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Die erste große Streikwelle der Gewerkschaften in Spanien und Griechenland gegen die von der EU diktierten Sparmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen kann sich durchaus zu einem europaweiten Massenstreik ausweiten.
Bereits am 10. Februar, dem Tag vor dem EU-Gipfel, begann in Griechenland der Dachverband der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ADEDY) mit einer Streikaktion, an der sich 500.000 seiner 600.000 Mitglieder beteiligten. Der Chef der Gewerkschaft der Steuerbeamten Jannis Grivas erklärte dazu: „Das Spekulationsspiel wird auf Kosten der Arbeitnehmer gespielt.“
Am 24. Februar schloß sich ADEDY dem 2 Mio. Mitglieder starken Allgemeinen Griechischen Gewerkschaftsverband (GSEE) bei der Durchführung eines eintägigen Streiks an, der das Land praktisch lahmlegte. Auf einer Kundgebung in Athen zeigten die Teilnehmer Banner mit Parolen wie „Die Krise muß von der Plutokratie bezahlt werden“ und „Die Märkte sollten die Krise bezahlen“ und sie riefen: „Brennt die Banken nieder!“
Nicht weit von der Demonstration entfernt hielten sich Inspektoren der EZB und des IWF in Athen auf, um der Regierung die Forderung der „EU-Junta“ nach weiteren Kürzungen zu überbringen. Doch wie es in einem Editorial in der griechischen Tageszeitung Eleftherotypia hieß: „Das Inspektorenteam erhielt einen Eindruck von der dynamischen Reaktion der griechischen Arbeitnehmer auf den enormen Druck aus Brüssel.“
„Das ist die rote Linie“, erklärte der Chef der Gewerkschaft der Flughafenarbeiter Nikos Goulas am 25. Februar gegenüber dem britischen Guardian. „Griechenland ist nicht Irland. Wenn die Regierung nicht nachgibt, wird es große Unruhen geben.“ Bei diesen Worten stand er neben einem Banner mit der Aufschrift „Wie sehr ihr uns auch terrorisiert, diese Maßnahmen kommen nicht durch“.
In Spanien begannen die großen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO am 23. Februar eine zweiwöchige Streik- und Kundgebungskampagne gegen die „Arbeitsreformen“ der Regierung Zapatero. Allein in den drei größten Städten Spaniens - Madrid, Barcelona und Valencia - demonstrierten ungefähr 200.000 Menschen, hinzu kamen Kundgebungen in weiteren Städten. Die Mobilisierung soll sich über 12 Tage und 57 Städte erstrecken. Ihr Motto lautet: „Verteidigt die Renten! Nein zum höheren Renteneintrittsalter! Einschnitte in das soziale Netz sind keine Lösung.“ Solche Maßnahmen will London über die EU-Bürokratie Spanien diktieren.
Griechenland und Spanien geben einen Vorgeschmack darauf, was in ganz Europa bevorsteht. In Portugal, das als nächstes auf die Schlachtbank der Banker-Diktatur geführt werden soll, kündigte der Gewerkschaftsverband für März einen Generalstreik an. In der Tschechischen Republik drohte die Gewerkschaft der Transportarbeiter mit Streiks im landesweiten Eisenbahnnetz und dem Prager Nahverkehr. Die Gewerkschaft des Flugbegleitpersonals bei British Airways steht vor einem Streik, und die Piloten der Deutschen Lufthansa begannen am 22. Februar mit einem Ausstand, den sie nach einem Tag für neue Verhandlungen suspendierten. In Frankreich kam es zu einem fünftägigen Streik der Mitarbeiter der Flugsicherung.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese von den Gewerkschaften organisierten Generalstreiks zu sehr viel politischeren Massenstreiks werden, die weitere Kreise der Bevölkerung und der politischen Institutionen erfassen. Das bevorstehende Referendum in Island über die Frage der Entschädigung von Anlegern der zusammengebrochenen Bank Icesave, die die isländische Regierung mit Großbritannien und den Niederlanden ausgehandelt hatte, ist ein derartiger Fall. Es wird ein überwältigendes „Nein“ erwartet.
In einem Interview mit dem Handelsblatt vom 23. Februar erklärte Prof. Wilhelm Hankel, wenn die EU und die deutsche Regierung Griechenland oder ein anderes EU-Land mit Finanzhilfen stützen, sehe er zusammen mit den Professoren Nölling, Starbatty und Schachtschneider jetzt bessere Chancen als 1998, ein Gerichtsurteil gegen den Euro zu erwirken.
Hankels Erklärung gilt als Antwort auf Meldungen vom Vortag, wonach das deutsche Finanzministerium derzeit Pläne für eine finanzielle Rettung Griechenlands durch die EU noch im März entwirft. Die Gesamtsumme soll bei 25 Mrd. Euro liegen, davon entfielen 5 Mrd. auf den deutschen Steuerzahler. Solche Finanznothilfen sind nicht nur nach dem existierenden EU-Recht verboten, sondern auch nach dem historischen Urteil des deutschen Verfassungsgerichts vom 30.6.2009, das Grenzen für EU-Entscheidungen festlegt, wenn die deutsche Souveränität betroffen ist. Prof. Schachtschneider gehörte bei diesem Prozeß 2009 zu den Anwälten der Kläger.
In dem Handelsblatt-Interview betont Hankel, die jüngste Krise in der EU habe die Hauptargumente der vier ursprünglichen Kläger gegen den Euro von 1998 vollauf bestätigt. So zeige sich die inflationäre Dynamik und der eingebaute Zwang zu Finanzrettungsaktionen im Euro-System, das einen Geldtransfer von den stärkeren auf die schwächeren Volkswirtschaften der Eurozone über die Europäische Zentralbank (EZB) ermöglicht.
Seiner Einschätzung nach könne das Eurosystem nur überleben, wenn es auf einen Kern „starker“ Volkswirtschaften wie Deutschland reduziert wird, während Griechenland und die anderen „schwachen“ Länder zu ihren Landeswährungen zurückkehren. Hankels Ankündigung einer neuen Klage könnte weitere, ähnliche Initiativen nach sich ziehen; dies zeigen die positiven Reaktionen auf die intensive Kampagne der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) in den letzten Wochen gegen das gescheiterte Eurosystem und für eine Rückkehr zu nationalen Währungen, einschließlich der D-Mark für Deutschland.