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Washington. Die Anhörungen des Senats-Untersuchungsausschusses über die Geschäftspraktiken von Goldman Sachs zeigen, wie überlebenswichtig es ist, die Geschäftsbanken per Gesetz an verantwortungslosen Spekulationen zu hindern.
Der durch die Klage der amerikanischen Börsenaufsicht gegen die Investmentbank Goldman Sachs ausgelöste Skandal hat eine Dynamik in Gang gebracht, die immer mehr an die Pecora-Anhörungen von 1933 erinnert. Die Enthüllungen über die Geschäftspraktiken der großen Wall-Street-Banken hatten damals ein Klima erzeugt, in dem Präsident Franklin Roosevelt seine Bankenreform gegen die Interessen der Wall Street durchsetzen konnte. Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz hatte anschließend die regulären Geschäftsbanken gezwungen, auf spekulative Aktivitäten zu verzichten, während den spekulierenden Investmentbanken normale Bankgeschäfte untersagt wurden.
Schon in der vergangenen Woche schrieben wir in der Neuen Solidarität, daß Goldman Sachs heute die Rolle zufallen könnte, die Anfang der dreißiger Jahre die Investmentbank J.P. Morgan bei den Anhörungen des Pecora-Untersuchungsausschusses spielte. Am 27. April veranstaltete nun der permanente Untersuchungsausschuß des US-Senats unter der Leitung von Sen. Carl Levin eine Anhörung, zu der Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein und andere Führungskräfte der Bank als „Zeugen“ vorgeladen waren. Levin wollte schon im vergangenen Jahr eine Untersuchung nach Pecoras Vorbild in Gang setzen, was jedoch von Obama und der Führung der Demokraten im Kongreß verhindert worden war; nun scheint Levin sich seine zweite Chance nicht entgehen lassen zu wollen.
Seine Anhörung am vergangenen Dienstag demonstrierte jedenfalls vor den Augen der Welt, und vor allem sämtlicher Medien in den Vereinigten Staaten, daß die Wall-Street-Banken parasitäre Einrichtungen sind, die die Volkswirtschaft und die Menschen nicht nur in den USA ausplündern. Levin erklärte, es hätte - unter der unmittelbaren Wirkung der „Pecora-Anhörungen“ über die Verbrechen der Banken und des darauffolgenden Glass-Steagall-Gesetzes von 1934 - durchaus Zeiten gegeben, in der die Wall-Street-Banken das von ihnen gesammelte Kapital Unternehmen verfügbar gemacht hätten, die dieses Geld brauchten.
Aber heute gebe es keinen erkennbaren gesellschaftlichen Wert oder Zweck mehr, der die Existenz des Wall-Street-Kasinos mit ihren Fremdfinanzierungsanteilen von 35:1 oder 40:1 rechtfertigte. „Goldman Sachs ging es gut, als seine Kunden Geld verloren. Sein Verhalten stellt die gesamte Funktion der Wall Street in Frage“, sagte Levin.
Lyndon LaRouche hat wiederholt gefordert, die Wall Street solle im Rahmen einer Konkurssanierung des amerikanischen und des weltweiten Finanzsystems auf der Grundlage eines Glass-Steagall-Standards gänzlich verschwinden. Auf Fragen von Sen.Ted Kaufmann verwies Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein in seiner Antwort ironischerweise selbst auf die Beseitigung des Glass-Steagall-Prinzips (das schon in den achtziger und neunziger Jahren durch Alan Greenspans FED immer mehr ausgehöhlt und schließlich 1999 unter Finanzminister Larry Summers ganz beseitigt wurde) als den eigentlichen Grund für das Verhalten seiner Bank:
Sen Kaufmann: „Trifft es zu, daß Goldman sich in den letzten 30 Jahren immer mehr auf seine eigenen Mittel konzentriert hat und einen immer größeren Anteil seiner Einnahmen aus dem Handel auf eigene Rechnung verdiente, ohne dafür Kunden zu brauchen?“
Blankfein: „Wir haben uns prinzipiell mehr und mehr auf den Handel verlegt...“
Sen.Kaufmann: „Damit haben Sie sich aber immer mehr vom klassischen Investmentbanking entfernt und sich immer mehr dem [Wertpapier-] Handel zugewandt?“
Blankfein: „Nun, ich würde sagen, das ist eine Änderung in der Soziologie des Geschäfts, die sich in den letzten 15-20 Jahren vollzogen hat. Ich weiß nicht, ob das durch die Abschaffung von Glass-Steagall bewirkt wurde oder ob es die Abschaffung von Glass-Steagall verursacht hat. Jedenfalls mußten die US-Institute immer stärker mit globalen Instituten konkurrieren.“
Nach der Beseitigung des Glass-Steagall-Prinzips stürzten sich die großen Geschäftsbanken in reine Kasinowetten und Verbriefungen, als sie mit Investmentfirmen und Versicherungen fusionierten und Finanzderivate im Umfang von Hunderten von Billionen ausgaben. Die Investmentfirmen der Wall Street erhielten bis dahin ungekannte Möglichkeiten, selbst Geld zu verleihen oder aufzunehmen, um die spekulativen „Ramsch“-Geschäfte des Finanzkasinos - und damit ihre scheinbaren Gewinne - weiter aufzublähen.
Aber nicht nur Sen. Levin sieht sich durch den Goldman-Skandal zum Handeln veranlaßt, auch andere Abgeordnete werden aktiv. Bisher 63 Mitglieder des Kongresses unter der Führung der demokratischen Abgeordneten Marcy Kaptur/Ohio verlangen vom Justizministerium, daß die Vorwürfe der Börsenaufsicht und Anhörungen im Kongreß über die Praktiken der Wall-Street-Investmentbanken zu Anklagen gegen diejenigen Finanzinstitutionen führen, die die Blasenwirtschaft zuerst erzeugten und dann kollabieren ließen. Goldman Sachs ist dabei nicht die einzige Zielscheibe.
Marcy Kaptur übergab am 28. April Justizminister Eric Holder einen entsprechenden Brief mit zusätzlichen 140.000 Unterschriften. Darin wird der von der SEC zivilrechtlich untersuchte Wertpapier-Betrugsfall gegen Goldman Sachs dargestellt. Praktiken wie die von Goldman, heißt es darin, hätten zu der jüngsten Finanzkrise beigetragen, die „die amerikanischen Steuerzahler Hunderte Milliarden Dollar an Finanzhilfen gekostet haben“. Zusätzlich hätten private Haushalte zehn Billionen Dollar verloren.
Die Kongreßabgeordneten weisen darauf hin, daß das Justizministerium die Macht habe, diejenigen wegen krimineller Vergehen anzuklagen, „die Finanzbetrug begangen haben... Sollte das Justizministerium sich nicht [bereits] mit diesem speziellen Fall befassen, so bitten wir darum, sicherzustellen, daß das Ministerium umgehend einen Prozeß in dieser Angelegenheit eröffnet, mit der ganzen Autorität und Macht, über die Ihre Institution verfügt. Das amerikanische Volk verlangt und verdient Gerechtigkeit in der Frage der Wall-Street-Banken, die vom amerikanischen Steuerzahler gerettet wurden, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie die Arbeitslosigkeit und Zwangsvollstreckungen zunehmen.“
Das Justizministerium soll jedoch nicht nur in diesem Fall tätig werden soll, so die Unterzeichner. Sie verlangen, daß „in diesem und ähnlichen Fällen weitere Ermittlungen stattfinden, um die Kriminellen anzuklagen, die in diese und andere Betrugsfälle verwickelt sind“. Am 29. April wurde bekannt, daß die New Yorker Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Goldman Sachs eingeleitet hat.
alh