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Mehrere wichtige Protestaktionen der letzten beiden Wochen in den drei größten kontinentaleuropäischen Ländern deuten auf das Potential eines politischen Massenstreiks hin. Besonders eindrucksvoll war die Kundgebung in Leipzig am 9. Oktober zum 20. Jahrestag der Montagsdemonstrationen, die zum Sturz des DDR-Regimes geführt hatten. Damals waren 70.000 Menschen trotz Verbots in Leipzig auf die Straße gegangen. In diesem Jahr kamen mehr als 100.000, darunter viele, die schon damals dabei waren, was zeigt, daß der Slogan von 1989 „Wir sind das Volk“ noch heute aktuell ist.
Dies zeigte sich auch an der Zustimmung zu dem Banner der LaRouche-Jugendbewegung (LYM) „Die Globalisierung in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“ - in Anlehnung an den Ausspruch des DDR-Staatschefs Erich Honecker „Den Sozialismus in seinem Lauf...“ am 7. Oktober1989, wenige Tage vor seinem Sturz.
Wichtig war auch die Kundgebung von 1400 Werftarbeitern der Nordseewerke in Emden am 28. September für den Erhalt der Schiffbaukapazität und gegen die Entscheidung von Thyssen-Krupp, die Werft an das Windkraftunternehmen SIAG zu verkaufen. 50 Landwirte aus der Emdener Region unterstützten den Protest mit einem Konvoi aus 50 Traktoren; eine solche Arbeitnehmer-Bauern-Allianz ist in der jüngeren deutschen Geschichte ein Novum.
In Italien gingen am 9. Oktober im Rahmen eines Generalstreiks, zu dem die linke Gewerkschaft CGIL-FIOM aufgerufen hatte, eine Viertelmillion Arbeiter auf die Straße. Bei den Demonstrationen in fünf Großstädten war die Beteiligung hoch: 100.000 in Mailand, 60.000 Florenz, 50.000 in Neapel, 30.000 in Rom und 10.000 in Palermo.
CGIL-FIOM hat mit den Gewerkschaften CISL und UIL, die einen neuen Tarifvertrag mit den Arbeitgebern aushandeln, gebrochen und sie hat starke Unterstützung bei den Arbeitnehmern, aber ihre Führung hat keine Lösung für die Krise. Dies zeigte sich bei einer nationalen Konferenz über Industriepolitik in Mailand am 8. Oktober, wo ihr Generalsekretär Gugliemo Epifani Kernkraft ablehnte und eine „grüne Wirtschaft“ forderte.
In Frankreich zwangen am 7. Oktober mehrere hundert Landwirte Agrarminister Bruno Le Maire, eine Veranstaltung bei Clermont-Ferrant in Zentralfrankreich vorzeitig zu verlassen. Sie riefen „verschwinde!“ und „die Bauern sind wütend“. Der Minister besuchte die jährliche Ausstellung der Rinderzüchter, an der tausend Züchter und 75.000 Gäste teilnahmen. Le Maire hatte zunächst ein Treffen mit Gewerkschaftsführern ohne Zwischenfälle. Aber als er danach verschiedene Messestände besuchte, stürmten Hunderte Landwirte herein und er verließ den Ort, obwohl ein hohes Polizeiaufgebot zu seinem Schutz präsent war. Der „Protest“ war vom Nationalen Rinderzuchtverband organisiert. Dessen Präsident warnte die Politiker: „Es muß eine nationale Einkommenskonferenz organisiert werden und wenn wir nicht gehört werden, muß man mit weiteren ähnlichen Kundgebungen rechnen.“
sas