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Aus der Neuen Solidarität Nr. 6/2009

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Das Engagement der Bürgermeister

Im Wortlaut. An der Veranstaltung der Solidarité et Progrès beteiligten sich Bürgermeister und Lokalpolitiker, die über die Krise in den ländlichen Gemeinden berichteten.

An der Diskussionsrunde über die Auswirkungen der Krise auf die ländlichen Gebiete nahmen zwei Bürgermeister persönlich teil, mehrere andere schickten schriftliche Beiträge, die während der Konferenz verlesen wurden. Hubert Trapet, Bürgermeister von Pontigny/Yonne (Burgund) und Robert Weber, von 1986-2008 Bürgermeister von Abreschwiller im Moseldepartement, berichteten über die einschneidenden Folgen der Finanzkrise und des allgemeinen Rückzugs des Staates für ihre Kommunen. An ihren Beiträgen konnte man ermessen, wie stark sich diese gewählten Volksvertreter, die auf lokaler Ebene für das Gemeinwohl verantwortlich sind, tagtäglich engagieren.

Weitere Beiträge die verlesen wurden, kamen von Jean-Jacques Billaz, ehemaliger sozialistischer Bürgermeister (1981-2008) von Saint-Pierre-d’Allevard (Département Isère), Colette Macquart, Bürgermeisterin von Chambrecy (Region Champagne-Ardenne), Paul Fromonteil, stellvertretender Vorsitzender des Rats der Region Poitou-Charentes, Alain Marsac, ehemaliger Bürgermeister (1995-2008) von Montreuil-le-Gast (Bretagne), und Jean-Pierre Mondy, ehemaliger Bürgermeister (2001-2008) von Plesder (wie Montreuil-le-Gast im Département Ille-et-Vilaine gelegen). Wir geben im folgenden zwei dieser Beiträge wieder.

„Die Krise hat eine kritische Schwelle überschritten“

Paul Fromonteil, Vizepräsident des Regionalrates von Poitou-Charentes

Wie jeder regionale und lokale Volksvertreter kann ich in einigen sehr konkreten Bereichen die Folgen der ultraliberalen Ausrichtung der europäischen Politik ermessen - eine weltweit vorherrschende Ausrichtung, die in den Entscheidungen des Präsidenten der Republik und der Regierung umgesetzt wird.

Ich bin Vizepräsident des Regionalrates von Poitou-Charentes und zuständig für das Programm Vivre ensemble (Zusammen leben), das die Kultur, soziale Bindungen, Sport und Wohnen in einer gemeinsamen gesellschaftlichen Vision umfaßt. In diesen Bereichen gefährden die Folgen eines sogenannten „freien und unverfälschten“ Wettbewerbs unmittelbar die Idee des „Gemeinwohls“ für Menschen, die nicht als „Masse“ leben möchten, sondern so, daß jedes einzelne Leben und jede Individualität die Gesamtheit der Menschheit bereichert.

Die Verantwortung für die Finanzierung von Kultur und Sozialem auf die Regionen und Kreise zu übertragen, heißt in der Praxis, die Substanz dieser Kultur als unabdingbares Grundelement für die Gesellschaft und für jeden einzelnen in Frage zu stellen. Es stellt die Auffassung in Frage, daß das Soziale eigentlich die Grundlage einer dauerhaften, solidarischen und bürgerlichen Entwicklung bildet.

Als Abgeordneter aus der Gegend der Kleinstadt Châtellerault kann ich ermessen, welchen Schaden solche ultraliberalen Entscheidungen für den Arbeitsmarkt bedeuten, der sich hier besonders auf Automobilzulieferer und Luftfahrt stützt: In einem Großraum von 50.000 Einwohnern sind 3-4000 Arbeitsplätze abgebaut oder stark gefährdet. Selbst für die Unternehmen im Luftfahrtbereich, mit vollen Auftragsbüchern für die kommenden Jahre, sind die Sorgen über die weitere Entwicklung der Märkte sehr real.

Ich kann also bezeugen, daß die Folgen der Krise schon tiefe Spuren in der Realität vor Ort hinterlassen und in das Alltagsleben der Bevölkerung eindringen. Wirtschaft, Kultur, Soziales, zwischenmenschliche Beziehungen bilden ein Ganzes - heute werden sie ins Wanken gebracht.

Alle Bereiche sind betroffen. Zwei Beispiele:

1. Verkehr: Erstmals wird ein Teil des Liniennetzes des TGV [französischer ICE] privatisiert. Der neue Streckenabschnitt zwischen Tours und Bordeaux wird, ausgeschrieben auf dem europäischen Markt, durch ein privates Konsortium gebaut. Dies gefährdet die Einheit des französischen Schienennetzes und wird schwere Konsequenzen für den Verkehr insgesamt haben.

2. Gesundheit: Das Krankenhaus von Châtellerault dient als öffentliche Einrichtung weniger der Öffentlichkeit, sondern orientiert sich an einer lukrativen Zusammenarbeit mit den Kliniken, die für ihre Finanzierung von Pensionsfonds abhängen - eine „Zusammenarbeit“, die den Interessen der Finanziers nützt.

Wir könnten noch viel mehr Beispiele anführen, die unserem Einsatz gegen die Folgen des Ultraliberalismus einen Sinn geben und ihn rechtfertigen. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag von Jacques Cheminade, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Finanzkrise zu schaffen. Das ist eine Notwendigkeit für die öffentliche Hygiene.

Ich teile die Auffassung, daß die Krise eine kritische Schwelle überschritten hat, wo man etwas ganz anderes braucht als bloß eine moralische Erneuerung oder Regulierung eines sich auflösenden Systems. Wie Solidarité et Progrès mit Recht sagt, sind es die Grundvorstellungen des „Geldsystems“ selbst, die jetzt gründlich überprüft werden müssen, wenn nicht „Bankrott“, „Infragestellen des Euros“ etc. ... als Alternativen ernsthaft in Betracht kommen sollen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft der Menschheit, die Entwicklung, Ernährung, Gesundheit und Bildung aller Männer und Frauen.

Gemeinsam stehen uns edle Kämpfe bevor. Die Zeit drängt!

„Die Bedürftigkeit auf dem Lande nimmt zu“

Colette Macquart, Bürgermeisterin von Chambrecy (Region Champagne-Ardenne):

Was wird angesichts der aktuellen Krise aus jungen oder weniger jungen Mietern, aus alleinstehenden Frauen mit einem oder mehreren Kindern, aus den Empfängern von Mindestlohn oder Sozialhilfe, aus den kleinen Rentnern? Sie werden alle noch mehr zu leiden haben... Wegen ihres geringen Einkommens werden sie von den steigenden Preisen für Wohnraum, Lebensmittel und Energie erdrückt.

Die Menschen, die sich vor einigen Jahren in hohe Unkosten gestürzt haben, um auf dem Lande zu leben - wie wird ihre Zukunft aussehen? Was wird für die aufs Land gezogenen Städter aus ihrem Traum von einem Leben im Grünen? ... Für einige besteht große Ungewißheit, wenn ihr Lohn nicht oder nicht mehr ausreicht, um auszukommen, für andere die Sorge um die Unterkunft, die sie nicht finden oder kaum bezahlen können, für wieder andere die Erfahrung gesundheitlicher Probleme, besonders der Älteren und Behinderten, ... weil sie krank und hilfsbedürftig sind und kein Pflegedienst in der Nähe ist. Die geringe Ärztezahl und die Schließung örtlicher Krankenhäuser trägt noch mehr zur Schwächung der Gesundheit der Landbewohner bei. Auch die Arbeit bereitet den Landbewohnern, die sich nicht selten weit entfernt von ihrem Zuhause eine Arbeit suchen müssen, ziemliches Kopfzerbrechen. Der Grund dafür liegt im Anstieg der Benzinpreise - die öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht besonders zahlreich und dem Berufsverkehr wenig angepaßt. Was die Unterkunft betrifft, hält der Landbewohner den Spitzenplatz in Sachen „schlechte Wohnverhältnisse“... Der Wohnungsbestand auf dem Lande ist durch einen hohen Anteil alter Wohnungen charakterisiert. Die Hälfte ist vor 1949 gebaut worden. Nach Angaben der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Mutualité Sociale Agricole) „befinden sich 40% der Wohnungen ohne Komfort (d.h. ohne WC, Badezimmer oder Heizung) im ländlichen Raum, d.h. 770.000 Personen leben in schlechten Unterkünften“.

Betrachten wir noch einige Tatsachen.

1. Nimmt die Bedürftigkeit in den kleinen Gemeinden zu oder ab?

Leider nimmt sie zu: Bei den Zentralen Wohlfahrtsverbänden (CCAS) wird zunehmend um finanzielle Unterstützung, Lebensmittel- und Kleiderspenden, um Pflegeunterstützung und Unterkunft nachgefragt. Auch die Anträge auf Wohnungs- und Heizungszuschüsse (beim Solidaritätsfonds für das Wohnungswesen FSL und Solidaritätsfonds für Heizkosten FSE) verzeichnen eine Zunahme, genauso geht es den verschiedenen öffentlichen und privaten sozialen Einrichtungen. Die Sozialarbeiter erhalten viele Nachfragen von berufstätigen Menschen, die ihre Nebenkosten und laufenden Ausgaben nicht mehr schultern können...

2. Welche Formen hat die Bedürftigkeit im ländlichen Raum?

Die Armut auf dem Lande unterscheidet sich nicht von der in städtischen Gebieten, außer daß die verschiedenen Dienstleistungen (Verwaltung, Wohlfahrtseinrichtungen) weiter entfernt sind.

Diese „reduzierte“ Mobilität ist damit verbunden, daß öffentliche Verkehrsmittel immer seltener werden oder gar nicht vorhanden sind, auch bestimmte öffentliche Dienstleistungen werden abgebaut oder verschwinden gänzlich. Das wirkt sich aus auf Arbeitssuche, Berufsbildung, medizinische Versorgung (besonders Fachärzte), Zugang zur Rechtspflege...

Es gibt verschiedene Mittel, etwas dagegen zu tun, so etwa Partnerschaften z.B. von Kommunen oder die Einführung neuer Methoden durch Bürgermeister und Ortsverwaltung, etwa in den Bereichen Wohnungswesen (Leasing...), Arbeitsmarkt (Beschäftigungsklauseln für Bedürftige in Arbeitsverträgen der öffentlichen Hand...), Gesundheit, Verkehr (Übernahme der Kosten für die Erlangung eines Führerscheins usw. ...). Das sind einige der Mittel, die mir unmittelbar ins Bewußtsein kommen, doch es gibt sicherlich noch zahlreiche andere.

 

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