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Aus der Neuen Solidarität Nr. 44/2008 |
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Neues Bretton Woods. Die weltweite Finanzkrise treibt die Regierungen in Richtung einer Neuordnung des Finanzsystems. Am 15. November treffen sich die G-20-Staaten in den USA, um darüber zu beraten. Den Befürwortern eines Neuen Bretton Woods stehen die Sprachrohre des anglo-holländischen Finanzempires gegenüber.
Als Lyndon LaRouche am 25. Juli 2007 erklärt hatte, das Weltfinanzsystem sei soeben abgesoffen, und man werde in den kommenden Monaten erleben, wie Schlag auf Schlag immer weitere Leichen des Systems an die Oberfläche getrieben würden, gab es außer ihm und seiner Bewegung kaum jemanden, der den Mut oder die Einsicht hatte, eine Rückkehr zu einem Finanzsystem nach dem Vorbild von Bretton Woods zu fordern. Insbesondere unter den westlichen Regierungen war diese Idee geradezu verpönt.
Heute jedoch, gut 15 Monate später, reden Regierungen überall in der Welt von der Notwendigkeit eines „Neuen Bretton Woods“, sogar der britische Premierminister Gordon Brown; es gibt inzwischen auch einen Beschluß der EU-Regierungen, eine Konferenz oder sogar eine Serie von Konferenzen zur Neuordnung des Weltfinanzsystems abzuhalten. Auch wenn noch lange nicht klar ist, welche Ideen sich dann bei diesen Konferenzen letztendlich durchsetzen werden: Die Tatsache, daß dies so ist, ist an sich schon ein großer Sieg für die jahrzehntelangen Bemühungen der LaRouche-Bewegung.
Unter den Regierungen haben vor allem die von Frankreich und Italien die Führung in dieser Bewegung für ein Neues Bretton Woods übernommen - Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nicht zuletzt deshalb, weil er als derzeitiger Vertreter der Ratspräsidentschaft gewissermaßen dafür zuständig ist, Europas Notmaßnahmen gegen die Finanzkrise zu koordinieren. In seiner Rede am 21. Oktober vor dem Europaparlament in Straßburg, die von den Medien weitgehend ausgeblendet wurde, schlug Präsident Sarkozy sogar die Rückkehr zu einem System „fester Wechselkurse“ vor.
Bei einem Blitzbesuch in Washington rangen er und EU-Kommissionspräsident Barroso dem scheidenden US-Präsidenten Bush die Zusage ab, sich an einer Konferenz zu beteiligen, bei der neben den G-7-Staaten noch andere große Staaten - China, Indien, Brasilien, Rußland, Südkorea und die EU teilnehmen sollen. Um sich der Bewegung nicht gleich ganz auszuliefern, sagte Bush zwar zu, er bestand jedoch darauf, daß diese Konferenz von den USA und nicht von den Vereinten Nationen ausgerichtet wird; und auch wenn dann bei dieser „G-20“-Konferenz am 15. November nicht nur der amtierende, sondern auch dessen dann bereits gewählter Nachfolger teilnehmen soll, ist klar, daß dort ein großes Tauziehen über die Zukunft des Weltfinanzsystems stattfinden wird. Die entscheidende Frage wird sein, ob dieses Treffen sich in bürokratischen Übungen verzettelt, während Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt durch den Finanzkollaps und seine Auswirkungen in ihrer Existenz bedroht sind, oder ob der Druck der Ereignisse auf den Finanzmärkten die Beteiligten doch zwingt, vernünftige Maßnahmen - wie sie LaRouche fordert - zu treffen.
Die Beteiligten mustern dafür schon jetzt ihre Truppen. Sarkozy rief in seiner Straßburger Rede dazu auf, China, Indien, Indonesien und andere bei dem Bestreben, ein „Neues Bretton Woods“-System zu schaffen, mit einzubeziehen, und er und Barroso reisten am letzten Wochenende zu diesem Zweck nach China. Laut der französischen Regierung hat der indische Ministerpräsident Manmohan Singh bereits zugestimmt, an der Serie der für nächsten Monat geplanten erweiterten G-8 und G-5 Treffen teilzunehmen. Auch Rußland hat die Ankündigung des G-20-Finanzgipfels begrüßt.
Welcher Geist bei diesem Treffen vorherrschen muß, damit dieser ein Erfolg werden kann, machte der italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti - seit langem ein Verbündeter LaRouches in der Frage des Neuen Bretton Woods - deutlich, der unterstrich, dieses „Bretton Woods II“ müsse auf dem Konzept des „Westfälischen Friedens“ beruhen. Bei einer Vorstellung des Buches „Das Paradox des Euro“ von Lorenzo Bini Smaghi, einem der Chefs der EZB, sagte Tremonti am 20. Oktober: „Was wir gegenwärtig, und in einer anderen Größenordnung brauchen, ist nicht einfach ein zweites Bretton Woods, sondern etwas, was dem Abkommen des Westfälischen Friedens so nah wie möglich kommen sollte.
Die Perspektive eines Bretton Woods ist sicherlich da. Es ist ein Abkommen, dessen politische Charakteristika nicht einfach Randerscheinungen sind, es hat einige multilaterale Züge, während vieles unilateral ist. Es geht um das Handels- und Finanzäquivalent zu einem Friedensabkommen.“
Zur heutigen Lage kommentierte er: „Das Weltgleichgewicht hat sich verändert. Es gibt eine zusätzliche politische Körperschaft, die G8, aber eigentlich fehlt ein Vertrag. Wir können uns nicht vorstellen, daß die gegenwärtigen G-8 Staaten die Stärke aufbringen könnten, die Amerika damals [zur Zeit von Bretton Woods] besaß.“ Deshalb denke er, man müsse „eine neue Struktur" finden, die „auf einem Vertrag beruht.“
Genau dieses Thema, eine „neue Weltwirtschaftsordnung in der Tradition des Westfälischen Friedens“, hatte Helga Zepp-LaRouche kürzlich in ihrer Rede beim Weltforum Dialog der Zivilisationen in Rhodos behandelt.
Gleichzeitig zeigt sich der Trend ungebrochen, daß die Regierungen sich in dieser Krise an ihre lange geschmähte Rolle in der Volkswirtschaft erinnern - nicht nur in Bezug auf die „Verstaatlichung“ der Bankenverluste, wie sie die britische Regierung vertritt, sondern auch im Sinne eines Schutzes für die eigentlich entscheidende, produktive Wirtschaft. Sarkozy schlug in diesem Zusammenhang vor, bevor ein Neues Bretton-Woods-System eingerichtet sei, könnten die europäischen Länder „Staatsfonds“ einrichten, um nationale und europäische Interessen zu verteidigen. Schließlich verfügten auch Nationen wie Rußland, China, Länder in Asien oder dem Nahen Osten über Staatsfonds, deren Wert auf ca. 5 Billionen $ geschätzt wird. Heute existiere die Gefahr, daß viele führende europäische Industrieunternehmen (wie der französische Energieversorger EDF), deren Marktwert scharf eingebrochen ist, billigst von ausländischem Kapital aufgekauft werden könnten. Deshalb rufe er die EU-Mitgliedsstaaten auf, selber Staatsfonds zu schaffen und untereinander eine „industrielle Antwort“ auf die Krise zu koordinieren, so daß Europa auch weiterhin „Schiffe, Flugzeuge und Autos“ bauen könne.
Da es aber nicht möglich ist, die realwirtschaftliche Seite der Volkswirtschaft zu schützen, und gleichzeitig den Hedgefonds ein weiteres Aussaugen der produktiven Wirtschaft zu erlauben, reagiert das Lager der Hedgefonds hysterisch auf diese Entwicklungen. Exemplarisch für die Befürchtungen vieler Hedgefondsmanager ist ein Beitrag von George Cooper, der am 17. Oktober im Londoner Daily Telegraph erschien. Cooper vertritt den drittgrößten europäischen Hedgefonds, BlueCrestCapital mit etwa 11,5 Mrd. $ Anlagekapital, und er zieht in seinem Artikel - „Finanzkrise - das letzte, was wir brauchen, ist ein Bretton Woods“ - über das ursprüngliche Bretton Woods unter Roosevelt her. Die Politiker seien traumatisiert durch die Entwicklungen, bei denen das globale Finanzsystem beinahe völlig versagt hätte, und kämen deswegen auf solche Ideen. Cooper spricht sich dagegen offen für eine Politik der Hyperinflation durch „Rettungspakete“ aus. Das ursprüngliche Bretton Woods habe zwar zuerst funktioniert, dann aber wegen der Anhäufung der amerikanischen Defizite versagt. Man brauche eine neue Strategie, um das Finanzsystem zu managen, aber sicher kein Bretton Woods. Es bliebe nur übrig, sich „ aus diesen Schulden herauszuinflationieren“.
In einem anderen alarmierten Artikel berichtete die FT, die Hedgefonds müßten zunehmend ihre Positionen liquidieren, weil die Anleger ihr Geld zurückfordern - im September waren das 43 Mrd. $.
Auf Seiten der Fonds und der Banken stehen natürlich auch die Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpte am 21. Oktober nochmals eine halbe Billion $ an Liquidität in das desintegrierende europäische Bankensystem. Sie stellte den Banken 305 Mrd. Euro (etwa 390 Mrd. $ beim aktuellen Währungskurs) für sieben Tage zur Verfügung, was 700 Banken in Anspruch nahmen - die größte Anzahl von Finanzinstituten bisher. Dazu kamen noch 102 Mrd. $ für 28 Tage und 22,6 Mrd. $ für Devisenswaps, während gleichzeitig die amerikanische Federal Reserve die Hyperinflation mit 540 Mrd. $ anheizte.
Das zeigt vor allem, daß der europäische Interbankenmarkt völlig ausgetrocknet ist und daß die verschiedenen „Rettungspakete“ der Regierungen für „die Märkte“ offenbar nicht funktioniert haben. Private Banken wie die Deutsche Bank boykottieren die Rrettungspakete der Regierungen, weil sie sich offenbar gewissen Kontrollen nicht unterwerfen wollen. Gleichzeitig arbeitet die EZB mit ihrem Verhalten faktisch gegen die Regierungen, indem sie - ohne Bedingungen - große Mengen an Liquidität zur Verfügung stellt, die sie ja eigentlich gar nicht hat.
Der Gouverneur der Bank von England, Mervyn King, kommentierte die Lage, es sei „schwer, die Schwere und Bedeutung dieser Ereignisse zu übertreiben... Seit Beginn des Ersten Weltkriegs war unser Finanzsystem nicht mehr so dicht vor einem Kollaps.“ King gab dann bekannt, daß das Land sich auf dem Weg in eine „Rezession“ befinde. In einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer von Leeds sagte er: „Nach dem Scheitern von Lehman Brothers am 15. September begann eine außergewöhnliche, fast unvorstellbare Folge von Ereignissen, die vor etwa einer Woche in der weltweiten Ankündigung der Rekapitalisierung des Bankensystems kulminierte.“ King gab zu, das Ausmaß der Liquiditätshilfen der Zentralbanken sei „beispiellos“, der Steuerzahler habe nun größere Forderungen an den Besitz der Banken (in Form der Pfänder, die von der Bank von England gehalten werden), „als der Besitz der britischen Banken insgesamt wert ist.“
Das könne nicht unbegrenzt so weiter gehen, räumte King ein, aber die Regierung habe keine andere Wahl, als die Banken wieder mit Kapital auszustatten. Dabei, behauptete er, gehe es nicht so sehr darum, „die Banken als solche zu retten, sondern darum, den Rest der Wirtschaft vor den Banken zu schützen“. Die Banken hätten sich zu sehr auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland, vor allem kurzfristige Gelder, verlassen, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Und genauso, wie auch die Länder der Dritten Welt Kapitalflucht erlebten, seien „diese externen Zuflüsse scharf gefallen - eine milde Form der Umkehrung des Kapitalzuflusses, wie sie eine Reihe aufstrebender Marktwirtschaften in den neunziger Jahren erlebte.“ Gebe es keinen Ersatz durch andere Formen äußerer Finanzierung, so King, werde die Wirtschaft in der Rezession verbleiben.
Lyndon LaRouche sagte am 17. Oktober, jetzt sehe man einen „Krieg der Hedgefonds gegen den Rest der Welt“. Diese Kreise versuchten verzweifelt, ihre Probleme zu lösen und ihre eigenen kriminellen Machenschaften zu vertuschen, und Gnade jedem, der ihnen dabei in die Quere komme. Regierungen und alle anderen sollten jetzt dafür bezahlen, indem sie „den Müll“ übernehmen. Die Methode dieser Finanzspekulanten basiere auf dem Modell „Michael Milken“. Auch wenn Alan Greenspan diese Methoden „legalisiert“ habe, bliebe es „legalisiertes Verbrechen“. Es gebe keinerlei moralisches Recht, aufgrund dessen Hedgefonds Unterstützung erwarten könnten. Betrachte man den Zustand der Menschheit, zeige sich, daß diese Spekulationsmethoden zu „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ geführt hätten. Diejenigen, die dieses bankrotte System jetzt verteidigten, machten sich, ob bewußt oder unbewußt, selbst zu Mitschuldigen an diesen Verbrechen. Jetzt gebe es nur die Wahl: „Zivilisation oder Hegdefonds“.
Die Geschichte wird zeigen, wofür sich die Regierungen am 15. November entscheiden.
Alexander Hartmann
Lesen Sie hierzu bitte auch: Neoliberales Dogma ist gescheitert: Jetzt auf Lyndon LaRouche hören! - Neue Solidarität Nr. 43/2008 Bankenkrach trifft Europa: Der Anfang von Ende der Londoner City - Neue Solidarität Nr. 42/2008 Keinen Cent für die Pleite- Banken! Der italienische Senat greift LaRouches Plan auf - Neue Solidarität Nr. 40/2008 Weltfinanzsystem vor der Kernschmelze - Jetzt ein Neues Bretton Woods! - Neue Solidarität Nr. 29/2008 „Britisch-imperiale Freihandelslehre“ ist am Ende - Jetzt eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung! - Neue Solidarität Nr. 24/2008 |
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