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Neue Solidarität
Nr. 47, 18. November 2009

Wichtiges kurzgefaßt

Neue Derivate durch Steuergelder

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) läßt zur Zeit, wie Spiegel Online berichtete, ein internes Papier zirkulieren, in dem von der Regierung Staatsgarantien für neue Verbriefungen (Derivate) gefordert werden. Angeblich sollen damit neue Kredite geschaffen werden. Marcus Dahnen, Chef der Landwirtschaftlichen Rentenbank, sagte, ohne diese Regelung werde sich die schon jetzt schlechte Kreditversorgung der Unternehmen noch weiter verschlechtern.

Der BdB will, daß die Bundesregierung dazu ihr 75 Mrd. Euro umfassendes Bürgschaftsprogramm einsetzt. Den Banken zufolge solle nicht zu früheren, risikoreichen Praktiken zurückgekehrt werden; vielmehr solle ein neues „Premium-Segment“ geschaffen werden, bei dem 5% der gesamten Verbriefungen bei den Banken selbst verbleiben sollen.

Das macht 95%, die den anderen angedreht werden müssen.

Industrieproduktion in Deutschland kollabiert weiter

Deutsche Produzenten von Landwirtschaftsmaschinen berichten über einen Absatzrückgang von 35% während der zweiten Jahreshälfte 2009 und erwarten für die Industrie ein Jahresendergebnis von -25%. Alle Bereiche der Landwirtschaft sind von der Krise betroffen und kürzen infolgedessen ihre Investitionen beim Maschinenpark. Das betrifft auch Osteuropa, wohin in den letzten Jahren beträchtliche Landmaschinenexporte gegangen waren. Die Landmaschinenhersteller erwarten für 2010 eine weitere Verschlechterung.

Die durchschnittliche Industrieproduktion in Deutschland sank im Jahresverlauf, wie das statistische Bundesamt berichtet, um 13,6%. Der dramatischste Rückgang der Produktion fand mit 23,3% im Elektrotechniksektor statt. Die ersten neun Monate des Jahres 2009 weisen einen Rückgang der Produktion von 19,3% auf, verglichen mit demselben Zeitraum im Jahr 2008.

Ist die EU-Kommission lebenswert?

Die EU-Kommission gibt in einer jüngsten Stellungnahme zu, daß sie den Mitgliedsländern der EU empfiehlt, sich intensiv mit dem - zu Recht - heftig umstrittenen QALY-System zu beschäftigen.

QALY heißt auf deutsch soviel wie qualitätsbereinigtes Lebensjahr und bewertet Menschenleben nach finanziellen Kriterien. Und da Ressourcen im Gesundheitswesen sowieso knapp sind, kann hiermit knallhart entschieden werden, wer leben darf und wer nicht. Seine wohl brutalste Anwendung findet dieses System seit längerem in Großbritannien, wo unter der Regie von NICE und Kreisen um Tony Blair mit entsprechenden Gesetzen ein Euthanasie-Mechanismus auf den Weg gebracht wurde, der sog. Liverpool Care Pathway (Siehe Neue Solidarität 39/2009).

Vor diesem Hintergrund hatte die stellv. Vorsitzende des Handelssausschusses im Europäischen Parlament, Cristiana Muscardini, eine Anfrage an die EU-Kommission gestellt, ob es angesichts der „astronomischen Ausgaben für die Bankenrettungen“ nicht der Fall sei, daß man die Krise nun durch Sparpolitik, zuallererst im Gesundheitssektor, und damit auf dem Rücken der Bürger austrage.

Zwar schweigt Kommissionssprecherin Androulla Vassiliou bewußt in ihrer Antwort hinsichtlich der erwähnten Euthanasiepolitik in Großbritannien, erwähnt aber, daß die Kommission viele Anfragen bezüglich der Zukunftsfähigkeit der Gesundheitssysteme erhalte. Die Kommission empfehle zwar nicht, die entsprechenden Budgets zu kürzen, lade die Mitgliedsstaaten jedoch ein, die Modelle zur Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren (HTA), einschließlich QALY, auf europäischer Ebene zu erforschen, um den Patienten bestmöglichste Behandlung zu gewährleisten, „ohne die finanzielle Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme zu gefährden.“

Rumänisches Parlament lehnt IWF-Kandidaten ab

Das nationale Parlament von Rumänien stimmte am 4. November mit 250 zu 189 Stimmen gegen das von Staatspräsident Trajan Basescu vorgeschlagene Kabinett unter dem parteilosen Technokraten Lucian Croitoru, der für das Amt des Premierministers vorgesehen war. Croitoru hätte 236 Stimmen gebraucht, um gewählt zu werden.

Croitoru war von 2003 bis 2007 Rumäniens Vertreter beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und spielte als Berater der rumänischen Zentralbank eine führende Rolle bei den Verhandlungen mit diesem, als ein 20-Mrd.-Euro-Standby-Kredit vereinbart wurde. Davon hat Rumänien bisher aber nur 6,5 Millionen Euro vom IWF erhalten, weil noch keine Einigung über alle Konditionalitäten, insbesondere für die zweite Tranche, erzielt werden konnte.

Rumäniens Haushaltsdefizit im letzten Quartal 2009 wird auf rund 3 Mrd. Euro geschätzt, und auch für 2010 ist keine Besserung in Sicht. Gehaltskürzungen im öffentlichen Sektor, Privatisierungen und Schließungen von öffentlichen Einrichtungen sowie die Anhebung des Rentenalters gehören zu den „Grausamkeiten“, die der IWF für die Rumänen auf Lager hat. Daß die parlamentarische Mehrheit jetzt gegen den IWF-Kandidaten als Premierminister stimmte, ist ein wichtiges Signal des Widerstands der Rumänen, die zu den ärmsten Völkern Europas zählen. Wer sich auf die Bedingungen des IWFs einläßt, wird mit absoluter Sicherheit noch ärmer enden.

Afrika begrüßt Wirtschaftszusammenarbeit mit China

Am 9. November endete in Ägypten das vierte Forum über die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika. Ruandas Präsident Paul Kagame, Vorsitzender der Ostafrikanischen Gemeinschaft, sagte, der Handel zwischen China und Ostafrika sei seit 2007 um über 200% gewachsen. Er betonte, hier gebe es „eine unschätzbare Gelegenheit, nicht nur die gegenwärtigen Handelsbeziehungen voranzutreiben, die das Leben von Millionen verbessern können, sondern auch die Art, wie wir Geschäfte betreiben, neu zu definieren – für eine nachhaltige Erzeugung von Wohlstand auf beiden Seiten des Geschäfts.“

China bemüht sich um chinesisch-afrikanische Joint Ventures. Die direkten chinesischen Investitionen sind von 491 Mio. $ im Jahr 2003 auf 7,8 Mrd. $ im letzten Jahr angewachsen. Der Handel zwischen beiden Seiten hat sich seit Beginn des Jahrzehnts verzehnfacht. Seit dem letzten Gipfel vor drei Jahren wurden mit chinesischer Hilfe Straßen und Schienen-Projekte begonnen, z.B. in Algerien, Nigeria, Botswana, Tansania, Uganda, Ruanda und Tschibuti, um nur einige zu nennen. Letztes Jahr bot China der Demokratischen Republik Kongo ein 7-Mrd.-$ Investitionspaket an, ebenso in diesem Jahr Guinea.