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Ali Sharaf berichtet über die Schumann-Feier der LaRouche-Jugendbewegung in Dresden.
Als ich mir in Zwickau, Leipzig und Dresden die Häuser anschaute, in denen Robert Schumann lebte und wirkte, aber auch Orte wie die Thomaskirche in Leipzig oder die Semperoper in Dresden, mußte ich an John Keats’ berühmtes Gedicht Ode auf eine griechische Urne denken. Diese Gebäude vermitteln etwas, was man nicht logisch erklären oder in einfachen Worten ausdrücken kann: ein Gefühl der Geschichte - und ein Gefühl der Schönheit.
Keats schreibt in der ersten Strophe seiner Ode:
Du gänzlich unberührte Braut der Ruh’,
Langsamer Zeit und Stille Pflegekind,
Des Wald’s Chronistin, wieviel süßer du
Geschichten ausschmückst als ein Vers ersinnt:
Welch Sage wird dich laubumsäumt umziehn,
Die Götter, Menschen oder beide zeigt,
In Tempe oder in Arkadiens Tal?
Welch Wesen sind’s? Welch Mädchen, abgeneigt?
Welch irre Jagd? Welch Kampf, um zu entfliehn?
Welch Pfeifen, Trommeln? Welches Bacchanal?
Es geht hier nicht um eine Urne als solche - weder in Keats’ Gedicht, noch, wie in unserem Fall, um die Gebäude. Es geht um die Seele der ganzen Nation, ihre Musiker, Poeten und Bildhauer, das Erbe des klassischen Griechenland und der italienischen Renaissance und alle großen Leistungen der Menschheit.
Ein Weg, die Traditionen zu verstehen, die diese Kulturen hervorgebracht haben, besteht darin, sie nachzuerleben und wiederzubeleben. Deshalb nutzte die LaRouche-Jugendbewegung (LYM) in ihren Büros in aller Welt den 200. Geburtstag von Robert Schumann als Anlaß, sich mit der Musik der großen Meister der klassischen Komposition, wie z.B. der Schumanns, zu befassen.
Obwohl der Höhepunkt der klassischen Kultur kaum 200 Jahre zurückliegt, wurde sie weitgehend unterdrückt, und sie wartet darauf, wiederentdeckt zu werden. Wie die Artikel von David Shavin und Michelle Rasmussen (s. EIR 23/2010 und Neue Solidarität 23 u.24/2010) zeigen, gibt es einiges zu entdecken, was bei den hochkonzentrierten Treffen patriotischer Musiker und Wissenschaftler - etwa bei einem der zahlreichen Musikabende bei den Mendelssohns - zusammenkam.
Der Kampf der Mendelssohns dafür, Deutschland seine Klassik und seine Renaissance - für die Bach und Leibniz typisch waren - und damit seine Seele zurückzugeben, ist auch der Kampf einer kleinen Gruppe von Aktivisten der LYM in Dresden.
Einer der wesentlichen Faktoren bei der Wiederbelebung und Erhaltung der klassischen Musik als Kultur ist offensichtlich, daß sich jeder daran beteiligen kann. Die Oligarchie hat mit allen möglichen Mitteln versucht, das zu verhindern, und eines dieser Mittel war die willkürliche Anhebung des „Kammertons“ in der Musik, also der musikalischen Stimmung, sodaß nur die besten Sänger und Instrumentalisten damit umgehen können.
Gegen diesen Ansatz des „Gesetzes des Dschungels“ betreibt das Schiller-Institut seit langem eine internationale Kampagne für die niedrigere, wissenschaftliche Stimmung von c’=256 Hz (siehe nebenstehenden Kasten). Diese Kampagne wurde von der LaRouche-Jugendbewegung in Berlin aufgegriffen, die in intensiven Proben den Chorsatz der 9. Sinfonie von Beethoven einstudierte und bei mehreren Veranstaltungen der Bürgerrechtsbewegung Solidarität aufführte. Am 25. März dieses Jahres wurde dieser Satz dann in einem Musikstudio professionell aufgenommen.
Der 200. Geburtstag Robert Schumanns war eine Gelegenheit, die Kampagne noch weiter voranzutreiben. Die LYM hat zwar schon viele Musikabende veranstaltet, aber diesmal war es etwas ganz besonderes.
Der Abend begann mit einer Einführung von Karsten Werner, dem Landesvorsitzenden der BüSo in Sachsen, über die Bedeutung Robert und Clara Schumanns für die Deutschen. Dann sang Liliana Gorini von der LaRouche-Bewegung in Italien (Movisol), die zu den Hauptorganisatoren der Kampagne für die wissenschaftliche Stimmung gehörte, Schumanns Lieder Widmung, Der Nußbaum und Du Ring an meinem Finger (aus dem Zyklus Frauenliebe und -leben). Später gratulierte eine junge Cellistin aus der Ukraine - die Bachs Präludium zur 6. Cello-Suite spielte - Gorini zu ihrem Vortrag und sagte, es sei ihr gelungen, ihr und auch anderen im Publikum Schumanns völlige Beherrschung der Klangfarbe der menschlichen Stimme zu demonstrieren und zu zeigen, wie man ein Gedicht mithilfe der Musik „malen“ könne. Wie Schumann selbst in seinen Musikregeln schrieb, sollten Instrumentalisten singen - nicht nur mit ihren Singstimmen, sondern auch mit ihren Instrumenten.
Das wurde von einem jungen deutschen Cellisten bestätigt, der seinen Part in Schumanns Klavierquintett Op.44 spielte. Als er auf die niedrigere Stimmung seines Instruments angesprochen wurde, erklärte er, daß das Instrument darauf mit einem besseren Ansatz und einem reicheren Klang reagiert habe. Nach ihrem Vortrag bemerkte Gorini, dies ermögliche die wissenschaftliche Stimmung von c’=256 Hz sowohl den Sängern als auch den Instrumentalisten, die bei dieser Gelegenheit das Schumann-Quintett und Bach erstmals in der klassischen Stimmung spielten. Bei dieser Stimmung könnten auch Violinen, Violen und Celli mit mehr Körper und Farbe singen, was am Beispiel einer Stradivari-Violine in einem Labor eines Geigenbauinstituts wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Wie die menschliche Stimme leiden auch die Instrumente, wenn sie zu hoch gestimmt werden. Für diese Stimmung schrieben die größten Komponisten - ganz ausdrücklich Verdi, der 1884 ein Gesetz forderte, um die wissenschaftliche Stimmung durchzusetzen.
An diesem Abend wurden zahlreiche Stücke gesungen und aufgeführt, und die Musizierenden waren selbst überrascht von der Dichte der vorgestellten Ideen, die mit der Idee der wissenschaftlichen Stimmung und den kulturellen Zielen verbunden sind, für die die LaRouche-Bewegung sich weltweit einsetzt. Diese Musiker konnten zwar ihre Instrumente sehr gut spielen, aber ihnen fehlen aufgrund der Ausbildungsmethoden der Konservatorien die Ideen, wie sie diese Kenntnisse nutzen können. Sie wissen zwar, daß Bach und Beethoven große Musiker waren, aber sie wissen nicht, wo dies herkommt. Sie wissen nicht, wo die deutsche Klassik herkommt oder welche Rolle Mendelssohn dabei spielte, diese Tradition wiederzubeleben. Sie wissen auch nicht, in welcher Beziehung dies zu Alexander von Humboldt, Gauß oder Riemann stand. Dabei sollte die erste Frage sein: Was war die kulturelle Matrix, die eine solche Entschlossenheit zur Schönheit ermöglichte? Einer der Cellisten sagte richtig: Wir müssen die Kultur ändern, um der Bevölkerung wieder ein Verständnis dafür und ihr so die Kunst zurückzugeben.
Alle beteiligten Instrumentalisten und Sänger waren sehr erfreut darüber, daß es ein solches Forum gibt, wo man Musik aufführen kann, ohne gleich, wie an den Musikschulen, der Kritik ausgesetzt zu sein. Das gab ihnen mehr Freiheit bei der Aufführung der Stücke der großen Komponisten. Die Teilnehmer des Musikabends mußten sich nicht präsentieren; sie kamen, um Bach zu spielen, um Schumann zu spielen, sie kamen, um eine Schönheit zu finden, die man in unserer Gesellschaft heute selten findet.
Nicht zuletzt überwand der Abend auch die Grenzen der Nationalität und hob die Teilnehmer auf eine universelle Ebene - was ja für die Musik charakteristisch ist. Fast alle Kontinente waren vertreten. Das Quintett bestand beispielsweise aus einer Taiwanerin, der die erste Violine spielte, einem Amerikaner an der zweiten Violine, ein Jamaikaner spielte die Viola, ein Deutscher das Cello und ein Togolese das Klavier. Sie hatten sich zuvor nur dreimal getroffen, um zu proben, und doch gelang es ihnen, dem Publikum ein erhebendes Gefühl der Schönheit zu vermitteln.
Dieses Gefühl der Schönheit spürten alle Teilnehmer des Abends, und auch nach dem Ende des Programms wurde noch lange diskutiert. Vor lauter Freude spielten die Streicher schließlich noch spontan Schuberts „An die Musik“ zu Ehren Robert Schumanns.
Und ich muß immer noch an Keats’ Gedicht denken.
Ali Sharaf
(Liliana Gorini und Karsten Werner halfen bei diesem Artikel)