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Aus der Neuen Solidarität Nr. 4/2009

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Banken und Realwirtschaft im freien Fall
Wird Obama der neue Roosevelt?

Von Helga Zepp-LaRouche

Am 20. Januar wird der neue US-Präsident Barack Obama sein Amt antreten. Falls er dann signalisieren sollte, eine Politik in der Tradition Roosevelts und der Prinzipien des Westfälischen Friedens zu verfolgen, dann müssen ihn die Regierungen in Europa darin unterstützen.

Wenn am 20. Januar Barack Obama als neuer US-Präsident eingeschworen wird, beginnt auf jeden Fall eine völlig neue strategische Lage - der Alptraum von insgesamt zwölf Jahren verschiedener Bush-Administrationen ist vorbei. Aber das Tempo der Desintegration der Weltwirtschaft ist so atemberaubend, daß der neue Präsident sofort mit einem dramatischen Paukenschlag seine Bereitschaft demonstrieren muß, bei der Schaffung eines neuen globalen Finanzsystems die Führung zu übernehmen, wenn ein Absturz in völliges Chaos verhindert werden soll.

Ob Obama das Zeug dazu in sich hat, gewissermaßen in die Fußstapfen Roosevelts zu treten, der 1933 kraftvoll durch den New Deal damit begann, die USA aus der Depression herauszuführen, wird sehr schnell sichtbar werden. Eine Chance liegt sicherlich darin, daß zumindest bei einigen in der „Group of Thirty“, einer Gruppe von Ökonomen und ehemaligen Notenbankern, die den künftigen Präsidenten beraten werden, die Erkenntnis vorhanden ist, daß alles, was seit dem Amtsantritt von Alan Greenspan als Notenbankpräsident 1987 an Innovationen auf die Finanzmärkten gebracht wurdet, zu dem jetzigen Desaster geführt hat, und dringende Änderungen nötig sind.

Aber allein mit kleinen Korrekturen, „neuen Regeln“, „Transparenz“ etc. wird es nicht getan sein. Nur wenn die neue Administration die in der amerikanischen Verfassung verankerte Idee wiederbelebt, daß die Regierung als legale Autorität handelt, die die Nation und die Bevölkerung gegen ungebührliche oder kriminelle Übergriffe privater Interessen beschützt, kann diese Chance genutzt werden. In dieser größten Krise in der Geschichte der Finanzmärkte geht es nicht um Geld, sondern darum, ob mit Hilfe des Naturrechtes und der Prinzipien des Westfälischen Friedens die unveräußerlichen Rechte der Bürger, wie sie in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung garantiert sind, hochgehalten werden.

Dies bedeutet, daß das volle Programm verwirklicht werden muß, wie Roosevelt es mit dem New Deal und dem Bretton-Woods-System bis zu seinem Tod beabsichtigte. Das neue System muß Roosevelts Intention, den Kolonialismus für immer abzuschaffen und zu überwinden - eine Absicht, die von dem anglophilen Truman zunichte gemacht wurde - heute praktisch in die Tat umsetzen. Das heißt, daß nicht nur das amerikanische Bankensystem durch ein ordentliches Bankrottverfahren reorganisiert werden muß, sondern daß das in der Verfassung definierte Kreditsystem an die Stelle des jetzigen monetären Systems treten muß. Es heißt auch, daß die neue Administration die Führung bei der Lösung der internationalen Krise übernehmen, und das neue System für alle Nationen dieser Welt Gerechtigkeit bringen muß.

Ein positiver Faktor in dieser Lage ist die Tatsache, daß die Autorität und Glaubwürdigkeit von Lyndon LaRouche und der unleugbaren Korrektheit seiner Prognose der jetzt stattfindenden Systemkrise weltweit, aber emphatisch eben auch in den USA enorm gewachsen sind. Deshalb spielen LaRouches Lösungsvorschläge in der gegenwärtigen Debatte im Umfeld der neuen Administration eine ganz wesentliche Rolle. Ob sie tatsächlich zur Anwendung kommen werden, wird sich sehr bald herausstellen.

Krach erfaßt die Realwirtschaft

Daß andererseits die ganzen Rettungspakete, diverse Diskussionen um die Schaffung von „Bad Banks“ und alle möglichen Konjunkturprogramme überhaupt keine Wirkung zeigen, wurde noch einmal eindrucksvoll anläßlich des zweiten Konjunkturprogramms der Berliner Regierung demonstriert. Während Bundeskanzlerin Merkel und weitere Mitglieder der Großen Koalition bei einer Bundestagsdebatte das 50-Milliarden-Programm verteidigten, das aus einem beliebigen Sammelsurium nützlicher und weniger sinnvoller Maßnahmen besteht, rauschten am gleichen Tag die Aktienwerte verschiedener Banken und Firmen in den Keller. Nachdem die Deutsche Bank einen beachtlichen 4,8-Milliarden-Verlust für das vierte Quartal 2008 bekannt gegeben hatte, stürzten die Postbank-Aktien an zwei aufeinanderfolgenden Tagen um je 17 Prozent ab - eine offensichtliche Bewertung der Nachricht, daß die Deutsche Bank die Postbank kaufen will, durch die Anleger -, die Commerzbank verlor 10,7%, die Hypo Real Estate 5%.

Auch die Zahlen für den Maschinenbausektor für November wurden veröffentlicht. In diesem Monat gingen die Aufträge um 30 % zurück, der Rückgang bei Textilmaschinen, im Bausektor und bei Druckmaschinen lag sogar bei 50% und mehr. Aber auch bei den amerikanischen Banken ging der Tiefflug weiter: Citigroup meldete einen Verlust von 8,29 Mrd. $ für das 4.Quartal, und das US-Finanzministerium erklärte sich bereit, faule Kredite der Bank of Amerika im Umfang von 138 Mrd. $ (!)zu garantieren.

Aber auch ein Blick in andere Kategorien rund um den Globus zeigt, daß Banken und Wirtschaft sich im freien Fall befinden. Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger rief den Finanznotstand aus und teilte mit, bereits im Dezember seien über 2000 Bauvorhaben bei öffentlichen Einrichtungen gestoppt worden. Texas verkündete ein Haushaltsloch von 9 Mrd. $, auch Massachusetts, Michigan, Nevada und Maryland meldeten massive Defizite, für alle Bundesstaaten der USA insgesamt mindestens 200 Mrd. $ für dieses und nächstes Jahr. Die Zahlen des Einzelhandels für Dezember gingen in den Keller, die Verkaufszahlen von Neubauten und dementsprechend Arbeitsplätze im Bausektor ebenfalls, Gewerbegrundstücke zeigten einen massiven Preisverfall. Außerdem stieg die Zahl nicht mehr bedienbarer Kreditkartenschulden, Studentenkredite und Autokredite.

Nachdem die Ratingagentur S&P die Auslandsschulden Griechenlands abgewertet hatte, bekam dieses hochverschuldete Land Probleme damit, selbst kurzfristige, d.h. auf drei Monate befristete Anleihen zu verkaufen. Gerüchte über die Insolvenz einer ganzen Reihe von Staaten zirkulierten. Die Aufträge für den Maschinenbausektor in Japan für Dezember gingen auf Jahresbasis berechnet um 71% (!) zurück. Der sogenannte Baltic Dry Index, der die Frachtkosten für Massengüter wie Eisenerz oder Getreide, aber auch für Fertiggüter abbildet, ging um 96% zurück. Koreas Exporte gingen im Januar um 30% zurück, die Exporte Taiwans um 42%, die Japans um 27%. Und aus einer etwas anderen aber doch benachbarten Kategorie: das US Joint Forces Command veröffentlichte einen Bericht, worin vor dem rapiden und plötzlichen Kollaps von Pakistan und Mexiko als massiven Sicherheitsproblemen gewarnt wird.

Rettungs- und Konjunkturpakete versagen

Seit dem August 2007 haben die Regierungen und Zentralbanken „Rettungspakete“ in der Größenordnung von mehreren Billionen Euro (!) für die Banken und die Konjunktur zur Verfügung gestellt. Und was hat es genützt? Absolut nichts, der Kollaps geht weltweit ungebremst weiter. Der Grund dafür ist einfacher, als es die diversen „Experten“ und „Analysten“ uns weismachen wollen: Solange der Giftmüll der Banken, also die letztlich unverkäuflichen Derivatpapiere in den Bilanzen der Banken honoriert werden, bleibt die Kreditklemme und Vertrauenskrise bestehen. Egal, wie viele Pakete „geschnürt und festgezurrt“ werden, die Banken wissen voneinander, wie groß das Problem ist, und deshalb nehmen sie zwar das Geld vom Staat und damit vom Steuerzahler, geben es aber nicht weiter.

Aus diesem Grund beschäftigen sich jetzt allerorten Regierungen und Banker mit der Idee, neuzuschaffende „Bad Banks“ Hunderte von Milliarden dieser Giftmüll-Papiere übernehmen zu lassen. Von Josef Ackermann bis zu Gordon Brown oder dem US Finanzministerium werden Überlegungen angestellt, die „tickenden Zeitbomben“ auszulagern, um so die Banken in die Lage zu versetzen, wieder ihre normale Tätigkeit aufnehmen zu können. Das Problem dabei ist nur, daß diese Papiere extrem komplex und undurchsichtig sind, eben weil der Derivatmarkt sich seit langem verselbständigt hat und diese Papiere in immer neuen Paketen „geschnürt“ und weiterverkauft worden sind.

Müll bleibt Müll

Wie soll dieser Giftmüll also bewertet werden? Wird der Preis zu niedrig angesetzt, werden sich die Banken womöglich weigern, sie an die Bad Bank zu verkaufen, weil sie dann eventuell nicht verkraftbare Abschreibungen vornehmen müßten, ist er zu hoch, droht ein Ausbruch des Volkszorns, wenn die Steuerzahler erkennen, in welchem Umfang sie für die verzockten Verluste der Spekulanten, die womöglich in Tokio, Canberra oder den Cayman Islands sitzen, zur Kasse gebeten werden sollen.

Der Haupttrugschluß dieses Bad-Bank-Vorschlags besteht darin, daß dieser Giftmüll auf diese Weise letztlich seinen nominellen Wert behalten und nach einer gewissen Zeit, wenn sich die Wirtschaft erholt hätte, dann doch wieder verkauft werden könnte. Dieser Zustand wird aber bei einer Beibehaltung der Ideologie der Kreditderivate niemals eintreten, die Zusammenbruchskrise würde vielmehr die Welt in einem Meer aus Hyperinflation und Bankrotten in ein finsteres Zeitalter stürzen. Pakistan und Mexiko wären dann bei weitem nicht die einzige gescheiterten Staaten.

Da es sich bei diesem Giftmüll aber nur um virtuelles Geld handelt, ist es auch virtuell einfach zu entsorgen: Man braucht keine Bad Bank, man muß es einfach aus dem Bilanzen herausnehmen. Die Financial Times Deutschland veröffentlichte kürzlich dankenswerter Weise einen „Derivate-Baum“, in dem rund 120 der wichtigsten Papiere dargestellt wurden, von „Twin-Win-Garant-Zertifikaten“ bis zu „Open End-Turbozertifikaten“, „Double-up/Sprint Protect-Zertifikate“, Bottom-Up-Optionscheine“, und für Leute mit einem süßen Zahn, „Plain-Vanilla Optionsscheine“, um nur einige zu nennen.

Wie gesagt, es geht bei der Überwindung der größten Krise in der Geschichte der Finanzmärkte nicht um Geld, sondern darum, ob sich genügend viele Regierungen rechtzeitig an ihren Amtseid erinnern und daran, dem Gemeinwohl und nicht dem Privatinteresse von Spekulanten, die sich verzockt haben, verpflichtet zu sein. Und falls der neue Präsident Obama signalisieren sollte, eine Politik in der Tradition Roosevelts und der Prinzipien des Westfälischen Friedens zu verfolgen, dann ist es das oberste Gebot für die Regierungen in Europa, ihn darin zu unterstützen. Lyndon LaRouche hat in seinem am 16. Januar ausgestrahlten Internetforum [über das wir in der kommenden Woche ausführlich berichten werden] alle Schritte dargelegt, die die neue Administration in diesem Sinne unternehmen muß. Hoffen wir, daß sie auf die weisen Worte LaRouches hört.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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