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Aus der Neuen Solidarität Nr. 48/2008

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Haberfeldtreiben gegen DBV-Chef Sonnleitner

Als Protest gegen die Entscheidung der Politik, die Milchquote zu erhöhen, was sofort zu Preisabstürzen geführt hatte, veranstalteten bayerische Milchbauern ein „Haberfeldtreiben“ gegen den Chef des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner.

Am 15. November kamen in dem kleinen Ort Ruhstorf an der Rott, nahe Passau, 1000-2000 Milchbauern zusammen, um den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes DBV, Gerd Sonnleitner, der im gleichen Ort einen Bauernhof bewirtschaftet, vor ein Volksgericht zu stellen, was in Bayern seit einigen Jahrhunderten als Haberfeldgericht bekannt ist.

In der Einladung zum Gerichtstag kann man über das Haberfeldgericht und -treiben Folgendes lesen: „Das Haberfeldtreiben stellt sicher das spektakulärste Brauchtum dar, das in Bayern überliefert ist und das nun nach über hundert Jahren wieder zu neuem Leben erweckt wird. Das Heberfeldgericht wird selten direkt an der Wohnstätte des zu Rügenden, sondern meist weiter entfernt auf einer Anhöhe oder einem freien Platz abgehalten. Der Haberfeldmeister steht auf einem kleinen Gerüst oder Bierfaß und trägt in Versform die Untaten von einer oder oft auch mehreren Personen vor. Die Haberer selbst sind mit großen Hüten und dunklen Mänteln oder Umhängen gekleidet und tragen falsche Bärte oder geschwärzte Gesichter. Nach jedem Versabsatz fragt der Vortragende: “Is des wahr?“, sind die Haberer einverstanden, erwidern sie: „Wahr is“, darauf  kommt der Befehl: „Treibts eam (eana) gescheid“. Nun wird mit den mitgebrachten Lärminstrumenten wie Kuhglocken, Trommeln, Ratschen, Trompeten usw. ein Höllenlärm geschlagen, der auf ein Handzeichen vom Haberermeister sofort abbricht.“

Hintergrund des nächtlichen Zusammentreffens in Ruhstorf ist das Scheitern der auf dem Milchgipfel mit dem damaligen Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer im Juli verabredeten Reduzierung der Milchquote. Die Bauern hatten dadurch eine Erhöhung der Milchpreise erhofft. Am 20. Oktober stimmte aber der Bundesrat gegen eine Reduzierung der Quote und unterstützte die Pläne der EU, die Quote sogar zu erhöhen. Die Milchbauern machen dafür den DBV und seinen  Präsidenten Gerd Sonnleitner verantwortlich. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, verwies bei seiner Entscheidung für eine Milchquotenerhöhung im Bundesrat auf die Forderungen des DBV, denen man nur Rechnung getragen habe.

Durch den Milchstreik der Bauern im Frühsommer war bei den Milchbauern Hoffnung aufgekommen, daß man nun endlich einen Preis erzielen könne, der die Produktionskosten deckt. Für kurze Zeit sah es auch so aus, als würden sich Bauern und Einzelhandel auf höhere Preise einigen können, und tatsächlich wurde kurze Zeit auch ein höherer Preis im Bereich der geforderten 43 Cent/Liter Milch gezahlt. Aber diese Absprachen brachen schnell in sich zusammen, da eine klare Entscheidung der Politik für kostendeckende Preise fehlte, die dann am 20. Oktober vom Bundesrat sogar verweigert wurde.

Als Folge davon bricht der Milchpreis drastisch ein und steht heute bereits bei 32 Cent/Liter Milch. Es wird sogar erwartet, daß der Preis auch noch unter 30 Cent fallen wird. Da gleichzeitig die Betriebskosten für die Landwirte stetig gestiegen sind, stehen nun immer mehr Bauern vor dem Aus. Hier zeigt sich wieder einmal, daß der freie Markt zu einer Zerstörung der Produktion und einer Verarmung großer Teile der Bevölkerung führt.

Dies betrifft nicht nur die Landwirte, sondern wie wir es im Automobilsektor gerade erleben, trifft es auch immer mehr die Industrie. Es ist also an der Zeit, die Politik des Freihandels (heute Globalisierung genannt) endlich fallen zu lassen und wieder zur Politik des Protektionismus, wie  z.B. in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders nach dem 2. Weltkrieg, zurückzukehren.

Dazu braucht man aber wieder Verantwortliche in den Institutionen und der Politik, die verstehen, daß nur die Verteidigung der Produktion und nicht der Spekulanten ein Abgleiten in die Armut verhindern kann. Das Haberfeldgericht, das in Ruhstorf zu erleben war, zeigt den verzweifelten Versuch der Milchbauern, die Milchproduktion in Deutschland weiter zu erhalten und damit einen Beitrag zur Verteidigung der mittelständischen Struktur in Deutschland zu leisten und nicht, wie in vielen Ländern bereits geschehen, eine Struktur zu tolerieren, wo es nur noch wenige reiche Kapitaleigner und viele arme Bürger gibt.

Die Teilnehmer am Haberfeldtreiben wurden in der Niederbayernhalle von Wolfgang König und Andreas Remmelberger begrüßt und über die Auflagen des Landratsamtes und der Polizei aufgeklärt. Die Bauern seien sich wie Kriminelle vorgekommen, obwohl sie nur für die Erhaltung ihrer Höfe kämpfen würden. Dann ging es mit einer Musikkapelle voraus zum Marktplatz, und hier fand dann das Haberfeldgericht statt. Der Text der Anklage [[[[### hier Hyperlink zu gn48haber###]]]] wurde von dem Haberermeister Anton Prechtl in Gedichtform vorgelesen.

Nach dieser Prozedur ging es zurück in die Niederbayernhalle. Hier sprach zuerst die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern (AbL) Edith Lirsch. Sie griff Sonnleitner wegen seiner Tätigkeiten in Gremien der Kartelle an. Er führe den Vorsitz in der der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e.V. (FNL), wo er mit großen Chemiekonzernen am gleichen Tisch sitze, die ganz andere Interessen als die Landwirte hätten.

Sabine Holzmann, eine Milchbäuerin, erinnerte die Anwesenden an das Grundgesetz, besonders an die Artikel 163-65, die den Staat darauf verpflichten würden, Grund und Boden in Bauernhand zu halten und ihnen auch ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Das Bundeskartellamt habe aber gerade am 14. November erklärt, die Milchbauern könnten auch mit niedrigeren Milchpreisen überleben. Dem DBV sprach sie jede Kompetenz ab, noch die Interessen der Bauern zu vertreten, wofür sie viel Beifall erhielt.

Dann sprach der Bundesgeschäftsführer der Abl e.V., Georg Jahnsen, der aus dem Wendland angereist war. Seine Rede machte jedoch deutlich, daß eine Kritik an den Kartellen allein noch nicht unbedingt eine Politik im Interesse von Landwirten und Bürgern bedeutet. Denn die Alternative zur Politik der Kartelle ist nicht ein Rückfall in feudale Zeiten, wo die Landwirte ihren Betrieb nicht mehr modernisieren und damit produktiver machen wollen. Auch der Bauer ist ein schöpferisches Wesen, und nur im Feudalismus wird er mit den Tieren gleichgestellt, die ihr Verhalten auch in Jahrhunderten nicht ändern werden.

Der große deutsche Agrarökonom F. Aereboe stellte schon im letzten Jahrhundert fest: „In der Landwirtschaft liegt die Hauptquelle der Störungen in den Schwierigkeiten des Übergangs zu neuen, produktiveren Formen, also nicht in mangelhaften Fortschritten, sondern in deren Anwendung durch die Menschen. Die Köpfe der Menschen sind der Boden, der oft nicht so schnell ertragfähig gemacht werden kann, wie es erforderlich ist. Hier stürmen Wissenschaft und Technik voraus und nur langsam geht es vorwärts mit deren Anwendung in der großen Praxis.“

Jahnsen forderte, daß Subventionen für die Arbeitskräfte und nicht die Fläche ausgegeben werden müßten. Richtiger wäre es aber, die Abschaffung der Subventionen und stattdessen gerechte Preise für die Landwirte zu verlangen. Ein kostendeckender Preis ist nämlich der beste Weg zur Erhaltung der bäuerlichen und damit vielfältigen, verbrauchernahen Landwirtschaft.

Herr Jahnsen rühmte sich dann auch noch seiner Beteiligung an der Blockade des jüngsten Castortransportes nach Gorleben. Sein Stolz auf diese Tat zeigt aber, daß er offenbar nicht versteht, daß eine wachsende Menschheit ohne die Kerntechnik gar nicht überleben kann. Er ist somit auch ein Opfer der 40jährigen Gehirnwäsche der Medien und Institutionen, die seit Jahrzehnten uns einreden wollen, daß die Industriegesellschaft ein Auslaufmodell sei und durch die nachindustrielle Gesellschaft ersetzt werden müsse.

Diese nachindustrielle Gesellschaft ist aber wieder eine neofeudale Gesellschaft, in der die Menschen nur als billige Muskelmaschinen für Feudalherren (heute Kapitaleigner) angesehen werden und nicht als schöpferische Wesen, deren Arbeitskraft durch technischen Fortschritt immer produktiver wird und damit eine wachsende Menschheit auch in Zukunft versorgen kann.

Eine der Institutionen, die diese Gehirnwäsche seit 1960 betrieben haben, ist der WWF (früher World Wildlife Fund, jetzt World Wide Fund for Nature), der von der Abl als verbündete Organisation angesehen wird.

Begründer des WWF sind aber die beiden Prinzen Philipp von England und Bernhard der Niederlande. Letzterer war einmal SS-Mitglied, während ersterer für die Aussage berühmt ist, daß er das Hauptproblem dieser Erde in ihrer Überbevölkerung sehe. Von der „Überbevölkerung“ der Erde bis zum „Volk ohne Raum“ der Nazis ist es nur ein kleiner Schritt, und leider sind in den dreißiger Jahren viele Bauern auf diese angeblichen Bauernfreunde hereingefallen.

Anschließend sprach ein Vertreter der Irschenberger Gruppe, ein Landwirt aus Prien am Chiemsee. Die Irschenberger Gruppe besteht aus Mitgliedern des DBV, die aber die Politik von Gerd Sonnleitner nicht teilen. Sie fordern sogar seinen Rücktritt und eine Erneuerung des DBV von innen. Scharf griff er auch die Medien an, besonders das Bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt, für dessen Inhalt auch der BBV verantwortlich zeichnet.

Obwohl 35.000 Milchbauern die Forderungen des BDM für eine Reduzierung der Milchquote unterstützt hatten, sei im Wochenblatt kein Wort darüber zu lesen gewesen. Der Agrarausschuß des Bundestages beschließe fast immer, was vorher vom DBV gefordert wurde. Deshalb treffe den DBV auch die Schuld am Beschluß des Bundesrats. Er verwies auf das Beispiel Spanien, wo man sehen könne, daß eine Quote eingehalten wird, wenn die Molkereien mitspielen. Dort würden die Molkereien bei den Bauern nur die ausgemachte Quote abholen und nicht mehr und damit eine Überlieferung der Milchquote verhindern.

Der letzte Redner war Erwin Schneiderbauer vom BDM (Bundesverband deutscher Milchviehhalter). Er machte die Anwesenden noch einmal auf die heutige verkehrte Welt aufmerksam, wo Bauern als Verbrecher hingestellt und Verbrecher wie Spekulanten als Ehrenmänner angesehen würden. Er forderte das Offenlegen der Vergabe von Subventionen. Der Bürger müsse endlich erfahren, wer das Geld aus Brüssel bekomme. In Österreich sei dies der Chef von Red Bull und nicht die Bauern. Ähnliches sei auch hier zu vermuten, aber es werde alles getan, um dies zu verheimlichen.

Er forderte einen Sofortgipfel der EU in Brüssel, auf dem die Beschlüsse zur Erhöhung der Milchquote sofort rückgängig gemacht und statt dessen eine Reduzierung der Quote realisiert werden müsse. Es habe ja z.B. in Berlin nur vier Tage gedauert, ein Rettungspaket für den Finanzsektor zu realisieren. Die gleiche Schnelligkeit verlange man jetzt auch für die Bauern. Die Bauern sollten von Merkel ein Rettungspaket verlangen, weil diese den Ratschlägen von Gerd Sonnleitner gefolgt seinen wie die Bankiers den Finanzexperten und nun vom Staat gerettet werden müßten.

Er kündigte auch schon das nächste Haberfeldgericht an. Der zu Rügende werde Manfred Nüssel sein, der Präsident des Deutschen Raiffeisen-Verbandes. Er sei ein weiterer Verräter an der Sache der Bauern, und für ihn seien Verräter schlimmer als Mörder, da der Verräter sich seinen Verrat lange vorher überlegt habe. Der Bauer müsse endlich den DBV in die Wüste schicken.

Solche klaren Worte kamen bei den Zuhörern an. Der Protest der Bauern muß sich endlich mit den anderen Opfern der Globalisierung verbinden. Dann ist es vielleicht nicht nur möglich, den DBV in die Wüste zu schicken, sondern auch gleich die ganze Globalisierung mit ihren grünen Hilfstruppen dazu.

Werner Zuse

 

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