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Neue Solidarität
Nr. 14, 7. April 2010

Sheikh Hasina Wajeds Geniestreich

Von Ramtanu Maitra

Durch den Vorschlag der Premierministerin von Bangladesh, Sheikh Hasina Wajed, die Wasserressourcen des Brahmaputra-Beckens gemeinsam zu erschließen und zu nutzen, werden die Beziehungen in der Region völlig neu definiert.

Ein großes multinationales Flußentwicklungsprojekt, das seit den siebziger Jahren diskutiert wurde und das Leben von Hunderttausenden der ärmsten Menschen Asiens retten oder verbessern wird, die jetzt noch ständig von Hochwasser und Krankheiten bedroht sind, ist endlich auf dem Weg zu seiner Realisierung.

Am 22. März erklärte Bangladeshs Außenminister Dipu Moni bei einer Pressekonferenz in Dhaka, Bangladeshs Premierministerin Sheikh Hasina Wajed habe ihrem chinesischen Gastgeber Wen Jiabao bei ihrem Besuch in China vom 17.-19. März vorgeschlagen, sich am Aufbau einer gemeinsamen Regelung für das gesamte Brahmaputra-Becken zu beteiligen. „Sie haben das als einen guten Vorschlag bezeichnet. Diesen Vorschlag haben wir auch Indien gemacht“, sagte Dipu Moni.

Schon im Januar hatte Premierministerin Sheikh Hasina Wajed einen höchst erfolgreichen Staatsbesuch in Indien absolviert, um eine engere Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer bei der Bekämpfung des Terrorismus und dem Aufbau einer neuen Zukunft durch Handel und Verkehr herbeizuführen. Bei diesem ersten Staatsbesuch in Indien seit ihrer Wahl im Dezember 2008 hatte Indiens Premierminister Manmohan Singh die Einrichtung einer Kreditlinie über 1 Mrd. $ bekannt gegeben, um die wirtschaftliche Entwicklung Bangladeshs zu fördern - der größte Kredit, den Indien je an ein anderes Land vergeben hat.

In dem gemeinsamen Kommuniqué, das am 19. März zum Abschluß ihres Besuchs in Beijing veröffentlicht wurde, heißt es: „Die beiden Seiten [Bangladesh und China] diskutierten über die Notwendigkeit eines regelmäßigen Austauschs von Informationen und Konsultationen über die Nutzung der Wasserressourcen des Yarlu Zangbu/Brahmaputra, um eine nachhaltige und beiden Seiten nützliche Kooperation in dieser Hinsicht zu vereinbaren.“

Ein früheres Mitglied der Gemeinsamen Flußkommission von Indien und Bangladesh erklärte, man sollte eine gemeinsame Regelung für alle 54 Flüsse einrichten, die Bangladesh und Indien teilen, und alle Anrainerstaaten der Zuflüsse sollten sich an der Gemeinsamen Flußkommission beteiligen, auch Bhutan und Nepal.

Der mächtige Brahmaputra, Sohn des Schöpfers Brahma

Daß es notwendig war, den Brahmaputra zu regulieren, hatte man schon Anfang der siebziger Jahre erkannt, nachdem Bangladesh unabhängig geworden war. Damals führte der Westen einen heftigen Kalten Krieg, insbesondere gegen die Sowjetunion. Während Indien als nichtpaktgebundene Nation der Sowjetunion näher stand als dem Westen, wurde Bangladesh, das aus der Asche Ostpakistans auferstanden war, völlig von den westlichen Mächten abhängig. Der von den USA und dem IWF gedeckte saudisch-britische Einfluß auf Bangladesh verurteilte alle Vorschläge, das Wasser des Brahmaputra im Rahmen einer Regelung für das gesamte Flußbecken zu regulieren und zu nutzen, von vornherein zum Scheitern.

Der 2840 km lange Brahmaputra entspringt in 6000 m Höhe im Südwesten Tibets in China und fließt zunächst ungefähr 1130 km weit in östlicher Richtung, bevor er sich nach Süden wendet. Dann fließt er rund 480 km in südlicher Richtung, dann rund 650 km westwärts durch die indischen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam und Meghalaya, bevor er die Grenze nach Bangladesh überschreitet, wo er nach rund 240 km in den Padma mündet, einen der beiden großen Arme des Ganges. Nach seiner Mündung in den Ganges in Bangladesh wird er Jamuna genannt.

Innerhalb Bangladeshs schwankt die Breite des Flußbetts zwischen 2 und 12 km. Im Winter und im Sommer, wenn der Wasserstand besonders niedrig ist, wird er durch Sandbänke in ein Geflecht zahlreicher Nebenarme aufgeteilt. Luftbilder des Stroms zeigen diese vielen Kanäle, Sandbänke und Inseln und damit auch, daß es sich um einen Strom mit geringer hydraulischer Effizienz und starker Sedimentlast handelt.

Die durchschnittliche Wasserführung beträgt etwa 20.000 m3/sec, das ist etwa das Doppelte des Ganges. Dieses Wasser stammt vor allem aus der Schneeschmelze in China auf der Nordseite des Himalaja. In Arunachal Pradesh, Assam und Maghalaya und im Norden Bangladeshs gibt es starke Regenfälle, die dem Strom ebenfalls eine Menge Wasser zuführen.

Das Becken des Brahmaputra umfaßt insgesamt 54 Flüsse, von denen der Brahmaputra der größte ist. Ein weiterer großer Strom dieses Gebiets ist der Meghna, der zusammen mit dem Surma ein Flußsystem bildet, das östlich des Brahmaputra durch Bangladesh fließt. Einer der beiden Hauptarme des Surma, der Barak, fließt am Südrand des Einzugsgebietes von Nagaland und Manipur. Beide Arme fließen schließlich in den Meghna. Der untere Meghna ist nach dem Zufluß des Surma einer der breitesten Ströme der Erde und erinnert fast an ein Süßwassermeer.

Hier kommen die drei großen Flüsse der Region - der Padma, der Brahmaputra und der Meghna - zusammen. In der Zeit des Monsun (Juni bis September) strömt dann die gesamte Wassermenge der Flußsysteme des Ganges, Brahmaputra und Meghna mit großer Gewalt durch das völlig ebene Bangladesh und überschwemmt fast jedes Jahr große Teile des Landes. Jedesmal werden dabei große Mengen von Schlamm über die überschwemmten Gebiete verteilt. Bei den beiden besonders schweren Hochwassern von 1987 und 1988 wurden 40% des Territoriums von Bangladesh überschwemmt.

Andererseits reduziert der niedrige Wasserstand dieser Flüsse in der Trockenzeit die für die Landwirtschaft verfügbare Wassermenge beträchtlich. Schon seit den siebziger Jahren bereitet die starke Wasserentnahme aus dem Ganges in Indien immer größere Probleme.

Vorschläge für das Großprojekt

Aufgrund der Schäden, die hierdurch immer wieder im Becken des Brahmaputra verursacht werden, wurden in der Vergangenheit zahllose Vorschläge für die notwendige Regulierung der Flüsse gemacht, u.a. von Lyndon LaRouche, der sowohl in seinen Schriften wie in mehreren Reden auf internationalen Konferenzen immer betonte, wie notwendig dieses lebenserhaltende Projekt sei.

1978 gründeten Indien und Bangladesh eine Gemeinsame Flußkommission, um für eine bessere Wasserführung des Ganges zu sorgen. Während Bangladesh vorschlug, das Wasser in der Hochwasserzeit durch den Bau von Staudämmen und Reservoirs vor allem in Nepal zurückzuhalten, konzentrierte sich der indische Vorschlag darauf, Wasser aus dem Brahmaputra-Becken durch einen Kanal zum Ganges zu leiten. Das indische Argument lautete, daß dies auch die Hochwassergefahr am Brahmaputra verringern würde, weil die Schneeschmelze am Nord- und Südhang des Himalaja zwei Monate vor dem Hochwasser des Ganges eintritt. Indien hatte gute Gründe, vor allem an einer solchen Transfer-Lösung interessiert zu sein. Ein beträchtlicher Teil der Wasserressourcen Indiens liegt im Brahmaputra, der jedoch durch einen abgelegenen Teil des Landes fließt und weit von den Gebieten entfernt ist, in denen dringend Wasser gebraucht wird. 29% der gesamten Wassermenge der indischen Flüsse strömt durch den Brahmaputra, der somit eines der großen verfügbaren Wasservorkommen des Landes starstellt.

Später, Anfang der achtziger Jahre, nahm Japans Mitsubishi Research Institute (MRI) die Regulierung des Brahmaputra, um die Überschwemmungen und die damit verbundenen Schäden in Bangladesh zu verhindern, in seinen Vorschlag für zehn internationale Großprojekte mit auf. Das Projekt sieht vor, einen großen Teil des Wassers vom Yarlu Zangbu (wie der Brahmaputra in China genannt wird) am nördlichen Rand des Himalaja durch einen Tunnel durch den Himalaja an der Grenze zwischen Bhutan und Nepal direkt nach Bangladesh zu leiten. Es ist unklar, wieweit dieser Vorschlag des MRI zur Kenntnis genommen wurde.

Geopolitische Störmanöver

Aber keiner der Vorschläge wurde je mit der Absicht aufgegriffen, sie zu realisieren. Der Hauptgrund hierfür war das tiefe Mißtrauen zwischen Indien, Bangladesh und Nepal, das die Geopolitiker im In- und Ausland im Rahmen des Kalten Krieges schürten. Nicht minder wichtig war, daß China sich damals nicht an den Diskussionen über diese Frage beteiligte. China war abgeschlossen und isoliert, und es blickte nicht über seine Grenzen.

Die Opposition gegen die Nutzung und Regelung des Wassers im Brahmaputra-Becken kam vor allem von Seiten sogenannter „Umweltschutzgruppen“, wie z.B. International Rivers (früher International Rivers Network), und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Diese Kampagnen wurden nach dem Ende des Kalten Krieges unvermindert fortgeführt. Von der UNO unterstützte NGO sind stark beteiligt am Widerstand gegen verschiedene Staudamm- und Wasserkraftprojekte, die im Nordosten Indiens in Planung oder im Bau sind.

Im vergangenen November erklärte Viktoria Tauli-Corpuz, die Vorsitzende des Permanenten Forums der UNO für Eingeborenenfragen im Rahmen eines Vortrags in Shillong im indischen Bundesstaat Meghalaya, sie sei gegen den Plan, große Dämme im Nordosten Indiens zu bauen, weil solche Entwicklungsprojekte in die Rechte der örtlichen eingeborenen Stämme eingreifen würden: „Ich habe erfahren, daß die Regierung vorschlägt, etwa 100 Dämme im Nordosten Indiens zu bauen. Das wäre zwar eine saubere Energiequelle, aber sie sollten nicht auf Kosten der Rechte der lokalen eingeborenen Menschen durchgeführt werden.“

Tauli-Corpuz ist eine jener typischen „Umweltschützer“ und verdankt ihre Autorität als Vorsitzende des Eingeborenen-Forums einem Geschäftspartner des Rauschgiftpropagandisten George Soros: dem britischen Lord Mark Malloch-Brown, der als Verwalter des Entwicklungsprogramms der UNO (UNDP) 2000 den UNDP-Beirat für Organisationen der Zivilgesellschaft (UNDPCSO) gründete, um ihn bei der Orientierung, Ausrichtung und Planung von UNDP-Programmen aus der Sicht der „Zivilgesellschaft“ zu beraten. Er beauftragte Tauli-Corpuz, den UNDPCSO zu leiten, und sie nutzte diesen Posten dazu, für das UNDP eine Politik des „Engagements für eingeborene Völker“ ins Leben zu rufen.

Aber London wiegelte nicht nur die „eingeborenen Völker“ gegen solche Projekte auf, es schürte auch das Mißtrauen Neu-Delhis gegen China. So erschien beispielsweise am 20.11. 2006 ein Artikel in der Londoner Times, in dem behauptet wurde, Millionen Menschen fürchteten, daß China ihnen ihr Wasser stehlen wolle, was jeder Grundlage entbehrte.

In dem Artikel hieß es: „China erwägt den Bau von Dämmen am Brahmaputra, der als Yarlu Zangbu in Tibet entspringt, bevor er durch den Nordosten Indiens und durch Bangladesh zur Bucht von Bengalen strömt. Die Idee ist, einen großen Teil des Wassers zum gelben Fluß umzuleiten, um die Wasserknappheit in Nordchina zu mildern, die das Wirtschaftswachstum und die soziale Stabilität des Landes bedroht. Aber diejenigen, die am Unterlauf leben, fürchten, daß das Projekt ihnen eine Wirtschafts- und Umwelt-Katastrophe bringen und Indiens eigene Pläne, das Wasser des Brahmaputra zu nutzen, bedrohen würde.“

Weiter heißt es darin: „Chinesische Beamte bestreiten, daß der Plan angenommen worden sei, und viele Experten halten ihn für Phantasie. Aber indische Vertreter zweifeln daran und denken an Chinas Neigung zu gigantischen Wasserprojekten und an sein undurchsichtiges politisches System. Die Kontroverse illustriert die andauernden Reibungen zwischen Indien und China, die 1962 einen Grenzkrieg führten und sich nun in einem Wettlauf um den Status einer Supermacht befinden. Indien regt sich schon lange über Chinas Verkäufe von Waffen und Nukleartechnik an Pakistan auf. Diese Spannungen zeigten sich auch in der vergangenen Woche wieder, als Sun Yuxi, Chinas Botschafter in Indien, Beijings Anspruch auf den nordostindischen Bundesstaat Arunachal bekräftigte... Nur wenige glauben, daß China tatsächlich in Arunachal einmarschieren würde, aber es bestehen echte Sorgen, daß es eines Tages das Wasser des Brahmaputra für sich beanspruchen könnte.“

Neben diesem unverhohlenen Versuch Londons, Zwietracht zwischen China und Indien zu säen, ist diese Frage auch eines der Lieblingsthemen der „Aktionisten“ - der britisch-saudischen und vom pakistanischen Geheimdienst ISI finanzierten und geschützten Dschihadisten. Man betrachte z.B. die Reaktion der Dschihadisten in Bangladesh auf den vorgeschlagenen Tipaimuk-Damm am Barak-Strom im indischen Bundesstaat Manipur an der Grenze zu Myanmar. Bangladeshs ehemalige Premierministerin Begun Khaleda Zia, ein Dienstmädchen des saudisch-dschihadistischen Netzwerks des ISI, ist nun Wortführerin der NGO und Umweltschutzgruppen, die sich gegen den Bau des Dammes wehren. Im vergangenen Jahr, nachdem sie eine entscheidende Niederlage bei der Parlamentswahl erlitten hatte, schickte sie einen Brief an den indischen Premierminister Manmohan Singh, in dem sie ihn aufforderte, das Staudammprojekt aufzugeben. Dabei ist sie sich darüber im klaren, daß Sheikh Hasina Wajed nicht bereit war, sich gegen den Bau des Dammes auszusprechen, nur weil dieser von Indien gebaut wird. Sie nutzte ihren neuerworbenen Ruf als „Umweltschützerin“, um die Dschihadisten und ihre finanziellen Unterstützer aufzuhetzen. Während ihres Besuchs in Indien diskutierte Sheikh Hasina die Frage mit Neu-Delhi, und die beiden Länder gründeten Arbeitsgruppen, um zu diskutieren und zu klären, was durch den Bau des Staudamms erreicht werden kann.

Was steht auf dem Spiel?

Die gemeinsame Entwicklung des Brahmaputra-Beckens, wie sie Sheikh Hasina Wajed vorgeschlagen hat, ist ein Geniestreich, denn wenn dies angegangen und schließlich vollendet würde, wäre es eine Gezeitenwende für die ganze Region. Das Projekt würde Indien, Bangladesh und China in eine Zusammenarbeit mit den Grenzstaaten zwischen Indien und China hineinholen, um bei großen Wasserregulierungsprojekten zusammenzuarbeiten, und mit Sicherheit eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Entwicklung der Infrastruktur umfassen. China würde, da es, anders als die übrigen beteiligten Staaten, bei diesen Projekten keinen unmittelbaren Nutzen verfolgt, als eine Nation dastehen, die darauf aus ist, den Erfolg von Infrastrukturprojekten in seiner Nachbarschaft zu fördern.

Der eigentliche Nutznießer des Projektes wäre die Bevölkerung, die derzeit unter prekären Bedingungen in der Region lebt und größer ist als die Bevölkerung Westeuropas oder Nordamerikas. Es ist ein offenes Geheimnis in Indien, daß die Region seit Jahrzehnten in Unruhe ist, was den Rauschgiftschmuggel fördert, der überall im Nordosten zum Mißbrauch von Drogen führt und dazu dient, die Sezessionisten zu bewaffnen, die im Golf von Bengalen und der Andamanensee operieren. Auch im benachbarten Myanmar gibt es eine Reihe mächtiger Rebellengruppen, die mit den Aufständischen im Nordosten Indiens verbunden sind.

Ein großer Teil der illegalen Waffenlieferungen nach Indien kommt aus Kambodscha. Die Schmuggelroute soll dem Vernehmen von den Ranong-Inseln vor der Küste von Thailand ausgehen und von dort über die Andamanensee nach Cox Basar an der Küste von Bangladesh führen. Von hier aus werden die Waffenlieferungen in kleinere Lieferungen aufgeteilt und auf verschiedenen Wegen zu verschiedenen Zielen in Myanmar und im Nordosten Indiens gebracht.

In den letzten Tagen haben mehrere Beobachter darauf hingewiesen, daß viele der aufständischen Gruppen inzwischen Operationsbasen in Bangladesh eingerichtet haben, und daß sich mehrere ihrer führenden Figuren seit langem in diesem Land aufhalten. Während Begum Khaleda Zia auf offizieller Ebene die Präsenz dieser Aufständischen oder ihrer Lager im Land stets abgestritten hat, streckte das vom Militär unterstützte Regime in Dhaka im Januar 2007 Fühler nach Indien aus und ließ es wissen, daß man gegen viele der im Land operierenden aufständischen Gruppen vorgegangen sei. Aufgrund der Protektion, die die britisch-saudischen Interessen den Dschihadisten in Bangladesh gewährten, wurde Dhaka lange Zeit von zahlreichen nordost-indischen Terroristen als sicherer Unterschlupf und Treffpunkt genutzt, um Operationen vorzubereiten. All das könnte nun bald Geschichte sein.