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Aus der Neuen Solidarität Nr. 44/2008 |
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Mexiko. Die LaRouche-Jugendbewegung (LYM) in Mexiko fordert nach dem jüngsten finanziellen Absturz des Landes die Bevölkerung auf, endlich die gescheiterte Politik des Freihandels aufzugeben und LaRouches Alternative aufzugreifen.
Die LaRouche-Jugendbewegung (LYM) in Mexiko ist in den Mittelpunkt einer nationalen Debatte über die Kernschmelze des globalen Finanzsystems gerückt. Seit dem 13. Oktober zirkuliert ein Flugblatt der LYM, worin das ganze Land aufgerufen wird, „endlich auf Lyndon LaRouche zu hören und seine Lösung umzusetzen, nämlich eine Allianz der vier Großmächte Rußland, China, Indien und USA zu bilden, eine Konkursreorganisation des internationalen Finanzsystems vorzunehmen und ein neues Bretton Woods in der Tradition von Franklin Delano Roosevelt aufzubauen.“ In dem Flugblatt wird auch eine „Abschaffung von Finanzderivaten und die Inangriffnahme von PLHINO“ gefordert, ein Verweis auf den Infrastrukturplan für den Nordosten Mexikos, mit dem über eine Million Hektar Anbaufläche bewässert und so landwirtschaftlich genutzt werden könnte.
In der Woche zuvor hatte die mexikanische Zentralbank in der Panik fast 9 Mrd. $ ihrer Devisenreserven (oder 11% von insgesamt 84 Mrd. $) verbraucht, um irgendwie den Ansturm auf die Währung und den daraus resultierenden freien Fall des Peso zu stoppen. Trotz dieser massiven Intervention sackte die mexikanische Währung in einer Woche um 17% ab. Unter den panischen Dollar-Käufern befanden sich einige mexikanische Konzerne, die plötzlich mit riesigen Mengen nicht mehr zu deckender Derivate dasaßen. Der Handelsriese Comercial Mexicana beispielsweise meldete am 9. Oktober Konkurs an, nachdem er bei Derivatwetten 4 Mrd. $ verloren hatte. Wie es scheint, mußten sich auch einige große internationale Spieler Hals über Kopf aus dem mexikanischen Markt zurückziehen, um in den zusammenbrechenden Weltmärkten ihre Schräglagen anderswo abzufangen.
Ein ähnlicher Prozeß ereignete sich zeitgleich in Brasilien, wo fast 200 Firmen in Derivatwetten 28 Mrd. $ verloren, was die Landeswährung wie einen Stein absacken ließ.
Die starke Abwertung des Pesos ist für ein Land, das ein Viertel seiner Grundnahrungsmittel wie Getreide einführen muß, äußerst erschreckend - aber das ist bei weitem nicht alles, was auf Mexiko einstürzte. Bereits Anfang des Monats war offiziell bekanntgegeben worden, daß Überweisungen von in den USA arbeitenden Mexikanern im August um den Rekordwert von 12% zurückgegangen sind (Abbildung 1), weil sich in den USA selbst die Depression immer weiter ausbreitet. Die Überweisungen mexikanischer Arbeitskräfte in den USA sind nach den Ölexporten die zweitgrößte Devisenquelle des Landes, die fast während des gesamten letzten Jahrzehnts um etwa 20% jährlich angewachsen war. Es gibt ganze Bundesstaaten in Mexiko, besonders im verarmten Landesinneren, wo die Hälfte oder mehr der arbeitsfähigen Männer gezwungen sind, sich in den USA Arbeit zu suchen und deren Familien völlig auf das Geld angewiesen sind, das sie nach Hause überweisen.
Tatsächlich ist die Lage noch schlimmer. Cruz López, Vorsitzender des größten Bauernverbandes Mexikos, des CNC, erklärte vor der Presse, daß die offizielle Zahl von 12% weniger Geldüberweisungen die Wirklichkeit bei weitem untertreibe. In vielen Bundesstaaten hätte der Rückgang bis zu 30% erreicht, und die Lage verschlechtere sich weiter. Mexikanische Migranten fänden in der kollabierenden amerikanischen Wirtschaft immer schlechter Arbeit, und über 350.000 von ihnen würden in Kürze nach Mexiko zurückkehren - wo sie wahrscheinlich überhaupt keine Anstellung mehr finden werden. „Wir sind inmitten eines extrem schweren Wirtschaftskonflikts“, warnte López.
LaRouche hat seit Jahren darauf hingewiesen, daß die mexikanische Wirtschaft an die Wand fahren werde, sobald „der Importeur der letzten Instanz“, d.h. die amerikanische Wirtschaft, abstürze. Die USA hätten gewaltige Mengen von Exportgütern und Arbeitskräften aus Mexiko und vielen anderen Ländern der Welt aufgenommen, solange die spekulative Immobilienblase und andere Finanzauswüchse am Leben erhalten werden konnten.
LaRouche hatte diese Prognose schon im Januar 2001 im Executive Intelligence Review abgegeben; damals stiegen die Geldüberweisungen nach Mexiko noch steil an (siehe die gestrichelte senkrechte Linie in Abbildung 1), doch die meisten in Mexiko weigerten sich, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und taten LaRouches Warnungen als alarmistisch ab. Während der folgenden sieben Jahre warnten LaRouche und EIR wiederholt vor dem drohenden Platzen der spekulativen Dollarblase und den Folgen für die mexikanische Wirtschaft, aber angesichts scheinbar weiter ansteigender Überweisungen wischten die meisten Mexikaner diese Warnungen beiseite.
Im August 2007 (markiert durch die zweite gestrichelte Linie in Abbildung 1) veröffentlichte EIR einen Sonderbericht „Der internationale Finanzkollaps: Die Folgen für Mexiko“, worin erneut die drohende Krise dargestellt wurde. In der Einleitung dieses Berichts mit der Überschrift „US-Hypothekenkrise: Der Absturz des ,Importeurs der letzten Instanz’“ schrieben wir, es gebe klare Hinweise darauf, daß der Höhepunkt der Geldüberweisungen erreicht sei und „das Schlimmste noch bevorsteht“.
Das Wunschdenken in Mexiko hielt an. Doch seit dieser Zeit vor etwas mehr als einem Jahr ging es mit den Überweisungen mexikanischer Migranten aus den USA immer weiter bergab, genauso wie wir es vorhergesagt hatten. In den nächsten Monaten droht nun ein Absturz um 30%.
Deswegen stellt die mexikanische LYM ihren Landsleuten die polemische Frage: „Seid ihr jetzt bereit, auf LaRouche zu hören?“ Einige in Mexiko scheinen tatsächlich aufzuwachen.
Unter der Führung der LaRouche-Bewegung verstärken Institutionen im nordwestlichen Bundesstaat Sonora ihren Kampf, die gescheiterte Politik der Regierung zu beenden und die von LaRouche bei seinem letzten Besuch im April 2008 in Monterrey wiederholte Strategie aufzugreifen. Den jüngsten Vorstoß unternahm der Gouverneur von Sonora, Eduardo Bours, der am 7. Oktober erklärte, es sei der „schwerste Fehler“, wenn die mexikanische Regierung auf die Krise mit Investitionskürzungen für die Infrastruktur reagieren würde. Die Zentralregierung solle statt dessen große Wasserprojekte wie PLHINO finanzieren, deren Verwirklichung fast eine Million Arbeitsplätze schaffen und Millionen Hektar bewässertes Land für die Landwirtschaft erschließen würde.
Der mexikanische Präsident Felipe Calderon denkt jedoch anders.
Am 8. Oktober, Mitten im Ansturm auf den Peso, wandte sich Calderon in einer Dringlichkeitsrede an die Nation, worin er nach Monaten öffentlicher Verleugnungen eingestehen mußte, daß die Weltkrise tatsächlich auch erhebliche Auswirkungen auf Mexiko habe. Er legte fünf „Antikrisen-Maßnahmen“ vor, die sich alle um ein zentrales Vorhaben drehen: Die staatliche Ölgesellschaft Pemex soll in den Bankrott getrieben und dann den Finanzraubtieren zum Fraß vorgeworfen werden.
Calderon gab bekannt, daß die Regierung etwa 1,6 Billionen Peso (125 Mrd. $) sogenannter Pidiregas-Anteilsschulden (außerbilanzliche Verpflichtungen) auf das Pemex-Konto abladen werde, welche Pemex nun aus seinen eigenen Mitteln bedienen müsse. Außerdem verkündete der Präsident, daß die Umwandlung von Pemex in eine „selbständige“ Gesellschaft - finanziell und technisch vom Staat getrennt - sofort beginnen müsse.
LaRouche verurteilte diesen Plan umgehend als Schritt, Pemex in eine PPP (public-private partnership) zu verwandeln, was praktisch die - von der mexikanischen Verfassung ausdrücklich untersagte - Privatisierung des Konzerns bedeutete.
Weil Calderon den ganzen Schwindel als einen Buchführungstrick verpackte, damit die Regierung Geld für verschiedenste Ausgaben freibekomme - darunter den angekündigten Bau der ersten neuen Ölraffinerie des Landes seit 30 Jahren -, hat sogar die oppositionelle Demokratische Revolutionäre Partei (PRD) samt ihres früheren Präsidentschaftskandidaten Manuel Lopez Obrador dem Schachzug Calderons zugestimmt und nur beklagt, daß alles nicht schon früher passiert sei. Ähnlich äußerte sich der PRD-Bundesvorsitzende Guadalupe Acosta Naranjo. Calderons Fünf-Punkte-Plan bedeute einen „Richtungswechsel“, und der Präsident sei jetzt „auf dem richtigen Weg“.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) war mit Calderons Paket sehr glücklich. David Robertson, stellvertretender Leiter der IWF-Abteilung für die westliche Hemisphäre, sagte: „Was das mexikanische Regierungsprogramm angeht, unterstützt der IWF die Ankündigungen nachdrücklich.“ Im übrigen müsse das Land einen „Konsens zur Stärkung des Ölsektors“ finden - mit anderen Worten, entgegen der mexikanischen Verfassung Pemex privatisieren.
Auch Robinsons Boß Anoop Singh äußerte sich öffentlich zu Calderons indirekter Ankündigung, Mexiko werde seine Auslandsdevisen einsetzen, um sofort große Teile der Pidiregas-Schulden abzuzahlen. „Länder haben hohe ausländische Devisenreserven, und deswegen ist es natürlich, daß sie diese jetzt zu nutzen beginnen“, lobhudelte Singh.
Die „kreative Buchführung“ mit den sogenannten Pidiregas-Schulden ist ein besonders skandalöser Aspekt des Calderon-Pakets. Die Pidiregas (die spanische Abkürzung für Projekte mit verzögerter Ausgabenwirkung) wurden 1997 unter der Regierung von Präsident Ernesto Zedillo begonnen, um auf diese Weise faktische Schuldverpflichtungen für Pemex und andere Staatsbetriebe zu schaffen. Dabei wurden Privatfirmen für verschiedene Projekte verpflichtet, wofür diese Schuldverschreibungen erhielten, deren Begleichung erst einige Jahre später begann, nachdem die Projekte angelaufen waren. Auf diese Weise umging man das in der Verfassung verankerte Verbot, Pemex zu privatisieren, und Mexiko konnte sophistisch geltend machen, die Pidiregas seien nicht Teil der öffentlichen Verschuldung, sondern lediglich „hinausgeschobene Ausgaben“.
Im Zuge dieses Schwindels wuchsen die außerbilanzlichen Pidiregas-Schulden bis April 2008 auf die oben erwähnten 1,6 Billionen Peso an und werden Ende 2008 voraussichtlich 1,8 Billionen Peso erreichen. Das ist fast soviel wie die offizielle öffentliche Verschuldung Mexikos von 2,35 Billionen Peso, wie aus Abbildung 2 hervorgeht. Tatsächlich wuchsen die Pidiregas-Schulden in letzter Zeit um etwa 20% jährlich. Der andere wesentliche außerbilanzliche Anteil der tatsächlichen öffentlichen Verschuldung sind die sogenannten Fobaproa-Schulden, die noch von dem staatlichen Rettungspaket für das mexikanische Bankensystem Mitte der neunziger Jahre stammen.
Es sei angemerkt, daß sich EIR seit Jahren auch gegen den Pidiregas-Schwindel gewandt und Mexiko gewarnt hat, daß dieser der Regierung früher oder später um die Ohren fliegen würde. Jetzt ist es geschehen.
Calderon will diesen gesamten Schuldenberg nun Pemex aufbürden, während gleichzeitig die Pemex-Ausgaben - einschließlich der Bedienung der Pidiregas-Schulden - von der allgemeinen Ausgabenbegrenzung der öffentlichen Hand ausgenommen werden. Mit diesem Buchführungstrick verkündet die Regierung nun, sie sei jetzt ganz neu in der Lage, Geld für die „Infrastruktur“ auszugeben - Geld, das wohl nie fließen wird, sondern nur als PR-Trick herhalten mußte, um Unterstützung in der Bevölkerung zu erreichen.
Die Realität ist, daß Mexiko - das Aushängeschild von Freihandels- und Globalisierungs-Verfechtern weltweit - jetzt von den gleichen Fehlern eingeholt wird, mit denen es sich bisher gebrüstet hat. Seit internationale Finanzkreise 1982 die Bestrebungen des damaligen mexikanischen Präsidenten José Lopez Portillo zunichte machten, das Land zu industrialisieren, haben die verängstigten Regierungen daran mitgewirkt, um
1. die eigene Industrie und Landwirtschaft zugunsten ausländischer Billigimporte zurückzufahren. Mit Erfolg: Seit 1982 ging die Beschäftigung im produzierenden Gewerbe um etwa 25% zurück, und die Pro-Kopf-Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Mais, Bohnen und Reis sank um 15%, 51% bzw. 71%.
2. grenznahe Montagewerke (Maquiladoras) aus dem Boden zu stampfen, in denen Billiglohnkräfte wie Sklaven hauptsächlich für den Export in die Vereinigten Staaten arbeiten. Auch hier mit Erfolg: Die Maquiladoras schossen wie Pilze aus dem Boden, und fast 90% seines Handels wickelt Mexiko inzwischen mit den USA ab.
3. verzweifelte Mexikaner auf Arbeitssuche in die USA zu schicken, damit diese mit dem Lohn ihre Familien zu Hause ernähren können - in vielen Bundesstaaten die einzige Lebensgrundlage. Ein weiterer Erfolg: Etwa 13 Millionen Mexikaner arbeiten inzwischen in den USA, und die Geldüberweisungen wuchsen im letzten Jahrzehn um etwa 20% jährlich.
4. Mexiko als internationales Bankenparadies attraktiv zu halten, indem der Staat Schulden anhäuft, die satte 8% Zinsen abwerfen. Ein Wahnsinnserfolg: Mexikos reale öffentliche Verschuldung hat sich im letzten Jahrzehnt - vor allem dank außerbilanzlicher Pidiregas - mehr als vervierfacht.
Mexiko hat eine so „erfolgreiche“ Politik des Freihandels und der Globalisierung betrieben, daß inzwischen seine Existenz als souveräner Nationalstaat auf dem Spiel steht.
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