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Neue Solidarität
Nr. 26, 30. Juni 2010

Wie Jacques Delors zusammen mit Lord Cockfield das Euro-Monster schuf

Nicht nur in den USA führten die Banken und ihre Helfershelfer in der Politik eine Offensive gegen die traditionellen Vorschriften, die die Banken am Spekulieren hinderten, sondern auch in Europa.

Vor den achtziger Jahren unterlag das heute so gepriesene „Universalbanken-Modell“ in allen großen europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland, Italien und zu einem gewissen Grade auch Großbritannien einer engmaschigen Regulierung, die oftmals den Regulierungen durch das Glass-Steagall-Gesetz in den USA entsprach. Mit dem Amtsantritt von Margaret Thatcher und von François Mitterrand sollte sich das allerdings ändern. Beide organisierten auch die Strategie, das wiedervereinigte Deutschland unter den Vertrag von Maastricht und den Euro zu zwingen.

In Großbritannien führte die „Eiserne Lady“ ihre Wirtschaftspolitik von Deregulierung und Privatisierung ein, was zur Deregulierung der Londoner Börse, bekannt als „Big Bang“ von 1986, führte. In Frankreich war es Mitterrands Protégé, der damalige Finanzminister Jacques Delors, der im Januar 1984 ein Gesetz zur „Modernisierung“ des Bankenwesens durchdrückte, mit dem das französische Gesetz vom 2.12.1945, das Depositenbanken von Investmentbanken getrennt hatte, abgeschafft wurde.

Als Delors kurz danach Präsident der Europäischen Kommission wurde, tat er sich mit Francis Arthur Lord Cockfield (1916-2007) zusammen, einem Mitglied des Kronrats der Queen, britischem Tory und Staatsbeamten. Cockfield wurde, nach seiner Zeit als Finanzminister (1979-82) unter Thatcher, Vizepräsident der EU-Kommission. Obwohl man von ihm eher den Kurs von Thatchers „Euroskeptizismus“ erwartet hatte, wurde er zur treibenden Kraft bei der Schaffung des Europäischen Binnenmarkts und aller darauf folgenden europäischen Verträge von Maastricht bis Lissabon. Zusätzlich zum Bereich Binnenmarkt vertraute Delors ihm noch die wichtigen Bereiche der Besteuerung von Finanzinstituten und Unternehmen, Zollunion und indirekter Besteuerung an. Damit hatte Cockfield eine Schlüsselposition inne, als es darum ging die Reformen zur Schaffung des Binnenmarktes zu formulieren.

Die meisten von Delors’ „großen Beiträgen zum Bau von Europa“ wurden in Wirklichkeit von Cockfield entworfen; darunter sind: 1. ein Weißbuch vom 14.6.1985 unter dem Titel „1992“ mit einem präzisen Fahrplan für die Schaffung des Binnenmarktes. 2. die Einheitliche Europäische Akte (EEA), die erste größere Revision der Römischen Verträge von 1957. Mit ihr wurde die Schaffung des Binnenmarktes zum 31.12.1992 als Ziel ausgegeben. Die EEA, auf die Delors so stolz ist, wurde im Februar 1986 unterzeichnet und trat im Juli 1987 während Delors’ Zeit als Kommissionspräsident in Kraft. 3. Der Delors-Bericht, der auf dem Ratstreffen, auf dem die Europäische Währungsunion (EWU) Gegenstand der Beratungen war, vorgestellt und angenommen wurde. Und schließlich 4. der Vertrag von Maastricht.

Wegen seiner prominenten Rolle dabei wird Lord Cockfield auch als der „Vater von Maastricht“ bezeichnet. Er war an der Entscheidung beteiligt, den 31.12.1992 als Frist für die Schaffung des Binnenmarktes anzusetzen, und überzeugte Delors auch von der hochriskanten Strategie, ein vollständiges Programm für den Binnenmarkt im voraus aufzustellen, statt ihn sich schrittweise entwickeln zu lassen.

Nach Maastricht mußten Italien und Deutschland sich zwangsläufig anschließen. In Italien war es Mario Draghi, der 1995 als Generaldirektor des Finanzministeriums das Gesetz entwarf, mit dem das italienische Äquivalent des Glass-Steagall-Gesetzes - das „Bankgesetz von 1936“ - wiederrufen wurde. Für sein Verhalten wurde Draghi großzügig belohnt: Er wurde Vizechef von Goldman Sachs und ist gegenwärtig Gouverneur der Bank von Italien und Vorsitzender des Finanzstabilitätsrates.

sas