß sich die Schüler im Bildungsprozeß zu schöpferischen Menschen entwickeln, und nicht zu Dümmlingen, die nur wiederholen können, was man ihnen beigebracht hat. Menschen sollten spontan Ideen beitragen können, die zu einer qualitativen Verbesserung des menschlichen Potentials führen.
Es gibt noch eine andere Seite, die nicht nur physisch, sondern auch moralisch wichtig ist. Wir können in einer modernen Gesellschaft, mit einer anständigen Krankenversorgung und anständigen Lebensbedingungen bis zu 100 Jahre alt werden. Das ist für die Menschheit in greifbarer Nähe, wenn wir einige der Auswüchse im Gesundheitswesen rückgängig machen. Machen wir Obamas Gesundheitsreformen rückgängig und kehren zu dem alten Hill-Burton-System in den Vereinigten Staaten zurück! Dann können Menschen bis zu einem Alter von 100 Jahren am Leben und rüstig bleiben. Das heißt nicht, daß das für alle gilt, aber das kann der Trend sein.
Noch etwas anderes: Was ist das Motiv der Menschen, zu leben? Wir werden geboren, und irgendwann werden wir unvermeidlich sterben. Was treibt uns als Individuen in dieser Zeit an? Die Tatsache, daß wir sterben werden, bedeutet, daß es einen Sinn im Leben geben sollte, der unser Leben für die zukünftige Menschheit wertvoll macht. Da wir soziale Menschen sind, denken wir meistens so. Wir denken gerne an unsere Enkelkinder. Wir erinnern uns gerne an alte Freunde, wir denken an ihre Kinder. Wir denken gerne an Städte und Orte, die besser gestaltet wurden, und jemand, der kurz vor dem Tod steht, schaut sich um und sieht die Verbesserungen, die zum Teil mit seiner Hilfe möglich wurden.
Und dann, so heißt es, habe die Menschheit eine Mission im Universum, und wir waren an dieser Mission beteiligt.
Somit ist Fortschritt, besonders der wissenschaftliche und technische Fortschritt, ein moralischer Wert an sich. Denn es gibt einen Unterschied zwischen einem Menschen, der sich für eine Ratte hält, der geboren wird, nur um zu sterben, und einem Menschen, der drei oder mehr Generationen erlebt und sein Leben mit der Absicht führt, daß sein Dasein auch noch nach seinem Tod fortdauert.
Dann hat unsere Existenz als Mensch einen Zweck. Sie hat eine Mission. Und deshalb sind wir motiviert, Entscheidungen zu treffen, die hierzu beitragen. Die Vorstellung, ein guter Mensch zu sein, bedeutet, daß man denkt, die Menschheit als solche habe eine Mission - eine Mission, die über die eigene Sterblichkeit hinausreicht. Dann werden die Menschen so leben und sich so verhalten, wie es ihrem Wunsch entspricht, diese Art Unsterblichkeit zu verkörpern - während ihres Lebens etwas für die Zukunft der Menschheit Bedeutsames beigetragen zu haben. Und man will nicht, daß einem das genommen oder versagt wird.
Es geht also um diese beiden Aspekte. Zuallererst brauchen wir eine moralische Gesellschaft. Eine moralische Gesellschaft ist eine, die in der Menschheit einen ganz besonderen Teil der Schöpfung sieht. Der Mensch hat ein begrenztes Leben, das sich über etwa drei Generationen erstreckt - drei Generationen potentiellen Lebens für jeden neugeborenen Menschen in einer anständigen Gesellschaft. Aber was wird ein solcher Mensch während dieser drei Generationen tun? Er sollte natürlich reifen, sich entwickeln, um eigene Beiträge zu leisten, die aber von einem Zweck getragen sind.
In anderen Nationen wird beispielsweise eine andere Sprache gesprochen und es herrschen andere Sitten als bei uns selbst. Warum sollten wir uns um sie kümmern? Weil sie Teil der Menschheit sind.
Was bedeutet es also für die Menschheit, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß andere Nationen und Kulturen ein Beitrag zu der eigenen Existenz sind? Man betrachtet die anderen Nationen nicht als Konkurrenten. Man mag mit ihnen wetteifern, aber man betrachtet sie nicht als bloße Konkurrenten, man betrachtet sie als eine Ergänzung der eigenen Aufgabe, die Zukunft der Menschheit in diesem Universum zu gestalten.
Man betreibt Weltraumfahrt. Warum? Nur aus reinem Spaß an der Freude? Nein, man betreibt Weltraumfahrt, weil man weiß, daß das für die kommenden Generationen der Menschheit wichtig ist. So sollten wir denken. So dürfte ein wirklich kompetenter Ökonom ohnehin denken. Man denkt an das, was man aufbaut, an die Ziele, die man erreicht, an die Ziele, die man möglich macht. Wie z.B. im Weltraum.
Ich werde nicht zum Mars fliegen. Ich werde nicht lange genug leben, um auf dem Mars zu landen. Aber ich hoffe, daß ich repräsentiert bin, wenn Menschen auf dem Mars landen und den Roten Planeten entwickeln. Denn das, was ich heute tue, wird zu diesem Ziel beitragen.
Deshalb hat mein Leben einen Sinn, und dieser Sinn bestimmt meine Moral und meine Zielsetzung. So muß ein wirklicher Ökonom denken.
Freeman: Ich habe eine letzte Frage zum Abschluß, allerdings werden wir versuchen, eine weitere Diskussion anzusetzen. Diese Frage bringt uns zurück zu der Vier-Mächte-Vereinbarung. Der Fragesteller sagt:
„Vor dem gestrigen Gipfeltreffen in Washington und später noch ausführlicher hat [Ex-] Präsident Clinton jedermann sehr verblüfft, als er betonte, er sei fest davon überzeugt, daß wir aus dieser Finanz- und Wirtschaftskrise nur herauskommen werden, wenn wir - neben allem anderen, worüber wir diskutieren - für mehr Einwanderung sorgen. Das sei nicht nur für Amerikas Zukunft, sondern für die globalstrategische Lage entscheidend.
Es sei für ihn offensichtlich, daß es keinen Ausweg aus diesem Schlamassel gebe, wenn das nicht Teil der Gesamtstrategie sei. Er begründete dies in verschiedener Hinsicht. Er verwies auf den Maschinen- und Anlagenbau, auf das Durchschnittsalter der Maschinenbauer nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern im entwickelten Sektor insgesamt. Eine der Schwierigkeiten, mit denen wir es zu tun hätten, sei die Überalterung der Arbeitskräfte, und es sei ganz wichtig, neue Talente heranzuziehen.
Er sagte, ihm sei klar, daß seine Forderung völlig der öffentlichen Meinung widerspreche, aber er sei fest davon überzeugt und werde dafür einstehen. Er sei schon immer davon überzeugt gewesen, daß einer der Gründe, warum Amerika weltweit so wettbewerbsfähig war und so rapide voranschreiten konnte, darin besteht, daß sich in den USA ein Zusammenschluß [von Menschen] aus mehr als nur einem Land entwickelte. Er formulierte es so: Wir haben hier Menschen von überall her, und wir haben es geschafft, daß das Ganze funktioniert.
Er äußerte sich weiter zu der Diskussion um die Vier-Mächte-Vereinbarung, und ich bitte Sie, vor allem dazu etwas zu sagen, weil dies auch von einigen unserer internationalen Gäste angesprochen wurde. Er betonte, eine solche Vier-Mächte-Vereinbarung sei kein diplomatisches Abkommen - kein diplomatischer Kompromiß, der den Weltfrieden bewahrt, obgleich das seiner Ansicht nach tatsächlich der Fall wäre. Was dadurch erreicht würde, liege auf einer ganz anderen Ebene; es sei eine Absichtserklärung, langfristig für ein gemeinsames Ziel auf diesem Planeten zusammenzuarbeiten. Darin sehe er einen gewaltigen Unterschied.
Einige Leute fragten: Ist das nicht eine neue Form der Globalisierung? Er antwortete, das sei absolut nicht der Fall. Es gehe darum, daß völlig souveräne Nationen für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten, das allen dient. Deshalb sei es mehr als eine diplomatische Initiative, obgleich sie auch diplomatisch in dem Sinne sei, daß dadurch der Weltfrieden eindeutig gefördert und eine ansonsten instabile Lage stabilisiert werde.
Es ist wohl in seinem Sinne, das hier auf die Tagesordnung zu setzen, weil besonders Leute, die an der Diskussion nicht von Anfang an beteiligt waren, diese Initiative gern kleinreden. Es gibt ja eine Unzahl verschiedener diplomatischer Vorstöße, die ich größtenteils ziemlich nutzlos finde, an dieser aber sind wir alle beteiligt, weil wir darin wirklich etwas anderes sehen. Da Sie der Urheber dieser Politik sind, meine ich, es sei sehr nützlich, wenn Sie besonders für uns Gäste hier Ihre Gedanken dazu vortragen.
LaRouche: Nehmen wir als Beispiel die Strategische Vereidigungsinitiative SDI, die mein geistiges Kind war, wie ich verschiedentlich dokumentiert habe. Ich bin da hinein geraten, weil Brzezinski und Co. [Mitte der siebziger Jahre] eine atomare Konfrontation mit der Sowjetunion planten, und mir war klar, daß das verhindert werden mußte. Ich hatte die Beweise in Händen und wußte, was diese Kreise vorhatten, und ich unternahm etwas, um den Skandal auffliegen zu lassen. Durch das Aufdecken dieses Skandals verhinderten wir diese Ungeheuerlichkeit Brzezinskis, aber es gab noch andere Pläne, und wegen meiner damaligen Opposition dagegen wollten die Kreise um Brzezinski mich umbringen.
Mir wurde klar, daß ich nur einen Teil des Problems angepackt hatte. Um eine nukleare Konfrontation mit der Sowjetunion zu vermeiden, mußten positive Maßnahmen ergriffen werden, um rückgängig zu machen, was Truman und die Briten nach Roosevelts Tod in Gang gesetzt hatten.
Insbesondere mußten die Beziehungen zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten wieder auf eine Grundlage im Sinne der Absichten Franklin Roosevelts gestellt werden.
Ich beschäftigte mich deshalb mit den technischen Möglichkeiten, und mit Hilfe einiger sehr fähiger Wissenschaftler entwickelten wir einen gangbaren Ansatz. Die amerikanische Regierung, d.h. die zuständigen Leute in den Sicherheitsbehörden, gaben mir grünes Licht für weitere Gespräche. Inzwischen war nämlich ein Bericht eines bei den Vereinten Nationen tätigen russischen Militärangehörigen eingegangen, dem zufolge die Russen mit der damals neuen Reagan-Administration sprechen wollten und nachfragten, ob ich dabei behilflich sein könnte. Ich leitete die Mitteilung des russischen Vertreters an entsprechende Leute in der Regierung Reagan weiter mit der ausdrücklichen Empfehlung, das Gesprächsangebot anzunehmen. Und die Sicherheitsexperten antworteten: Warum übernehmen Sie das nicht selbst? Das tat ich dann auch. Zu dem Zeitpunkt verfügte ich über genügend Wissen, wie man damit umgehen könnte und wie die Strategische Verteidigungsinitiative aussehen würde - also tat ich es.
Außerdem gelang es mir, führende Militärs aus Deutschland, aus Frankreich, aus Italien und aus den Vereinigten Staaten, teilweise Altersgenossen, aus dem [CIA-Vorläufer] OSS oder ähnlichen Institutionen des Zweiten Weltkriegs, für die Sache zu gewinnen. Ich kannte sie damals noch nicht, aber lernte sie bei unseren Treffen sehr schnell kennen, denn sie hatten den gleichen Charakter und die gleichen Anschauungen wie ich. Daraus entstand das Angebot, das wir den sowjetischen Repräsentanten unterbreiteten.
Die Reaktionen waren in dieser Phase positiv. Beide Seiten erkannten, daß das Projekt machbar war - und wußten das sogar noch, als die sowjetische Seite schließlich mit der Begründung ablehnte, daß Amerika am Ende gewinnen würde. Ich erklärte, es sei nicht unser Ziel, einen militärischen Konflikt zu gewinnen. Unser Ziel sei gerade, einen solchen Konflikt zu verhindern, weil es bösartige Leute auf diesem Planeten, wie die Briten, gebe, die uns in einen Krieg gegeneinander hetzen würden, wenn wir die Sache nicht unter Kontrolle brächten.
Eine Zeitlang ging alles gut, aber dann schaltete sich Andropow ein, als Präsident Reagan die von mir entwickelte SDI-Politik übernahm. Wichtig zu wissen ist, daß die Russen wußten, daß das, was Reagan vortrug, ganz genau dem entsprach, was ich mit ihnen verhandelt hatte. Es wurde also keine der beiden Seiten irregeführt. Reagan war sich vollkommen im klaren darüber, was er tat, und richtete sein Angebot direkt an die sowjetische Regierung. Als Andropow ablehnte, schockierte das viele Russen, die in der SDI eine vernünftige Alternative sahen, um aus dem unsinnigen Kalten Krieg mit all seinen atomaren Bedrohungen herauszukommen.
Aber dann kamen britische Kreise, die Bertrand-Russell-Leute, ans Ruder. Russell selbst war zwar tot, das war das Gute, aber sein Einfluß florierte weiter. So gelang es den Briten, mit einigen Schwächen unserer Militärführung zu spielen. Einige Leute in der Rüstungsindustrie meinten, wenn ein solches Abkommen mit Rußland zustandekäme, wäre es aus mit unseren ganzen „Verteidigungsanstrengungen“. Wir würden keine Kriege mehr gegeneinander führen. Das ganze Verteidigungsministerium würde abgeschafft. Teilweise war das reine Habgier, Gier nach Rüstungsaufträgen, nach Geld, Reichwerden usw.
So nahm die Sache ihren Lauf. Gorbatschow, der nach meinem Geschmack noch viel schlimmer als sein Vorgänger war, war ein wirklicher Fanatiker. Über die Kanäle seiner Frau forderte er von der amerikanischen Regierung, mich zu ermorden. Tatsächlich kam es aufgrund des Drucks von Gorbatschow zu einem Mordversuch amerikanischer Kreise gegen mich. Dieser Mann ist ein Ekel.
Das haben wir durchgemacht. Inzwischen war die russische Bevölkerung erst durch Andropows und dann durch Gorbatschows Propaganda in dem Glauben bestärkt worden, die SDI sei etwas ganz Fürchterliches. Doch dann trat genau das Fürchterliche ein, was ich zu verhindern versucht hatte: Rußland wurde völlig ruiniert. Das hätte es nicht gegeben, wenn Rußland der SDI zugestimmt hätte, wozu es mehrere Gelegenheiten gab - insbesondere 1986, als Reagan noch Präsident war und er beim Gipfel in Island das Angebot unterbreitete. Dann wäre es zu dem Niedergang Rußlands, den hauptsächlich die britische Monarchie unter Mithilfe des damaligen französischen Präsidenten [Mitterrand] einfädelte, nicht gekommen.
Noch heute gibt es in Rußland einfältige Leute, die glauben, mein SDI-Vorschlag sei etwas Schlimmes gewesen. Viele, die heute genauso reden wie damals, mit der gleichen Einstellung gegenüber Amerika und den Amerikanern und mir persönlich, sind dieselben oder ähnliche typische Dummköpfe wie die Leute im Sowjetsystem, die damals nein sagten, als sich die Möglichkeit bot, all die Schwierigkeiten vom Tisch zu bekommen. Wir verhandeln mit Rußland immer noch über die Abwehr ballistischer Raketen. Wir stehen vor der Gefahr eines israelischen Angriffs auf den Iran, der alle möglichen Höllenszenarien eröffnen würde. Wir sprechen immer noch darüber, wie man sich vor solchen Schrecken schützt, ohne in einen Konflikt zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten zu geraten.
In der Diplomatie müssen wir begreifen, daß die Bedeutung nationaler Souveränität in der nationalen Kultur liegt. Die nationale Kultur umfaßt die Träume, die Geschichten, die Sprache usw. - alles, was den Zustand eines Volkes ausdrückt. Die Menschen müssen von Kindheit an eingebunden werden, d.h. jede Nation muß sich selbst durch ihre Kinder, die Erziehung und Kultur der Kinder zusammenschließen, um sie zu einem gemeinsamen Ziel und Zweck zu vereinen. Darum ging es schon damals in einem der Gespräche über die gemeinsamen Ziele der Menschheit zwischen Edward Teller und sowjetischen Vertretern in Erice.
Wir brauchen wieder die Souveränität nationaler Kulturen, wir brauchen vollkommen souveräne Nationalstaaten, denn die Bevölkerung muß in entscheidenden Fragen wieder mit einer Stimme sprechen und ihre eigene Entwicklung bestimmen können. Es muß aber auch Partnerschaft geben. Zwischen den unterschiedlichen Nationen muß ein Empfinden für Bedürfnisse und Kameradschaft herrschen. Wir haben unterschiedliche Bräuche und Verhaltensweisen, aber wir haben gemeinsame Ziele.
Dann schauen wir zum Mond herauf und stellen fest, daß hier auf der Erde das Helium-3 knapp ist. Wir brauchen das Helium-3, das dort oben auf dem Mond lagert, wenn wir zum Mars oder anderswohin wollen. Also sollten wir es uns von dort holen. Wir brauchen es auf der Erde genauso wie im Weltraum.
Wir sollten deshalb auf dem Mond ein Industrieprojekt in Gang setzen, an dem sich verschiedene Nationen beteiligen, die die Industrieanlagen zu diesem Zweck gemeinsam nutzen. Denn die Menschheit hat eine gemeinsame Mission jenseits der Erde, jenseits der kleinlichen Streitereien auf der Erde. Die Menschheit hat eine Mission im Universum - zuerst in unserem Sonnensystem und dann im ganzen Universum.
Mit einer solchen Haltung sollten wir daran gehen. Wir sollten mit Freude das Gute teilen, das wir schaffen. Wir müssen für gemeinsame Ziele mobilisieren, an denen sich ein Mensch von der Geburt bis zu seinem Tod orientieren kann und die ihm im Laufe seines Lebens eine Bestimmung geben. Dann hat er zum Zeitpunkt des Todes die Befriedigung, daß sein Leben auch noch lange nach dem eigenen Tod etwas bedeutet.
Eine solche Moralvorstellung brauchen wir wieder. In meiner Sichtweise von Volkswirtschaft ist das selbstverständlich. Es mag Streitigkeiten und Meinungsunterschiede zwischen den Nationen geben, aber weil wir alle Menschen sind, brauchen wir gleichzeitig gemeinsame Ziele, die zum Maßstab von Verhandlungen, von gemeinsamen Projekten und auch Schwierigkeiten zwischen den Nationen werden - eine gemeinsame Absicht der gesamten Menschheit mit Blick auf das, was unsere Generation weiter bewirkt, wenn sie einmal vergangen ist.
Welche Welt wollen wir schaffen? Welche Bedeutung hatte unser Leben, unser Sein, wenn wir einmal sterben? Werden wir einfach weggeworfen, weil wir gestorben sind? Wird auch unsere Kultur weggeworfen, wenn wir sterben? Oder soll das Leben einen Sinn haben, im Sinne einer Aufgabe für die gesamte Menschheit, der über die Grenzen des Todes hinaus Bestand hat, so daß jeder Mensch in seiner Seele zurückblicken und sagen kann: „Wir haben zu unseren Lebzeiten dazu beigetragen. Jetzt ist es gut, es ist geschafft. Mein Leben und die Schwierigkeiten, die ich auf mich genommen habe, waren es wert.“
Das ist gute Wirtschaftswissenschaft.