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Aus der Neuen Solidarität Nr. 42/2008 |
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Sind Sie neotenisch?
Die folgende Grundsatzschrift erschien im englischen Original am 1. September 2008; wir veröffentlichen sie in mehreren Teilen.
Wenn wir uns jetzt Eurasien und besonders der Rolle der eurasischen Nation Rußland in Asien zuwenden, darf man dabei nicht aus den Augen verlieren, daß es in diesem Kapitel um eine Situation geht, in der die „68er-Generation“ mit ihrem strategischen Neotenie-Faktor ein entscheidender Faktor der Weltkrise von 1968-2008 ist und in mehreren Regierungen eine bestimmende Rolle einnimmt. Dieser 68er- oder Neotenie-Faktor ist entscheidend, um zu verstehen, warum gegenwärtig weithin der blanke Wahnsinn herrscht: in der amerikanischen Regierung und den großen Parteien der USA (dabei spielen der britische Rüstungskonzern British Aerospace (BAE) und Saudi-Arabiens im Hintergrund eine wichtige Rolle) wie auch auf den internationalen Finanzmärkten.
In den siebziger Jahren habe ich mich einmal in New York mit einem Israeli getroffen, der seit Jahrzehnten ein hochgeehrter Staatsmann seines Landes war. An einer Stelle des Gesprächs mahnte er zur Vorsicht: Man dürfe nicht vergessen, daß einige Staatsführer der Region (um die sich unsere Unterhaltung drehte) „klinisch verrückt sind“ - ich konnte nur zustimmen.
Die Rolle Rußlands in Eurasien ist als Phasenraum ein Unteraspekt einer Weltlage, die durch den „68er“-Faktor geprägt ist, besonders in Nord- und Südamerika sowie West- und Mitteleuropa. Schlimmer als ein einzelner verrückter Staats- oder Regierungschef ist eine gesamte verrückte Schicht mit beherrschendem Einfluß in mehreren Regierungen, so wie das neotenische 68er-Element in maßgeblichen Institutionen wichtiger Regierungen heute. Der jüngste Zwischenfall in Georgien sollte uns in Erinnerung bringen, daß Rußland sich heute diesem Wahnsinn entgegenstellt, und das nicht nur in Georgien.
Als US-Bürger sorge ich mich um die Sicherheit Rußlands, einer Nation, die ein wichtiger Partner der Vereinigten Staaten sein sollte. Insofern ist Rußlands wirtschaftliche Sicherheit ein wichtiger Teil des strategischen Eigeninteresses der USA. Meine Sorge gilt dabei nicht Rußland allein. Rußland muß in der gegenwärtigen und zukünftigen Wirtschaft der ganzen Welt eine wichtige realwirtschaftliche Rolle spielen, und ein Mangel an Fortschritt in dem Bereich ist auch für die Vereinigten Staaten von Bedeutung. Mich beunruhigt der Mangel an wirklichen Erfolgen des modernen Rußlands im Bereich seiner nichtmilitärischen Produktion und, daraus folgend, die übermäßige Abhängigkeit der russischen Volkswirtschaft von ihren Rohstoffen, auch wenn diese zugegebenermaßen große Schätze sind.
Das ist ein russisches Problem; besonders beunruhigend ist aber, daß die Folgen im wesentlichen global sind. Das ist so, weil Rußland im gesamten System wirtschaftlicher Entwicklung des eurasischen Kontinents das entscheidende Element bildet, und seine Kapazitäten in der Landwirtschaft und in der Industrie mit ihrem hochwertigen Maschinen- und Anlagenbau sind als dringend benötigte, maßgebliche Faktoren für das Überleben der ganzen Weltwirtschaft zu betrachten.
Das entscheidende konzeptionelle Problem, das ich an dieser Stelle des Aufsatzes behandle, fällt in der Volkswirtschaftstheorie meistens unter den Tisch, und das ist typisch für die maßgebenden Buchführungs- und Wirtschaftssysteme fast überall auf der Welt heute. Beispielsweise scheint bis heute keine Nation verstanden zu haben, was „Profit“ wirklich bedeutet. Wegen des Einflusses monetaristischer Kreise der Finanzbuchführung auf das heutige Denken hinter Wirtschaftstheorien und der Wirtschaftspolitik von Regierungen ist die heutige Volkswirtschaftslehre von vornherein unfähig zur Lösung der Aufgaben, die sich aus den physischen Erfordernissen pro Kopf und Quadratkilometer Landfläche ergeben.
Eine andere Beschreibung dieses Problems ist: Mangel an wirklicher, individueller, menschlicher Kreativität.
Die Welt, in der wir seit den Finanzkrisen von 1997-98 leben, ist eine andere Welt als zuvor. Der Kurs der Weltwirtschaft war zwar schon seit 1968-73 ziemlich abwegig, doch der weitere Verfall führender Institutionen und die Machtverlagerung in Staat und Wirtschaft auf die Nachkriegs-68er-Generation ließ im Weltwirtschaftssystem einen Faktor reinen Wahnsinns aufsteigen. Im Zuge der internationalen Veränderungen durch den höchst zerstörerischen Einfluß der Trilateralen Kommission auf die monetär-finanziellen und wirtschaftlich-sozialen Systeme der Welt breitete sich in den bereits schlechten Systemen von Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre der Wahnsinn aus. Es begann mit einem Krebsgeschwür im Körper des Patienten, heute besteht der ganze Patient nur noch aus Krebs.
Das Problem besteht heute darin, daß wirkliche wissenschaftliche und andere Kreativität in der Sprache der von Regierungen oder Ökonomen praktizierten Volkswirtschaftslehre nicht einmal mehr ansatzweise vorkommt. Bei näherem Hinsehen bedeutet „Wirtschaftswissenschaft“ in den führenden Wirtschaftskreisen der meisten Nationen gewöhnlich bloß eine Tradition trockener Finanzbuchhaltung oder die Verkaufsmasche eines Scharlatans, der sich zur Erbauung der Leichtgläubigen zurechtgemacht hat - vielleicht in ein schlecht sitzendes, mit ein paar affigen Rüschen verziertes Clownkostüm. Unter den sich nun weiter verschlechternden Bedingungen grenzt inzwischen sogar die traditionelle Buchhaltung an Wahnsinn.
Das Zauberwort, das am besten ausdrückt, was den Fachleuten der meisten Nationen fehlt und selbst schon vor den Entwicklungen Ende der sechziger und in den siebziger Jahren fehlte, heißt „Kreativität“. Schöpferisches Denken, die zentrale Frage dieses Berichts über notwendige Wirtschaftsmaßnahmen, läßt sich am besten als der absolute Unterschied zwischen Mensch und Tier definieren und beschreiben. Das hier von mir angesprochene Problem hat seinen Ursprung im Mangel an dieser Art von Kreativität. Selbst unter Staatsführern sowie auch vielen Wissenschaftlern mangelt es an dem Wissen, das der olympische Zeus den Menschen vorenthielt, wie es der große klassische Dramatiker Aischylos in seinem Stück Der gefesselte Prometheus dargestellt hat.
Solange es in der sich bereits zuspitzenden Krisensituation Ende der sechziger Jahre noch reale Produktivitätszuwächse gab, solange die bemannte Mondlandung in der Volksmeinung noch ein Thema war, gab es in der Politik ein Element der Vernunft, aber das ist im Laufe der Regierungszeit von Präsident Carter immer mehr verschwunden. Je mehr sich „Umweltschutz“ und „Globalisierung“ verbreiteten, desto schneller ging der Faktor traditioneller Urteilskraft den Bach hinunter. Der verderbliche Faktor war allerdings im Prinzip ein sehr alter, wie uns die klassische griechische Tragödie vor Augen führen sollte.
In Der gefesselte Prometheus hatte Aischylos den olympischen Tyrannen Zeus dargestellt, der Prometheus folterte, weil der das „Verbrechen“ begangen hatte, den sterblichen Menschen das Wissen über den Gebrauch des „Feuers“ weiterzugeben. Tatsächlich regierten in der wirklichen Geschichte in den meisten Gesellschaften Einrichtungen, die wie der olympische Zeus des Dramas der Masse der Bevölkerung untersagten, die Naturgesetze, die der Kategorie des „Feuers“ in dem Drama entsprechen, für sich zu entdecken.
Was sich „Globalisierung“ nennt, ist ein Schwindel, der auf eine ähnliche menschenverachtende Wirkung abzielt. Die erklärte Absicht britischer und anderer Ideologen hierbei ist, jede Nation von der Produktion anderer Nationen abhängig zu machen, selbst was die Nahrungsmittelversorgung und sonstigen Lebensunterhalt angeht. Es ist der Plan für einen weltweiten „Turmbau zu Babel“, worin sich Finanzspekulanten breit machen und Jagd auf die Warenströme zwischen Landwirt und Verbraucher machen: Dem Erzeuger wird der geringste Betrag bezahlt, aber dem Verbraucher am Ende der Warenkette werden die höchsten Preise abverlangt.
In den meisten Gesellschaften und ihren Kulturen, die uns einigermaßen bekannt sind, eingeschlossen die meisten europäischen Nationen und die USA heute, wird das schöpferische Potential der Menschen aber nicht nur in den sogenannten unteren Gesellschaftsschichten unterdrückt; selbst die mächtigsten herrschenden Kreise sind zwar in mancher Hinsicht besser informiert, kennen aber nicht wirklich die Prinzipien der Kreativität, die der olympische Zeus unterdrückte.
Da Kreativität im wesentlichen eine Frage sozialer Beziehungen und des gesellschaftlichen Fortschritts ist, findet man die beste Einsicht in dieses Problem gewöhnlich nicht unter heutigen Naturwissenschaftlern, sondern in den großen klassischen Tragödien des antiken Griechenlands und in den Dramen Shakespeares und Friedrich Schillers in der Neuzeit. Es ist wie in Homers Ilias oder den großen klassischen Tragödien der Griechen: Die sterblichen Mitglieder der Gesellschaft, und zwar gewöhnlich von den höchsten politischen Rängen bis zu den untersten sozialen Gruppen, sind Opfer von für sie „unsichtbaren Kräften“. In der Ilias entsprechen diese Kräfte den eingebildeten bösen Göttern, welche die Sterblichen beherrschen, und ein vergleichbares Verständnis von Tragödie kommt bei den klassischen griechischen Dramatikern oder in den Personen sämtlicher Tragödien Shakespeares zum Ausdruck.
Das wahre Prinzip der klassischen Tragödie - im Gegensatz zur Romantik - liegt darin, daß sich praktisch die gesamte Gesellschaft selbst dem Untergang weiht, indem sie an falschen Denkgewohnheiten und übernommenen Ansichten festhält. Dies hindert praktisch alle Mitglieder der Gesellschaft daran, den offensichtlichen Weg einzuschlagen, sich selbst und die Gesellschaft aus dem Griff der Gewohnheiten und Ansichten zu befreien, die diese Gesellschaft in die Selbstzerstörung führen anstatt - ein Beispiel ist Don Carlos bei Schiller und Verdi.20
So verurteilte die Tragödie der europäischen Zivilisation in der Zeit seit der Entlassung des Reichskanzlers Otto von Bismarck 1890 - eine Entlassung im Interesse des Onkels des Kaisers, des Prinzen von Wales Edward Albert - Europa zu zwei Weltkriegen, dem Aufstieg Mussolinis und Hitlers, dem sogenannten „Kalten Krieg“ von 1945-1989 und der Gefahr eines neuen „Weltkriegs“ heute. Der typische tragische Dummkopf hat heute darauf die Reaktion: „Welches Britische Empire? Ich sehe kein Britisches Empire.“
Es ist nicht Unwissenheit als solche, die zu solchen Tragödien im wahren Leben oder auf der klassischen Bühne führt, sondern der Sophismus vertrauter Ansichten oder sogenannter „altehrwürdiger Traditionen“ - so wie die Sterblichen in der Ilias oder den späteren griechischen Tragödien an die Existenz und den Willen der „Götter“ glaubten.
Diese Art „traditionalistische“ Unterdrückung des schöpferischen geistigen Potentials fast der gesamten Bevölkerung war kennzeichnend für alle bekannten imperialen Systeme Westasiens und ihrer europäischen Nachfolger seit dem bösartigen Delphi-Kult von Gaia-Python oder Apollo-Dionysus. Sie war das Hauptmerkmal des Römisches Reichs, von Byzanz, der venezianisch-normannischen Ordnung der Kreuzfahrer und ihrer venezianischen Kredithaie im Mittelalter und der Bestrebungen zur Wiederauflage solcher Imperialsysteme wie dem anglo-holländischen liberalen Finanzimperium in der Neuzeit.
So knebelte und zerstörte sich die Gesellschaft immer wieder selbst, nur um die heidnischen Hausgötter, wie sie im Pantheon jeder Kultur vorkamen, bei Laune zu halten.
In Imperialismus liberaler Prägung, wie ihn Paolo Sarpi in der nordeuropäischen Kultur des anglo-holländischen imperialen Liberalismus entwarf, tauchte die gleiche Unterdrückung echter schöpferischer Fähigkeiten des einzelnen in einer etwas neuen Gestalt auf. Das Wort von der „Magie des Marktes“ ist typisch für die heutige sophistische Unterdrückung des Wissens über die Rolle menschlicher Kreativität bei der Erzeugung der physischen und kulturellen Neuerungen, auf denen die Zunahme der Arbeitsproduktivkraft pro Kopf und pro Quadratkilometer Landfläche beruht.
Um diese heute vordringlichen Ziele zu erreichen, müssen wir alle Überreste der inhärent tragischen Politik der „Globalisierung“ beseitigen und statt dessen den vollkommen souveränen Nationalstaat und seine Kultur wieder in den Mittelpunkt stellen, jedoch ausgehend von dem Prinzip des Westfälischen Friedens von 1648. Anders gesagt, ein System jeweils souveräner Nationalstaaten, die durch das gemeinsame Prinzip des „Vorteils des anderen“ zusammengebunden sind.
Das stellt uns gemeinsam vor vier große Aufgaben für den ganzen Planeten:
1. Anhebung der Lohnkosten auf ein für die nationale Produktivität notwendiges Niveau, wo die Preise nicht mehr im „Wettbewerb“ soweit nach unten getrieben werden, daß einige Nationen - praktisch die große Mehrheit der Menschheit - es sich nicht leisten können, für die ärmeren achtzig Prozent ihrer Bevölkerung durch angemessene Beschäftigung einen zeitgemäßen Lebens- und Beschäftigungsstandard aufzubauen. Das bedeutet für die Produktion einen hohen Zuwachs an wissenschaftlich-technischem Fortschritt pro Kopf und pro Quadratkilometer. Das wird erreicht, indem man die geringfügige Erhöhung der garantierten Preise in die Steigerung der Produktivität aller Bevölkerungsteile, besonders auch der derzeit Ärmsten, investiert.
2. Nutzung der Rohstoffe auf eine Weise, daß allen Nationen ein angemessener Zugang garantiert wird, so daß sie Rohstoffe zur Verfügung haben, die sie zur Anhebung des Lebensstandards des Großteils ihrer Gesamtbevölkerung brauchen.
3. Die Erschließung von Rohstoffen auf dem gesamten Planeten muß zum Nutzen der Bevölkerung sämtlicher Nationen vorangetrieben werden.
4. Der wissenschaftliche Fortschritt, der erforderlich ist, um diese Ziele zu erreichen, muß entsprechend gefördert werden.
Das Territorium Rußlands und der angrenzenden eurasischen Nationen samt der umliegenden Gewässer spielt eine entscheidende Rolle für die Erschließung neuer Rohstoffe und die wissenschaftlichen Fortschritte, die asiatische Nachbarländer brauchen. Entscheidend ist hier nicht der Zugang zu der Landfläche, wo diese Ressourcen liegen, sondern der qualitative wissenschaftliche Fortschritt, der erforderlich ist, um diese Ressourcen zu fördern und so weiterzuverarbeiten, daß sie Rußland und seinen Nachbarn förderlich sind.
In Rußland selbst sehen wir heute eine Unterentwicklung des früher ziemlich einzigartigen Potentials in vielen Bereichen von Wissenschaft und Technik, und das lenkt unser Augenmerk auf die verheerenden Zerstörungen und schlimmen Folgen der Ausplünderung des Territoriums und der Wissenschaftseinrichtungen der früheren Sowjetunion während eines Großteils der neunziger Jahre.
Letztlich ist es ein abenteuerliches Unterfangen, wirtschaftliche Ziele auf eine übermäßige Ausbeutung sogenannter „Bodenschätze“ zu beschränken. Ich führe hier weiter aus, was ich in meinem jüngst erschienenen Aufsatz „Die Wirtschaftsdebatte über Rußland“21 erläutert habe. Es ist für Rußland und seine Nachbarn von entscheidender Bedeutung, daß Rußland mit seinen Rohstoffen von einem fortgeschrittenen wissenschaftlichen Standpunkt umgeht. Die Gefahr besteht darin, daß die Abhängigkeit von Einkünften aus dem reinen Rohstoffexport bereits mittelfristig ein extrem problematischer Weg ist. Es muß wieder ein Gleichgewicht hergestellt werden; ehrgeizige Zielsetzungen für den wissenschaftlichen Fortschritt für die Produktion und die Ausweitung der produktiven Basis müssen wieder einen höheren Stellenwert erhalten - nicht bloß aus wirtschaftlichen Gründen, sondern für die weitere gesamtkulturelle Überlebensfähigkeit Rußlands überhaupt.
Wie ich bei früheren öffentlichen Gelegenheiten wie meiner berühmten Rede im Berliner Hotel Kempinski am 12. Oktober 1988 geäußert habe, war mir all dies schon damals klar, als ich an wichtigen politischen Gesprächen über die zukünftige Zusammenarbeit der Sowjetunion mit den USA und Europa teilnahm (siehe auch S. 11 dieser Ausgabe - d. Red.). Diese Option existierte durchaus, doch die USA, England und Frankreich unter Präsident Mitterrand wählten den Weg rücksichtsloser Plünderung der ehemaligen Sowjetunion und auch Deutschlands und der früheren Comecon-Staaten - was vor allem durch das Maastricht-Abkommen und weitere gegen Kontinentaleuropa und auch gegen Rußland gerichtete Regelungen erreicht wurde. Bei dieser Plünderung kam den Briten ihr Agent George Soros sehr zu Hilfe, der das Europäische Währungssystem ruinierte. Ohne das hätten sich die Lebensbedingungen in wichtigen Teilen des europäischen Kontinents verbessert - im Gegensatz zu der mörderischen wirtschaftlichen Vergewaltigung Deutschlands und der ehemaligen Comecon-Staaten während dieses Jahrzehnts und länger, hinter der Soros’ Komplizen standen.
Meine Prognose der Haupttrends bis 1989 lag den Nationen seit 1983 vor,22 als ich voraussagte, es bestehe die Gefahr eines sowjetischen Wirtschaftszusammenbruchs „in etwa fünf Jahren“, wenn bis dahin nicht bestimmte Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Der Zusammenbruch, vor dem ich gewarnt hatte, kam nach sechs, nicht fünf Jahren, doch kein anderer, der in der Öffentlichkeit bekannt gewesen wäre, äußerte auch nur eine Ahnung, daß es zu einer solchen Entwicklung kommen würde. Selbst als ich im Oktober 1988 prognostizierte, es werde Anfang 1989 zu einer Krise in Polen kommen, die zum Zusammenbruch des Comecon und dann Rußlands führen könne, war in der amerikanischen Regierung unter meinem persönlichen Feind Präsident George Bush senior nicht die leistete Ahnung sichtbar, daß solche Entwicklungen unmittelbar bevorstanden.
Infolge der Ignoranz und gröbsten Fehler der USA und West- und Mitteleuropa seit 1989 sind diese osteuropäischen Nationen im Vergleich zu ihrem vormaligen Zustand jetzt ausgeraubte, ruinierte Hungerleider.
Aus der Sicht informierter und kompetenter amerikanischer Kreise ist heute eine wirtschaftliche Partnerschaft zwischen den USA und Rußland auf gleichberechtigter Grundlage eine unverzichtbare Voraussetzung nicht nur für das Wohlergehen dieser beiden Nationen, sondern für die ganze Welt.
Die Verrücktheiten, die heute in bestimmten Kreisen in den USA zugegebenermaßen verbreitet sind, muß man dabei sicherlich berücksichtigen, aber man muß sich auch darauf vorbereiten, sie abzuschütteln. Zwischen Rußland und den USA sowie mit anderen Teilen dieser Erde muß es zu einer Zusammenarbeit auf Grundlage eines erneuerten Prinzips des Westfälischen Friedens kommen. Was der große Benjamin Franklin einmal über die Beziehungen unter den vom bösartigen Britischen Empire bedrohten nordamerikanischen Kolonien äußerte, sollten auch die Vertreter der USA und Rußlands heute sagen: „Wir müssen uns zusammenhängen, sonst hängen wir zusammen.“
Das verdeutlicht ein übergreifendes Prinzip: Das gemeinsame Interesse der USA, Rußlands, Chinas und Indiens steht beispielhaft für das Prinzip, das wir einvernehmlich aufbieten müssen, um die souveränen Nationalstaaten dieser Erde zusammenzubringen.
Das als Erläuterung vorausgeschickt, sei festgestellt, daß die meisten Kreise in den USA, die als gut informiert gelten können, übereinstimmend der Ansicht sind, daß das notwendige Gleichgewicht zwischen Rohstofferschließung, Landwirtschaft, Industrie, Wissenschaft und grundlegender wirtschaftlicher Infrastruktur in der Ausrichtung der russischen Politik derzeit nicht vorhanden ist. Das ist keine Frage einer amerikanischen Forderung gegenüber Rußland, sondern eine wohlbegründete Sorge um das Wohlergehen Rußlands als wichtigem Partner. Wir haben ein gegenseitiges Interesse an Rußlands Erfolg in diesen Bereichen und sollten diese Fragen entsprechend erörtern. Vergessen wir im Moment die Briten und ihre ideologischen Partner; wir als zivilisierte Menschen müssen die moralische und intellektuelle Führung übernehmen, um in Angriff zu nehmen, was kommende Generationen als „die gemeinsamen Ziele der Menschheit“ betrachten sollten.
Im Schlußsatz seiner berühmten Habilitationsschrift warnt Professor Bernhard Riemann, man müsse die mathematischen Probleme, die er im vorangegangenen Teil der Dissertation identifiziert hatte, aus dem Bereich der Mathematik in den der Physik hinüberführen. Seither hat unter den Wissenschaftlern nur eine Minderheit - Gegner des modernen Positivismus und von Bertrand Russells Zahlenbegeisterung, wie z.B. Max Planck und Albert Einstein - die umfassendere Bedeutung dieses Schlußsatzes der Habilitationsschrift verstanden. Wer Aischylos’ Gefesselten Prometheus studiert hat, sollte verstehen, worauf ich hinaus will.
Statt dessen belagert man uns in den Hörsälen der Universitäten und anderswo mit dem dummen und willkürlichen Begriff des sogenannten „Imaginären“ - dem Dogma von Paolo Sarpi und seinen ideologischen Nachkommen von der empiristischen Schule, wie Abraham de Moivre, D’Alembert, Leonhard Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy etc. Durch den Einfluß von Reduktionisten wie den modernen Empiristen, Positivisten oder der radikalen Schule der Anhänger Bertrand Russells oder ähnlicher Nachfolger der antiken Sophisten ging die Idee des universellen Prinzips und seines formalen Ausdrucks in mathematischer Form in den meisten Hörsälen verloren. Obwohl Albert Einstein in der Hinsicht ausdrücklich warnte, ging dieses Verständnis sogar unter den anerkannten Wissenschaftlern verloren.
Bei der praktischen Frage der Wirtschaftswissenschaft dreht es sich darum, was der Begriff eines universellen Naturprinzips in der Realität ontologisch bedeutet - Einstein betonte in der Hinsicht, das physische Universum sei begrenzt, aber ohne äußere Grenzen. Den Dreh- und Angelpunkt dieser von den alten Griechen herkommenden Ideen, denen Nikolaus von Kues und seine Nachfolger zur Wiedergeburt verhalfen, bildet für Klassenzimmer und Hörsaal der Neuzeit - wie Einstein betonte - das Thema der ursprünglichen Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation durch Kepler. Dort ist die Beziehung zwischen den universellen Prinzipien, die das Universum experimentell als begrenzt definieren, mit dem ontologisch infinitesimalen Ausdruck dieses Prinzips in der experimentellen Praxis gekoppelt. Wie Einstein in der Bedeutung von Keplers Entdeckung für heute erkannte, spiegelt sich diese Beziehung in der individuellen menschlichen Erfahrung als Begriff der Kreativität wider. Die Entdeckung eines solchen Prinzips, das die Erfahrung aus dem begrenzteren Bereich des früheren experimentellen Wissens heraushebt, steht beispielhaft für die Eigenschaft des menschlichen Geistes, die ontologisch dem Begriff der menschlichen Kreativität entspricht, welche das geistige Potential jedes Menschen vom begrenzten Verhalten niederer Lebensformen unterscheidet.
Das Problem, das sogar naturwissenschaftlich Gebildete oft daran hindert, den Begriff der experimentell nachgewiesenen Existenz einer antientropischen Kreativität zu begreifen, besteht in der Indoktrinierung in den reduktionistischen Methoden in der Geschichte der Mathematik, seit dem aprioristischen, aristotelischen Betrug der Elemente des Euklid oder vergleichbaren intellektuellen Hindernissen.
Ontologisch ist Kreativität der experimentelle Nachweis der Existenz eines wirkenden, „beherrschbaren“ Prinzips jenseits des Bereiches, der bis dahin als Selbstbegrenzung der Realität galt. Leider sind die Leute heutzutage im Klassenzimmer und auch im Hörsaal in dieser Frage oft so dumm wie Bohnenstroh.
Zur Veranschaulichung, inwiefern die hier behandelten Fragen für Wirtschaft und Gesellschaft relevant sind, erlaube ich mir das folgende, zugegebenermaßen niedliche Bild.
Wären Sie beispielsweise ein Kapitän Nudnik von der Wega, der zum ersten Mal auf die menschliche Gattung auf der Erde stößt - woran würden Sie den Unterschied zwischen Männern und Frauen einerseits und den Tieren andererseits erkennen? Nehmen wir an, Sie spielten die Rolle dieses Kapitän Nudnik, und Ihnen wäre die Aufgabe zugeteilt, eine intelligente Gattung heranzuzüchten, die sie aus der Fauna der Erde auswählen sollen. Nudnik kann die Erdsprachen nicht sprechen - wie würde er erkennen, wer was ist?
Er könnte sich auf einen Begriff stützen, der typisch ist für die Kreise, mit denen Julian Huxley beruflich verbunden war: die potentielle relative Bevölkerungsdichte. Betrachten Sie nun die drei offensichtlichen Freiheitsgrade, in denen der absolute Wesensunterschied zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck kommt.
In der Ökologie der Tiere herrscht ein Gleichgewicht zwischen den Gattungen, die auf einem bestimmten Territorium leben: Für jede Gattung gibt es (gegenüber den anderen) einen klar definierbaren Phasenraum, der eine variable, relative Randbedingung darstellt, innerhalb derer das Bevölkerungspotential fix ist (z.B. zwischen den Füchsen und ihrer Beute, genannt Hasen). Für die Menschheit existiert keine begrenzende Funktion dieser Art - für sie gilt eine andere Art der Grenzfunktion.
Für den Menschen gibt es zunächst die Variabilität der Funktion der einfachen Pro-Kopf-Werte gegenüber der Umwelt. Indem sich die Fähigkeit des Menschen zu technischen Neuerungen äußert, ändert sich diese Funktion in einer Weise, wie dies bei keiner der niederen Lebensformen der Fall ist. Auf einer zweiten Ebene kann der Mensch durch Entdeckungen von Prinzipien für seine Technik das Aufbrauchen eines zuvor notwendigen Elements seiner Umwelt ausgleichen. Auf einer dritten Ebene schafft der Mensch gänzlich künstliche Umgebungen, sogar soweit, daß er neue Elemente erzeugt, die zu bestimmenden Aspekten der neuen Umgebung dieser Gesellschaft werden.
Der menschliche Geist kann durch eine in niederen Lebensformen nicht vorhandene schöpferische Fähigkeit sein Verhalten auf eine Weise ändern, die mit der Entdeckung fundamentaler Naturprinzipien verbunden ist. Diese Prinzipien verändern die Mentalität der Menschen so, wie man es sonst nur bei der Evolution zu einer qualitativ höheren, neuen Gattung erwarten würde.
Diese Kraft des menschlichen Geistes ist unter allen lebenden Gattungen einzigartig. Diese kognitive Aufwärts-Evolution des menschlichen Geistes, wie sie sich in der Wissenschaft und der klassischen Kunst äußert, bildet den Ursprung der qualitativen Steigerung der potentiellen, relativen Bevölkerungsdichte der menschlichen Gattung.
Diese evolutionäre Entwicklung durch die menschliche Kreativität nimmt zwei generelle, kategorische Formen an, die Naturwissenschaften und klassischen Formen der Komposition in der Kunst. In beiden Fällen ist es die gleiche Fähigkeit des menschlichen Geistes; der Unterschied liegt in der Anwendung. Im einen Fall verändert der menschliche Geist das Einwirken der menschlichen Gesellschaft auf die Natur, im anderen bildet der soziale Prozeß der Übermittlung von Ideen das Medium und den Modus der Kreativität.
Hinsichtlich der realwirtschaftlich-produktiven Seite dieser Angelegenheit wird leichter erkannt, wie Innovationen am Produktionsort die Produktivität steigern. Aber die bedeutendsten Wirkungen vollziehen sich im Bereich der generellen, grundlegenden Infrastruktur der Wirtschaft - so wie etwa die Wirkung des Übergangs von der Solarkraft zur höheren Ebene der chemischen Verbrennung und zum (pro Tonne verbrauchten Brennstoffs) weit effizienteren Einsatz der Kernkraft oder die Nutzung physisch effizienterer Verkehrsmittel wie Eisenbahn oder Magnetbahn gegenüber den Automobilen. Der größte Teil des Produktivitätszugewinns ergibt sich aus den Auswirkungen der Verbesserung der grundlegenden Infrastruktur der Wirtschaft auf die reale Produktion und aus der Förderung der Entwicklung der Erkenntniskraft des menschlichen Geistes, die fast ausschließlich durch wissenschaftliche oder klassisch-künstlerische Aktivität erreicht wird.
Es liegt beim Ökonomen, in dieser Frage der Wirkung der menschlichen Kreativität auf die Erhöhung der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte ebenso intelligent zu werden wie jener legendäre aufmerksame Beobachter Kapitän Nudnik.
Schließlich ist für einen armen Nudnik, der hier auf der Erde gestrandet ist und sonst nicht viel zu tun hat, keine Beschäftigung seinen Umständen so angemessen wie das Studium und die Förderung des schöpferischen Verhaltens der Menschen.
Die wichtigste wirtschaftliche Aktivität in der Produktion ist die Herstellung der Produktionsmittel selbst. Letztere einzuschränken, beispielsweise als „Sparmaßnahme“, um statt dessen Automobile zu bauen, ist daher realwirtschaftlich betrachtet völlig inkompetent. Deshalb haben umgekehrt die Nebenprodukte von Kennedys Mondlandungsprogramm das meiste zur realen Rendite der Investitionen praktisch in der gesamten realwirtschaftlichen Produktion in den USA in der betreffenden Zeit beigetragen.
Daher war es auch wirtschaftspolitisch eine große Idiotie, den vor allem mit der Autoindustrie verbundenen Maschinenbausektor in Amerika nicht über die Autoindustrie selbst zu stellen. Man sah fälschlich den größten wirtschaftlichen Nutzen im Bau von Automobilen statt im technologisch höherwertigen Maschinen- und Anlagenbau und der Schaffung nötiger grundlegender Infrastruktur der Wirtschaft. Dabei ist es nicht die Infrastruktur an sich, die den Nutzen schafft; aber eine gebührenfreie öffentliche Infrastruktur steigert die Arbeitproduktivkraft pro Kopf und pro Quadratkilometer für die Gesellschaft als ganze netto mehr als irgendeine Investition am eigentlichen Ort der Produktion. Ähnliches gilt für die Beschäftigung klassischer Künstler und Naturwissenschaftler und eine immer bessere universelle Krankenversorgung und Rentensysteme - alle humanen Aspekte der wirtschaftlichen Infrastruktur insgesamt müssen zusammen mit den Wissenschaften und dem Maschinenbau die höchste Priorität bei den Ausgaben und Investitionen in allen Sektoren der Gesellschaft genießen.
Der Weg zu einer höheren Produktivität besteht nicht im unmittelbar höheren Produktionsausstoß einiger, sondern im Aufbau des allgemeinen Umfelds in der Gesellschaft als ganzer. In der Entwicklung einer solchen Gesellschaft konzentriert sich der große Katalysator steigender Produktivität.
Anmerkungen
20. Schiller und Verdi: „Hüte dich vor dem Großinquisitor!“
21. Siehe Neue-Solidarität-Sonderausgabe, 23. Juli 2008.
22. Ich habe diese Prognose zuerst Ende Februar 1983 in vertraulichen Gesprächen mit sowjetischen Vertretern abgegeben, die an diesen amerikanisch-sowjetischen Sondierungsgesprächen beteiligt waren. Als diese Gespräche im späten Frühjahr unangenehm wurden, wiederholte ich die Prognose öffentlich, aber ohne mich dabei auf die Februar-Gespräche selbst zu beziehen. In dieser Phase des Spiels war ich noch gehalten, möglicherweise klassifizierte Unterlagen nicht offenzulegen.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Was läuft falsch in Europa? Sind Sie neotenisch? - 2. Teil - Neue Solidarität Nr. 41/2008 Was läuft falsch in Europa? Sind Sie neotenisch? - 1. Teil - Neue Solidarität Nr. 40/2008 Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006 - Internetseite des Schiller-Instituts Was Lyndon LaRouche wirklich sagt - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees - in englischer Sprache |
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