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Stahl und Stahlerzeugnisse begegnen uns überall im Alltag - als Baustahl, im Auto, in der U-Bahn, im Büro, im Krankenhaus, im Lebensmittelgroßmarkt, in der eigenen Wohnung. Deshalb ist das neueste Abkommen der drei weltmarktführenden Kartelle im Eisenerzbereich - Rio Tinto, BHP Billiton, Vale - zur deregulierten „Gestaltung der Erzpreise“ eine Bedrohung für die gesamte Weltwirtschaft. Das Oligopol der drei großen Eisenerzproduzenten, das rund 70 Prozent des weltweiten Eisenerzhandels kontrolliert, kündigte Preisanhebungen zwischen 80 und 130 Prozent an. In Asien erhöhte der weltgrößte, brasilianische Eisenerzlieferant Vale die Preise jüngst um 90 Prozent. Die Brasilianer strichen auch die seit 40 Jahren übliche Laufzeit der Verträge radikal von einem Jahr auf ein Vierteljahr zusammen. Und nicht nur diese Produzenten wollen von dem neuen Preissystem profitieren, auch diejenigen Fonds und Banken, die bereits neue Rohstoffderivate als Grundlage für eine neue weltweite Spekulationswelle entwerfen, rechnen sich Riesengewinne aus.
Andere Rohstoffe folgen schon dem Beispiel von Eisenerz: Bei der Kraftwerkskohle droht eine ähnliche Preisexplosion, nachdem der globale Bergbaukonzern Xstrata mit Sitz in der Schweiz mit einem japanischen Versorger Preisaufschläge von fast 40 Prozent vereinbarte - ein Anstieg von 72 auf nun 98 Dollar pro Tonne. Die Kosten in der Automobil- und Stahlindustrie sowie im Maschinenbau werden deutlich anziehen, und da mitten in der Weltwirtschaftsdepression keine Kompensation über massiv gesteigerten Absatz und steigende Absatzpreise erzielt werden kann, sind nach Schätzungen der deutschen Stahlbranche ein Drittel der dort noch beschäftigten 95.000 Arbeitsplätze kurzfristig bedroht. Schon eine Preissteigerung um zehn Prozent für Rohstoffe wie Kokskohle und Eisenerz belasten die Stahlunternehmen in Deutschland mit jährlichen Zusatzkosten von einer halben Milliarde Euro.
Die Stahlarbeiter schlagen Alarm und fordern das Eingreifen von Bundesregierung und EU-Kommission gegen die Rohstoffspekulanten. Der Gesamtbetriebsrat des größten deutschen Stahlerzeugers Thyssen-Krupp wandte sich Anfang April in einem „Duisburger Appell“ an die Bundeskanzlerin und den Präsidenten der Europäischen Kommission, in dem ein „Stopp der Rohstoffspekulationen“, „faire Wettbewerbsregeln und konsequentes Vorgehen gegen Rohstoffkartelle“ sowie die „Zukunftssicherung des Industriestandorts Europa und Erhalt unserer Arbeitsplätze“ gefordert werden.
Der Thyssen-Krupp-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wilhelm Segerath erklärte, man fordere, daß die Politik das „Oligopol der Eisenerzproduzenten“ in die Schranken weise, denn die Rohstoffkosten allein machten rund Dreiviertel des Stahlpreises aus. Für den Kapitalmarkt verlangt der Betriebsrat ein Ende der Wetten auf Börsenkurse und Staatspleiten und künftig wohl auch Rohstoffpreise, wenn die Erze nur noch am Spotmarkt gehandelt werden, wie die Produzenten es anstreben würden. „Die Produzenten setzen jetzt auf den Handel am Spotmarkt. Das treibt die Preise und Spekulationen... Jetzt ist ein regulativer Eingriff gegen diesen Wahnsinn notwendig.“ Europaweit seien bis zu 200.000 Arbeitsplätze in der stahlerzeugenden und stahlverarbeitenden Industrie gefährdet, deshalb wollen Stahlarbeiter aus ganz Europa mit einem Aktionstag am 22. April in Duisburg ein Zeichen des Protestes setzen.
Die BüSo unterstützt den Aktionstag der Stahlarbeiter voll und ganz und fordert von der Bundesregierung ein Programm zur langfristigen Sicherung und zum Ausbau der Stahlerzeugung als zentralem Aspekt der Reindustrialisierung Deutschlands. Die derzeitige heimische Stahlproduktion ist viel zu niedrig, um sowohl dem Ausbaubedarf der deutschen Infrastruktur wie auch dem Bedarf auf den Exportmärkten für den Maschinen- und Anlagenbau gerecht zu werden. Die Kosten von Roherz wie auch der übrigen wichtigen Rohstoffe für die Industrie sind auf einem kalkulierbaren, fairen Niveau zu halten, das die Endpreise der Industrieprodukte erschwinglich hält und gleichzeitig eine gerechte und menschenwürdige Entlohnung der Arbeiter in den Rohstoffabbaugebieten der Welt ermöglicht. Für Spekulanten ist hier kein Platz, die Preise müssen direkt zwischen Produzenten und Konsumenten im Rahmen von entwicklungsfreundlichen Langzeitabkommen zwischen den Regierungen auf beiden Seiten ausgehandelt werden! Die Kartellbehörden müssen gegen diese Absprache unter den Roherzoligopolen einschreiten, notfalls müssen diese Oligopole als wirtschafts- und beschäftigungsschädigend zerschlagen werden.
rap