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Aus der Neuen Solidarität Nr. 1/2009

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Die wichtigsten Faktoren der Weltkrise
und deren Implikationen für Indien und Zentralasien

Von Helga Zepp-LaRouche

Den folgenden Vortrag hielt Helga Zepp-LaRouche am 5. Dezember bei einem Seminar des United Services of India Institute und des Forums für Strategische und Sicherheitsstudien in Neu-Delhi.

Ich spreche heute über das Thema „Die Zukunft der Beziehungen zwischen USA, EU und NATO im Lichte der Projektion der NATO-Einflußsphären nach Zentralasien und deren Implikationen für Indiens strategische Interessen“. Dieser Gegenstand läßt sich offensichtlich nicht diskutieren, ohne zu berücksichtigen, ob die strategische Zukunft im Rahmen von „Plan A“ oder im Rahmen von „Plan B“ stattfindet: Entweder wird die Welt schon sehr bald in eine Phase der wirtschaftlichen Erholung und des Wiederaufbaus eintreten - in diesem Fall wird die strategische Lage in eine bestimmte Richtung gehen. Oder die Welt wird in einem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Chaos versinken. Die Tatsache, daß wir uns am Rande eines möglichen Dritten Weltkrieges befinden, beherrscht zweifellos die Überlegungen vieler denkender Menschen.

Diese Möglichkeit war einer der Faktoren, die dazu beitrugen, daß die Konferenz der NATO-Außenminister Anfang dieser Woche zwei Ergebnisse hatte: Erstens, daß die Beziehungen zwischen Rußland und der NATO auf den Stand vor dem georgischen Angriff auf Südossetien zurückversetzt werden, einem Angriff, der inzwischen von allen in Europa und anderswo eindeutig als eine Provokation der georgischen Regierung Saakaschwili angesehen wird - einer Regierung, die vom Kabinett bis hin zu den Polizeikräften vollkommen von George Soros finanziert wird. Das zweite Ergebnis der NATO-Konferenz war, daß eine NATO-Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine bis auf weiteres ausgesetzt wurde. Außerdem wird der NATO-Rußland-Rat seine Sitzungen wiederaufnehmen.

Der russische NATO-Botschafter Dmitrij Rogosin bezeichnete dies als eine Niederlage für die „orangene Revolution“ in der Ukraine und für die Regierung Saakaschwili, was es offensichtlich auch ist. Auch räumen die NATO-Mitglieder damit ein, daß die georgische Regierung uns an den Rand eines potentiellen großen Krieges gebracht hat.

Die Expansionspolitik der NATO

Blicken wir aber auf den Ursprung der NATO-Expansionspolitik zurück, die eindeutig als Einkreisungsstrategie gegen Rußland verstanden wird. Man muß dazu ins Jahr 1990 zurückgehen, als die Sowjetunion kollabierte. Die Neokons um Dick Cheney, George Shultz und Donald Rumsfeld reagierten darauf, indem sie die Doktrin des sog. „Amerikanischen Jahrhunderts“ ins Spiel brachten, die im wesentlichen ein Versuch war, die Vereinigten Staaten auf der Grundlage der anglo-amerikanischen „Sonderbeziehungen“ aus einer Republik in ein Empire zu verwandeln.

Diese Politik wurde in den acht Jahren der Regierung Clinton zeitweilig unterbrochen, lebte aber unter den Neokons weiter. Sie fand ihren Ausdruck beispielsweise in einer Erklärung von Richard Perle, der als Gegenmaßnahme gegen den Osloer Friedensprozeß eine Politik des „sauberen Bruchs“ für den Nahen Osten formulierte, die dann nur zwei Tage später vom damaligen israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zur offiziellen Doktrin Israels erhoben wurde. Hinter der Politik des „sauberen Bruchs“ stand bereits die Idee des Regimewechsels in allen Staaten im gesamten Nahen Osten und anderen Regionen der Welt, die sich der Unterwerfung unter das Empire widersetzten.

Diese Politik des Empire stand nach den Anschlägen des 11. September 2001 unmittelbar wieder auf der Tagesordnung, ein Ereignis, das Herr LaRouche bereits am 3. Januar 2001, drei Wochen vor Bushs Amtsantritt, in einem Internetforum vorhergesagt hatte. Herr LaRouche kündigte darin an, die US-Regierung werde auf einen Terroranschlag, eine Art „Reichstagsbrand“, hinsteuern, um den Vorwand zur Durchsetzung einer bestimmten Politik zu schaffen. Genau das geschah auch neun Monate später. Bereits einen Tag nach dem 11. September erklärte Cheney ohne weitere Untersuchungen, es sei klar, daß Saddam Hussein dahinter stecke, der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge und so weiter.

Ihnen ist bekannt, daß im Oktober 2001 aufgrund dieser Einschätzung Al-Kaidas und Osama Bin Ladens und aller dieser Hintergründe Artikel 5 der NATO-Charta aktiviert wurde, um den Krieg in Afghanistan zu rechtfertigen. Hier stellt sich nach wie vor ein großes Fragezeichen, wenn man auf all das zurückblickt, was inzwischen über die wirklichen Hintergründe des 11. September ans Licht gekommen ist; dann war der Afghanistankrieg sicherlich ebenso falsch wie der Irakkrieg, der, wie inzwischen nachgewiesen ist, vollkommen auf Lügen beruhte.

In diesem Kontext fand die Osterweiterung der NATO statt; zahlreiche neue US-Militärstützpunkte wurden eingerichtet, und auch die EU wurde vergrößert. Ich weiß aus persönlichen Gesprächen, daß Rußland spätestens 2003 davon überzeugt war, daß es absolut keinen Unterschied zwischen der NATO-Erweiterung und der EU-Erweiterung gab. Und als Saakaschwili den Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele für seinen Angriff auf Südossetien nutzte, reagierte die russische Regierung entschlossen, denn Ministerpräsident Wladimir Putin und Präsident Dmitrij Medwedjew war ganz klar, daß die strategische Eskalation gegen Rußland weiterginge, wenn Rußland nicht energisch aufträte. Wie an den jüngsten Entwicklungen deutlich wird, wurde die Eskalation tatsächlich gestoppt.

Die Regierung Bush nutzte Saakaschwilis Angriff auf Südossetien, um schnell zu einer Einigung mit Polen und Tschechien über die Stationierung von Radar- und Raketenabwehrsystemen zur Abwehr einer angeblichen Bedrohung durch Raketen aus dem Iran zu kommen. Das ist wohl die absurdeste Erklärung, die je erfunden wurde, denn jeder weiß, daß diese sog. Defensivsysteme innerhalb kürzester Zeit in Offensivsysteme umgerüstet werden können. Dann betrüge die Vorwarnzeit, bis diese Raketen Moskau erreichen, ungefähr drei Minuten.

Deshalb erklärte Rußland sehr klar, daß das inakzeptabel sei. Präsident Medwedjew kündigte sofort an, Rußland werde Kurzstreckenraketen an der Grenze zu Polen und in Kaliningrad stationieren, wenn die Systeme eingerichtet würden. Das wird sicherlich eine der ersten großen Prüfungen für Obama sein, denn wenn Obama die Politik von Bush mit diesen Systemen weiterverfolgt, dann hätten wir es schon sehr bald mit einer umgekehrten Kubakrise zu tun. Das wäre dann Plan B. Die große Frage ist also, ob Obama die Vorschläge des früheren Präsidenten Putin und des jetzigen Präsidenten Medwedjew für eine neue Sicherheitsarchitektur aufgreift.

Der abscheuliche Lissabon-Vertrag

Wie sieht es in diesem Kontext mit Europa aus? Von welchem Europa reden wir? Dank des irischen „Nein“ zum sog. Lissabon-Vertrag ist die Ratifizierung dieses Vertrags einstweilen ins Stocken geraten, was sehr gut ist, denn dieser Vertrag ist abscheulich. Er ist bloß eine umbenannte Version der Europäischen Verfassung, die 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde. Äußerst hinterlistig wurden daran bloß einige Formulierungen geändert. In einer völlig unlesbaren Version sollte der Vertragstext dann im vergangenen Dezember [2007] ohne öffentliche Debatte, ohne Volksabstimmung und ohne, daß Abgeordnete ihn lesen konnten, durch die Parlamente gepeitscht werden. Wäre das gelungen, wäre dies ein Staatsstreich von oben gewesen.

Mit dem Lissabon-Vertrag würde die Europäische Union - die bereits den furchtbaren Prozeß des Maastricht-Vertrags, des Amsterdam-Vertrags, des Stabilitätspaktes und des Nizza-Vertrags durchlitten hat - vollends in ein neoliberales Korsett gepreßt. Die Mitgliedsstaaten könnten ihre eigenen Interessen nicht mehr durchsetzen, d.h. die Europäische Union würde sich in eine oligarchische Diktatur, in einen Bundesstaat, verwandeln.

Schon jetzt werden 85% aller Gesetze in Brüssel gemacht, doch in diesem Fall kämen sämtliche Gesetze aus Brüssel. (Ich sage immer, man könnte die Kosten der nationalen Parlamente eigentlich einsparen, da sie, so wie die Dinge jetzt liegen, ziemlich überflüssig sind.) Es würde eine supranationale Bürokratie entstehen, die in keiner Weise den Wählern Europas verantwortlich wäre. Außerdem würde der Lissabon-Vertrag - und das ist einer meiner Hauptkritikpunkte gegen ihn - die Europäische Union in ein Militärbündnis verwandeln, das den Vereinigten Staaten oder der NATO einverleibt würde - je nach dem, ob die NATO überhaupt weiterexistiert oder nicht. Die Europäische Union würde Teil einer globalen Interventionstruppe.

Offensichtlich gab es auch eine Änderung des NATO-Statuts, so daß jetzt Mehrheitsentscheidungen möglich sind und die Mitgliedsstaaten aufgrund der Solidaritätsklausel kein Vetorecht mehr haben. Kein Mitglied kann sich also mehr verweigern, wenn die Führung einen Einsatz angeordnet hat. Das gleiche gälte auch für die Europäische Union, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft träte, d.h. Interventionen durch Mehrheitsentscheidungen beschlossen würden.

Das hat bereits zu einer schweren Krise in Ländern wie Österreich geführt, die aufgrund ihrer Verfassung neutral sind. Denn im Fall einer Entscheidung für Militäreinsätze könnte sich ein solches Land nicht widersetzen, und das hat nicht nur in Österreich, sondern auch in Irland eine Verfassungskrise ausgelöst.

Die Leute, die eine solche Struktur wollen, argumentieren, Europa könne sich nur so gegenüber den Vereinigten Staaten, gegenüber einem erstarkenden Asien etc. behaupten. Aber ich habe mich mit dieser Frage genau auseinandergesetzt, und dieses Argument ist nicht stichhaltig. Wir haben es vielmehr mit einem imperialen, oligarchischen Plan zu tun, der sich gegen die wahre Kultur Europas richtet.

Ein Sprecher der Londoner City, ein gewisser Ambrose Evans-Pritchard, schrieb kürzlich, warum Großbritannien selbst dann gegen den Lissabon-Vertrag sein sollte, obwohl Brüssel 100% britische Politik betriebe: Es sei gut, daß dieser Vertrag Europa dieser Politik verpflichte, aber die Briten sollten sich einer solchen supranationalen Struktur nicht unterstellen.

Globale asymmetrische Kriege

Der größte Wahnsinn in dieser ganzen Debatte ist zumindest zeitweilig vom Tisch: Das war der strategische Vorschlag von fünf ehemaligen Generalstabschefs, darunter der deutsche General a. D. Klaus Naumann, General a. D. John Shalikashvili und entsprechende Generäle aus Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. Sie veröffentlichten eine Studie mit dem Titel „Eine große Strategie für eine unsichere Welt“ - ein wirklich unglaubliches Papier, das eine Strategie für globale asymmetrische Kriege unter dem Vorwand humanitärer Hilfe, Menschenrechte und Demokratie fordert. In einem Arsenal der Eskalation ist darin für Präzisionsangriffe auch der Ersteinsatz von Nuklearwaffen vorgesehen.

Dieses Papier hätte schon beim NATO-Gipfel in Bukarest im vergangenen Frühjahr auf dem Tisch sein können, und der einzige Grund, warum es dort nicht diskutiert wurde, war, daß Präsident Bush im Vorfeld Georgien eine baldige NATO-Mitgliedschaft versprach, was den NATO-Gipfel so durcheinander brachte, daß für diesen Naumann-Vorschlag keine Zeit mehr blieb.

Aber die gegenwärtige EU-Politik ist auch ohne das schlimm genug, denn kurze Zeit später wurde das sogenannte „Solana-Papier“ präsentiert, in dem die Folgen des Klimawandels für die Sicherheitspolitik der Europäischen Union diskutiert wurde. Der Klimawandel wird darin als ein Gefährdungs-Multiplikator im Kampf um strategische Rohstoff-Vorkommen in der Arktis behandelt, denn wenn das Polareis schmelze, wäre der Zugang zu diesen Rohstoffen leichter, was dann in Spitzbergen zu einem Kampf zwischen Rußland und Norwegen führen würde.

Die Idee einer globalen Interventionstruppe ist das Antlitz des Empire. Erst vor ein paar Tagen wurde eine Vereinbarung zwischen den Vereinten Nationen und der NATO getroffen, bei humanitären Interventionen zusammenzuarbeiten, ohne zuvor Rußland oder China zu konsultieren, die immerhin ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind. Insbesondere die Russen sind darüber sehr, sehr verärgert.

Der Tod der NATO

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine weitere, sehr problematische Angelegenheit richten, den sog. European Council on Foreign Relations, der vor einem Jahr nach Vorbild des New Yorker Council on Foreign Relations gegründet wurde. Vor allem zwei Leute waren daran beteiligt: der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer, der eine erstaunliche Karriere vom Straßenkämpfer und Hausbesetzer mit eindeutigen Verbindungen zum terroristischen Milieu im Deutschland der siebziger Jahre bis zum Außenminister hinter sich hat, und George Soros.

Am 20. November publizierte ein gewisser Nick Witney einen Artikel für den European Council on Foreign Relations. Witney kommt vom britischen Außen- und Commonwealth-Amt und war in den letzten Jahren für Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien im Rahmen des Al-Yamamah-Programms zuständig, d.h. dem berühmt-berüchtigten BAE-Projekt. Er schrieb unter der Überschrift „Der Tod der NATO“, die NATO hätte schon verschwinden sollen, als die Sowjetunion kollabierte, aber aufgrund der Lage auf dem Balkan in den neunziger Jahren und dann des 11. September und des Afghanistan-Krieges sei sie am Leben erhalten worden. Aber die Idee einer NATO unter amerikanischer Führung mit einer europäischen Gefolgschaft werde nicht länger hingenommen, und auch die Idee einer Partnerschaft zwischen den USA, der NATO und der Europäischen Union, wie sie von den fünf Generälen vorgeschlagen wurde, habe nicht gegriffen. Deshalb müsse die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und einer gleichberechtigten Europäischen Union als Partner aufgewertet werden - womit die EU als militärisch-oligarchische, imperiale Kraft gemeint ist.

General Naumann äußerte sich auf einer Konferenz des CSIS im letzten Januar äußerst sarkastisch über die Idee einer strategischen Partnerschaft zwischen Rußland, China und Indien. Er meinte, Nationen würden nur Interessen und keine Freundschaft kennen, und welche gemeinsamen Werte hätten diese drei überhaupt im Vergleich zu uns im Westen? „Viel Glück für die Russen und die Chinesen und die Inder! Wer soll ihnen denn helfen, wenn sie Probleme haben? Doch nur wir!“

Rußland, Indien und China im Fadenkreuz

Angesichts dessen, was Herr LaRouche sagte, ist sehr deutlich, daß es das Ziel des Britischen Empire in dieser gegenwärtigen strategischen Weltlage ist, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Rußland, China und Indien zu vereiteln. Cheney sagte wiederholt, die Vereinigten Staaten dürften nicht zulassen, daß ein anderes Land oder eine Kombination anderer Länder jemals die Macht der Vereinigten Staaten erreichten. Das sagte er offensichtlich vor einigen Jahren, aber das war das Denken. In diesem Zusammenhang betrachte man sich die Operationen, die gegen jedes dieser drei Länder betrieben wurden: Die laufende Kampagne gegen Rußland, erst gegen Präsident Putin und jetzt gegen Präsident Medwedjew. Die Destabilisierung Indiens, wie sie gerade bei den Angriffen in Mumbai deutlich wurde. Und es gibt massive Operationen gegen China. Ich weiß, viele Leute hier mögen in der Tibetfrage anders denken, aber wenn man sich diese Frage vom strategischen Standpunkt aus betrachtet, so sieht man, daß die Tibet-Kampagne das ganze Jahr vor den Olympischen Spiele in Beijing durch westliche Nichtregierungsorganisationen immer weiter eskaliert wurde, die im Grunde alle mit dem Apparat des Britischen Empire zusammenhängen.

Am 30. März 2008 - auf dem Höhepunkt der Tibet-Kampagne - erschien ein sehr vielsagender Artikel in der Londoner Sunday Times unter der Überschrift „Tibet ist eine Sache, aber die Spannungen zwischen Indien und China versprechen ein noch weit größeres Desaster“. Der Artikel rühmt George Bush dafür, daß er Indien auf die Seite der Vereinigten Staaten gezogen habe, weg von Rußland und China. Er beschreibt die Spannungen zwischen Indien und China  wegen Arunachal Pradesh im Süden Tibets und wegen Aksai Tschin im Norden Kaschmirs im Himalaja, wo die höchste Autobahn der Welt Tibet mit Xinjiang verbindet, die eine viel schnellere Verbindung ermöglicht als die bisherige Route.

Es gab Verhandlungen zwischen Indien und China, um diesen Konflikt beizulegen, aber das wird in dem Artikel nicht erwähnt.

Statt dessen wird ein anderes Szenario präsentiert. Sollte der inzwischen schon 73 Jahre alte Dalai Lama sterben, käme es zu einem Kampf zwischen China und den Exil-Tibetern über die Frage, wer die wahre Inkarnation des neuen Dalai Lama sein soll, woraufhin China sehr hart gegen die Aufständischen in Tibet vorgehen werde. Doch aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs würde es China zunehmend schwer fallen, die Aufständischen in Tibet zu unterdrücken, weil in ganz China Aufstände ausbrechen würden. In diesem Fall könnte Indien Teil einer internationalen Interventionsstreitmacht werden oder direkt eigene Truppen einsetzen. China werde von der US-Krise mitgerissen und werde härter gegen Aufständische vorgehen. Das werde die Spannungen mit Japan verstärken und schließlich zu einem Militärschlag gegen Taiwan führen. Diese Option fällt inzwischen aufgrund der jüngsten Wahlen in Taiwan glücklicherweise weg.

Das ganze ist offensichtlich kein Szenario für die ferne Zukunft, denn China erlebt bereits heute eine solche Wirtschaftskrise. Ich erwähne das nur, weil man immer auf entsprechende Manipulationen solcher legitimen oder historischen Konflikte achten sollte.

Die Afghanistan-Strategie ist gescheitert

Nun ein kurzer Blick auf die Lage in Afghanistan. Abgesehen von den Umständen, unter denen Artikel 5 der NATO-Charta aktiviert wurde, was meiner Meinung nach unbedingt untersucht werden sollte, ist die Afghanistan-Strategie vollkommen gescheitert. Das sollte niemanden überraschen, denn der Sowjetunion gelang es in Afghanistan in zehn Jahren Krieg mit 100.000 Soldaten nicht, zu gewinnen; das war einer der Faktoren, der zum Kollaps der Sowjetunion führte, da er maßgeblich zur Demoralisierung der Sowjet-Armee beitrug.

Die NATO hat ihre Truppen inzwischen auf 60.000 aufgestockt, also immer noch 40.000 weniger als beim früheren Einsatz der Sowjets. Jetzt wird über ein transatlantisches Abkommen verhandelt, weitere Truppen zu entsenden, wobei aber auch zivil-militärische Begleitprogramme eine Rolle spielen sollen. Deutschland hat die Zahl seiner Soldaten gerade um 1000 auf 4500 erhöht, wobei der Kompromiß ist, mehr Geld für Entwicklungshilfe zu geben. Den Begriff „Entwicklungshilfe“ muß man hier mit Vorsicht verwenden, denn diese Art von Entwicklungshilfe dient eigentlich ganz anderen Zwecken. So gibt es beispielsweise auch einen Konflikt zwischen der ISAF [den von der NATO geführten Internationalen Sicherheits-Unterstützungskräften], die militärisch gegen den Drogenanbau vorgehen will, und den örtlichen Kriegsherren und Bauern, die sich dadurch in ihrer Existenz bedroht sehen. Der glorreiche deutsche Vorschlag ist daher, den Bauern und Kriegsherren das Opium abzukaufen und es dann zu zerstören.

Das alles paßt sehr gut zu dem neuen Vorstoß von George Soros zur Drogenlegalisierung in den Vereinigten Staaten.

An der Wegscheide

Wenn man sich „Plan A“ auf diese Weise betrachtet, dann liegt die einzige Möglichkeit, das Afghanistan-Problem zu lösen, in gründlicher wirtschaftlicher Entwicklung.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, neben einer Handvoll afrikanischer Staaten wahrscheinlich das ärmste. Was dort am meisten gebraucht wird, ist Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrie. Das ist die einzige Waffe gegen die Taliban, und all das kann nur funktionieren, wenn an der regionalen Entwicklung auch Afghanistans Nachbarn teilhaben.

Herr LaRouche hat im Kontext des Irak-Problems seit langem gesagt, daß der einzige Weg zu einem Frieden dort darin besteht, die gesamte Region von Zentralasien, Iran, Irak, den Golfstaaten, Ägypten bis Israel und Palästina in einen regionalen Entwicklungsplan einzubinden. Nur so läßt sich Stabilität in die Region zu bringen.

Ist das überhaupt möglich? Wir befinden uns am Ende einer Epoche. Das neoliberale Paradigma ist gescheitert. Das System der Globalisierung, das neoliberale System der freien Marktwirtschaft, ist heute noch bankrotter, als es das kommunistische System zwischen 1989 und 1991 gewesen ist. Der einzige Weg, wie die Welt aus diesem Chaos herauskommen kann, ist eine neue Finanzarchitektur. Denn wenn man die Dinge so weiterlaufen läßt, ist ein Desaster vorprogrammiert.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Vorschlag lenken, den Präsident Medwedjew gemacht hat, der sich im Augenblick in Indien aufhält. Er hat eine neue Sicherheitsarchitektur angeregt, und ich denke, sein Vorschlag sollte international so schnell wie möglich aufgegriffen werden.

Ich persönlich glaube, daß Krieg im 21. Jahrhundert keine Lösung für Konflikte mehr sein kann, denn jeder Krieg könnte sehr schnell in einen globalen asymmetrischen Konflikt unter Einsatz von Kernwaffen münden, den schon sehr bald niemand mehr kontrollieren könnte. Wenn es im Kontext einer finanziellen Kernschmelze zu einem solchen Krieg käme, würden wir mit Sicherheit in einem neuen finsteren Zeitalter enden.

Ich persönlich glaube auch, daß das Problem des Terrorismus nur eingedämmt werden kann, wenn die vier Mächte zusammenarbeiten, wenn die Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien gemeinsam beschließen, daß der Terrorismus im Rahmen einer neuen Finanzarchitektur und im Rahmen einer neuen Sicherheitsarchitektur ausgerottet werden muß. Dann ließe sich meiner Meinung nach auch das Pakistan-Problem eindämmen.

Wir befinden uns also in vieler Hinsicht an einer Wegscheide der Menschheit, und es wird auf den Einfallsreichtum führender Kreise ankommen, um sicherzustellen, daß diese Geschichtsperiode zu einem positiven Ende kommt.

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