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Als der russische Ministerpräsident Wladimir Putin Ende April mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zusammentraf, rangierte die Zusammenarbeit bei der Atomenergie - sowohl Kernfusion als auch Kernspaltung - ganz oben auf der Tagesordnung. Rußland wird sich an Italiens nuklearer Renaissance beteiligen, und italienische Investitionen werden in russische Anlagen und einen Durchbruch bei der Fusionsforschung fließen.
Beide Länder werden zusammen den Fusionsreaktor „Ignitor“ bauen, einen von dem italienischen Plasmaphysiker Bruno Coppi vom MIT entworfenen Reaktor des Tokamak-Typs. Coppi wird bei der abschließenden Planung des Reaktors, der auf dem Gelände des Troitsker Triniti-Instituts bei Moskau entstehen soll, mit dem Präsidenten des Kurtschatow-Instituts für Atomenergie, Jewgenij Welichow, zusammenarbeiten.
Ignitor ist mit seinen 700 Tonnen Gewicht bei einem Radius von 1,3 Metern ein kleinerer Tokamak als der europäische Versuchsreaktor ITER, der ein Gewicht von 19.000 Tonnen bei einem Radius von 6,2 Metern hat. Mit Ignitor soll nachgewiesen werden, daß die Kernfusion selbst genug Energie erzeugt, um die Fusionsreaktion ohne Energiezufuhr von außen aufrechtzuerhalten. (ITER soll dann die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung aus Kernfusion demonstrieren.)
Im Bereich der herkömmlichen Kernspaltung wird der italienische Stromkonzern ENEL wohl das erste ausländische Unternehmen sein, das ein Atomkraftwerk der dritten Generation auf russischem Territorium baut. Im März hatte Putin bestätigt, daß das geplante Kernkraftwerk in Kaliningrad einer Privatbeteiligung von bis zu 49% offenstehe. Jetzt hat ENEL einen Kooperationsvertrag mit dem russischen Stromkonzern Inter Rao Ues über ein Gemeinschaftsprojekt zum Bau der Anlage in Kaliningrad unterzeichnet. Die Anlage wird zwei Reaktoren der VVER 1200-Technologie umfassen.
Wie Putin ankündigte, will Rußland sich seinerseits am italienischen Atomprogramm beteiligen, mit dem Italien bis zum Jahr 2020 einen Atomanteil von 25% an der Stromversorgung erreichen will. Dabei spielt Frankreich bei Italiens nuklearer Wiedergeburt die „Hebamme“: Die ersten vier Kraftwerke sollen auf der französischen EPR-Technologie aufbauen. Im letzten Jahr gründeten ENEL und Frankreichs EDF ein Konsortium, und am 9. April unterzeichneten das französische Unternehmen Areva und Italiens Ansaldo Nucleare mehrere Abkommen. Außerdem gibt es Vereinbarungen zwischen italienischen und französischen Universitäten über den Wiederaufbau von in Italien verlorengegangenen Qualifikationen.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin kündigte Berlusconi auch eine öffentliche Aufklärungskampagne an, weil Teile der italienischen Bevölkerung panische Angst vor der Vorstellung hätten, daß ein Atomkraftwerk in ihrem „Hinterhof“ steht. Deshalb werde man auch vor der Veränderung der öffentlichen Meinung noch keinen Standort für das erste der vier auf italienischem Boden zu bauenden Kernkraftwerke bekanntgeben. Geplant ist Berlusconi zufolge eine Fernsehkampagne, die sich auf die französischen Erfahrungen stütze. „In Frankreich gibt es zwischen den Bürgern einen richtigen Wettbewerb um Kernkraftwerke, weil man weiß, daß sie eine Menge Arbeitsplätze bedeuten.“
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