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Neue Solidarität
Nr. 15, 14. April 2010

Allgemeines Entsetzen über EZB-Dogmatismus

Zentralbank. EZB-Chef Trichet empfiehlt den Regierungen brutale Sparmaßnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen - für die Wiederbelebung der Wirtschaft sei er nicht zuständig.

Die allmonatliche Pressekonferenz des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, diesmal am 8. April im Frankfurter Euro-Turm, geriet zum „Kommunikationsdisaster“, weil für den größten Teil der Journalisten nun endgültig sichtbar wurde, wie sehr sich die maßgeblichen Banker der EZB hinter ihren starren Glaubenssätzen verbarrikadiert haben. Auf Fragen der Presse, doch einmal eindeutig zu erklären, ob der Euro durch die am Falle Griechenlands sichtbare Krise in Gefahr sei, ob die EU zusammen mit dem IWF nun Notkredite vorbereitet oder nicht, ob diese nicht letztendlich eine illegale Subvention der griechischen Banken und Staatsfinanzen durch die Steuerzahler der übrigen EU-Staaten darstellen, weigerte sich Trichet zu antworten. Zwar betonte er wiederholt, er habe sich „kristallklar“ ausgedrückt und brauche nicht weiter zu kommentieren, aber die Journalisten ließen nicht locker und hielten Trichet Zitate aus Interviews vor, in denen er sich negativ und arrogant zu Griechenland geäußert hatte, obwohl er nun behauptete, er habe sich niemals derart geäußert.

Viele Fragen wollte Trichet überhaupt nicht kommentieren, und eine Journalistin beschwerte sich unter hörbarer Zustimmung der meisten übrigen anwesenden Kollegen, Trichet wolle doch, daß man über ihn schreibe, da müsse er schon auf Fragen antworten. Trichet zog sich jedoch hinter die wiederholte Behauptung zurück, die EZB habe sich in der Krise bewährt, sie habe ihre Pflicht getan, es sei nun an den Regierungen, nicht nur der griechischen, „gute und solide Ausgabenpolitik“ zu verfolgen, „extrem kühne strukturelle Reformen“ durchzusetzen und die „Ausgabenkonsolidierung spätestens im Jahr 2011 in Gang zu bringen“. Nach der „größten Finanzmarktkrise seit 1945“, so Trichet, sei die „Erholung der Wirtschaft wieder in Gang gekommen,“ aber realwirtschaftlich, das heißt auf dem Arbeitsmarkt, „werden die Probleme noch eine ganze Zeit vorherrschen - das zeigt die Erfahrung“.

Fragen der beiden anwesenden Journalisten der Nachrichtenagentur EIR setzten Trichet zusätzlich unter Druck: Claudio Celani sprach den Punkt an, daß die spanischen Probleme wesentlich größer als die griechischen sind, daß sich hinter der Krise der nominell spanischen Großbank Santander eine viel größere Krise Brasiliens zusammenbraue, und ob es nicht an der Zeit sei, die giftigen Anleihen über ein neues Glass-Steagall-Gesetz auszusortieren. Trichet versuchte, dem Thema mit der Bemerkung auszuweichen, es sei „nicht nur Spanien, nicht nur Europa, es ist weltweit, daß die Probleme existieren“, aber da gebe es angeblich hochqualifizierte Institutionen wie die G-20 und das Global Stability Board. Auf Nachfrage Celanis nach dem Ende der Pressekonferenz zum Thema „Glass-Steagall“ sagte Trichet, das sei „ja ein amerikanisches Gesetz“ und deshalb gar nicht für Europa geeignet, und kommentieren könne er das deshalb auch überhaupt nicht.

Trichet mauerte genauso auf die die Frage von Rainer Apel, wer sich denn, da sich alle europäischen Institutionen wie auch die EZB hinter den Maastrichter Kriterien verschanzten, in der EU endlich einmal um die realwirtschaftlichen Probleme kümmere - wie zum Beispiel die dramatisch steigende Arbeitslosigkeit unter EU-Bürgern unter 25 Jahren, von denen in Spanien fast jeder zweite bereits ohne Arbeit sei. Die EZB sei da gar nicht zuständig, so Trichet, die habe ihre Pflicht getan, es sei jetzt Aufgabe der Regierungen, da etwas zu tun durch strikte Ausgabendisziplin - also drastische Ausgabenkürzungen. Diejenigen Länder, die das bereits in Gang gebracht hätten, stünden auch schon weitaus besser da als diejenigen, die das nicht gemacht hätten, behauptete Trichet, und machte so für jeden der Anwesenden erneut deutlich, daß die EZB-Monetaristen am Ende ihres Lateins sind.

Etliche der Journalisten zeigten sich im Gespräch nach der Pressekonferenz schockiert darüber, daß Trichet nicht die geringste Bereitschaft erkennen ließ, sich mit der Wirklichkeit der Krise zu befassen. Eine Journalistin sagte, sie habe ohnehin den Verdacht, daß EZB und EU die Lage in Griechenland lediglich als Vorwand benutzten, um Dinge durchzudrücken, die man sonst nicht so durchdrücken könnte.

In der Tat: In der Haltung der Lissabon-Vertrag-Eurokraten wie Trichet wird der unselige Geist der Marie Antoinette sichtbar, die vor 220 Jahren den hungernden, nach Brot schreienden Franzosen riet, doch statt dessen Kuchen zu essen. Nur daß es heute nicht mal Kuchen gibt, sondern nur einen Haufen wertloser Giftanleihen, den die Bürger hier zusammen mit der EZB beweihräuchern sollen.

rap