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Neue Solidarität
Nr. 38, 16. September 2009

„Nein“ heißt Nein!

In Berlin demonstrierten am 5. September rund 1000 Bürger gegen die Ratifizierung des Lissaboner Vertrages.

Der 5. September 2009 könnte in die Geschichte eingehen. Es war der erste Tag des deutschen Widerstandes gegen die EU-Diktatur. Zum erstenmal kamen über tausend Menschen zusammen, um gegen den Vertrag von Lissabon zu demonstrieren, um von ihrem Recht auf Versammlung freien Gebrauch zu machen, bevor es unter der Diktatur des Lissaboner Vertrages erlaubt wäre,  eine solche Versammlung als Aufruhr niederzuschießen. Der Ort war Berlin, die Zeit 17 Uhr.

Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Seit die BüSo im Februar 2008 die skandalösen Vorgänge bezüglich des Vertrages von Lissabon aufgedeckt hat, ist einiges passiert. Es gab blinde Ratifizierungen in 23 Staaten, es gab Verfassungsklagen gegen den Vertrag in verschiedenen Ländern, und ein Land hat ihn sogar ganz abgelehnt, was nach der EU-eigenen Definition ein Scheitern des Vertrages darstellt. Und dennoch wird in Brüssel weiter daran festgehalten, die ehemalige EU-Verfassung, welche schon 2005 von mehreren Völkern abgelehnt und deren Ratifikation in Deutschland eingestellt wurde, nun doch noch irgendwie umzusetzen, koste es, was es wolle. Die eigene Diskreditierung inbegriffen.

Nachdem letztes Jahr Zehntausende an Unterschriften gesammelt wurden, europaweite Demonstrationen stattfanden und sogar einige Festland-Europäer in Irland für ein Nein gekämpft hatten, kam die bundesweite Widerstandsbewegung erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes am 30. Juni 2009 ein bißchen in Fahrt. Innerhalb zweier Monate wurde von einer Gruppe von Internetaktivisten eine Demonstration organisiert, der digitale Raum wurde endlich verlassen, um analog aktiv zu werden. Sandra Müller, die die Bürgerinitiative „Volksabstimmung über den EU-Vertrag“ gegründet hatte, übernahm die Anmeldung und große Teile des Organisierens. Auf zwei Konferenzen und im Internet bildete sich das „Bündnis gegen Lissabon“.

Ein bescheidener, aber sorgfältig geschmückter Lautsprecherwagen in dezentem Rot lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, unterstützt durch laute Popmusik. Eine Musikgruppe namens „Die Bandbreite“ heizte das Publikum auf mit einem selbstgedichteten Lied - „Angst vor Lissabon“. Sicherlich nicht die höchste klassische Art, aber dennoch ein guter Versuch, das Thema einfach zu vermitteln. Das Publikum bestand aus größtenteils von weit her angereisten Internetbloggern, einer kam sogar extra aus der Schweiz.

Die Eröffnungsrede hielt die Initiatorin Sandra Müller. Ihre Forderungen waren klar und deutlich: „Wir wollen ein demokratisches, friedliches und soziales Europa. Dieser Vertrag entspricht keinem dieser drei Kriterien. Deshalb fordern wir eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag von Lissabon!“

Danach sprach der linke Journalist Jürgen Elsässer. Er prangerte die Medienkontrolle an, denn in keiner Zeitung - die Neue Solidarität vergaß er zu erwähnen - wurde im Vorfeld darüber berichtet, eine Anzeige in der Berliner U-Bahn wurde nicht entgegengenommen, ein Interview in einem linken Blatt wurde kurzerhand „aus Platzgründen“ doch nicht abgedruckt.

Dennoch hatten sich schon vor der veranschlagten Zeit mehrere hundert Teilnehmer am Treffpunkt eingefunden, mit selbst gestalteten Transparenten und Fahnen verschiedenster Bewegungen. Während der ersten Ansprachen kamen immer mehr Aktivisten hinzu, bis sich der Troß unter Sprechchören in Richtung Unter den Linden in Bewegung setzte, vorbei am ARD-Hauptstadtstudio, zum Europäischen Haus Berlin. Der ehemalige ARD-Mitarbeiter Christoph Hörstel ergriff dort die Gelegenheit, aus dem Nähkästchen ein paar unschöne Wahrheiten über die Medienfreiheit zu plaudern.

Am Europäischen Haus fand die erste Zwischenkundgebung statt, bei der Klaus Buchner seine Gründe für die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht darlegte. Die Abschaffung der Demokratie war eines der Hauptargumente, er setzte es direkt mit einem Staatsstreich gleich, da die Ewigkeitsklauseln des Grundgesetzes (s. Art. 79 Abs. 3) angegriffen würden. Die Abschaffung des Sozialstaats war der zweite wichtige Punkt, mit Verweis auf Artikel 151 des Vertrags über die Arbeitsweise der Union (VAEU), in der die Sozialgesetzgebung der Bedingung unterliegt, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht gestört wird. Und schließlich die abzusehende Militarisierung der EU - alles Punkte, die auch die BüSo aufs Schärfste kritisiert.

Die Nähe der Amerikanischen Botschaft und der kommende Jahrestag des 11. September veranlaßte Frau Müller zu einer sehr ergreifenden, für die meisten wohl eher überraschenden Einlage. Unter Verweis auf die Nichteinhaltung der Verfassung durch etliche Präsidenten der vergangenen Jahre, lobte sie die amerikanische als eine der besten Verfassungen der Welt, in der Menschenwürde und Freiheit allerhöchste Priorität haben. Für viele der Anwesenden, viele aus dem 9/11-kritischen Milieu, war dies offensichtlich ein Paradox in ihrem anti-amerikanischen Weltbild, wurde aber dennoch mit viel Applaus quittiert. Auch zu diesem Thema gibt es einen Popsong: „Es ist nicht genug, nur informiert zu sein, man muß auch handeln!“

Im schönsten Abendsonnenschein ging der Weg weiter zum Gendarmenmarkt. Mittlerweile hatten sich noch einige Passanten dem Demozug angeschlossen, so daß es wohl ca. tausend Teilnehmer waren. Ziel war das Schillerdenkmal, ein guter Anlaß für die angehende Pädagogin, ein Loblied auf die humanistische Bildung anzustimmen, „die einem keine Finanzkrise nehmen kann.“ Der Lissabonvertrag erinnere sie sehr an Schillers „Wallenstein“, in dem ein wichtiges Papier von vielen Parteien unterschrieben werden soll, mit einer heimlich beigefügten Klausel, die beim Unterzeichnen keiner bemerkt, aber allen Kopf und Kragen kosten wird. Die Widerstandsbewegung wird wie der Rütli-Schwur bei Wilhelm Tell entstehen, ohne Medienwerbung, alles eigentlich unpolitische Bürger, für die genug genug ist.

Weiter ging es zur irischen Botschaft, mit einem Grußwort aus Irland von den Aktivisten der Campaign Against the EU-Constitution (CAEUC). Sie freuen sich sehr, daß in Deutschland Leute aktiv sind und sie unterstützen kommen werden. Die Iren sind davon schwer beeindruckt. (Gäste zur Unterstützung der Aktionen vor dem neuen irischen Referendum am 2. Oktober sind hochwillkommen. Wer mehr erfahren möchte, der gehe auf www.eu-vertrag-stoppen.de.)

Ein französischer Aktivist sprach von den Mittwochsdemos im letzten Jahr, an denen er selbst teilgenommen hatte, auf Anregung von Etienne Chouard. Frau Müller erzählte von der Irlandkampagne des letzten Jahres und rief eindringlich dazu auf, mitzuhelfen, mit nach Irland zu kommen und dort die NO-Kampagne tatkräftig zu unterstützen.

Der letzte Teil der Demonstration führte vorbei am Bundesrat, wo für den Tag der Abstimmung über das neue Zustimmungsgesetz am 18. September eine Mahnwache geplant ist. Beim letzten Mal hatte man dort auch gemahnt und wurde sogar für drei Sekunden in den Tagesthemen bildlich erwähnt.

Auf dem Potsdamer Platz angekommen, ging die Sonne langsam unter. Nun waren die Parteien dran, ihren Standpunkt zu vertreten. Es wurden alle Parteien offiziell eingeladen, eine kurze Rede zu halten, erschienen sind nur fünf: BüSo, ödp, STATT-Partei, Tierschutzpartei und Holger Brandt vom Willy-Weise-Projekt. Selbst die Linke hielt es nicht für nötig, ein Mitglied hat dann spontan das Wort ergriffen, um deren Ehre zu retten...

Für die BüSo war Daniel Buchmann auf der Bühne. Die Kritik am Vertrag war vehement ausgeschöpft, was ihm die Gelegenheit gab, auf größere Zusammenhänge hinzuweisen: auf die Medienzensur, das Schweigen der Medien zu den Unruhen in den USA, die Schönrederei der Krise - kurz vor der Wahl! Und die Verleumdungskampagnen gegen alles und jeden, der es wagt, mal über die Tagesschau hinaus zu sehen. Es gab viel Applaus und nachdenkliche Gesichter - vielleicht war BüSo doch gar nicht so schlecht, wie immer alle behaupten? Hmmm...

Einen dringlichen Appell des Schweizers Freeman vom Internetblog „Alles-Schall-und-Rauch“, doch unbedingt wählen zu gehen, da dies die einzige direkte Form der Meinungsäußerung in einer Demokratie sei, beschloß die Kundgebung fast, jedoch ließ es sich Herr Elsässer nicht nehmen, eine neue Bewegung auszurufen und eine neue Demonstration fürs Frühjahr anzukündigen. Und dann spielte noch einmal die Band auf, bis man sich zerstreute...

Pia Maelzer

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- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)