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Neue Solidarität
Nr. 43, 21. Oktober 2009

Wirtschafts-Nachrichten
Italienische Regierung beschließt Neuauflage der Cassa per il Mezzogiorno

Die italienische Regierung befürwortete am 15. Oktober den von Wirtschaftsminister Giulio Tremonti vorgelegten Entwurf für die Schaffung einer neuen Bank des Südens. Die Tageszeitung Il Mattino berichtete, bei der neuen Banca per il Mezzogiorno handele sich um eine staatlich geförderte Agentur, die vor allem Anleihen zur Finanzierung von Infrastruktur und Industrie im Mezzogiorno auflegen wird. Um kleinere Anleger zu begünstigen, sollen Käufer statt der üblichen 12,5% nur 5% Steuern auf die Gewinne zahlen, jedoch begrenzt auf maximal 100.000 Euro. Die Papiere dürfen frühestens nach zwölf Monaten weiterverkauft werden.

Die ursprüngliche, staatliche Cassa per il Mezzogiorno wurde 1950 gegründet und folgte dem Vorbild von Roosevelts Tennessee Valley Authority (TVA) in Amerika. Sie schuf starke Impulse für die Entwicklung des italienischen Südens, was allerdings Mitte der siebziger Jahre zum Erliegen kam. Bei der neuen Einrichtung ist der Staat zwar beteiligt, aber die Aktienmehrheit hält ein Konsortium von Sparkassen sowie der Postagentur, die selbst die größte Sparkasse Italiens ist. 4600 Zweigstellen sollen eingerichtet werden. Das Kabinett beschloß außerdem, daß die Arbeiten an der geplanten Brücke über die Straße von Messina im Dezember beginnen und bis 2016 fertig sein sollen.

Tremonti und der Vorsitzende der Lega Nord, Umberto Bossi, haben inzwischen mit Bürgertreffen mit Industriellen im nördlichen Italien begonnen. Anfang der Woche griff Tremonti in Mailand zum wiederholten Male die Banken an, weil sie den Unternehmen keine Kredite geben. Dabei sagte er, der italienische Bankensektor werde von „zwei Monopolisten“ dominiert (Intesa und Unicredit), die 30% des Marktes beherrschten. Dies sei das Resultat der Privatisierung des früher weitgehend staatlich kontrollierten Bankensektors, was auch eine engere Verbindung mit den Gemeinden und Kommunen gewährleistet hatte. „Sie wollten Privatisierung? Da haben Sie sie.“

Gibt es in Lettland bald keine Krankenhäuser mehr?

Schwedens Finanzminister Anders Borg stellt sich in die Tradition des berüchtigten Kaufmanns von Venedig, Shylock, der von seinem Schuldner ein Pfund Fleisch forderte. Er fordert ganz kaltblütig, die lettischen Staatsausgaben um die Hälfte zu senken. Nur so könne Lettland seine Schulden zahlen und nur so könne es auf den Überbrückungskredit von IWF und EU in Höhe von 7,5 Mrd. Euro hoffen, der den Staatsbankrott (vorerst) abwenden soll.

Leider hat die lettische Regierung dem schon seit Monaten andauernden Druck bereits in hohem Maße nachgegeben und die Zuschüsse an den öffentlichen Sektor drastisch zusammengestrichen. So wurden die Zahlungen an die staatlichen Krankenhäuser zum 1. Juli eingestellt, nur Erste Hilfe und Notaufnahmen werden noch bezuschußt. Das führt zu Fällen wie dem von Nadjesda Makarowa, der am 14. Oktober im Deutschlandradio geschildert wurde: Trotz einer Niedrigstrente von 230 Euro im Monat mußte sie 600 Euro für eine Gallenblasenoperation selbst bezahlen (bzw. ihre Kinder). Frau Makarowa wollte nicht warten, bis sie ein Notfall wurde, denn in Krankenhäusern wie in dem Fall dem „Ersten Krankenhaus“ in Riga hat die Notaufnahme mangels Personal nur jeden zweiten Tag geöffnet!

In einer ersten Kürzungswelle will das Gesundheitsministerium 17 Krankenhäuser schließen. Die Kliniken konnten in den letzten Jahren weder modernisieren noch neue Krankenwagen anschaffen. Lettische Krankenschwestern werden vom benachbarten Finnland in großer Zahl abgeworben, wo sie etwas besser entlohnt werden. (Finnische Krankenschwestern wiederum mußten vor zwei Jahren in einen wochenlangen landesweiten Streik treten, um weitere drastische Kürzungen ihrer Gehälter zu verhindern. Erst ihre Drohung mit kollektiver Kündigung zwang die Regierung zu Konzessionen, weil das den Kollaps des Krankenhaussektors bedeutet hätte.)

Die schweren wirtschaftspolitischen Fehler, zu denen die lettischen Regierungen unter dem Einfluß westlicher Berater seit 1991 verleitet wurden, rächen sich jetzt mehrfach. In dem Land, dessen künstliche „höchste Wachstumsraten in ganz Europa“ jahrelang international gepriesen wurden, wurde  eine hochspekulative Blase erzeugt. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Zufluß an frischem Kapital versiegen lassen. Viele Letten, die in dem falschen Boom Arbeit fanden und sich mit ihrem zeitweise überdurchschnittlichen Verdienst mit Haus- und Grundstückskäufen hochverschuldet hatten, können nun ihre Kredite nicht zurückzahlen. Die Kredite waren jahrelang zu Zinsen verfügbar, die beträchtlich unter dem europäischen Durchschnitt lagen.

Die meist schwedischen Gläubigerbanken waren im Zuge der weltweiten Krise nicht mehr in der Lage, zum Beispiel in Japan Kapital zu Billigstzinsen aufzunehmen; der Ausfall von Kreditrückzahlungen ihrer lettischen Schuldner trifft sie nun zusätzlich. Die schwedische Regierung hat sich inzwischen der Unterstützung von IWF und EU für ihre harte Haltung gegenüber Lettland versichert.

Das ist ein Teufelskreis, der durch ein ordentliches Konkursverfahren des bankrotten Finanzsystems durchbrochen werden muß. Erst kommen die Menschen! Der Wiederaufbau der Realwirtschaft und damit ein wachsendes Steueraufkommen ist möglich - aber nur durch ein neues System souveränen Staatskredits.