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Neue Solidarität
Nr. 25, 23. Juni 2010

Bye bye, Jürgen Elsässer; Bye bye, Volksinitiative

Jürgen Elsässers „Volksinitiative“ präsentierte im Russischen Haus in Berlin Heiner Karuscheits Anti-Amerika-Machwerk „Bye bye, USA“.

Seit einiger Zeit finden im Russischen Haus in Berlin regelmäßig Veranstaltungen der sog. „Volksinitiative“ statt. Der Name läßt zwar erwarten, daß es hier um die Interessen des Volkes geht und darum, daß die Menschen sich engagieren sollen, die Initiative geht in diesem Fall jedoch im wesentlichen nur von dem Autoren und politischen Chamäleon Jürgen Elsässer und seinen Freunden aus.

Elsässer war Anfang der 1990 ein Initiator der „Antideutschen“, also zu dem Zeitpunkt, als die deutsche Wiedervereinigung im Gange war. Elsässer und seine Antideutschen bliesen ins gleiche Horn wie die britische Presse und einige britische Politiker, die vor dem „Vierten Reich“ warnten und Kohl mit Hitler verglichen. Heute distanziert sich Elsässer zwar von den Antideutschen, hat aber bisher nicht ausgepackt, in welchem Interesse die Antideutschen damals standen.

Am Abend des 12. Juni 2010 fand im Russischen Haus in Berlin eine Buchvorstellung und Podiumsdiskussion zum Thema „Bye bye, USA - bye bye Euro!“ statt. Mit dabei war der Ex-Marxist und Autor des Buches Heiner Karuscheit, natürlich Jürgen Elsässer, sowie der Philosoph, selbst ernannte Pearl-Harbor-Experte und renommierte Reiseführerautor Peter Feist. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sandra Müller, die etwas deplaziert wirkte zwischen den älteren Herren, deren Ausstrahlung zwischen Frustration und Selbstverliebtheit schwankte. Das Buch mit dem vollständigen Titel Bye bye, USA - Aufstieg und Fall von Finanzkapital und Militärmacht umfaßt 104 Seiten und bemüht sich, 240 Jahre amerikanische Geschichte und Außenpolitik darzustellen.

Gleich am Anfang bezeichnete Elsässer das Buch als das beste Buch, das er je auf den Markt gebracht habe. Das Buch sei als Schulbuch hervorragend geeignet und leiste einen wesentlichen Beitrag zum Geschichtsverständnis des US-Imperialismus, was angeblich bisher niemand im linken Spektrum in Deutschland als Thema erkannt habe, bis Herr Elsässer Herrn Karuscheit inspirierte, dieses bahnbrechende Meisterwerk über den „Moloch USA“ zu schreiben.

Entsprechend hohe Erwartungen hatte ich, als Karuscheit das Wort ergriff, um dem Publikum eine Lektion in Geschichte zu erteilen. Was folgte, war dann leider nur eine Reihe haarsträubender Behauptungen, die zwar nie bewiesen, dafür aber mit um so größerem Nachdruck zum besten geboten wurden.

So hätten die USA seid ihrer Gründung angestrebt, ihre geographische Lage auszunutzen, nicht nur um den eigenen Kontinent zu besiedeln und zu beherrschen, sondern um von Anfang an selber Seemacht zu werden und als Konkurrent zu den europäischen Mächten im Wettkampf um den Weltmarkt aufzutreten. Die eigentliche imperiale Seemacht sowie Finanz- und Handelsmacht der letzten 240 Jahre, nämlich das Britische Weltreich, war unserem Autor keine Erwähnung wert. Auch nicht die Tatsache, daß die USA ihre Entstehung einem Freiheitskampf gegen dieses Weltreich zu verdanken hat.

Als nächstes meinte unser Autor zu wissen, daß der Angriff auf die Twintowers in New York am 11. September 2001 der erste Angriff auf amerikanisches Territorium seit der Gründung der USA war. Schließlich sei es ja gerade diese Unangreifbarkeit gewesen, die „die Amerikaner“ seit 240 Jahren auf die Idee brachte, selber ein Imperium zu errichten. Der britisch-amerikanische Krieg von 1812-1814, der Bürgerkrieg, bei dem die Südstaaten von den Briten unterstützt wurden, sowie der japanische Angriff auf Hawaii 1941 wurden völlig ignoriert. Übrigens kann ich mich erinnern, daß in Elsässers Kreisen 9/11 bisher immer als hausgemacht bezeichnet wurde. Also was denn nun? Angriff einer fremden Macht - oder eine Operation der eigenen Geheimdienste?

Leider waren das nicht die einzigen groben Schnitzer, denn nun ging Herr Karuscheit auf FDR und die New-Deal-Politik ein. Er bezeichnete die New-Deal-Politik als „ein Viertel Keynesianismus und drei Viertel Hegemonialpolitik“. Nun hätte sich New Deal bestens geeignet, um auf das im Buchtitel angesprochene Thema „Finanzkapital“ einzugehen, schließlich ging es Roosevelt mit seiner Bankreform darum, der Wall-Street den Einfluß auf die Politik zu nehmen und Politik für die vergessenen Männer und Frauen zu machen. Aber Herr Karuscheit setzte nun zum entscheidenden Schlag an, um dem Publikum zu beweisen, daß er von Geschichte keine Ahnung hat. Unser Autor kennt das wichtigste New-Deal-Projekt nicht einmal dem Namen nach. Er spricht von „Tennessee Williams“, erntet Gelächter, vertieft sich für ein paar Sekunden in seine Notizen und spricht nun vom „Tennessee Valley“. Ja, Herr Karuscheit, der Buchautor und Pulitzerpreisträger bzw. der Bau von Staudammprojekten zur Regulierung des Tennesseeflusses und Elektrifizierung der verarmten, ländlichen Regionen im Süden der USA sind zwei verschiedene Themen.

Das waren längst nicht alle Stilblüten unseres Autors: Die USA wollten 1941 um jeden Preis Krieg mit Deutschland und Japan, Hitler wollte keinen Weltkrieg, sondern die USA. Der Völkermord der Nazis sei für die USA kein Kriegsgrund gewesen, sondern die USA wollten die Welt beherrschen. So ging es weiter, bis dieser Spuk endlich ein vorläufiges Ende fand.

Nun kam es zu einer, zum Glück kurzen, Podiumsdiskussion, deren Höhepunkt allerdings darin bestand, daß Herr Feist forderte, daß Deutschland die rüstungspolitischen Lehren der Jahre 1933-1939 ziehen sollte, und nicht, wie Herr Guttenberg es fordert, bei der Bundeswehr zu sparen, sondern eine den USA ebenbürtige Militärmacht aufzubauen. Kein Widerspruch von Karuscheit oder Elsässer. Vielleicht sind unsere drei Herren ja gar nicht gegen Imperialismus, sondern nur gegen Imperialismus von dem sie nichts haben.

Auch interessant war, daß Feist zur Frage der Revolutionen in Deutschland die Ereignisse von 1989-90 gar nicht als friedliche Revolution ansah, sondern nur vom Scheitern der Revolution von 1918 sprach. Das ist doch ein recht deutliches politisches Bekenntnis für jemanden, der in den achtziger Jahren das Privileg hatte, an der Ostberliner Humboldt-Universität marxistische Philosophie zu studieren.

Endlich wurde das Wort dem Publikum erteilt, was es mir und einigen anderen sichtlich beunruhigten Leuten ermöglichte, einen Teil der Lügen bloßzustellen. Den drei Herren wurde vor allem folgendes vorgehalten: Sie kennen keine Primärliteratur derer, die aktiv amerikanische Geschichte (z.B. in der New-Deal-Ära) gestaltet haben. Sie sind nicht informiert über die Massenproteste, die derzeit in den USA stattfinden, die zeigen, daß die Masse der amerikanischen Bevölkerung sich auf die Ideale der Gründerväter besinnt und die desaströse Politik von Bush und nun Obama ablehnt. Sie sind sich nicht der desaströsen Konsequenzen bewußt, die die von britischer Seite befohlenen Morde an Hamilton, Lincoln, Garfield, McKinley, Kennedy und vielleicht auch Franklin Roosevelt hatten. Sie sind sich nicht darüber im Klaren, daß Imperien niemals aus Nationalstaaten - sei es nun Deutschland, die USA oder wer auch immer - entstanden, sondern seit der Zeit des Peleponnesischen Krieges stets von international operierenden Finanzoligarchien organisiert wurden.

Auf all diese Dinge wollten oder konnten sie nicht eingehen. Karuscheit gab jedoch sichtlich destabilisiert zu, daß er noch am Vorabend der Veranstaltung, auf dem Weg nach Berlin, zu sich selbst gesagt habe, daß das Buch noch an einigen Stellen verbessert werden kann, und er bestritt auch nicht, daß er keine Literatur derjenigen kennt, die die amerikanische Geschichte gestalteten. Die Zuhörer waren amüsiert, und spätestens zu diesem Zeitpunkt vom Zauberbann des Abends erlöst. Das beste Buch, das Elsässer je auf den Markt brachte, stellt sich nun als ein Machwerk heraus, demgegenüber Wikipedia als Hort der Wissenschaft gelten muß.

Die Aufregung bei Feist und bei einigen Leuten im Publikum war groß, da diese Intervention offensichtlich von der „LaRouche-Truppe“ kommen mußte. Elsässer scheint es aber nicht an Unverfrorenheit zu fehlen, er wechselte am Ende noch einmal das Thema und behauptet einfach, daß Josef Ackermann von der Deutschen Bank und die „von den Amerikanern geschaffene Springerpresse“ den Euro attackieren würden, damit man ihn dann mit dem US-Dollar fusionieren könnte, damit Deutschland dann die Schulden der USA bezahlen könnte, die ja genau so bankrott seien wie Griechenland. Einige Leute im Publikum ließen sich von diesem Schwachsinn tatsächlich beeindrucken und bekamen es mit der Angst zu tun.

Nun versteht es Jürgen Elsässer, Angst in Haß umzukehren: Er forderte „einen intelligenten Antiamerikanismus“. Als ihm aus dem Publikum die Worte „Volksverhetzung“ und „Für wen arbeiten Sie eigentlich?“ entgegenkamen, wechselte er ein letztes Mal das Thema und sprach wirres Zeug über die Rückkehr zur D-Mark und eurasische Perspektive, ohne zu sagen, warum die D-Mark, welche Perspektive es in Eurasien gibt, oder von wem er diese Slogans übernommen hat, und in welchem Kontext sie ursprünglich auftraten.

Allerdings war der Abend für Elsässer und seine Freunde zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen. Immerhin ist klar geworden, daß sie beim Verdrehen der Köpfe bei sich selbst den größten Erfolg haben, denn bei einem nur halbwegs gebildeten Publikum wird solcher Unsinn abperlen wie Wasser an einer Lotusblume.

Daniel Buchmann