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Aus der Neuen Solidarität Nr. 4/2009

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Schon 2007 war ein Jahr weltweiter Krise:

Wie Rußland überrascht wurde

Von Lyndon H. LaRouche jr. - Dritter und letzter Teil

Der folgende Aufsatz von Lyndon LaRouche wurde am 27. Dezember 2008 veröffentlicht.

III. Ein dynamisches Wirtschaftsmodell

Nun kommen wir zum Kern der Angelegenheit, der ich das folgende Kapitel widme.

Unmittelbar nachdem meine Prognose aus dem Jahr 1956, daß „etwa Februar-März die tiefste Rezession in den Vereinigten Staaten nach dem Krieg einsetzen wird“, sich im Februar 1957 bewahrheitet hatte, nahm ich mir eine breitere Anwendung des Ansatzes dieser erfolgreichen Prognose vor. Mit dem gleichen Ansatz, der auf meiner früheren Beschäftigung mit Riemanns Habilitationsschrift von 1854 beruhte, stellte ich mich der größeren Herausforderung, längerfristige Vorhersagen zu stellen, d.h. Vorhersagen, die Zeitspannen von einem Jahrzehnt oder mehr umfaßten. Für diese längerfristige Vorhersage benutzte ich einen methodischen Ansatz, für den ich Anfang der sechziger Jahre den Fachbegriff „dynamisches Wirtschaftsmodell“ (Dynecmo) geprägt habe.

Mein Vorgehen für solche intellektuellen Unternehmungen beruhte seit Anfang 1953 immer auf einem Konzept, das sich in dem von mir übernommenen Standpunkt von zwei Aussagen in Bernhard Riemanns Habilitationsschrift von 1854 ausdrückte: den ersten beiden Absätzen, in denen das Euklidische und ähnliche Systeme den Eseln zum Fraß vorgeworfen werden, und dem abschließenden Satz der Schrift, den ich hier so umschreibe: Mit dem bisher Gesagten verlassen wir das Gebiet der Mathematik und gehen zu einer andern Wissenschaft, der Physik, über.13

Daher sollte man folgendes erkennen: Wenn man die Vorstellung „physikalischer“ Realität auf Sinneswahrnehmungen als solche beschränkt, werden einfältige Menschen den Unsinn glauben, daß das Bild der Welt, wie es sich unseren Sinnen darstellt, „selbstevident“ sei. Eine solche närrische Sichtweise kann uns sogar dazu verführen, die absurde Vorstellung zu akzeptieren, Sinneseindrücke seien selbstevident die einzige reale Welt. Von daher rührt die Absurdität der Apriori-Annahmen der sog. „Sinnesgewißheit“, die mit dem blinden Glauben des cartesischen Lesers an Euklids Elemente einhergehen. Jeder Lernende sollte erkennen, daß Johannes Keplers größte physikalische Errungenschaft, seine ureigenste Entdeckung des allgemeinen Prinzips der universellen Gravitation im Sonnensystem, auf seine Einsicht zurückgeht, daß das Prinzip hinter den Umlaufbahnen im Sonnensystem weder im Sehen noch im Hören lag, sondern unabhängig von diesen beiden Methoden der Sinneswahrnehmung war. So waren die schöpferischen Geisteskräfte des Menschen fähig, hinter die bloßen Schatten vordergründiger Sinneswahrnehmung zu blicken.

Hierin liegt das gemeinsame Genie beispielsweise bei Keplers Mentor Nikolaus von Kues (De Docta Ignorantia) und Cusas Anhängern und Nachfolgern Leonardo da Vinci und Kepler sowie später Riemann, Einstein und Wernadskij. In dieser schöpferischen Geisteskraft, die unter allen Lebewesen nur der Mensch besitzt, liegt die Quelle wahren menschlichen Wissens, wie etwa gültiger wissenschaftlicher Erkenntnisse - nicht im einfältigen Glauben an die Verläßlichkeit der Sinneswahrnehmung oder auch einer Übertragung solcher Sinnesgewißheit auf Instrumente, mit deren Hilfe astrophysikalische oder mikrophysikalische Phänomene gemessen werden.

Insofern erforderte die Methode für diese Wirtschaftsprognosen, zu denen mich die Riemannsche Dynamik anregte, als Voraussetzung zunächst einmal nichts weiter als Wissen, wie es jede kompetente Studie über rationellen Arbeitseinsatz enthält, wie es sich auf die physische Volkswirtschaft anwenden läßt. Die erste Ausarbeitung des Ansatzes erforderte wenig mehr, als den elementarsten Aspekt von Leibniz’ Entdeckung des ontologisch Infinitesimalen praktisch anzuwenden: Man mußte den Begriff des ontologisch Infinitesimalen als Ausdruck eines entdeckbaren universellen Prinzips auf die Rolle des technischen Fortschritts und ähnlich auf die entgegengesetzte Wirkung von Wertverlust und Abnutzung anwenden. Mit dieser Methode erhält man eine systemisch nichtlineare Darstellung von Prozessen positiver Evolution bzw. physischer Devolution ganzer Volkswirtschaften.14

Die von mir eben angeführten Betrachtungen verweisen uns auf die richtige Bedeutung des Begriffs „universelles physikalisches Prinzip“. Nur mit dieser Sichtweise lassen sich die Prinzipien der physischen Ökonomie, von denen der Fortbestand zivilisierten menschlichen Lebens auf diesem Planeten unbedingt abhängt, kompetent verstehen. Kurz, die Entdeckung und Anwendung dieser so definierten Prinzipien liefert uns ein zuverlässiges Wissen, welche Veränderungen im wirtschaftlichen und vergleichbaren kulturellen Verhalten der Menschen wir betreiben können, um zu verhindern, daß die menschliche Gattung in einem langen finsteren Zeitalter mit massiver Entvölkerung und Bestialität versinkt.

Somit stellt sich uns die Aufgabe: Wie unterscheiden wir, was bloß zufällige Veränderungen in unserem Verhalten sind, und was die besonderen Veränderungen sind - die man universelle physikalische Prinzipien nennen sollte -, von denen abhängt, daß ein allgemeiner entropischer Zusammenbruch der Voraussetzungen menschlichen Lebens auf dem Planeten vermieden werden kann?

Diese Aufgabe bringt uns über die Grenzen der Sinneswahrnehmung hinaus in den Bereich der universellen physikalischen Prinzipien, die nicht durch die Sinne erkennbar sind, die uns aber die Kraft verleihen, die Noosphäre - im Sinne der Definition von Akademiemitglied W.I. Wernadskij - zu verändern und gegenüber der Biosphäre gezielt auszuweiten. Dabei sollte man davon ausgehen, daß die Lebenskraft als solche eine ähnliche Fähigkeit hat, die Biosphäre im Verhältnis zu den unbelebten Überresten unseres Planeten und des ganzen Sonnensystems an Umfang und Entwicklung auszuweiten.

Bei der sogenannten empiristischen Methode, beispielsweise dem System von Paolo Sarpi usw., kommen wirkliche universelle physikalische Prinzipien, wie ich sie eben beschrieben habe, überhaupt nicht vor. An die Stelle der kompetenten europäischen Physik, die historisch über lange Zeiträume vorherrschte - etwa die der Pythagoräer und Platons oder Cusas, Keplers, Fermats, Leibniz’ u.a. - treten bloße mathematische Formulierungen, die das mit den Sinnen wahrgenommene Erleben umschreiben. Die Sarpianer und ihresgleichen akzeptieren nur Bewegungsbeziehungen zwischen Objekten im Euklidisch-Cartesischen Raum (oder seltsamen heidnisch-religiösen Zauberkräften). Der Empirismus duldet nur mathematische Beschreibungen, keinen Beweis tatsächlicher universeller Prinzipien. Hier liegt der Grund für das schlechte Abschneiden konventioneller statistischer Methoden bei Versuchen langfristiger Vorhersagen. Die weisen „Ahnungen“ ernsthafter Denker sind meistens viel besser als statistische Vorhersagen - am besten schneidet aber die von mir angewandte Wissenschaft ab.

Die Frage, die sich durch die von mir eben genannten Gegensätze stellt, lautet: Wie erkennen wir eigentlich die Kräfte, die zwar auf den Sinnesbereich wirken, aber - wie Keplers Entdeckung der universellen Gravitation zeigt - nicht selbst direkt Sinnesobjekte sind, auch wenn ihre Macht über Sinnesobjekte nachweislich vorhanden ist?

Keplers ureigenste Entdeckung der universellen Gravitation in seiner Weltharmonik ist somit tatsächlich der Ursprung sämtlicher kompetenter moderner Physik. Seine Entdeckung, die er dort mit einzigartiger Originalität darstellte, führte Kepler dazu, nach ihm kommenden „Mathematikern“ zwei weitere große Aufgaben zu stellen.

Die erste Aufgabe wurde im wesentlichen von Leibniz auf ganz eigene Weise gelöst, nämlich durch die Entdeckung des ontologisch Infinitesimalen des Kalkulus - eine Entdeckung, die in erster Linie eine Frucht von Keplers astrophysikalischen Entdeckungen war. Diese Abfolge von Entdeckungen - erst Keplers Entdeckung des Gravitationsprinzips im Sonnensystem, und als zweites Fermats Entdeckung der geringsten Wirkung sowie Leibniz’ Entdeckung des Kalkulus - definiert eine streng geordnete Reihe zentraler Entdeckungen der modernen Physik. Die nachfolgende Entdeckung bedurfte jeweils der früheren Entdeckung des Vorgängers.

Die zweite dieser Aufgaben war das verwandte Konzept elliptischer Funktionen; dies wurde im ersten Ansatz von Carl F. Gauß und einigen wichtigen Zeitgenossen gelöst, nur noch übertroffen durch die weiteren Arbeiten von Lejeune Dirichlet und Bernhard Riemann, und führte dann zu weiteren Schlußfolgerungen, als der Betrug zweier großer Feinden ehrlicher Wissenschaft, dem närrischen Mechanisten Ernst Mach und der noch verkommeneren Schule Bertrand Russells, offengelegt wurde.

Bertrand Russell und die Leute, die auf ihn hereinfielen, wie seine treuen Anhänger von der Cambridger Schule für Systemanalyse, sind der Ursprung der schlimmsten Machwerke in der sogenannten „mathematischen Ökonomie“, wie die von Norbert Wiener und John von Neumann, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen wurden. Über die beiden Letztgenannten läßt sich ohne weiteres sagen, daß sie in unserer Zeit mit ihren Torheiten wahrscheinlich mehr Schiffe versenkt haben, als man es der Torheit Helenas von Troja zu ihrer Zeit nachsagen konnte.

Kepler im Rückblick

Wir nähern uns immer mehr dem großen Prinzip der Ökonomie, auf das ich in diesem Bericht beständig hingewiesen habe. Es ist wieder das Prinzip der Dynamik, das für die moderne Naturwissenschaft und speziell die Wirtschaftswissenschaft durch zweierlei definiert wurde: erstens Albert Einsteins Rückblick auf Keplers ureigenste Entdeckung der Gravitation als ein Riemannsches Universum, und zweitens die weitere Bedeutung dieser Erkenntnisse, wie sie in Wernadskijs Definition der Biosphäre und Noosphäre zum Ausdruck kommt. Diese kombinierte Sicht von Einstein und Wernadskij ist nicht bloß allgemein von Bedeutung, sie hat auch ganz konkrete Bedeutung und enormes praktisches Gewicht für die Politik sämtlicher Nationen unter den heutigen Bedingungen, wenn wir angesichts der heraufziehenden weltweiten wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise eine moderne Wirtschaftswissenschaft brauchen.

Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun noch kurz einer üblen Lüge zu, die an den meisten naturwissenschaftlichen Fachbereichen der Universitäten in aller Welt noch heute geradezu fanatisch gelehrt wird: der absurden Lüge, Isaac Newton habe das Gravitationsgesetz entdeckt. Tatsache ist, daß diese Behauptung eine Lüge ist, was wieder und wieder nachgewiesen wurde, ohne daß irgendeiner der bekannten Liberalen auch nur den Versuch einer Widerlegung gewagt hätte. Die erste von zwei Fragen, die man jedem Universitätsfachdekan stellen sollte, lautet: „Warum behalten Sie alle diese Narren, die sich an ihrer Fakultät dermaßen aufführen?“ Die zweite Frage lautet: „Welche praktischen Folgen hat diese amtliche Lüge und Newton-Legende für das Schicksal von Nationen, die jetzt praktisch zum Untergang verurteilt sind?“ Die Antwort auf beide Fragen läßt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: „Dynamik.“

Was bedeutet dies alles für eine kompetent angewandte politische Ökonomie als Naturwissenschaft?

Betrachten wir diese Frage zuerst von Einsteins Standpunkt und dann von dem Wernadskijs.

Was Kepler Einstein lehrte

Albert Einstein betrachtete Keplers ureigenste Entdeckung der universellen Gravitation mit Hilfe von Bernhard Riemanns Werk und verwarf alles, was an den kindischen Unsinn der Euklidischen Geometrie erinnerte - all das kindische Gerede von „bis ins Unendliche“ und die cartesischen „Infinitesimale“ von de Moivre, D’Alembert, Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy u.a. Das Leibnische Infinitesimal ist nicht der Ausdruck einer begrenzenden Kleinheit im Raum, sondern die universelle physikalische Wirkung dessen, was die physikalische Raumzeit selbst im kleinsten Detail begrenzt.

Sobald man die Gravitation in Begriffen einer universellen Harmonie definiert - ausgehend von der pythagoräischen Sicht der Sphärik, wie sie sich im Werk Platons ausdrückt, und aus der Sicht Keplers und im Licht der späteren Entdeckungen Dirichlets und Riemanns betrachtet -, so erkennt man wie Einstein, daß jedes wahrhaft universelle physikalische Prinzip die physikalische Raumzeit, deren Existenz sie ausdrückt, begrenzt. Da jedoch das Sternenuniversum insgesamt nicht entropisch, sondern antientropisch ist, spielt sich der universelle Entwicklungsprozeß im Universum nicht in festen Grenzen ab; vielmehr ist für Einstein die physikalische Raumzeit in der Bedeutung dieser Bedingungen endlich, aber unbegrenzt.

Wenn wir dies dann in angemessen korrigierter Weise wiederholen - nämlich unter Berücksichtigung zunächst der spezifischen Universalitäten der physikalischen Raumzeit des Lebenden (Biosphäre) und anschließend der kognitiven Erkenntnisprozesse, wie bei Wernadskij (mit der Noosphäre) -, dann erhalten wir Zugang zu einem allgemeinen wahren Verständnis des Begriffs „universelles physikalisches Prinzip“. Das bedeutet, daß jedes wahre universelle physikalische Prinzip eine entsprechend endliche physikalische Raumzeit definiert - in dem Sinne, wie Einstein das Universum definierte. Hiermit ist implizit die richtige Bedeutung des Leibnizschen Infinitesimals definiert: Seine Natur ist nicht elementar begrenzt, sondern es umschließt ontologisch.15 Das ist natürlich der Unterschied zwischen einer rein mathematischen Sicht, wie der von Euklid oder Descartes, und der von Platon, Eratosthenes, Nikolaus von Kues, Kepler, Fermat, Leibniz oder Riemann.

Die eben angeführten Überlegungen definieren implizit das wahre Prinzip der Dynamik - das Prinzip, auf dem jeder kompetente Ansatz zur Gestaltung der Wirtschaftspolitik beruht. Das war die Grundlage meines Konzepts eines „dynamischen Wirtschaftsmodells“ Anfang der sechziger Jahre, des konzeptionellen Entwurfs, auf dem alle meine einzigartig erfolgreichen Wirtschaftsprognosen beruhten.

Warum sollte jemand, der mit den Errungenschaften der neuzeitlichen Wissenschaft vertraut ist, diese Angelegenheit jemals anders sehen? Warum hält sich dann diese Unmoral so hartnäckig, wofür die falsche Behauptung, Isaac Newton habe die Gravitation entdeckt, ein anschauliches Beispiel ist?

Soviel erst einmal hierzu. Was muß sich nun an den Prinzipien der realwirtschaftlichen Politik ändern und die bisher gängigen Vorstellungen über Wirtschaft ablösen, damit die Weltzivilisation nicht immer schneller in ein langes dunkles Zeitalter abstürzt? Was ist in diesem Zusammenhang die richtige Bedeutung des Begriffs Dynamik?

Eine praktische Erläuterung

So entsteht beispielsweise in einer modernen Volkswirtschaft der allgemeine wissenschaftlich-technische Fortschritt in der erkennbaren Produktivkraft der Beschäftigten im wesentlichen nicht bei der sogenannten „Produktion vor Ort“. Es sind im wesentlichen zwei Faktoren, die unmittelbar eine Steigerung der Arbeitsproduktivkraft bewirken, wie diese sich physikalisch pro Kopf und pro Quadratkilometer messen läßt. Der eine steckt in der Geschicklichkeit und Motivation des produktiv tätigen Individuums. Der andere ist vor allem ein Ausdruck einer verbesserten wirtschaftlichen Infrastruktur in den Bereichen, die unmittelbar mit der physischen Produktion und der relativen Produktivität des einzelnen Beschäftigten zusammenhängen.

Zum Beispiel steht der Montagearbeiter in der Automobilproduktion ziemlich weit am unteren Ende der Produktivitätsskala, während die größte Konzentration an Produktivität „weiter oben“ liegt, im Maschinen- und Anlagenbau bzw. noch weiter oben in der wissenschaftlichen Forschung als solcher.

Gleichzeitig findet man den wichtigsten Faktor für Veränderungen der relativen Produktivität des Industriearbeiters nicht „am Produktionsort“ als solchem, sondern in der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur der Produktion. Wenn man beispielsweise an einem Standort von Produktion oder verwandter Tätigkeit die durchschnittlichen Anfahrtszeiten für die Pendler verkürzt, so steigt die Produktivität der Bevölkerung in der gesamten Gegend, ohne daß sich am eigentlichen Ort der Produktion etwas änderte. Oder wenn man die tatsächliche „Energiedichte“ der Kraftquellen pro Kopf und pro Quadratkilometer erhöht, erlaubt das an sich schon Steigerungen der Produktivkraft, die sich im gesamten Umfeld des Standorts bemerkbar machen.

Anders gesagt, weder der Ausbau der Infrastruktur noch die Verbesserung der Arbeit am Produktionsort allein definieren den Fortschritt, sondern das Zusammenspiel von beiden. Das zeigt wieder einmal: Wenn wir uns darauf besinnen, was es heißt, Mensch zu sein - und keine Drogensüchtigen oder bessere Rhesusaffen -, dann ist die Entwicklung unserer schöpferischen Fähigkeiten, wie sie sich im Handeln jedes einzelnen in der Gesellschaft ausdrücken, das entscheidende. Den größten Anteil daran haben die Wissenschaft, entsprechende Entwicklung der klassischen Künste sowie der Ausbau der direkt mit realer Produktion verbundenen wirtschaftlichen Infrastruktur.

Anders gesagt: Vergeßt das Gerede über die „Arbeitsproduktivkräfte“. Entscheidend ist die Steigerung der Arbeitsproduktivkräfte durch wissenschaftliche Fortschritte - entweder direkt in Form qualifizierter Produktionsarbeit oder, wichtiger noch, als zunehmende Energieflußdichte und Kapitalintensität der Produktionsmittel. Ausschlaggebend sind die wissenschaftliche oder entsprechende Qualifikation der Beschäftigten und die für die Produktion essentielle Kapitalintensität der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur.

Nehmen wir als Beispiel das heutige Indien. Etwa 60-63% der Erwerbsbevölkerung dort sind kaum ausgebildet. Dieser Faktor läßt sich nur langsam verbessern - über mehrere Generationen gemessen. Doch durch den breiten Einsatz passender Kernkraftanlagen, einschließlich des Thoriumzyklus, ließen sich die Produktivkräfte und die Lebenserwartung der indischen Bevölkerung recht unmittelbar anheben, auch wenn die Produktivität des einzelnen und der Familien nur langsam verbessert wird.

Ein anderes Beispiel ist Afrika mit den benachbarten Teilen des sogenannten Nahen Ostens, wo die Besatzungsmacht der anglo-holländisch-saudischen Liberalen ständig naziähnliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Hier würde die Entwicklung der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur in der Wasserwirtschaft, bei modernen Massentransportmitteln und dem raschen Ausbau der Kernenergieerzeugung- und -verteilung Nutzeffekte pro Kopf und pro Quadratkilometer erzeugen, welche im Vergleich zur Geschichte des Kontinents nach 1945 geradezu spektakulär erschienen.

Was versteht man unter „Kraft“?

Was ich hier bisher betont habe, bezog sich auf das, was man herkömmlich unter Physik versteht. Wir übersehen aber nicht die ruinösen Folgen des allgemeinen kulturellen Verfalls in Nordamerika und Europa, vor allem in der Zeit ab Roosevelts Tod 1945 unter dem Trend, der stark vom den Kongreß für Kulturelle Freiheit in Europa und allgemein dem transatlantischen Phänomen der Rock-Drogen-Gegenkultur beeinflußt war.

Naturwissenschaftliche Kreativität ist ein wesentlicher Aspekt der Förderung menschlicher Produktivität pro Kopf und Quadratkilometer, aber der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist für die Musik und die Dichtung genauso bedeutsam wie für die Naturwissenschaft als solche. Die Qualität der sozialen Beziehungen und damit auch des Fortschritts der Arbeitsproduktivität wird von den Vorteilen wahrer klassischer Kultur gegenüber populistischen Strömungen ebenso bestimmt wie von naturwissenschaftliche Entdeckungen.

Die Ausbreitung des sektenartigen neomalthusianischen Widerstands gegen den Ausbau der Kernkraft als Hauptenergiequelle für die Gesellschaft ist ein Zeichen des moralischen und intellektuellen Verfalls in Nationen und deren Bevölkerung, ebenso wie die Programme zur sogenannten „Legalisierung“ der Rauschgiftsucht. Dieser immer raschere kulturelle Niedergang der letzten vierzig Jahre war eine ebenso wichtige Ursache der heute weltweit spürbaren allgemeinen Zusammenbruchskrise wie die Unterdrückung der physischen Arbeitsproduktivkraft in der Bevölkerung Nordamerikas und Europas.

Diese Überlegungen spiegeln das Dynamikprinzip wider, mit dem ich mich seit 1953 beschäftige.

Der von Präsident Franklin Roosevelt für die Nachkriegszeit geplante weltweite wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung entsprach einer Riemannschen Perspektive nie endender Verbesserungen der menschlichen Lebensbedingungen in Nationen und in Gebieten, die Souveränität erhalten sollten. Vor der Regierung von Präsident Harry Truman glaubte man damals an ein System regulierter Preise, das auf diese realwirtschaftlichen Ziele menschlicher Entwicklung zugeschnitten sein sollte, und ein solches System wird heute als Politik und Perspektive für die ganze Welt dringendst gebraucht.

Wen wir nicht zu dem Amerikanischen System zurückkehren, das die Gründerväter der USA sowie die Präsidenten Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt verkörperten, ist ein weltweites finsteres Zeitalter für die ganze Menschheit unausweichlich. Das Haupthindernis, das einer solchen Erholung im Weg steht, heißt „das Britische Empire“. Ohne die Mobilisierung einer sehr mächtigen Kombination, die den Einfluß dieses Empires ausschaltet, ist ein dunkles Zeitalter für die Erde unabwendbar. Diese Kombination braucht nicht in allen Einzelheiten definiert zu sein; für den Augenblick reicht ein allgemeiner Vorsatz, das jetzige, hoffnungslos verfaulte Währungssystem durch ein weltweites Kreditsystem mit festen Wechselkursen zu ersetzen.

Auf kürzere Sicht ist der guten Gesundheit am besten gedient, wenn man die offensichtlichen Mittel zur Bekämpfung der tödlichen Krankheit einsetzt.

Davon abgesehen liegt die unmittelbarste Aufgabe darin, den Niedergang der (durch Kernkraft ermöglichten) physischen Produktivität ab 1968, ohne den es nicht im Juli/August 2007 zum Ausbruch der Zusammenbruchskrise der Weltzivilisation gekommen wäre, wieder umzukehren.

Setzen wir jetzt die Renaissance in Gang, bevor das heraufziehende neue dunkle Zeitalter den ganzen Planeten überzieht.


Anmerkungen

13. Ich schloß mich diesem Argument von Bernhard Riemanns Habilitationsschrift von 1854 an, nachdem ich zuvor im Januar 1948 u.a. einen Rezensions-Vorabdruck von Prof. Norbert Wieners Kybernetik gelesen hatte. Am stärksten reagierte ich auf jenen Teil des Buches, in dem Wiener den Begriff der „Informationstheorie“ aufbringt. Ich war davon nicht nur angewidert, weil sie auf dem Mist der cartesischen Ideologie gewachsen war, gegen die ich seit meinem ersten Zusammentreffen mit der Euklidischen Geometrie in der Jugend gekämpft habe, sondern auch, weil ich entsprechende Erfahrungen mit der Rolle physikalischer Prinzipien bei qualitativen Fortschritten in der industriellen Fertigung hatte.

14. Der Hauptstreitpunkt zwischen mir und der „Elfenbeinturm“-Schule von Tjalling Koopmans, Kenneth Arrows u.a. während der fünfziger Jahre war deren unsinnige Betonung der aprioristischen „linearen Programmierung“, eine Frage, in der ich ein gewisses Maß an Zustimmung von Wassily Leontief in Harvard erhielt. Man sollte davon ausgehen, daß alles, was irgendwie mit Bertrand Russell und seinen Anhängern an der Cambridger Schule für Systemanalyse zusammenhängt, für jede Nation, die bei der Gestaltung ihrer Politik an solchen Kauderwelsch glaubt - so auch für die Sowjetunion zu bestimmten wichtigen Zeiten damals und später - grundfalsch und letztlich katastrophal ist.

15. In der Theologie klingt hierin der Angriff des Freundes des christlichen Apostels Petrus, Philon von Alexandria, auf Aristoteles an. Die Aristoteliker vertraten schon zu Philons Zeiten nachdrücklich die Meinung, die gesamte Schöpfung sei vollkommen, weil der Schöpfer des Universums selbst vollkommen sei, und deshalb könne er diese Schöpfung nicht mehr ändern, sobald er sie fertig gestellt hätte. Diese Auslegung der aristotelischen Sichtweise beruhte auf einer theologischen Annahme, die dem vermeintlichen universellen Entropiegesetz entspricht. Es sollte deshalb nicht überraschen, daß die Aristoteliker, wenn sie Gott selbst schon ein „Gesetz universeller Entropie“ auferlegen, an eine noch höhere, neomalthusianische Autorität als Gott glauben, etwa den olympischen Zeus, den Aischylos in Der gefesselte Prometheus dargestellt hat (oder vielleicht Prinz Philip, Prinz Charles oder ihr Lakai, der frühere US-Vizepräsident Al Gore). Soviel zu dem theologischen Wert der Meinungen von Clausius, Graßmann, Kelvin und dem World Wildlife Fund.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Schon 2007 war ein Jahr weltweiter Krise: Wie Rußland überrascht wurde - 2. Teil
- Neue Solidarität Nr. 3/2009
Schon 2007 war ein Jahr weltweiter Krise: Wie Rußland überrascht wurde - 1. Teil
- Neue Solidarität Nr. 1-2/2009
Ein neues finsteres Zeitalter zieht herauf: Der heutige britische Imperialismus
- Neue Solidarität Nr. 45/2008
Der Betrug des „Freihandels“ - Teil 1
- Neue Solidarität Nr. 35/2008
Freihandel contra nationales Interesse: Die Wirtschaftsdebatte über Rußland
- Neue Solidarität Nr. 30/2008
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache

 

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