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250 Jahre Friedrich Schiller: Kasia Kruczkowski von der LaRouche-Jugendbewegung befaßt sich aus Anlaß des 250. Geburtstages von Friedrich Schiller mit der Bedeutung seiner Philosophie für uns heute.
Wenn Aktivisten der LaRouche-Jugendbewegung andere Menschen für die Mobilisierung für ein neues Weltwirtschaftssystem gewinnen wollen und dabei die phantastischen Möglichkeiten aufzeigen, die der Menschheit heute eigentlich offen stehen - Wüstenbewässerung, großangelegte Infrastrukturkorridore für die Entwicklung der ganzen Welt, das Ende der Globalisierung, Industrialisierung des Mondes, Besiedelung des Marses usw. -, dann kommt es doch tatsächlich hin und wieder vor, daß die Reaktionen nicht den erhofften Optimismus und Tatendrang aufzeigen: „Ach, nette Ideale - als ich noch so jung war, habe ich auch so gedacht, aber mit der Erfahrung wird man klüger.“ Oder der gutgemeinte Rat: „Ihr Enthusiasmus in allen Ehren, aber man muß ja auch realistisch sein!“ und mein Favorit: „Es ist zu schön, um wahr zu sein!“ Dann bekommt man einen liebevollen Klopfer an die Schulter mit der Bemerkung: „Immerhin ist es gut, daß sich junge Menschen noch überhaupt noch für etwas einsetzen! Machen Sie weiter so!“ Und bevor man noch diesen Schein einer Moral und den indirekten Vorwurf einer naiven Träumerei von sich abschütteln kann, hat die Person bereits zielsicher das Weite gesucht.
Schon der junge Schiller ließ sich nicht vom „Geschmack des Zeitalters“ korrumpieren und war überzeugt, daß ein vollkommener Geist eine ganze Geisterwelt vollkommener machen kann. Er formulierte die Bestimmung des Menschen zu Beginn seiner ersten medizinischen Dissertation:
„So viel wird, denke ich, einmal fest genug erwiesen sein, daß das Universum das Werk eines unendlichen Verstandes sei und entworfen nach einem trefflichen Plane... Der Mensch ist da, daß er nachringe der Größe seines Schöpfers, mit eben dem Blick umfasse die Welt, wie der Schöpfer sie umfaßt - Gottgleichheit ist die Bestimmung des Menschen. Unendlich zwar ist dies sein Ideal: aber der Geist ist ewig. Ewigkeit ist das Maß der Unendlichkeit, das heißt, er wird ewig wachsen, aber es niemals erreichen.“1
Gottgleichheit soll die Bestimmung, das unendliche Ideal des Menschen sein? Wie ist es möglich, daß eine solche Gesinnung bzw. ein solches Menschenbild heute so selten anzutreffen ist? Wenn Friedrich Schiller behauptete, daß der Mensch „das größte Meisterstück der Natur“2 ist, hatte er gewiß nicht die Verirrungen einzelner Seelen oder ganzer Kulturen im Sinn gehabt, sondern eine Anlage, die nur dem Menschen eigen ist, die uneigennützige Liebe. Er war überzeugt, wenn die Wahrheit „bis jetzt ihre siegende Kraft noch so wenig bewiesen, so liegt dies nicht an dem Verstande, der sie nicht zu entschleiern wusste, sondern an dem Herzen, daß sich ihr verschloß, und an dem Triebe, der nicht für sie handelte.“3
Kein anderer in der Menschheitsgeschichte hatte sich der Wissenschaft der menschlichen Seele so leidenschaftlich, konsequent und gesetzesmäßig gewidmet, wie Friedrich Schiller. Er setzte die Entwicklung des Einzelnen in direkte Verbindung mit der Entwicklung des ganzen Menschengeschlechts, löste Kants inneren Konflikt zwischen Pflicht und Neigung auf, der den Menschen in einen Zustand des ewigen Uneins verwarf, und machte ihn dadurch erst wirklich frei.
Er entschleierte die universale Gültigkeit der Begriffe der Schönheit und des Erhabenen und machte deren Gesetzmäßigkeit dem menschlichem Geiste verständlich und dem Herzen zugänglich.
Er gab seinen Mitmenschen die Aufgabe „das dringendere Bedürfnis der Zeit“ zu erfüllen - die Ausbildung des Empfindungsvermögens -, und zeigte ihnen durch seine Werke, wie man zu einen immer höheren Grad der Schönheit, Freiheit und Glückseligkeit gelangt, um letztendlich als schöne Seele an der „unvergänglichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, ... [sein] fliehendes Dasein zu befestigen.“4
Schiller kannte das Geheimnis, „den Menschen vor Verschlimmerung zu bewahren, und dieses ist - sein Herz gegen Schwächen zu schützen.“5 Einen großen Teil dieser Wirkung sprach er der Schaubühne zu, und mit zahlreichen großen Beispielen der Tragödie schenkte er der Welt und vor allem der Seele Deutschlands herrliche Empfindungen und Leidenschaften, machte sie vertraut mit großen Gegenständen, damit sie ihre eigene Seelengröße in sich entfalten und den Menschen in sich finden.
„Je erhabner das Ziel ist, nach welchem wir streben, je weiter, je mehr umfassend der Kreis, worin wir uns üben, desto höher steigt unser Mut, desto reiner wird unser Selbstvertrauen, desto unabhängiger von der Meinung der Welt. Dann nur, wenn wir bei uns selbst erst entschieden haben, was wir sind, und was wir nicht sind, nur dann sind wir der Gefahr entgangen, von fremden Urteil zu leiden - durch Bewunderung aufgeblasen, oder durch Geringschätzung feig zu werden.“6
Diese edle Aufgabe des Künstler, den ganzen Menschen in uns wieder herzustellen, erfordert jedoch zugleich eine hohe Anforderung an ihm, denn mit ihm steigt das Menschengeschlecht empor und mit ihm fällt es hinab, wie wir doch selbst Zeitzeugen des moralischen Zerfalles durch die modernen „Künstler“ der Frankfurter Schule und ihren Nachfolgern sind. Deswegen mahnt er den Kunstschaffenden:
„Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese muß es also wert sein, vor Wert und Nachwelt ausgestellt zu werden. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, zur reinsten herrlichsten Menschheit hinaufzuläutern, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft, ehe er es unternehmen darf, die Vortrefflichen zu rühren.“7
Und er räumt endlich auf mit einer auch heute weit verbreitenden Meinung:
„Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht. Der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen.“8
Ich hoffe, daß deutlich geworden ist, warum wir, gerade in der heutigen Zeit, das Werk von Friedrich Schiller wieder intensiv studieren sollten, um den Herausfordeungen, die uns heute die Entwicklungen stellen, erhaben entgegenen können.
Schreiten Sie zur Tat, denn der Mensch ist das Wesen, welches will.
Kasia Kruczkowski
Quellen:
1. Philosophie der Physiologie, 1779; §1 Bestimmung des Menschen; (abgelehnte) medizinische Dissertation.
2. Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen und seiner Geistigen, 1780, zweite medizinische Dissertation.
3. Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, 1793/94; 8.Brief.
4. Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte, 1789. Amtsantrittsrede als Geschichtsprofessor in Jena.
5. Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet, 1784. Rede vor der kurpfälzischen „Deutschen Gesellschaft“.
6. Ebenda.
7. Über Bürgers Gedichte, 1789.
8. Braut von Messina, Vorrede „Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie“, 1803.