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Loveparade. Die Landesvorsitzende der BüSo Nordrhein-Westfalen, veröffentlichte am 28. Juli die folgende Erklärung zu der tödlichen Massenpanik in Duisburg.
Die Love-Parade-Tragödie in Duisburg hat Trauer und Mitleid in der ganzen Welt ausgelöst, jedoch auch bei vielen Entsetzen und Wut darüber, daß 21 Menschen ihr Leben offenbar wegen fahrlässiger Sparmaßnahmen bei der Sicherheit verloren haben.
Nun stellt sich die Frage nach den Schuldigen. Natürlich müssen diese zur Verantwortung gezogen werden, doch das wird nicht ausreichen, denn das Sparen bei den Sicherheitsmaßnahmen bzw. die Entscheidung für die „billigere Variante“ des Rockmusikspektakels gehörten zu einer politischen Einstellung, die nicht nur bei uns immer mehr Bereiche des öffentlichen wie privaten Lebens bestimmt, und dieser Politik drohen in Zukunft noch weit mehr Menschen zum Opfer zu fallen.
Was im Zuge des „Strukturwandels“ der letzten beiden Jahrzehnten insbesondere im Ruhrgebiet geschehen ist, kann nur im Rahmen der völligen Abkehr von einer produktiven Industriepolitik zu einer nachindustriellen Dienstleistungs- und Spaßgesellschaft verstanden werden. In dem Konzept der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ kommt deutlich zum Ausdruck, wie die Bevölkerung nach dem römischen Modell von „Brot und Spielen“ verdummt werden soll. Dazu dienen nicht nur Sex- und Drogenspektakel wie die Love Parade, sondern unzählige andere Massenveranstaltungen, die nie endenden Seifenopern, Big Brother, die Suche nach dem Superstar u.v.m.
Duisburg, das auf seinem industriellen Höhepunkt einmal fast 600.000 Einwohner zählte, als Vollbeschäftigung noch kein Fremdwort war und eines der höchsten Pro-Kopf-Steuereinkommen Deutschlands eine sichere und menschenwürdige Infrastruktur ermöglichte, ist das unübersehbare Opfer von Globalisierung, Deindustrialisierung und kultureller Verrohung. Produktive Arbeitsplätze verschwanden, die Steuereinnahmen sanken, die Arbeitslosigkeit stieg und zugleich auch die Kosten im Sozialbereich. Die Einwohnerzahl schrumpfte auf knapp 500.000, und von diesen haben nur noch 157.000 Menschen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Zum 1.1.2010 betrug der offizielle Schuldenstand 2,75 Mrd. Euro, und die Stadt muß sich jede Ausgabe vorher von der Landesregierung genehmigen lassen. Das Anfang des Jahres von der Stadtverwaltung verordnete Sparpaket, die „Tränenliste“ von 400 Posten zur Einsparung von 162 Mio. Euro - vor allem bei den Bädern, Museen, Sportvereinen, Theatern, Grundschulen, VHS-Kursen und anderen „Luxusleistungen“ - ist nur der Beginn.
Wie es heißt, soll jetzt auch das Personal der Feuerwehr abgebaut werden - was übrigens in vielen Städten der USA schon voll im Gange ist. Dort werden die Belegschaften der Polizei, der Feuerwachen und Rettungsstellen radikal verkleinert (teilweise um ein Drittel), und in kleineren Gemeinden werden ganze Wachen geschlossen oder mit anderen zusammengelegt. Mancherorts sollen in den USA nun vermehrt Computersysteme (!) Notrufe entgegennehmen, und auf die Frage eines besorgten Bürgers, in dessen Ort die Polizeistation geschlossen werden soll, antwortete ein Bezirksrichter kühl, daß man sich halt bewaffnen sollte, um selbst für Sicherheit zu sorgen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich in den Städten durch Brände verheerende Katastrophen ereignen oder Menschen nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall unversorgt bleiben.
Solche Fragen sind in Deutschland genauso akut, denn Politiker auf Landes-, Bundes- und vor allem auf EU-Ebene fordern genau die gleichen, wenn nicht noch einschneidendere Sparmaßnahmen. Niemand setzt sich bei uns mit den Ursachen der Finanzmisere auseinander, niemand stellt die Denkaxiome der Wirtschaftspolitik in Frage oder will Maßnahmen ergreifen, um produktive Arbeitsplätze zu schaffen und durch gezielte Kreditvergabe die Realwirtschaft wiederanzukurbeln. Man hört lieber auf die Orakelsprüche von Marketing- und Image-Gurus, um den Schein einer „erfolgreichen nachindustriellen Gesellschaft“ zu wahren - wie am Beispiel der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ erschreckend deutlich wird.
Ein ganz besonders tragisches Ende hat deswegen die Love Parade in Duisburg gefunden, weil einige Kreise dem von Mafia- und Rockermorden ramponierten Image einer sterbenden Stadt allen Sicherheitswarnungen zum Trotz die „fröhliche Love Parade“ entgegensetzen wollten. Wie „fröhlich“ und „kulturell hochstehend“ Massenveranstaltungen dieser Art sind, erlebten die Sicherheitskräfte jedoch spätestens am exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum der teilweise aggressiven „Raver“, die jetzt selbst Opfer einer Marketingstrategie geworden sind, bei der Menschenleben nur eine statistische Bedeutung haben. Das von Polizei und Feuerwehr entwickelte Sicherheitskonzept war von der Stadtverwaltung und dem Veranstalter wegen des damit verbundenen größeren Bedarfs an Polizisten (und damit höheren Kosten) verworfen worden. Wenn damit die Sicherheit genauso wie die Bildung, die Gesundheit und die Renten der Bevölkerung „zu teuer“ werden, dann sind wir bei der gleichen ideologischen Einstellung wie zu Zeiten Hjalmar Schachts in der Weimarer Republik angekommen. Die Folgen werden konsequenterweise die gleichen sein.
Damit muß Schluß sein! Es ist Zeit, zuzugeben, daß unser auf monetaristischen Scheinwerten basierendes Finanzsystem hoffnungslos bankrott ist und folglich einem Konkursverfahren unterzogen werden muß. Dabei ist ein Trennbankensystem der entscheidende Schritt, um die Wirtschaft von allen fiktiven Schulden aus Derivat- und anderen Wetten zu befreien und endlich Kredit für den Aufbau einer produktiven, wachstumsorientierten Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Nur so lassen sich Lebensstandard und Lebensqualität eines jeden Menschen wieder anheben und unseren Kindern und Kindeskindern eine optimistische Perspektive für die Zukunft vermitteln. Ein solche optimistische Perspektive haben wir in unserem Video „Von Duisburg zum Mars“ (www.bueso.de/nrw) zur NRW-Landtagswahl vom Mai 2010 aufgezeigt, worin nicht nur dargestellt wird, wohin uns die Politik der letzten Jahrzehnte geführt hat, sondern welche Denkweise es erfordert, wieder die Grundlagen für eine produktive und fortschrittsorientierte Gesellschaft zu schaffen.
Wenn Sie ein positives Zeichen setzen wollen, dann unterstützen Sie unsere Mobilisierung für das Trennbankensystem, das die Rahmenbedingung für ein solches Wiederaufbauprogramm schaffen wird! Schließen Sie sich der Massenstreikdynamik in der US-Bevölkerung an, die sich nicht mit dem deutschen Lieblingsspruch „Die da oben machen ja eh, was sie wollen“ oder „Man kann ja eh nichts ändern...“ schulterhängend auf das Sofa wirft, sondern immer selbstbewußter ihre Rechte gegen die Geldgier der Finanzinteressen einfordert. Diesem Beispiel müssen wir auch in Deutschland folgen, weil unser Land einfach zu wertvoll ist, als es vollends von den Finanzkartellen ausschlachten zu lassen.
Wie wir das anstoßen können? Durch echte Kultur! Lassen Sie sich davon begeistern, wie unser Jugendchor die „Ode an die Freude“ aus dem vierten Satz von Beethovens 9. Symphonie aufgeführt hat (www.schiller-institut.de), und werden Sie zum Staats- und Weltbürger!
Katarzyna Kruczkowski
BüSo-Landesvorsitzende NRW